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Die Tudors – Englands Weg in die moderne Gesellschaft (1485-1603)

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Die Tudors – Englands Weg in die moderne Gesellschaft (1485-1603) Empty Die Tudors – Englands Weg in die moderne Gesellschaft (1485-1603)

Beitrag von Wallenstein Mo Aug 03, 2015 12:25 pm

Im 16. Jahrhundert vollzogen sich auf der bis dahin eher unbedeutenden britischen Insel unter der Tudor Dynastie gewaltige Umwälzungen, deren Tragweite damals vielen nicht bewusst war und die auch nicht gesteuert wurden.  Aber in dieser Zeit entstand der modere Kapitalismus als neues Wirtschaftssystem mit all seinen Implikationen.

Zur Definition: Charakteristisch für kapitalistische Wirtschaftssysteme ist die Trennung in eine kleine Gruppe privater Verfügungsberechtigter über Produktionsmittel, bei denen die maßgeblichen Entscheidungsbefugnisse liegen, und die erheblich größere der Nichteigentümer, die keinen nennenswerten Anteil an den Entscheidungen über die Produktion haben. Es braucht also: Kapitaleigentümer und Lohnarbeiter.

Fernerhin: kapitalistische Wirtschaftssysteme lassen sich als „Marktwirtschaften“ kennzeichnen, da die einzelnen Wirtschaftspläne der Unternehmer und auch Konsumenten vorwiegend über Marktsignale koordiniert werden. Dieser Markt sollte nicht reglementiert sein, damit sich Wettbewerb und Innovationen entwickeln können

Und es muss Leute geben, die Geld als Kapital benutzen. In früheren Epochen wurde Vermögen entweder konsumiert oder diente der Schatzbildung. Benutzt  man aber Vermögen  als Kapital, ist nicht das Bedarfsprinzip kennzeichnend, sondern das Erwerbsprinzip. Geld soll mehr Geld einbringen. Dafür muss man es investieren.

Damit sich Kapitalismus bilden kann, braucht es schon eine gewisse Arbeitsteilung, eine einfache, durch Geld vermittelte Warenproduktion und sicheres Privateigentum.

All dies hatte sich in England schon seit dem 13. Jahrhundert herausgebildet. Die Bauern waren zumeist Pächter, die ihre Überschüsse gegen Geld  verkauften. Die Feudalherren zogen ihre Renten von den Pächtern in Geldform ein. Es gab schon viele lokale Märkte, die Entfernungen zwischen Produzenten und Konsumenten  waren klein, es gab fast keine Binnenzölle, es existierte ein einheitliches Münzsystem.

Im 15. Jahrhundert hatten sich in den sogenannten Rosenkriegen die Angehörigen des Hochadels weitgehend gegenseitig ausgerottet. Dies führte zum Aufstieg der Gentry, kleine adlige Grundbesitz, die kommerziell orientiert waren und Schafzucht für den Binnenmarkt und das Ausland betrieben. Fernerhin bildete sich eine Gruppe wohlhabender Bauern, die Yeomen. Gentry und Yeomen trieben den Kapitalismus voran.

1485 kam Heinrich VII an die Regierung und begründete die Tudor Dynastie. Eine seiner wichtigsten Maßnahmen war das strikte Verbot aller Privatfehden 1506. Nicht mehr Kriegs Tüchtigkeit war für den Adel wichtiger, sondern kommerzieller Erfolg. Sie lösten  daraufhin ihre großen Gefolgschaften auf, die nun arbeitslos wurden und das Heer der zukünftigen Proletarier bildeten.

Sein Nachfolger Heinrich VIII verstaatlichte 1534 die römische Kirche und eignete sich auf diese Weise 25% des englischen Bodens an, welches er anschließend verkaufte. Bürger konnten dies Land erwerben und wurden auf diese Weise in den Adelsstand erhoben, die Gentry wuchs zahlenmäßig stark an.  Das gekaufte Land sollte nun nicht mehr  der Bedürfnisbefriedigung dienen, sondern Profit bringen. Grundeigentümer bewirtschafteten es entweder selbst oder ließen es von  kapitalistischen Pächtern bebauen.

Im 16. Jahrhundert gab es nun drei bedeutende Gruppen; Die großen Landlords, die ihr Land meist verpachteten, die Gentry und die Yeomen. Sie alle waren an Profitmaximierung interessiert und trieben die Kapitalisierung voran.

Leidtragende waren die bisherigen Bauern: die Klöster wurden aufgelöst, Nonnen und Mönche wurden arbeitslos und proletarisiert. Die Gentry betrieb Schafzucht, die nur wenige Arbeitskräfte benötigte und jagte die Überflüssigen davon. Die Yeoman betrieben zwar weiter Ackerbau, eigneten sich aber bisheriges Gemeindeland an (Einhegungen). Dieses Land wurde nun kommerziell genutzt. Die Yeoman rationalisierten ihre Betriebe, um Arbeitskräfte zu sparen.

Die vertriebenen Bauern strömten in die Städte, London wuchs auf 450.000 Einwohner an. Es entstanden überall Manufakturen, um die Schafwolle zu verarbeiten. Unter Elisabeth I wurden zahlreiche „Monopole“ vergeben, um den Aufbau der Produktionsstätten zu fördern. Das widersprach zwar dem Marktprinzip, erwies sich aber anfänglich als günstig, um überhaupt solche Firmen zu gründen.

Die Krone förderte die weitere Bildung von Kapital durch Gründung großer Handelsgesellschaften. Die Merchant Adventures, die schon im 13. Jahrhundert gegründet worden waren, wurden 1551 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Sie sollte Seewege nach China und Indien erkunden und lieferte sich Handelskriege mit anderen Nationen. Sir Franzis Drake betrieb im Auftrage seiner Königin Piraterie, überfiel Städte und Schiffe der Spanier und teilte die Beute mit Elisabeth I. Ein beträchtlicher Teil des englischen Kapitals stammte aus Raubüberfällen und Sklavenhandel.

Das englische Kapital stammte also ursprünglich aus der Landwirtschaft, aus Fernhandel und zu einem bedeutenden Teil aus Raub- und Plünderungszügen. Die Unternehmer waren zumeist Adlige, die Gentry oder die Yeomen  und Angehörige des Handelsbürgertums, die sich oft in den Adelsstand einkauften. Die Arbeiter stammten überwiegend von den Bauern ab, oder sie waren früher Geistliche oder Gefolgsleute von Adligen gewesen.

Am Ende der Tudor Zeit, mit dem Tod von Elisabeth I im Jahre 1603, waren die Grundstrukturen der kapitalistischen Gesellschaft entstanden. Sie war nun vorbereitet auf die nächsten Schritte.

Wallenstein
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