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Wer sah die Schrecken des ersten Weltkrieges voraus? Versagten die Militärs?

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Wer sah die Schrecken des ersten Weltkrieges voraus? Versagten die Militärs?  Empty Wer sah die Schrecken des ersten Weltkrieges voraus? Versagten die Militärs?

Beitrag von Admin So Jan 18, 2015 12:37 am

Letztes Jahr bot das 100 Jahre Gedenken and den Ausbruch des ersten Weltkriegs. Viele Publikationen sind erschienen, auch Artikel in Medien. Ein Forum kann dem Geschichtsinteressierten vor allem das bieten, dass es Fragen nachgeht, die Zusammenhänge erörtert, die tiefer gehen.

Der erste Weltkrieg wurde als "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" oder auch schon als "dümmster aller Kriege" bezeichnet. Letzte Bezeichnung erfand ich schon als junger Geschichtsinteressierte selbst, nur um später festzustellen, dass Kurt Tucholsky auch schon diese Bezeichnung lange vor meiner Geburt vornahm.

Eine der grossen Fragen ist immer wieder: War das Ausmass des Krieges voraussehbar?
War die Aussichtslosigkeit der Offensive gegenüber der Defensive nicht von einigen Militärexperten vorausgesehen worden?
Was nicht die Verelendung der Bevölkerung durch den Einbezug der ganzen Wirtschaft wie auch der Technik voraussehbar?
Zeigten nicht schon Kriege vorher, wie der Amerikanische Bürgerkrieg, der Russisch-Japanische Krieg und die Balkankriege wohin die Reise ging?

Ich habe gehört, dass es einige warnende Stimmen gab, teils auch schon recht lange vor 1914.

Friedrich Engels sagte folgendes:

„Und endlich ist kein andrer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein Weltkrieg von einer bisher nie gekannten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei halb Europa kahlfressen, wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine, durch akute Not hervorge-rufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unseres künstlichen Getriebes in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Bankerott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, dass die Kronen zu Dutzenden über die Straßen rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt; absolute Unmöglichkeit, vorherzusehen, wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird; nur ein Resultat ist absolut sicher: allgemeine Erschöpfung und die Herstellung der Bedingungen des schließlichen Siegs der Arbeiterklasse."

(Friedrich Engels 1887 in der Einleitung zu Borkheims „Zur Erinnerung für die deutschen Mordspatrioten 1806 bis 1807")

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Beitrag von ArnoldB. Sa Mai 23, 2015 2:20 pm

Admin schrieb:Letztes Jahr bot das 100 Jahre Gedenken and den Ausbruch des ersten Weltkriegs. Viele Publikationen sind erschienen, auch Artikel in Medien. Ein Forum kann dem Geschichtsinteressierten vor allem das bieten, dass es Fragen nachgeht, die Zusammenhänge erörtert, die tiefer gehen.

Der erste Weltkrieg wurde als "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" oder auch schon als "dümmster aller Kriege" bezeichnet. Letzte Bezeichnung erfand ich schon als junger Geschichtsinteressierte selbst, nur um später festzustellen, dass Kurt Tucholsky auch schon diese Bezeichnung lange vor meiner Geburt vornahm.

Tucholsky hat Recht: Kriege sind "dumm", weil sie unzählige Opfer kosten, dazu materielle Verluste verursachen, die nicht mehr zu ersetzen sind. Gerade diejenigen, die Kriege verursachen bzw. auslösen, handeln "dumm" und unverantwortlich, weil nicht sie es sind, die für ihre gescheiterte Politik den Kopf hinhalten müssen, sondern ihr Volk, das in den verlustreichen Kampf getrieben wird.

Eine der grossen Fragen ist immer wieder: War das Ausmass des Krieges voraussehbar?

Ja, das war es, denn dass zukünftige Kriege von Armeen ausgetragen würden, die massenhaft aus dem Volk rekrutiert werden mussten, war den damaligen Militärs klar. Außerdem zielte die Waffentechnik auf größtmögliche Zerstörungskraft und Zerstörungswirkung ab. Man wusste in Expertenkreisen durchaus, was diese Waffen anrichteten. Was man vielleicht nicht bedacht hatte, war die Möglichkeit, jahrelange Grabenkämpfe zu organisieren und materiell wie menschlich durchzuhalten.

War die Aussichtslosigkeit der Offensive gegenüber der Defensive nicht von einigen Militärexperten vorausgesehen worden?

Ganz genau - wobei man vielleicht präzisieren muss: die Offensive als strategisches Mittel, den Gegner zu schlagen statt ihn zu zermürben, wurde natürlich nicht ausgeschlossen und war auch nicht grundsätzlich aussichtslos, wie das spätere Kriegsgeschehen dann zeigte, aber die Militärexperten wussten schon vor dem WK I genau, dass die Verluste an Soldaten bei Offensiven bedeutend höher waren als bei defensiven Aktionen.

Was nicht die Verelendung der Bevölkerung durch den Einbezug der ganzen Wirtschaft wie auch der Technik voraussehbar?

Auch das haben die Militätexperten zumindest geahnt, wenn auch vielleicht nicht vorausgesehen. Die deutsche Militärführung suchte daher den Krieg möglichst rasch zu gewinnen und setzte taktisch insbesondere auf die durchschagende Offensive. Das war z. B. ein Grund, den Schlieffenplan solange als einzige Option, einen Krieg zu führen, aufrecht zu halten. Ohne Frage, ein fataler und dummer militärtaktischer Fehler. Es gab auch kaum Vorbereitungen, für einen längeren Krieg ernährungstechnische und militärwirtschaftliche Vorbereitungen zu treffen. Den "totalen Krieg" forcierten daher erst die beiden OHL-Leiter Hindenburg und Ludendorff.

Zeigten nicht schon Kriege vorher, wie der Amerikanische Bürgerkrieg, der Russisch-Japanische Krieg und die Balkankriege wohin die Reise ging?

Sehr richtig. Besondere Bedeutung für Europa kam zudem dem Krimkrieg von 1854-56 zu, der als erster langjähriger Stellungskrieg den Militärs tiefe Einsichten in den zukünftigen "modernen" Krieg und seine Folgen für die Soldaten erbrachte.

Ich habe gehört, dass es einige warnende Stimmen gab, teils auch schon recht lange vor 1914.

Ja. Und es gab auch schon eine europäische Friedensbewegung. Ich erinnere auch an die erste internationale Friedenskonferenz 1899 in Den Haag. Wer hören und begreifen wollte, der konnte es!

Friedrich Engels sagte folgendes:

Und endlich ist kein andrer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein Weltkrieg von einer bisher nie gekannten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei halb Europa kahlfressen, wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine, durch akute Not hervorge-rufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unseres künstlichen Getriebes in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Bankerott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, dass die Kronen zu Dutzenden über die Straßen rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt; absolute Unmöglichkeit, vorherzusehen, wie das alles enden und wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen wird; nur ein Resultat ist absolut sicher: allgemeine Erschöpfung und die Herstellung der Bedingungen des schließlichen Siegs der Arbeiterklasse."

(Friedrich Engels 1887 in der Einleitung zu Borkheims „Zur Erinnerung für die deutschen Mordspatrioten 1806 bis 1807")

Sh. Hervorhebungen: Hier irrte Herr Engels allerdings. Es gab keine Notwendigkeit für einen "Weltkrieg" - und "gesiegt" hat schließlich die Demokratie.

ArnoldB.

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Beitrag von Rübezahl Sa Mai 23, 2015 3:37 pm

Gesiegt hat nach dem Ersten Weltkrieg leider nicht die Demokratie, sondern der Rechtspopulismus, der in die Diktatur von Faschismus und Nationalsozialismus führte.

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Beitrag von ArnoldB. Sa Mai 23, 2015 3:56 pm

Rübezahl schrieb:Gesiegt hat nach dem Ersten Weltkrieg leider nicht die Demokratie, sondern der Rechtspopulismus, der in die Diktatur von Faschismus und Nationalsozialismus führte.

Doch, nach dem WK I hat zunächst einmal die Demokratie gesiegt. Die Weimarer Demokratie ist gewiss den antidemokratischen Kräften letztlich unterlegen gewesen. Das hatte mannigfaltige Gründe. Aber zwangsläufig war diese Niederlage nicht.

Wenn man nun die Folgen von Nazidiktatur und WK II mit einbezieht, dann erst recht. Wir leben heute seit 65 Jahren in einer freiheitlichen Demokratie, die nicht zuletzt an die Weimarer Demokratie anknüpfte und die Weimarer Defizite offenbar überwunden hat.

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Beitrag von Moschusochse Mo Mai 25, 2015 12:03 am

Dass die Demokratie in der Zwischenkriegszeit so viele Probleme bekommen hat, lag - das nicht eher an der vielerorts schelchten Wirtschaftspolitik?
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Beitrag von Klartext Mo Mai 25, 2015 12:14 am

Moschusochse schrieb:Dass die Demokratie in der Zwischenkriegszeit so viele Probleme bekommen hat, lag - das nicht eher an der vielerorts schelchten Wirtschaftspolitik?

Absolut einverstanden. Die Militärs hatten dafür gesorgt, dass ein fürchterliches Völkergemetzel gab. Leider wurden daraus vielerorts nicht die richtigen Konsequenzen gezogen, gerade in Deutschland und Italien nicht.

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