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Die Verbrechen der italienischen Faschisten

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Beitrag von Marek1964 So Nov 29, 2015 11:52 pm

Hier eine Diskussionsüberleitung aus dem Thread der Nürnberger Prozesse, https://geschichte-forum.forumieren.de/t726p45-prozess-gegen-die-hauptkriegsverbrecher-nurnberg-1945-46#8045

Rübezahl schrieb:Äthiopien hat jahrelang darum gekämpft, dass die Verantwortlichen der abscheulichen faschistischen Verbrechen (es wurden mehr Menschen, vor allem Zivilisten, mit Giftgas getötet, als im gesamten Ersten Weltkrieg an allen Fronten; in der Stadt Debre Libanos wurden 2000 Priester, Mönche und Seminaristen erschossen usw.) zur Verantwortung gezogen wurden. Die internationale Gemeinschaft hat das alles nicht interessiert.

Ich glaube nicht, dass man die Verbrechen der italienischen Faschisten so verniedlichen kann. Immerhin haben sie in Äthiopien rund zehn Prozent der Bevölkerung umgebracht, in der ehemals türkischen Provinz Cirenaika sogar 25 Prozent. Und die allergrößten Verbrecher dieser Zeit sind nie vor Gericht gestellt worden, sondern man baut ihnen heute noch Denkmäler und ehrt sie mit staatlichen Feiern.

Hier sollen die Verbrechen der italienischen Faschisten thematisiert werden.

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Beitrag von Rübezahl Mo Nov 30, 2015 3:35 pm

Da sich die Schreckensherrschaft das italienischen Faschismus auf mehr als 20 Jahre erstreckte, ist es notwendig, eine Gliederung vorzunehmen, und zwar

1) Verbrechen zur Erlangung und Erhaltung der Macht,
2) Verbrechen während der Kolonialkriege in Libyen (1923-31) und in Äthiopien (1935-41),
3) Verbrechen während der Beteiligung am spanischen Bürgerkrieg (1936-39),
4) Kriegsverbrechen  während des Zweiten Weltkrieges  (Griechenland, Balkan, Sowjetunion sowie Partisanenbekämpfung in Italien,
5) Rassengesetze und Verfolgung der Juden in Italien.

1)Faschistische Verbrechen zur Erlangung und zum Erhalt der Macht: Am 23. März 1919 gründete Mussolini in Mailand den ersten faschistischen Kampfbund (fascio di combattimento). 20 Tage später zerstörte ein Schlägertrupp die Redaktion der sozialistischen Zeitung „Avanti“. Allein im ersten Halbjahr 1921, also noch vor der Machtergreifung,  griffen faschistische Schlägertrupps 17 Druckereien, 59 Sozialwohnbauten, 119 Arbeiterkammern, 107 Genossenschaften, 83 Bauernvereinigungen, 141 sozialistische Vereinigungen, 100 kulturelle Vereinigungen und 53 Arbeitervereine an. In Bozen griffen faschistische Schläger einen Trachtrenumzug mit Feuerwaffen und Handgranaten an, sie töteten zwei Menschen und verletzten mehr als 50 schwer. Insgesamt wurden allein im Jahr 1921 von faschistischen Schlägertrupps mehr als 500 Menschen getötet und mehrere tausend schwer verletzt. Zehntausende wurden verprügelt und zum Trinken von Rizinusöl (starkes Abführmittel) gezwungen, worauf sie dann mit voller Hose durch das Dorf oder das Stadtviertel gejagt wurden.  Mancher überlebte das  nicht.

Die Schlägertrupps wurden 1923 als freiwillige „Miliz für die Nationale Sicherheit“ vom Regime übernommen und konnten weiterhin ungestört Verbrechen begehen. So wurde 1924 der sozialistische Abgeordnete Giacomo Matteotti, der den Wahlbetrug kritisiert hatte,  von dieser Miliz entführt und ermordet.  Mussolini übernahm mit seiner Rede vom 3. Jänner 1925 im Parlament die Verantwortung dafür und brüstete sich damit.

Führende italienische Antifaschisten wurden vom italienischen Geheimdienst auch außerhalb Italiens ermordet, so die Gebrüder Carlo und Nello Rosselli im Jahr 1937 in Frankreich.

Ein Sondergericht „zur Verteidigung des Staates“ erließ zahlreiche Todesurteile und Verurteilungen zu lebenslänglichen oder langen Haftstrafen gegen Regimekritiker, besonders in den slowenisch besiedelten Gebieten in Friaul-Julisch Venetien (ehemals österreichisches Küstenland). Wer sich bei den faschistischen Amtsbürgermeistern unbeliebt machte oder wer des Antifaschismus verdächtigt wurde, konnte ohne Gerichtsverfahren in die Verbannung geschickt werden, meist auf Sträflingsinseln, wo viele Verbannte starben.

Erläuterungen zu den weiteren Punkten folgen.

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Beitrag von Gontscharow Mi Dez 02, 2015 2:31 pm

Hat das Nachkriegsitalien selbst an der "Verniedlichung" der faschistischen Verbrechen mitgestrickt ? So etwa wie Österreich, die sich nach 1945 gerne als "erstes Opfer" der Naziaggression darstellten, wobei doch alle Bezteiligten wußten, daß der durchschnittliche Österreicher 1938 heilfroh war, "heim ins Reich" zu gelangen. Der Zweck dieser Geschichtsinterpretation liegt auf der Hand : Man wollte nicht als Täter auftreten, weil man moralisch auf der Gewinnerseite sein um somit beispielsweise auch vor Reparationszahlungen geschützt zu sein.
Ich erinnere mich an die "Don Camillo und Peppone" Filme, die sehr unterhaltsam waren. In jenem Dorf in der Poebene gab es Katholiken und Kommunisten - aber keine Faschisten ... als in einem der Filme eine Rückblende auf die Kriegsereignisse vorgenommen wurde, waren die Faschisten die deutschen Besatzer, gegen die Don Camillo und Peppone im Widerstand ausnahmsweise einmal geeint waren.
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Beitrag von Rübezahl Mi Dez 02, 2015 2:53 pm

Das Nachkriegsitalien hat sich von den faschistischen Verbrechen praktisch selbst freigesprochen. Die Begründung dafür war, dass Italien sich durch den Seitenwechsel von 1943 und den folgenden Bürgerkrieg selbst vom Faschismus befreit habe (die Rolle der Alliierten wird dabei übergangen), während Deutschland bis zuletzt nationalsozialistisch geblieben sei. Bereits 1946 wurde daher eine Amnestie für die von den Faschisten (aber auch von den kommunistischen oder sonstigen Partisanen) begangenen Verbrechen erlassen. Faschistische Kriegsverbrecher stehen heute in Italien weiterhin in Ehren, die Begräbnisstätte Mussolinis ist ein Wallfahrtsort für faschistische Nostalgiker. Devotionalienläden verkaufen dort faschistische und nationalsozialistische Erinnerungsstücke, CDs mit faschistischen Lidern usw.

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Beitrag von Rübezahl Mi Dez 02, 2015 3:01 pm

2a) Faschistische Verbrechen in Libyen.
Vorgeschichte: Italien hat am 29. September 1911 der Türkei den Krieg erklärt, um sich die türkischen Provinzen Tripolitanien und Cyrenaika (heute Libyen) sowie die Inselgruppe des Dodekanes (heute Griechenland) anzueignen. Die einheimischen Araber und Berber, die unter türkischer Herrschaft relativ autonom gelebt hatten, begrüßten die Italiener nicht wie erwartet als Befreier, sondern setzten sich gegen die „neuen Kreuzritter“ erbittert zur Wehr.
Nachdem  am 23. Oktober 1911 bei einem Gefecht bei Sciara Sciat 500 Italiener gefallen waren,  richtete die Invasionsarmee dort ein wahres Blutbad an. Innerhalb von fünf Tagen wurden Tausende von einheimischen Zivilisten ermordet, ihre Häuser verbrannt, ihr Vieh beschlagnahmt. Selbst italienische Historiker sprechen heute von Völkermord (z. B. Lino Del Fra, Sciara Sciat. Genocidio nell’oasi. L’esercito italiano a Tripoli, Rom 1995). Noch Wochen später wurden Hunderte von Todesurteilen gegen sogenannte „Rebellen“ verhängt.  4000 Araber und Berber wurden auf italienische Gefängnisinseln gebracht, wo ein Großteil von ihnen starb.  
Auch nachdem die Türkei  im Frieden von Ouchy am 18. Oktober 1912 Tripolitanien und die Cyrenaika an Italien abtrat, ließ der Widerstand der Araber nicht nach.
Während des Ersten Weltkrieges musste Italien Truppen aus Libyen abziehen und konnte nur noch die Hafenstädte halten. Nach vorübergehenden Autonomie-Zugeständnissen setzte Italien ab 1921 wieder auf militärische Härte, die mit der Machtergreifung Mussolinis ab 1922 unvorstellbare Ausmaße annahm.
Ziel der italienischen Politik war es, die einheimische Bevölkerung aus den fruchtbaren Küstengebieten in die Wüste zu treiben, um Raum für italienische Siedler zu schaffen. Die Einheimischen setzen sich mit Guerillaaktionen zur Wehr. Da diese schwer zu bekämpfen waren, gingen die Italiener vor allem gegen die Zivilbevölkerung vor. Dabei setzen sie ab 1927 auch verstärkt Giftgas ein, das von Flugzeugen auf Dörfer, Oasen und Viehherden abgeworfen wurde.

Eine neue Qualität erreichten die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, als Mussolini 1930 Rodolfo Graziani, genannt „der Araberschlächter“, zum Vizegouverneur von Libyen ernannte. Er intensivierte die Giftgasangriffe auf die Zivilbevölkerung und ordnete die Säuberung des Djebel al-Akhdar an. Rund 100.000 Beduinen, etwa die Hälfte der gesamten Bevölkerung der Cyrenaika,  wurden in Konzentrationslager in der Wüste gebracht, um Platz für italienische Siedler zu schaffen. Viele der Evakuierten starben bereits während der Todesmärsche zu den Konzentrationslagern. Wer erschöpft zurückblieb, wurde erschossen. Etwa 90.000 kamen in den 15 Konzentrationslagern in der Wüste an, die Hälfte von ihnen starb dort.
Innerhalb von drei Jahren wurde ein Viertel der Bevölkerung der Cyrenaika umgebracht.
Der libysche Widerstand endete erst, als der Anführer der libyschen Freiheitskämpfer, Scheich Omar al Mukthar, 1931 den Italienern in die Hände fiel und daraufhin im Konzentrationslager Solluq öffentlich gehängt wurde.
Rodolfo Graziani wurde für sei Vernichtungswerk hoch geehrt. Noch heute sind Straßen und Plätze in Italien nach ihm benannt, in seinem Heimatort hat man mit dem Bau eines Mausoleums für ihn begonnen.

Literatur in deutscher Sprache u. a.: Aram Mattioli. Experimentierfeld der Gewalt. Zürich, 2005.

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Beitrag von Marek1964 Mi Dez 02, 2015 10:46 pm

Eine Frage kommt mir in diesem Zusammenhang: Wie haben sich die Lybier im Afrikafeldzug im Zweiten Weltkrieg verhalten? Haben sie nicht mit den Briten sympathisisert, gereade die Cyreneika wechselte gleich viermal den Besitzer, 1940 eroberten sie die Briten, nachdem die Italiener die Briten in Ägypten überfielen, diese dann aber zurückschlugen, Rommel eroberte diese dann zurück, wurde aber zurückgeworfen, holte sie erneut, bis er Afrika endgültig verlor.

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Beitrag von Rübezahl Do Dez 03, 2015 2:35 pm

Zunächst einmal muss man festhalten, dass es die "Libyer" als Volk nicht gibt, weil ja auch das Land "Libyen" nur ein kolonialistisches Phantasieprodukt ist. In den beiden türkischen Provinzen Tripolitanien und Cyrenaika lebten verschiedene Araber- und Berberstämme, die sich ab und zu auch untereinander bekämpften, aber in der Ablehnung der Fremdherrschaft einig waren. Die türkische Fremdherrschaft war nicht so schlimm, weil die Türkei weit weg war, den Stämmen in diesen Provinzen weitgehend freie Hand ließ und auch die gleiche Religion hatte. Die italienische Fremdherrschaft war verhasst, weil die Italiener aus rassistischen Gründen Araber und Berber verachteten und sie zudem christlich zu missionieren versuchten. Grundsätzlich gab es auch keinen Grund, mit den Engländern zu sympathisieren, da auch sie eine christliche Fremdherrschaft bedeuteten. Im Zweiten Weltkrieg haben alle Seiten mit wechselndem Erfolg (und Einsatz von Geldmitteln) versucht, die einheimischen Stämme auf ihre Seite zu ziehen. Die Stämme haben dann jeweils nach Konvenienz sich für eine Seite entschieden. Für das Deutsche Afrikakorps (Rommel) sprach, dass es für die vergangenen faschistischen Verbrechen nicht verantwortlich war, dass es nicht christlich missionieren wollte, und dass der Antisemitismus eine gemeinsame Basis schuf. Die von den Engländern propagierten Ideale der Demokratie ließen die Bevölkerung kalt, da sie damit nichts anzufangen wussten und die Engländer als brutale Kolonialherren in anderen Gebieten Afrikas kannten. Die Stämme haben sich also immer von Fall zu Fall entschieden, welche Parteinahme ihnen mehr Vorteile bringen konnte, eine durchaus verständliche und sinnvolle Taktik.

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