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Die Türken erobern die Türkei - 1071 n. Chr.

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Beitrag von Wallenstein Mi Mai 11, 2016 10:03 am

Die Türken waren Steppennomaden in Zentralasien mit der Tendenz zur Erzeugung von Bevölkerungsüberschüssen und Suche nach neuen Weidegründen. Sie verfügten über eine ausgeprägte Stratifikation mit klaren Trennungslinien zwischen Adel und Gemeinen, Verwandtschaftsbeziehungen spielten nicht mehr eine dominierend Rolle. Zwischen den Gruppierungen gab es in der Steppe ständig Konflikte und Verschiebungen, an ihrer Stelle bildeten sich neue, auf Gefolgschaftswesen beruhende Verbände. Mit dem Gefolgschaftswesen wurden Häuptlinge in die Lage versetzt, ihren politischen Führungsanspruch durchzusetzen. In periodischen Ansätzen kam es gelegentlich zu Staatsgründungen, allerdings ohne lange Lebensdauer. Die Konföderation der Gotürken in 6. Und 7. Jahrhundert war ein kurzfristiger Versuch, die asiatischen Handelswege zu kontrollieren.

Die Türken wurden oft mit den Germanen verglichen, da ihre Infiltration in die islamische Welt der Araber ähnlich erfolgte wie früher die Infiltration der Germanen in das Römische Imperium. Die Türken leben an der Peripherie des arabischen Weltreiches der Abasiden und werden angelockt von dem Glanz dieses Imperiums. Immer mehr Stämme übernehmen den Islam als Religion wie auch früher die Germanen das Christentum übernahmen nach dem Kontakt mit dem römischen Reich.

In der ersten Phase dringen sie in die heutigen Republiken Usbekistan und Tadschikistan ein. Einzelne Gruppen von ihnen werden ab dem 9. Jahrhundert zu Söldnern und Prätorianergarden bei islamischen Herrschern, so bei den Tuluniden und Ihsididen in Ägypten und den Samaniden im Iran. Die Araber verloren allmählich ihre Funktion als staatstragende Elite und wurden zunehmend von Türken abgelöst.

In der zweiten Phase im 10. und 11. Jahrhundert dringen größere tribale Gruppen wie die Qurahaniden und Seldschuken in die islamische Welt ein. Die Seldschuken erobern Persien und in Bagdad überträgt man ihnen den Schutz des Kalifen und ruft den Führer Togril-Bek zum Sultan aus. Es entsteht ein großseldschukisches Reich mit Bagdad als Hauptstadt. Die Masse der türkischen Eroberer stellt nun die Verwaltung und das Heer und wird schnell sesshaft.

Doch am Rande des neuen Imperiums drängen immer neue Turkstämme nach. Um diese zu disziplinieren, dringen die Seldschuken in den Kaukasus ein und bei dieser Gelegenheit vernichten sie eher zufällig das byzantinische Heer 1071 bei Manzikert. Eine Eroberung erfolgte danach nicht, aber nun war der Weg frei für die türkischen Hirtenvölker in Zentralasien, die nun ungehindert nach Anatolien eindringen konnten. Vom 11.- bis zum 13. Jahrhundert kam es zu immer neuen Einwanderungsschüben, aus denen rivalisierende Emirate entstanden. In diesen Kämpfen konnte sich schließlich das Sultanat von Osman I durchsetzen.

Die Schlacht von Manzikert 1071

Im 9. Jahrhundert begann sich das riesige Reich der Abasiden-Kalifen in Bagdad in eine Reihe von Einzelstaaten aufzulösen. Im Kampf mit rivalisierenden Clans und Provinzstatthaltern traf der Kalif Mutasim (833-842) eine verhängnisvolle Maßnahme. Er schuf aus persönlichen Klienten und Sklaven (meist türkischer Herkunft) eine Leibgarde als persönliche Elitetruppe. Das verschaffte ihm vorübergehend wieder Macht gegenüber seinen Gegnern, doch die Garde merkte schnell, dass der Kalif von ihnen genauso abhängig war wie sie von ihm. Von nun an waren die Herrscher Gefangene ihrer eigenen Truppe, das Machtzentrum verlagerte sich auf die türkischen Offiziere und das Kalifat wurde zum Spielball der rivalisierenden Cliquen in der Generalität.

945 verlieren die Abasiden in Bagdad ihre Macht an den persischen Stamm der Bujiden, die nun die Leibgarde stellen und den Kalifen völlig von sich abhängig machen. Diese kriegerischen Nomaden sind Schiiten, die das Land rücksichtslos ausbeuten.

In seiner Not wendet sich der Kalif an einen Stamm der Qghuzen, die sich nach ihrem Anführer Seldschuk, Seldschuken nannten. (Seldschuk heißt wahrscheinlich nur Führer). Die hatten um 1000 Weideland am Aralsee bezogen, richteten jetzt aber ihre Wanderung in das zerfallende Abasiden-Reich. Im Osten des Iran hatten sie bereits ein Reich errichtet, nun zieht ein Nachfolger Seldschuks, Thurig-Bel, auf Drängen des Kalifen in Bagdad ein und vertreibt die Bujiden. Der Herrscher ernennt ihn zum Sultan, was damals so viel bedeutete wie „Stellvertreter des Kalifen“.

Der neue Stellvertreter wird sehr schnell der eigentliche Herrscher. Der Stamm der Seldschuken stellt nun Militär und Verwaltung. Das Reich ist formal riesig, es umfasst: Arabien, Syrien, Palästina, Irak, Iran, Ägypten und Nordafrika. Doch in Ägypten und in Syrien herrscht ein anderer Kalif, die Dynastie der Fatimiden, gegen die nun ein Feldzug geführt werden soll. Der Sohn von Thurig-Bel, Alp Aslan (der Name bedeutet: die Macht des Reiches, der Vater des Mutes Mohammed) soll dies richten.

Doch zuerst muss ein anderes Übel beendet werden. Die oghuzischen Turkmenen, Verwandte der Seldschuken, die am Westufer des Kaspischen Meeres in Aserbeidschan leben, fallen immer wieder in den Iran und in das byzantinische Anatolien ein. Sie verschleppen Bauern, legen Dörfer und Marktflecken in Schutt und Asche. Sie wollen kein neues Land besetzen, sondern nur rauben.

Auch in Byzanz will man diesem Spuk ein Ende machen. Dort regierte seit 1067 ein ehemaliger General, Ramonos Diogenes, der ein großes Heer bei Erzurum in Armenien sammelt. In die gleiche Gegend marschiert jetzt auch Alp Aslan mit seiner Armee. Obwohl es ursprünglich gegen die Plünderer gehen sollte, fühlen sich beide Herrscher durch den Aufmarsch der Soldaten bedroht und nun kommt es zwischen beiden zur Konfrontation.

Manzikert liegt im armenischen Bergland, nördlich des Van-See. Der Basileus schlägt in der Nähe des Sees sein Heerlager auf. Dorthin zieht es auch Alp Aslan, der allerdings das Pech hat, das seine irakischen Truppen flüchten. Die Byzantiner hören davon und glauben, der Moment zum Angriff wäre günstig und die Armee marschiert los.

Vorneweg ziehen plündernde Söldner unter dem Kommando von Roussel de Bailleul, ein Schotte an der Spitze fränkischer Söldner, die eine Spur der Verwüstung hinterlassen, den Ort Manzikert besetzen, niederbrennen und ausrauben.

Alp Aslan hat etwa zehn- bis fünfzehntausend Kurden und Turkmenen zur Verfügung, alles berittene Bogenschützen. Die Truppe der Byzantiner soll viel größer gewesen sein und besteht aus Griechen, Franken, Petschenegen, Georgiern, Russen und Alanen, Ritter, Fußsoldaten, Lanzenreiter und Bogenschützen, zum größten Teil Söldner. Sie haben viele Fahrzeuge bei sich mit hunderten von Kriegsmaschinen, die in der Steppe völlig nutzlos sind.

Am 16. August gerät die Streitmacht in einen Pfeilhagel der Turkmenen und muss sich verschanzen. Doch der Ort war vorher von Bailleul verwüstet worden und es gab keine Lebensmittel. Um solche zu besorgen, schwärmen die Soldaten aus und werden dabei vielfach von dem Gegnern getötet. Am anderen Tag greifen die Seldschuken an und reiten auf die Mitte des byzantinischen Heeres zu, wenden sich dann aber scheinbar zur Flucht. Die Byzantiner stürmen hinterher, geraten aber in eine Zange als sie von links und rechts angegriffen werden. Ihre Truppe löst sich in wilder Flucht auf und der Basileus selber gerät in Gefangenschaft. Der wird aber gegen ein Lösegeld wieder freigelassen. Der folgende Dialog wurde übermittelt:

Alp Arslan: „Was würdest du tun, wenn ich als Gefangener zu dir gebracht würde?“
Romanos: „Vielleicht hätte ich dich getötet oder dich in den Straßen Konstantinopels ausgestellt.“
Alp Arslan: „Meine Strafe ist weitaus härter. Ich vergebe dir und lasse dich frei.“

Zu Hause in Konstantinopel hat inzwischen Michael Dukas, ein Gegner des Kaisers, die Macht ergriffen. Er lässt den besiegten Romanos blenden, die Augen ausstechen und ins Gefängnis werfen, wo er ein Jahr später stirbt.

Byzanz verlor durch die Niederlage Anatolien, aber Alp Arslan zog sich wieder zurück. Die eigentlichen Gewinner waren die Turkstämme aus Aserbeidschan, die nun ungehindert nach Kleinasien einströmen konnten.


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Beitrag von Marek1964 Do Mai 12, 2016 12:37 am

Gemeinhin wird doch überliefert, dass die Schlacht von Manzikert zum Hilferuf an die Mitchristen im Westen führte und damit später zu den Kreuzzügen?

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Beitrag von Wallenstein Do Mai 12, 2016 10:01 am

Marek1964 schrieb:Gemeinhin wird doch überliefert, dass die Schlacht von Manzikert zum Hilferuf an die Mitchristen im Westen führte und damit später zu den Kreuzzügen?

Das ist richtig, wobei es natürlich eine Reihe verschiedener Gründe für die Kreuzzüge gab. Darüber werde ich vielleicht demnächst einen Thread schreiben.


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