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Machiavelli und sein Herrschaftsmodell

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Beitrag von Wallenstein Sa Jun 04, 2016 11:15 am

Machiavelli (1469-1527) lebte in Italien in einem Zeitalter, in dem sich die alte feudale Ordnung in Teilen Europas langsam auflöste und durch die bürgerliche ersetzt wurde. Sein wichtigstes Werk „Der Fürst“ ist erschreckend modern und die politische Algebra des Autors wirkt häufig durch ihre Rationalität verstörend auf den Leser.

Fürst wird bei Machiavelli nicht jemand aufgrund der Abstammung, also der „Gnade der hohen Geburt“, sondern Fürst kann jeder werden, der die nötige virtu, die Fähigkeit, die Entschlossenheit und die Skrupellosigkeit besitzt. Machiavelli bringt immer wieder viele Beispiele aus der Antike und seiner Gegenwart.

Er erklärt in seiner Schrift, wie ein Alleinherrscher an die Macht kommt und sich dann an der Spitze des Staates behauptet. Dabei kommt es auf die richtigen Mittel zur Erlangung, Erhaltung und Ausbau der Herrschaft an. Richtig nicht im religiösen oder moralischen Sinne, sondern richtig im Sinne von technisch richtig, um auf Herausforderungen korrekt zu reagieren. Die Analyse herrschaftlicher Handlungen reduziert sich auf die Ebene sozial-technischer Rationalität. Grundvoraussetzung ist hierbei der Gedanke, dass politische Herrschaft völlig von Religion und Moral abgetrennt wird. Religion ist jetzt nur noch ein Mittel zur Ausübung von Macht und erfüllt lediglich instrumentelle Zwecke, sie kann manchmal nützlich sein, manchmal auch nicht. Anhand von Beispielen zeigt er, dass Religion und Moral politische Herrschaftsausübung nicht begrenzen. Es ist die politische Macht, die jeweils tendenziell erfolgreich setzt, was als moralisch oder religiös zu gelten hat:

„Die Handlungen anderer Menschen und besonders die eines Herrschers, der keine Richter über sich hat, beurteilt man nach dem Erfolg. Ein Herrscher braucht also nur zu siegen und seine Herrschaft zu behaupten, so werden die Mittel stets dazu für ehrenvoll angesehen und von jedem gelobt.“

Machiavelli sieht dies nicht positiv, er enthält sich überhaupt jeder moralischen Wertung, sondern schreibt, dass die Geschichte und die Erfahrung dies lehrt.

Ausführlich beschreibt er die verschiedenen Herrschaftstechniken: Wie man die Masse manipuliert, seine Gegner aufsplittert und demoralisiert, wann es notwendig ist, grausam zu sein und wann es sinnvoll sein kann, Gnade walten zu lassen usw. Das Buch „Der Fürst“ ist eine perfekte Anleitung für einen Alleinherrscher, um die Macht zu behaupten. Vorbild war für ihn wahrscheinlich Cesare Borgia, der Sohn von Papst Alexander VI.

Machiavelli glaubt, dass es in der menschlichen Natur liegt, sich gegenseitig zu bekämpfen, um sich durch Machterwerb selbsterhalten zu können. Damit sich die Menschen nicht gegenseitig vernichten, braucht es eine zentrale Herrschaft.

Ergebnis seiner Analyse: Abtrennung politischer-staatlicher Herrschaftsausübung von Religion und Moral und die Begründung politischer Herrschaft durch ein pessimistisches Menschenbild. Politische Herrschaft ist notwendig, damit sich die Menschen nicht gegenseitig vernichten. Seine Schrift ist insofern modern, da für ihn nicht mehr die Abstammung oder religiöse Kriterien entscheidend sind, sondern nur noch Leistung und Erfolg. Das unterscheidet ihn von früheren Staatsphilosophen.


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Beitrag von Marek1964 Mo Jun 06, 2016 11:31 pm

Auch Thilo Sarrazin beschäftigte sich in seinem Buch "Tugendterror" mit Machiavelli - unter dem Untertitel "Was uns Machiavelli heute noch zu sagen hat". So erwähnt er erstaunlicherweise, dass schon vor 500 Jahren die öffentliche Meinung wichtig war. Und dass man mit Reformen vorsichtig sein muss - denn wenn man in der Gesellschaft etwas ändert, ist der Widerstand der Zufriedenen gewiss, die Unterstützung der Unzufriedenen aber ungewiss, das Menschen wankelmütig sind. Deshalb sei es unmöglich, nur mit der Liebe der Menschen zu regieren, heute würde man sagen Popularitat - wichtig sei auch die Furcht.

Denn man kann von den Menschen allgemein sagen, dass sie undankbar, wankelmütig, feige in Gefahren und gewinnsüchtig sind.

Sein Menschenbild ist also nicht allzu positiv, aber dafür wohl realistisch. Deshalb müssen auch moderne Regierungen die "harten" Massnahmen gleich nach der Wahl vollziehen, während gegen Ende der Wahlperiode mit populären Massnahmen die Gunst des Wahlvolkes wiederzugewinnen sei - die öffentliche Meinung sei vergesslich.

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Beitrag von van Kessel Di Jun 07, 2016 10:37 pm

Macciavelli hatte noch seinen "Fürsten" den es zu sezieren verlangte. Würde er sich heute nicht vielmehr mit den Oligarchen, Parteien und ihrer Lobby beschäftigen, welche die 'Neuen Fürsten' sind?


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Beitrag von Wallenstein Mi Jun 08, 2016 10:32 am

Machiavelli hat sich ja auch ausführlich mit der Republik beschäftigt, die er für besser hält als die Alleinherrschaft des Fürsten. (siehe hierzu die Ausführungen im Discorsi).
Aber er sieht auch sehr deutlich die damit verbundenen Probleme am Beispiel von Florenz:

"Zu dem sind Einrichtungen und Gesetze, die bei der Gründung eines Staatswesens, als die Menschen noch gut waren, geschaffen wurden, später, wenn die Menschen schlecht geworden sind, nicht mehr passend" (Discorsi, Kapitel 18, S.64). Die Veränderungen der Menschen machen also eine Anpassung der staatlichen Einrichtungen notwendig. Die ansonsten auftretenden Probleme macht Machiavelli an zwei eindrucksvollen Beispielen deutlich: an der Ämtervergebung und den Gesetzeserlassen. Im Falle eines Sittenverfalls bewerben sich nicht mehr diejenigen um die Ämter, die verdienstvoll sind, wie es am Anfang der Republik der Fall war, sondern die Mächtigen, die sich schlichtweg aufgrund ihrer Macht durchsetzen und die anderen einschüchtern. Auch Gesetze werden nach starken Veränderungen in der Gesellschaft, die aber ohne eine Veränderung auch der Einrichtungen stattgefunden haben, nur noch von den mächtigen Bürgern vorgeschlagen, warum es zu keinem Widerstand kam, wird wie folgt erklärt: "(…) nur die Mächtigen schlugen jetzt Gesetze vor ... und niemand konnte aus Angst vor ihnen wiedersprechen." (Discorsi, Kapitel 18, S. 66).

Texy übernommen aus: http://www.theoriewiki.org/index.php?title=Niccolo_Machiavelli#Tugend_im_Sinne_von_Machiavelli

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Beitrag von van Kessel Mi Jun 08, 2016 3:31 pm

hi Wallenstein,
Texy übernommen aus: http://www.theoriewiki.org/index.php?title=Niccolo_Machiavelli#Tugend_im_Sinne_von_Machiavelli
danke für den link, welcher schon alles erklären könnte.

van Kessel

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Beitrag von Moschusochse Fr Jun 10, 2016 4:20 pm

Heute bin ich über die Frage zum Thema Niccolo Machiavell gestolpert - wie sieht er das Verhältnis zwischen Moral, Macht und Recht?
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