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Null-Toleranz Politik. Der richtige Weg?

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Beitrag von Wallenstein Mo Mai 04, 2015 1:21 pm

In den USA entwickelten die Sozialforscher James Q. Wilson und George L. Kelling im Jahre 1982 die sogenannte „Broken-Window-Theorie. Ein zerbrochenes Fenster steht hier symbolisch für den Verfall von gesellschaftlichen Strukturen.

Dahinter steckt eine Beobachtung: Ist in einem Stadtviertel eine Fensterscheibe kaputt und wird nicht repariert, dann sind in kurzer Zeit auch weitere Scheiben demoliert. Hinzu kommen bald Schmierereien an Häusern, Müll liegt in der Straße tagelang herum und wird nicht entsorgt, ein Viertel verwahrlost. Die sich ausbreitende Unordnung signalisiert: Hier finden keine sozialen Kontrollen statt, hier entsteht sich ein rechtsfreier Raum. Dies wirkt wie ein Magnet auf Straftäter, Süchtige, Personen mit abweichendem Verhalten. Bewohner mit Geld meiden dieses Gebiet und ziehen um, ärmere Gruppen nehmen ihren Platz ein. Es entsteht ein Slum.

Um so etwas zu verhindern, empfehlen die Wissenschaftler die Null-Toleranz-Politik, die in vielen Städten inzwischen befolgt wird. Auch bloße Bagatellfälle sind zu sanktionieren, jedes abweichende Verhalten hat sofort Konsequenzen. Dazu gehört auch das Betteln in den Straßen, Hütchenspiele und dergleichen mehr. Angeblich hätte diese Politik in den amerikanischen Städten große Erfolge gehabt und die Straßenkriminalität sei ab den achtziger Jahren erheblich zurückgegangen. So soll die New Yorker U-Bahn jetzt wieder gefahrlos zu benutzen sein und ich erinnere mich noch an die sechziger Jahre, als es dort sehr gefährlich war. In der Tat, damals schwappte eine kriminelle Welle durch die amerikanischen Großstädte und schuf überall No-Go Aereas. Inzwischen konnten einige Viertel „zurückerobert“ werden.

Kritiker meinen, dass sich die Kriminalität nur verlagert hätte in Regionen, wo sie nur selten polizeilich erfasst wird. Außerdem kam es zu einer Brutalisierung der Polizeigewalt. Die martialisch bewaffneten Ordnungshüter sind zudem oftmals nicht gut ausgebildet. Die Touristen erhalten in einigen Bundesstaaten in den Hotels Merkblätter, auf denen erklärt wird, wie man sich im Falle einer Polizeikontrolle richtig verhält. Die Polizisten sind zudem häufig „farbenblind“ und dann kommt es zu dem, was die Wissenschaftler „self-fulfilling prophecy“ nennen. Sie gehen von vornherein davon aus, dass Afro-Amerikaner oder Ladinos kriminell und gewalttätig sind und gehen entsprechend hart vor. Völlig banale Vorfälle können dann blitzschnell eskalieren.

Wallenstein
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Beitrag von Klartext Mo Mai 04, 2015 2:33 pm

Sehr gutes Thema Wallenstein. Ja, ich bin ein expliziter Anhänger der null Toleranz Politik. Ein Film, der mir immer sehr gut gefiel, war der Film "ein Mann sieht rot". Der sogenannte Rechtsstaat, der Verbrecher verhätschelt und verwöhnt, die anständigen Bürger abzockt und verhöhnt, Opfer von Kriminalität allein lässt, ist passiv, also nimmt ein Bürger, dessen Frau vergewaltigt und ermordet wurde, das Recht selbst in die Hand und geht in Orte , wo Verbrecher lauern, lässt sich angreifen, aber als guter Schütze erschiesst er die Angreifer. Innert kurzer Zeit sinkt die Kriminalität in der Stadt.

Allerdings soll eine solche Strategie keinen Freipass für das Bullentum darstellen. Polizisten, die ihre Macht gegen wehrlose und anständige Bürger ausnutzen, sollen letztlich genauso hart angegangen werden, ab da gleich auch als Verbrecher stehen, denen gegenüber ebenso zero tolerance appliziert wird.

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Beitrag von wfwbinder Mo Mai 04, 2015 3:41 pm

Null-Tolleranz ist sehr gut. Rudolph Giuliani, der als Bürgermeister von New York dies in den 90er Jahren einführte, hatte damit gute Erfolge.

Aber mit "Ein Mann sieht rot" hat das zum Glück nichts zu tun.

Ein Beispiel, was viele als Polizeistaat empfinden, wo es aber auch gut klappt, ist Singapur. Kaugummi wegwerfen, hohe Geldstrafe. Kippe wegwerfen, hohe Geldstrafe usw. Die Stadt ist die sauberste Großstadt, die ich kenne.

Das Problem der Amis in Ihren Städten mit den Ausschreitungen der Polizisten, liegt aber auch an der Polizeiausbildung. Wer hier als Polizist auf die Straße geht, hat mehrere Jahre auf der Schulbank gesessen und praktischen Unterricht hinter sich. Kein Vergleich mit den 6 Monaten der US-Ausbildung für die einfache Trachtengruppe.

Natürlich gab es auch hier schon mal Polizisten, die sich im Dienst strafbar gemacht haben, aber so wie in dem Video zu sehen, wo ein Cop einen Mann von hinten erschießt und ihm dann zur Vortäuschung einen Elektroschocker in die Hand drückt, das ist schon extrem.
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Beitrag von Judas Phatre Mi Mai 06, 2015 3:06 pm

Null Toleranz ist sehr schlecht. Sie ist Ausdruck einer autoritären Gesellschaft und damit des Gegenteils meiner Ideale. Dass diese Methode in den USA Erfolge vorzuweisen hat, will ich dabei nicht infrage stellen. Vielleicht hat sie nicht einmal zur Verlagerung der Kriminalität geführt. Ist sie deshalb gut? Die DDR und Nazideutschland stehen im Ruf, das Verbrechen stark zurückgedrängt zu haben. Auch da glaube ich nicht, dass es sich um reine Propaganda gehandelt hat. In einem Klima der Angst traut man sich nicht mehr, seine Freiheit auszuleben. Das umfasst aber die guten wie die schlechten Seiten. Das Ziel kann nicht sein, eine ungerechte und gewaltbereite Gesellschaft im Zaum zu halten, sondern eine Gesellschaft zu schaffen, in der Gewalt geächtet ist. Wenn der Staat die Gewalt in verstärktem Maße einsetzt, macht er damit die Gewalt gesellschaftsfähig. Ein gutes Beispiel dafür ist das Hollywoodkino. Ich will das nicht.
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Beitrag von wfwbinder Mi Mai 06, 2015 7:05 pm

Lieber JudasPhatre, hier ma ein klares Kontra. Nicht grundsätzlich, denn ich bekenne mich zur größtmöglichen Freiheit für jeden.

Jeder soll leben wie er mag.

Es gibt nur eine Einschränkung, nämlich dort, wo die Rechte anderer verletzt werden. Da bin ich ich für ein ganz klares "Null Tolleranz."

Wenn jemand das Auto von einem anderen Zerkratzt, die U-Bahnen und Häuserwände mit "Wandmalereien" verziert, sich mit dem Fahrrad durch Fußgänger schlängelt und die gefährdet, oder seinen SUV auf einem Behindertenparkplatz parkt, dann bin ich für Toleranz.

Bei dieser Art Ordnungswidrigkeiten, oder kleinen Straftaten, sollten die verhängten Strafen spürbar sein. Da sollen die sich noch nach 2 Jahren dran erinnern, dass das 10 Discobesuche gekostet hat.

Wer einer Oma die Handtasche entreisst, der muss nicht ins Gefängnis(das könnte ihn ja in den Kreisen noch adeln. Nein, der muss 120 Stunden als Urinkellner in einem Pflegeheim arbeiten.

Mit Nulltoleranz meinte ich nicht viele Leute wegen geringer Straftaten ins Gefängnis zu stekcne. Ich glaube nämlich nicht, dass einer dort in 2-10 Jahren ein bessere Mensch geworden ist (ein Freizeitarrest für Jugendliche mag eine heilsame Wirkung haben, aber wohl nur im Einzelfall).

Nein, es geht um die vielen Kleinigkeiten. Um Sachbeschädigungen, um kleine Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Es geht auch nicht darum hoch zu bestrafen. Nein, wer ein Haus besprüht soll nicht ins Gefängnis. Der soll unter Aufsicht die Wand reinigen, oder neu streichen.
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Beitrag von Judas Phatre Mi Mai 06, 2015 10:46 pm

Lieber wfw,
im Einzelnen sind wir - wie wohl meistens - einer Meinung. Wir wollen keine Gesellschaft, in der auch nur kleine Verbrechen geduldet werden. Wir wollen keine Rowdies belohnen. Die Null-Toleranz-Strategie geht zum Teil in Ordnung.
Man darf aber nicht den Hintergrund außer acht lassen, vor dem diese Strategie propagiert wird: Das ist das Amerika der Chancenlosen. Ich kenne Detroit vor der Pleite. Wer dort in der 3-Meilenzone der "Innenstadt" wohnt, hat keine Zukunft. Gute Schulen gibt es nur außerhalb oder gegen 10000 Dollar im Jahr. Es kann kein Zufall sein, dass 50 Jahre nach der Emanzipation der Afroamerikaner immer noch gilt: schwarz = chancenlos. Ganz im Zentrum von Detroit gibt es eine Brache, wo in den 60ern die Unruhen waren. Und diese Unruhen nehmen zu. Das sind keine Aufstände von politischen Wirrköpfen oder Hooligans, sondern Ausdruck der Aussichtslosigkeit. Zero tolerance hält diese Menschen nieder. Zero tolerance ist unter dem Gesichtpunkt zu sehen, dass 1% der Bevölkerung Haftstrafen oder ähnliches verbüßt, sie passt zur 3-strikes-and-you're-out-Regel. Diese Maßnahmen sind dazu gedacht, die immer kleiner werdende bürgerliche Gesellschaft vor ihren Parias zu schützen. So sehe ich das (ein bisschen Provokation inklusive).
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