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Platons Kritik der attischen Demokratie

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Beitrag von Wallenstein Sa Okt 10, 2015 12:07 pm

Platon ( 427-347 v.Chr.)) gehört zu den größten griechischen Philosophen. Sein Lehrmeister war Sokrates, sein begabtester Schüler Aristoteles. Alle drei waren sich einig in der Ablehnung der Demokratie.

Ich habe sein Hauptwerk, der Staat, noch einmal überflogen. Platons Philosophie ist natürlich sehr komplex, aber vielleicht kann man kurz zusammenfassen, warum er die direkte Demokratie in Athen ablehnte:

Die Menschen sind dafür einfach zu dumm. Die Masse der Bürger ist zu ungebildet und nicht in der Lage, kompetente Beschlüsse zu fassen. Deshalb sollte eine Schicht von Gebildeten, die Philosophen, den Staat lenken.

Platon zeichnet ein düsteres Bild von der Volksversammlung in Athen. Sie wird beherrscht von machtgierigen Politikern, er nennt sie Drohnen, die mit ihren Anhängern, das so genannte Drohnenvieh, die Macht an sich ziehen und verhängnisvolle Beschlüsse durchsetzen. Diese Drohnen bilden eine neue Oligarchie: (Alle Zitate stammen aus Platon, Der Staat, München 1955, S. 392 ff.)

„Teilen wir in Gedanken die Bürgerschaft einer Demokratie in drei Klassen, in die sie bekanntlich auch in der Wirklichkeit zerfällt: die erste, die eben erwähnte Drohnenklasse, wächst in der Demokratie infolge der übermäßigen Freiheit in nicht geringerer Zahl empor als in dem von einer Oligarchie regierten Staate.
Ja, so ist's.
Aber in ersterer ist sie weit leidenschaftlicher als in letzterer.
Wieso?
Weil sie in der Oligarchie nicht im Besitze der Bürgergeltung ist und von der Staatsregierung ausgeschlossen wird, kann sie dort ihre Geisteskraft nicht entwickeln und kommt zu keiner durchdringenden Kraft: in der Demokratie dagegen ist diese Klasse diejenige, die die ganze Bürgerschaft derselben, mit Ausnahme weniger, bevormundet: der leidenschaftlichste Teil davon spielt die tätige Rolle der Politik in Wort und Tat, der übrige Schwarm umlagert passiv mit Gesumse die Rednerbühne und läßt niemanden eine andere Meinung vortragen, so daß bei einer solchen Verfassung alle Geschäfte des Staates, mit Ausnahmeweniger, von der genannten Klasse abgemacht werden.“

Die zweite Klasse sind für Platon die vermögenden Schichten, die von den Drohnen zur Kasse gebeten werden, die sogenannte Drohnenweide.

„Diese zweite Klasse, die Reichen, führen bekanntlich den Namen »Drohnenfutter«.
Ja, sagte er, so ungefähr."

Die dritte Klasse ist die arme Bevölkerung, die den Drohnen hinterherläuft.

„Die dritte Klasse der Demokratie aber wäre das niedere Volk, worunter alle gehören, die von eigner Handarbeit leben, die keine Freunde von Staatsgeschäften sind, die keinen großen Landbesitz haben, und dieser Teil ist der zahlreichste und zugleich der entscheidendste, wenn er ganz versammelt ist.
Ja, sagte er, das ist er freilich; aber er hat keine sonderliche Lust, eine solche vollständige Versammlung zu bilden, wenn er keine Aussicht hat, Anteil am Honig zu bekommen.
Nun, sagte ich, er bekommt immer, wenn die rädelsführenden Volksführer imstande sind, die besitzende Klasse zu berauben und den Raub unter das Volk so zu verteilen, daß er den größten Teil davon behalten kann.
Ja freilich, sagte er, so bekommt das Volk seinen  Anteil.“

Diese Drohnen entwickeln sich zu Volksführern, aus denen eine neue Tyrannis entsteht.

„Nicht wahr, daher die bekannte Gewohnheit des niederen Volkes, vorzugsweise irgend einen sich als Volksanwalt an seine Spitze zu stellen, ihn dick und mächtig groß zu füttern?
Ja, freilich ist das seine bekannte Gewohnheit. Dies wäre also, sagte ich, erstlich außer Zweifel, daß ein Tyrann, wenn er entsteht, nur aus dieser Wurzel der Volksanwaltschaft und nirgends anderswoher hervorkeimt?
Ja, ganz ohne Zweifel.
Wo ist nun der Anfang seiner Umwandlung aus einem Volksanwalt zu einem Tyrannen Jener Herr Volksanwalt dagegen legt sich selbst verständlich nicht groß großmächtig hin, sondern  steht nach
Niederstreckung vieler anderer Thronkandidaten am Ruder des Staates und ist nun ein Tyrann
in seiner Vollendung!
Ja, sagte er, das läßt er erwarten.“

Platon geht davon aus, das es zuerst eine Oligarchie der Reichen gab, die wurde durch eine Revolution gestürzt und es entsteht die Demokratie. Durch das Handeln der Drohnen und der Dummheit des Volkes entsteht dadurch später eine Tyrannis. Oligarchie, Demokratie und Tyrannis sind die drei schlechten Staatsformen. Die guten Staatsformen wären daher die Aristokratie oder die Monarchie, am besten aber eine Herrschaft der Philosophen.

„Wenn nicht entweder die Philosophen König werden in den Städten [...], oder die, die
man heute Könige und Machthaber nennt, echte und gründliche Philosophen werden, und
wenn dies nicht in eines zusammenfällt: die Macht in der Stadt und die Philosophie, und
all die vielen Naturen, die heute ausschließlich nach dem einen oder dem anderen streben,
gewaltsam davon ausgeschlossen werden, so wird es [...] mit dem Elend kein Ende haben,
nicht für die Städte und auch nicht [...] für das menschliche Geschlecht.“

Platon gehörte zur Athener Oberschicht und erlebte die attische Demokratie auf ihrem Tiefpunkt während des Peloponnesischen Krieges. 404. V. Chr. siegten die Spartaner, schafften in Athen die Demokratie ab und errichteten die Herrschaft der dreißig Tyrannen, die in der Stadt eine Schreckensherrschaft ausübten und etwa 1.500 Menschen ermorden ließen. Zu den dreißig Tyrannen gehörten auch Angehörige aus Platons Familie, so z. B. sein Onkel Kritias. Platon selbst distanzierte sich von diesen Herrschern. Kurze Zeit später kam durch eine neue Revolution die Demokratie wieder an die Macht, ergänzt durch neue Kontrollmechanismen, um frühere Missbräuche zu verhindern.

Platon ist sicherlich voreingenommen, auch wenn viele Kritikpunkte wahrscheinlich berechtigt sind. Unter anderem kritisierte er, dass die Exekutivorgane der Stadt nicht aufgrund von Qualifikation besetzt werden, sondern durch das Losprinzip. Deshalb gab es überall Inkompetenz und Willkür.

Platons alternative Vorstellung von Herrschaft  wird vielfach interpretiert als reaktionäres Elitekonzept mit einem Hang zum Totalitarismus. So z.B. von Karl Popper in seinem Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.

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Beitrag von Nepomuk Do Mai 26, 2016 5:58 pm

Eine Herrschaft der Philosophen käme einer Anarchie gleich, die meisten philosophischen Schulen würden ihre Ideen auf die verschiedensten Menschengruppen projezieren. Am ende würde eine Chaos an Ideen die einzige Herrschaft sein, und wieder einmal hat der Mensch versagt.

Wenn Platon bei seiner Philosophen Wahl ein Konzept voran stellt, worin sich 3 Systeme wiederspiegeln, dann ist damit was anzufangen.
z.B.
Pythagoras, Heraklit und Sokrates.
Die Römer waren da etwas strategischer in ihrem Reich. Die griechische Machtform war ein durcheinander. Soweit ich weis waren die Griechen nicht Hierarchisch strukturiert.
Im antiken Griechenland verstand man aber auch weitaus mehr unter dem Begriff "Philosoph" als es heute der fall ist. Von daher ist es alles nur mutmaßen.

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Beitrag von Ceres Do Mai 26, 2016 6:31 pm

Da stimme ich Nepomuk vollkommen zu. Wenn es so wie die Philosophen ausgeführt worden wäre, stünde das Chaos unmittelbar vor der Tür. Ob das einfache Volk wirklich dümmer war, würde ich auch nicht so sehen. Unter ihnen waren sicher auch kluge Leute.
Bei den Griechen war das System auch nicht gerade so strategisch geordnet - nicht so wie im alten Rom. Zum Gegensatz war das Römische Reich viel straffer, strategischer organisiert.
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Beitrag von Wallenstein Fr Mai 27, 2016 10:42 am

Die Griechen lebten in einer Reihe von Stadtstaaten und besaßen lange Zeit keine staatliche Einheit. Je nach Kräfteverhältnis zwischen den sozialen Schichten entstanden in den verschiedenen Städten unterschiedliche Regierungsformen.

Aristoteles zählt sie auf: Monarchie, Aristokratie, Politei, Tyrannis, Oligarchie, Demokratie.

In der Spätphase der griechischen Antike kommt es zwischen ihnen zu heftigen Kämpfen und dem Makedonier Alexander dem Großen, der ja von Aristoteles erzogen wurde, gelingt es, sie alle zu vereinigen und zwar in einer Monarchie. Für Aristoteles die ideale Staatsform. Nach dem Tode von Alexander zerfällt sein Reich in die Diadochenstaaten, die ebenfalls Monarchien waren. Ohne die römische Eroberung hätten diese sich wahrscheinlich in Staaten entwickelt mit Strukturen, wie sie Rom in der Kaiserzeit besaß.

Philosophenherrschaft a la Plato, der ja ein Schüler von Sokrates gewesen ist, bedeutet nach Meinung vieler Interpreten nicht Chaos, sondern Diktatur. Plato glaubte an allgemein gültige Wahrheiten, die die Philosophen alleine kennen und die notfalls mit Gewalt gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden müssen. Diese Diktatur wäre nur zum Besten im Sinne des im Grunde dummen und unfähigen Volkes. Das erinnert stark an die Kommunisten im Ostblock, die ja auch an absolute Wahrheiten glaubten, die dann per Diktatur durchgesetzt werden sollten. Plato gilt deshalb als Vordenker des Totalitarismus
Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophenherrschaft

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Beitrag von Arkesailas Mi Jun 01, 2016 8:52 am

"Der Staat plant und lenkt die Fortpflanzung, schreibt sie vor oder untersagt sie, sowohl zum Zweck der Eugenik als auch um die Bevölkerungszahl konstant zu halten. Die Erziehung der Nachkommenschaft obliegt ausschließlich staatlichen Behörden; behinderte und aus unerwünschten Verbindungen hervorgehende Neugeborene sollen wie in Sparta nicht aufgezogen, sondern „verborgen“, d. h. ausgesetzt werden.[177] Bei der Aussetzung oder Tötung von Säuglingen mit angeborenen Defekten handelt es sich um eine in der Antike verbreitete Sitte."(Wiki) Der ideale Staat, den Platon in seiner "Politeia" beschreibt, muss von oben gelenkt werden. Erst die Philosophenherrscher, dann die Wächter und dann die Bauern und Handwerker. Ziel sollte der ideale Staat sein. Vorrechte waren vor allem nicht erblich, die Menschen hatten sich zu bewähren. Die Kinder werden den Eltern weggenommen und durch staatliche Heime/Schulen groß gezogen. Unwertes Leben wurde ausgemerzt. Das erinnert doch stark an die faschistische Diktatur, die das auch praktizierte. Da braucht man nicht zuallerst die Kommunisten im Ostblock zu benennen, wenngleich es restriktive Maßnahmen der staatlichen Erziehung gab.
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