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Aus dem Rahmen fallende technologische Errungenschaften

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Beitrag von Apollo13 Sa Jan 16, 2016 7:05 pm

Die älteste mir bekannt gwordene Keramik ist die "Venus von Dolne Vestonice", obwohl sie in der archäologischen Literatur nicht als Keramik bezeichnet wird. Sie soll aus dem 24. Jtsd v. Chr. stammen und wurde im heute tschechischem Gebiet gefunden - liegt hier vielleicht ein Datierungsfehler vor?

Früheste keilschriftliche Inforamtionen über die Glasherstellung liegen aus Mesopotamien vor (Ende 3. Jtsd. Ur-III -Dynastie) - aber kein Glas!
Früheste ägyptische Glasfunde liegen aus der Zeit um 1600 vor Chr. vor, aber keine Berichte darüber.
Umfassende Berichte über die Glasherstellung finden sich in der Bibliothek des Assurbanipal vor (700 v. Chr.), Fachtermini gleichen denen aus dem 3. Jtsd. von der Ur-III. Dynastie, welche ein hochentwickeltes Verfahren zum Entfärben von Glas beschreiben.
Ist hier alles richtig datiert worden?

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Beitrag von Exmitglied-2 Mo Jan 18, 2016 12:57 pm

Glas hat nichts mit Keramik zu tun und die Figur ist definitiv nicht aus Glas.
Der Terminus Keramik bezeichnet in der Archäologie im Normalfall ein Alltagsprodukt aus (meist gebranntem) Ton oder Lehm wie Teller, Schüsseln und dergleichen. Figürliche Darstellungen werden normalerweise als Tonfigurine bzw. Lehmfigurine oder entsprechend Glasfigurine, Steinfigurine etc. bezeichnet. Wenn ich Wikipedia glauben darf, ist die Figurine von Dolne Vestonice nur getrocknet. Also an der Luft. Sie wurde aufgrund des Fundkontextes datiert, sagt Wikipedia. Von daher würde ich die Datierung nicht anzweifeln ohne die anderen Objekte zu kennen.

Im nicht-archäologischen Bereich wird bei Keramik, glaube ich, nicht zwischen Geschirr und Kunst (um es mal plump zu sagen) differenziert, woraus sich erklärt, warum in den archäologischen Berichten das Wort Keramik nicht auftaucht.

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Beitrag von Exmitglied-2 Mo Jan 18, 2016 1:22 pm

Abgesehen davon, was sollen das für Fachtermini sein, die angeblich gleich sind? Sumerisch existierte zwar noch in der neuassyrischen Zeit, aber mehr als eine Art Gelehrtensprache und in manchen Sumerogrammen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Herstellungsverfahren für Glas in neuassyrischer Zeit zu den Texten gehört, die auf sumerisch verfasst wurden. Mir ist bei sumerischen Wirtschafts- und Verwaltungstexten auch noch nichts begegnet, was den Begriff Fachterminus gerechtfertigt hätte. Meinst du eine ähnliche Zutatenliste? Meinst du einander ähnelnde Herstellungsverfahren? Oder hast du Textbeispiele?

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Beitrag von Marek1964 Mo Jan 18, 2016 10:51 pm

Naqia schrieb:Wenn ich Wikipedia glauben darf, ist die Figurine von Dolne Vestonice nur getrocknet. Also an der Luft. Sie wurde aufgrund des Fundkontextes datiert, sagt Wikipedia. Von daher würde ich die Datierung nicht anzweifeln ohne die anderen Objekte zu kennen.

Ich habe einige tschechische Quellen zu diesem Thema gelesen, unter anderem die tschechische wiki https://cs.wikipedia.org/wiki/V%C4%9Bstonick%C3%A1_venu%C5%A1e
http://www.ceskatelevize.cz/porady/10267292848-7-divu-ceska/4044-divy/?divdetail=33

Die Venus von Dolní Věstonice wurde in der nähe einer Feuerstelle gefunden. Dank dieser kann ihr Alter plausibel bestimmt werden.

Man hat ja 2004 dann eine tomographische Untersuchung durchgeführt, um das Material genauer zu bestimmen. Dabei wurde sogar ein Fingerabdruck eine Kindes entdeckt.

Zur Altersbestimmung gibt es verschiedene Methoden - Stichwort C14. Vielleicht nimmt sich dieses Themas jemand ganz generell an und eröffnet dazu einen Thread.

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Beitrag von Apollo13 Di Jan 19, 2016 5:10 pm

@Naqia

Nach wikipedia besteht die Venus aus Lösslehm und ist mit Tierknochenmehl gemagert. Das macht eigentlich nur Sinn, wenn die Figur gebrannt (Keramik) und das Knochenmehl als Ca-Spender eingesetzt wurde. C14-Datierungen misstraue ich, insbesondere wenn als Kultur das Gravettien in Rede steht. Außerdem ist auch nach Augenschein die Oberfläche zu glatt für luftgetrocknete Figuren nach 24.000 Jahren in der Erde.

In seinem "Handbuch der Archäologie - Antikes Glas" hat Axel v. Saldern Bezug genommen auf eine Veröffentlichung von [Oppenheim/ Brill/ Baraq/ Saldern 1970, 19]
"Der Stab aus Eshnunna, die Glasbrocken aus Tell Brak und Eridu und das Gefäß aus Tell Asmar sind (abgesehen von Perlen)  die ältesten, uns bekannten Zeugnisse antiker Glasmanufaktur. Angesichts dieser bescheiden anmutenden Stücke gewinnt eine Passage in einem Inventar [Keilschrift-Tontafel] aus der Zeit der Dritten Dynastie von Ur, d.h. gegen Ende des 21. Jhs. an Bedeutung. Dort werden Gegenstände aus einem Haushalt eines wohlhabenden Beamten aufgeführt. Unter diesen erscheint, neben Werken aus Metall, >>eine Schale aus anzahhu-Glas von einem Gewicht von  55 Shekel<<(d.i. weniger als ein Pfund). Wäre ein derartiges Gefäß tatsächlich aus einer glasartigen Masse gefertigt worden (primary glass), würde es...damit zu den frühesten uns bekannten Glasgefäßen um rund einem halben Jahrtausend vorausgegangen sein..."[Saldern 2004, 6f].

Wegen diesem Unbehagen möchte Saldern den Begriff "anzahhu" nicht mit Glas in Verbindung bringen. In der Bibliothek des Asurbanipal vorhandenen Glasrezeturen bedeutet "anzahhu" allerdings Antimonglas [Heike Wilde: Technologische Innovationen im zweiten Jahrtausend vor Christus - Zur Verwendung und Verbreitung neuer Werkstoffe im ostmediterranen Raum, 2003, 20]

Der Begriff Shekel soll laut monypedia ein althebräisches Wort, nicht vor -1400 bzw. -1300 entstanden sein - gehört also nicht in das -21. Jh.



Eingeführt habe ich den Threat, um Ungereimtheiten von bei archäologischen Funden in den Blickwinkel zu rücken.

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Beitrag von Marek1964 Di Jan 19, 2016 9:59 pm

Warum misstraust Du der C-14 Methode, Apollo?

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Beitrag von Exmitglied-2 Di Jan 19, 2016 10:47 pm

@apollo13: Okay, ich dachte das Glas stände irgendwie mit der Figurine in Bezug *Hand vor den Kopf klatsch* mein Fehler!

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Beitrag von Apollo13 Mi Jan 20, 2016 7:25 pm

@Marek1964

Das wird ein weites Feld. Das Problem stellt sich aus der Chronologiekritik. Die C14-Methode wurde auf Grund ihrer oft unzureichenden Ergebnisse mittels Dendrochronologie "kalibriert". Dabei wurde unterstellt, dass die Jahreszählung innerhalb der Dendrochronologie tatsächlich mit der physikalischen/ rückrechenbaren Jahreszählung übereinstimmt. Hollstein hatte relativ früh die "Süddeutsche Eichenchronologie" erstellt und versucht, die als römisch eingestuften Hölzer aus Trier mit der C14-Methode abzugleichen. Er stellte fest, dass die damals noch unkalibrierte C14-Methode ca. 300 Jahre jüngere Ergebnisse lieferte als die historischen Datierungen der Hölzer. Nachdem nach längerer Zeit eine als gesichert angesehene Dendrochronologie für Deutschland erstellt wurde (schwimmende Hölzerlagen wurden allerdings stillschweigend mittels "unkalibrierter" C-14-Methode vorsortiert), ging man an die Kalibrierung der C14-Methode mittels bisher nicht veröffentlichter  Dendro-Masterkurve. Dies führte zu einer deutlichen Veralterung bisheriger C14-Daten. Da die Archäologen sich von "naturwissenschaftlichen" Datierungsverfahren beeindrucken ließen, nahm die Sache ihren Lauf. Trotz stets verfeinerter Analytik gibt es immer wieder Ausreißer, deswegen gibt die Archäologie der Dendrochronologie gern den Vorzug.
Hans-Erdmann Korth hat sich als gelernter Physiker mit diesen Problemen beschäftigt und kommt nach meinem Verständnis grob fomuliert zu folgendem Ergebnis:
1. die Kalibrierung der C14-Methode hat zu einer Veralterung der Datierungen geführt, bessere Ergebnisse liefert aus physikalischen Gründen die unkalibrierte Methode.
2. mittels unkalibrierter C14-Methode - korrigiert durch Sulfatniederschläge in Eisbohrkernen von Arktis und Anarktis, welche entsprechenden Vulkanausbrüchen zugeordnet werden, können C14-Anstiege sinnvoll mit der physikalischen Zeitachse verknüpft werden.
3. die Dendrochronologie kann nun unter Auslassung von zu viel in der Masterkurve enthaltenen Jahren mit der C14-Methode chronologisch parallelisiert werden.
Bisher hat allerdings außer Korth sich niemand daran gemacht, da Chronologie-Kritiker perse als bescheuert oder als Verschwörungsthorethiker gelten und Akademiker ungern beruflichen Selbsmord begehen.

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