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Die Vorwahlen in den USA

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Beitrag von Wallenstein Sa März 05, 2016 10:47 am

Ich habe in einem anderen Forum einige Beiträge über die amerikanischen Vorwahlen in den USA geschrieben. Vielleicht interessiert dies hier auch einige:

Ein kompliziertes Wahlsystem

Das amerikanische System der Vorwahlen ist äußerst kompliziert und für uns schwer nachvollziehbar. Es ist zudem von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden. Grob eingeteilt: Es gibt das Caucus-Sstem und das Primary System.

In Iowa, dem Staat mit der ersten Vorwahl, wurde nach dem Caucus-System gewählt. Hier treffen sich in vielen Orten die Anhänger der Republikaner und Demokraten, separat natürlich, zu kleinen Versammlungen, es gab jetzt 1691 davon und diskutieren stundenlang, bis dann über die Delegierten abgestimmt wird. In den USA muss man sich registrieren lassen, wenn man wählen will und dabei seine politische Präferenz angeben: Demokrat, Republikaner oder Unabhängiger. Das Caucus-System gilt als besonders demokratisch, da hier alle diskutieren können. In kleinen Staaten geht es auch noch recht persönlich zu, auch weniger aussichtsreiche Kandidaten können gewinnen, was sich in Iowa bei den Republikanern gezeigt hat. An den Versammlungen nehmen allerdings relativ wenige Personen teil. Auch in Nevada wurde nach dem Caucus-System gewählt.

Die meisten Bundesstaaten verfahren aber nach dem Primary System. Davon gibt es drei Typen:

Das geschlossene Primary System. Wahlberechtigt sind nur die eigenen Parteimitglieder.

Das halb-offene Primary System: Wahlberechtigt sind die eigenen Parteimitglieder und Unabhängige. So dürfen bei den Wahlen für demokratische Delegierte nur die eigenen Mitglieder und Unabhängige wählen, nicht aber die Republikaner. In New Hampshire wurde nach dem halb-offenen Primary-System gewählt.

Das offene Primary-System. Hieran können alle Wahlbürger teilnehmen. Auch Republikaner können beispielsweise demokratische Kandidaten wählen. Das Primary System funktioniert in der Regel wie eine Briefwahl bei uns. In South Carolina wurde nach dem offenen Primary System gewählt.

Auch wenn das alles sehr demokratisch aussieht, siegen können nur Kandidaten mit viel Zeit, sehr guten Beziehungen und viel Geld, denn ein Wahlkampf ist nicht gerade billig.

Zerstrittenes Wahlvolk


Im Jahre 2008 erschien in den USA eine Studie mit dem Titel Red Families versus Blue Families.
(Blue ist die Farbe der Demokraten, Red die Farbe der Republikaner)

Die Blue Families, also die Wähler der Demokraten, gehören der gutsituierten Mittelschicht an, hätten eine unkonventionelle Lebenseinstellung, heiraten spät und bekämen weniger Kinder als Familien mit traditionellen Einstellungen. Sie arbeiten hart am Erfolg, es gibt wenig Scheidungen, und uneheliche Kinder. Sie entsprechen am ehesten dem traditionellen Amerikaner.

Die Anhänger der Republikaner orientieren sich krampfhaft an den alten Normen und Werten, doch tatsächlich ist ihre Lebensweise eher chaotisch. Gerade bei ihnen gibt es viele frühe Eheschließungen, die dann sehr häufig scheitern, zahlreiche Teenager-Schwangerschaften, viele uneheliche Kinder und oft zerrüttete Familienverhältnisse. Ihre Arbeitsverhältnisse sind häufig prekär, die finanziellen Verhältnisse schwierig. Dies korrespondiert aber mit der seltsamen Forderung nach der Ablehnung von Abtreibungen und Empfängnisverhütung und sexueller Enthaltsamkeit vor der Ehe, denn dies durchzusetzen ist völlig unrealistisch.
Die von ihnen vertretenen Werte stehen häufig in einem krassen Gegensatz zu ihrer eigenen Lebenssituation.

Dies ist die Klientel von solchen ultrareaktionären Demagogen von der Tea-Party wie Rush Limbaugh, der in seinen Radiosendungen die Feinde Amerikas nennt: es sind die „Experten“, die „Gebildeten“, die „Juristen“, „Reporter“, die „Wissenschaftler“ usw. Die Bildungselite will den Amerikanern vorschreiben, wie sie zu leben hätten. Sie hätten eine Art Diktatur über den „normalen“ Amerikaner errichtet mit unzähligen Gutachten und Expertisen.

Diese Intellektuellenfeindlichkeit richtet sich gegen die Demokraten und ist recht populär. Obwohl Limbaugh von der heilen Familie schwärt, ist er selber schon zum vierten Mal verheiratet.

Die ehemalige erzkonservative Gouverneurin von Alaska, Sarah Louise Palin, schwärmte auch von der heilen Familie, aber ihre 18jährige Tochter machte sie gleich zur Großmutter und löste ihre Ehe schon nach zwei Monaten. Seitdem tobt der Streit um das Sorgerecht. Der Autowaschbetrieb von der Ex-Gouverneurin wurde geschlossen, weil sie keine Gebühren zahlte.

Gegen den Gouverneur von Maine, Paul LePage, ebenfalls Tea-Party Fraktion, der vor allem durch seine dummen Sprüche auffällt („Obama hasst alle weißen Menschen“), wird ein Absetzungsverfahren angestrengt wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten.

Solche populistischen Rattenfänger genießen allerdings eine beträchtliche Popularität.

Bis jetzt ein stabiles System

In vielen amerikanischen Regionen herrscht ein sogenanntes Combine, eine unübersichtliche Clique aus Demokarten, Republikanern, Wirtschaft und manchmal auch kriminellen Elementen. Aber trotz aller Korruption, Intrigen und Machenschaften funktioniert es. John Steinbeck schrieb in seinem Buch Amerika und die Amerikaner, dass allen Widrigkeiten zum Trotz überwiegend wohlmeinende und fähige Personen an die Macht gekommen seien: „Das ist wieder einer unserer Paradoxa. Und in diesem Falle sind wir vom Glück begünstigt - behütet von einem freundlichen, humorvollen Schutzgeist-, oder aber unsere Staatsform enthält etwas, was uns vor uns selber schützt. Die amerikanische Demokratie ist sowohl anpassungsfähig als auch stabil. Sie war nicht nur gefeit gegen alle Angriffe von außen, sondern auch gegen unsere eigene Dummheiten, die manchmal gefährlicher sind.“

Simon Shema schildert in seinem Buch „American Future. A History" von einem Caucus 2008 in Moines-West, Ioawa. Dort kamen Nachbarn zusammen, die sonst sehr selten miteinander sprechen. Er war überrascht von der harmonischen Stimmung trotz aller Meinungsverschiedenheiten. Der Caucus war seiner Meinung nach ein Akt rechtschaffenen Bürgersinns. Jeder gab einem Kandidaten buchstäblich seine Steine, namentlich. So diskutierten bis weit nach Mitternacht alte Tanten, heisere Taxifahrer und Rechtsanwälte miteinander.

Der amerikanische Wahlkampf zeigt nicht nur die große Diskussionsfreudigkeit der Amerikaner, sondern auch das ungeheure Engagement und die Begeisterung hunderttausender Freiwilliger, die unermüdlich im Einsatz für ihre Kandidaten sind. So etwas ist bei uns eher selten. Die Lebenskraft der amerikanischen Demokratie sollte man daher nicht unterschätzen.

Wachsende Ungleichheit

Ein großes Problem ist das Missverhältnis zwischen Reich und Arm. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Steuerpolitik der USA gerade den Superreichen besonders viele Vorteile einräumt.

Im Sommer 2011 kam es zu einem bemerkenswerten Leserbrief von dem drittreichsten Mann der Welt, Warren Buffett, in der New York Times. Er hatte nämlich zu seinem Erstaunen festgestellt, dass er, der über ein geschätztes Privatvermögen von über 72 Milliarden Dollar verfügt, in seiner Firma den mit Abstand niedrigsten Steuersatz hatte. Als er sich bei den anderen Milliardären erkundigte, stellte er fest, dass es denen nicht anders ging. Zumindest eine Gleichstellung mit dem Steuersatz eines normalen Angestellten schien ihm angemessen zu sein. Er forderte:“ Milliardäre wie ich müssen mehr Steuern zahlen.“

Daraufhin kam es zu einer bemerkenswerten Kampagne in den USA. Wohlhabende Bürger forderten den Staat in Werbespots auf: Tax me!“ (Besteuere mich!).

Tocqueville beschreibt Amerika in seinem berühmten Werk „Über die Demokratie in Amerika“, als ein Land, in dem das Prinzip der Gleichheit einen hohen Stellenwert besitzt. Damit ist nicht die ökonomische Gleichheit, sondern die Gleichheit vor dem Gesetz und die Chancengleichheit gemeint.

Der große Historiker Tony Judt( gest.2010) stellte fest, dass das Prinzip der Chancengleichheit heute nur noch bedingt gilt. Deutlich wird dies an der Mobilität der Generationen. Eine Vater-Sohn Graphik verdeutlicht: Wie viel haben die Kinder aus eigner Kraft erreicht und was haben sie ihren Eltern zu verdanken? Im Jahre 1960 waren es in den USA kaum mehr als 10%, im Jahre 2000 schon 35%. Immer mehr Menschen verdanken ihren Reichtum vor allem ihren Eltern. Das ähnelt eher einer geburtsständischen Gesellschaft.

In den 20er Jahren gab es schon einmal gewaltige soziale Unterschiede, doch die große Depression dampfte viele Vermögen wieder ein. Roosevelt betrieb eine Politik der „Great Compression“, hohe Einkommenssteuern und eine Reichensteuer sollten das Auseinanderdriften der Gesellschaft stoppen. Im Krieg zahlten die Wohlhabenden hohe Steuern und die Rüstungsarbeiter verdienten gut. Nach dem Krieg bekamen die Soldaten hohe Abfindungen, kauften Einfamilienhäuser, die am Band hergestellt wurden und zur Entstehung der Suburbs führten, dazu noch Autos und andere Konsumgüter.

Das G.I.Bill Gesetz von Roosevelt 1944 sah vor, das der Staat die hohen Studiengebühren der Universitäten für ehemalige Soldaten übernahm. Millionen machten davon Gebrauch und es entstand eine gut verdienende, qualifizierte Mittelschicht. Dieses Gesetz gab auch Starthilfen für Firmengründer und vieles mehr. Noch heute schwärmen viele Amerikaner davon und damals sah es so aus, als wären die USA eine nivellierte Mittelstandsgesellschaft.

Das ist nun schon lange her. In den siebziger Jahren begann langsam der Niedergang, Steuersenkungen unter Jimmy Carter, dann vor allem unter Reagan, sollten zu einem neuen Aufschwung verhelfen. Da der Staat nun weniger Einnahmen hatte, die Ausgaben aber nicht senkte, begann die Staatsschuld zu explodieren. Anfang der achtziger Jahre betrug sie 1 Billion Dollar und ist nun auf über 16 Billionen angestiegen, somit liegt sie knapp über dem jährlichen BIP.

Der Lebensstandard vieler Amerikaner ist verglichen mit Westeuropa erstaunlich niedrig. Die meisten haben nur 14 Tage im Urlaub im Jahr, verdienen wenig, sind unterversichert, verschuldet und haben schlechte Jobs.

Die Rolle der Religion

Tocqueville schrieb einmal, dass Amerika vor allem das Werk religiöser Gruppen ist. Zu seiner Zeit fand gerade das zweite „Awakening“ statt, (1800-1840) ein erneuter massenhafter Zustrom von religiös inspirierten Siedlern aus Europa. Meistens handelte es sich um Abkömmlinge des Protestantismus und die vielen Namen der Sekten sagen uns hier nicht viel. Aber ihre Vielfalt ist überwältigend, Methodisten, Baptisten, Quäker, Mennoniten, Kalvinisten, darunter auch Konfessionen, wie die Mormonen oder die Shaker, die erst in Nordamerika gegründet wurden.

Tocqueville betonte: Während in Europa die Religion ein Instrument der absolutistischen Könige war, also der Unfreiheit diente, ist es in Amerika genau umgekehrt, die Religion forderte hier die Demokratie. Die Fülle der Konfessionen, von denen keine die andere dominierte, benötigte einen neutralen, absolut weltlichen Staat, der allen die Religionsfreiheit und Grundrechte garantierte.

Auch heute fühlt sich die Hälfte der Amerikaner einer Religionsgemeinschaft zugehörig. Es gibt einen Pluralismus der Religionen, aber absolutes Unverständnis für Atheisten. Die meisten US-Bürger haben nichts gegen einen Farbigen oder eine Frau als Präsidenten, aber nur 6% können sich einen Atheisten an der Spitze des Staates vorstellen.

Die Gemeinden finanzieren sich alle durch Spenden, es gibt deshalb einen erbitterten Konkurrenzkampf um die Seelen, denn je mehr finanzkräftige Mitglieder umso besser. Anders als in Europa wechselt auch jeder zweite Amerikaner im Laufe seines Lebens die Konfession. Diese arbeiten wie kommerzielle Unternehmen, überall in den USA hört man die Stimmen der Prediger aus den Radios oder man sieht sie im Fernsehen. Sie verkaufen ihr Produkt wie ein Waschmittel, vertreiben Bücher, Filme und CD’S und fordern zu großzügigen Spenden auf, die ihnen von Gott dann hundertfach zurückgegeben werden.

Ich bin kein religiöser Mensch, aber Freunde forderten mich auf, einmal verschiedene Gottesdienste zu besuchen, das sei ein Teil Amerikas. Es geht dort sehr locker und ungezwungen zu, ich hatte das Gefühl, bei Verwandten eingeladen zu sein. Eine sehr angenehme Atmosphäre. Früher schimpften die Prediger auf die schlimmen Sünder, heute erwecken sie vor allem Hoffnungen. Wenn man gottesgläubig ist, bekommt man von Jesus einen guten Job, ein Haus oder ein Auto. Ich war verblüfft, aber die Leute beteten ganz inbrünstig und riefen: „Jesus, give me money!“

Nicht wenige Prediger sind politisch sehr konservativ und stehen oftmals den Republikanern nahe, heute auch häufig der Tea-Party. In Kalifornien tummelten sich zu meiner Zeit regelrechte Hetzer im Radio aus, das konnte ich zum Schluss nicht mehr hören.

Der religiöse Fundamentalismus breitet sich im Bible Belt aus, speziell in den Südstaaten. Dort wählten die Menschen früher vorwiegend die Demokraten, da die Republikaner im Bürgerkrieg den Süden erobert hatten und deshalb nicht beliebt waren. Dies hat sich inzwischen geändert.

Die Fundamentalisten wollen die biblischen Elemente wieder beleben, die Schöpfungsgeschichte soll die Evolutionslehre ablösen und andere Dinge mehr. Einige Wissenschaftler sprechen bereits von der neuen Unwissenheit in den USA. Rationale Erkenntnisse werden wieder ersetzt durch Mythen und fromme Geschichten.
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Beitrag von Wallenstein Di März 08, 2016 10:11 am


Einige Probleme in den USA


Krasse soziale Unterschiede

Vielleicht erinnern sich noch einige an den Film „Taxi Driver“ mit Robert De Niro aus dem Jahre 1976. Hier ein Spruch daraus:

„Wenn es dunkel wird, taucht das Gesindel auf: Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Trinen, Schwuchteln, Drogensüchtiger, Fixer, kaputte Syphkranke. Ich hoffe, eines Tages wird ein großer Regen diesen ganzen Abschaum von der Straße spülen."

In manchen Downtowns amerikanischer Städte sieht es aus wie in der Dritten Welt. Obdachlose irren mit ihrer Habe durch die Straßen und man sieht Typen, denen man auch bei Tage eigentlich nicht begegnen möchte. L.A. Downtown war noch vor wenigen Jahren ein Synonym für Elend und Kriminalität, jetzt hat sich dies im Rahmen der Aktion Safer City etwas gebessert.

Doch manche Viertel wie South L.A. sind weiterhin Kriegsgebiete, in die sich auch die Polizei selten hineintraut. Sie kontrolliert sie lieber mit den Hubschraubern, den Ghetto Birds. Das Viertel der Farbigen Watts in L.A. brannte bei einem Aufstand 1965 lichterloh, von den Hügeln in Beverly Hills, wo die Schönen und Reichen leben, konnte man dies deutlich sehen.

Armut und Reichtum sind in den USA oft nur wenige hundert Meter auseinander. Es gibt wunderschöne Stadtviertel mit Einfamilienhäusern und dann die Outskirts, die Randgebiete, wo Menschen in Erdlöchern hausen. Und das ist auch ein Phänomen:

Große, krasse soziale Unterschiede werden in Europa nicht so ohne weiteres akzeptiert, doch in Amerika nimmt man dies als unvermeidlich hin. Persönliches Scheitern kann jedem passieren, doch man sollte auch wieder nach oben steigen können. Nicht soziale Sicherheit, sondern Chancengleichheit bestimmt das Bewusstsein vieler Bewohner, die Idee eines Sozial Staates ist nicht sonderlich populär. Dieser sei teuer und würde nur die Eigeninitiative bremsen und die Faulheit fördern.

In der Fernsehserie „The Wire“, die wegen ihres Realismus sehr gelobt wurde, erleben wir die Polizisten in der Hölle von Baltimore. Verwahrloste Gebiete, Drogenhandel, Gangs. Hier sehen wir die 15-20% der Bevölkerung, die Amerika nach Meinung vieler U.S. Bürger eigentlich gar nicht braucht, den trash, den Abfall. Jeder dreißigste Bürger des Landes sitzt im Gefängnis, ein trauriger Rekord.

Daneben gibt es die Superreichen, die in abgeschirmten Gegenden leben, die ZIP Menschen. (ZIP ist die amerikanische Postleitzahl). In keinem anderen Land gibt es so viele Millionäre und Milliardäre wie in den USA. Von den 25 reichsten Menschen der Welt sind 17 Amerikaner.

Einige Probleme der Demokratie

Die amerikanische Demokratie hat einige Nachteile, von denen ich hier welche am Beispiel von Kalifornien aufzeigen möchte. Kalifornien gilt als besonders demokratisch, weil es hier Elemente von direkter Demokratie gibt, die sich aber nicht unbedingt als Vorteil erweisen.

Nachteile der direkten Demokratie: Das Recall-System

Jeder gewählte Amtsträger, dessen Amtsführung aus irgendeinem Grund Missfallen erregt, kann über einen sogenannten recall abberufen werden. Dies besorgen manchmal Bürgerinitiativen, manchmal auch eine geschäftstüchtige Lobby. So wurde 2010 der Bürgermeister von Livingston Daniel Varela aus dem Amt geworfen. Er wollte die Trinkwassertarife erhöhen, weil das System der Wasserleitungen sich in einem katastrophalen Zustand befand. Das war zu viel, also haben ihn die empörten Bürger per recall abgesetzt.

Die Infrastruktur ist in Kalifornien oftmals in einem verheerendem Zustand, jeder weiß das, aber keiner will bezahlen, also passiert nichts. Direkte Demokratie erfordert offensichtlich Bürger, die an das Gemeinwohl denken und dafür auch Opfer bringen. Hat man es aber nur mit Egoisten zu tun, dann funktioniert sie nicht und erweist sich als schädlich.

Ärgernis: Bürgerinitiativen


Bürgerinitiativen können Volksentscheide durchführen und Gesetze erzwingen. Das ist professionell organisiert. Es gibt Gesellschaften, die Bürgerinitiativen als Business betreiben, gegen Bezahlung. Sie wollen damit Geld verdienen. Will man ein Gesetz durchzusetzen, beauftragte man eine solche Firma, gegen Geld natürlich, die dann versuchen, Unterschriften zu sammeln.

„Faktisch kann jeder, der genug Geld auftreibt, per Volksentscheid das Parlament umgehen und selbst aktiv Politik machen. Die Kalifornier tun es mit Begeisterung: Sie haben beschlossen, dass jeder Straftäter, der zweimal rückfällig wird, lebenslänglich ins Gefängnis muss. Sie haben Kindern illegaler Immigranten den Besuch staatlicher Schulen untersagt (bis ein Bundesgericht diese Regelung aufhob). Sie haben die Homosexuellen-Ehe verboten (auch darüber wird gerade vor Gericht gestritten). Sie haben die Grundsteuern für ihre Immobilien faktisch eingefroren, mit dramatischen Folgen für die Haushaltspolitik. Und sie haben zahllose staatliche Programme beschlossen, die eine Menge Geld kosten. Geld, das der Staat nicht hat."
http://www.zeit.de/2010/40/Kalifornien/seite-2

Auch hier stellt sich die Frage, ob diese Art direkter Demokratie wirklich gut ist für die Gesellschaft.

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Beitrag von Moschusochse Do März 10, 2016 4:44 pm

Auch hier stellt sich die Frage, ob diese Art direkter Demokratie wirklich gut ist für die Gesellschaft.

Wie lange besteht diese Möglichkeit in Kalifornien schon?
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Beitrag von Wallenstein Fr März 11, 2016 9:27 am

Moschusochse schrieb:
Auch hier stellt sich die Frage, ob diese Art direkter Demokratie wirklich gut ist für die Gesellschaft.

Wie lange besteht diese Möglichkeit in Kalifornien schon?

Eine große Bürgerinitiative bildete sich 1892 für den Umweltschutz. Das Replacement-Verfahren und die rechtliche Möglichkeit der Gründung von Bürgerinitiativen gab es wahrscheinlich von Anfang an, also seit 1850, als Kalifornien den USA beitrat. Das kann ich aber nicht mit Sicherheit sagen.

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Beitrag von Wallenstein Fr März 11, 2016 9:29 am


Die Demokraten und die schwarzen Amerikaner

Die Demokratische Partei hofft vor allem auf die Stimmen der schwarzen Amerikaner. Die Zuwendung dieser Bevölkerungsgruppe zu den Demokraten ist noch nicht sehr alt, sie datiert aus den sechziger Jahren.

In den konservativen Südstaaten befand sich früher die Hochburg der Demokraten. Dies hängt zusammen mit dem Bürgerkrieg, denn der Republikaner Lincoln hatte seinerzeit die Sezession der Konföderation blutig niedergeschlagen. Aus Protest wählte die Oligarchie der Pflanzer Aristokratie und die weiße Bevölkerung über mehrere Generationen hinweg die Demokratische Partei. Die Bundesstaaten im Süden wurden fast immer von demokratischen Gouverneuren regiert, die eine streng rassistische Politik betrieben.

Nach dem Bürgerkrieg waren die ehemaligen Sklaven formal frei und zunächst gab es keine Rassentrennung, weder in Schulen noch anderswo. Doch auf Druck rassistischer Kräfte wurde dann bald überall im Süden eine Apartheid-Politik durchgeführt. Grundlage hierfür war die „separate but equal Doktrin“, die 1896 vom Obersten Gerichtshof verkündet wurde (getrennt aber gleich).

Daraufhin setzte man eine konsequente Rassentrennung in allen öffentlichen Räumen durch, getrennte Schulen, getrennte Abteilungen in Bussen, getrennte Toiletten, nur für Weiße bestimmte Restaurants, getrennte Kliniken usw. Um die politische Beteiligung der Farbigen zu verhindern, mussten sie eine (eigentlich verbotene) Wahlsteuer bezahlen, Eignungstests ablegen usw. Wahlregistrierungen waren nicht selten für Schwarze lebensgefährlich. Die Apartheid endete im Norden. Überquerten Afroamerikaner z.B. die Grenze des Bundesstaates Ohio, erlosch im Bus die Anzeige „Coloured“ und nun konnte man sich hinsetzen, wo man wollte.

In den fünfziger Jahren gab es eine Reihe von Gerichtsurteilen, die der Rassentrennung langsam ein Ende bereiteten. 1954 hob ein Urteil die Rassentrennung an Schulen auf. Daraufhin kam es in Little Rock, Arkansas, zu schweren Unruhen, als weiße Rassisten neun schwarzen Schülern den Zutritt verbieten wollten. Weitere Gerichtsurteile zu Gunsten der Schwarzen wurden im Süden schlichtweg ignoriert, der republikanische Präsident Eisenhower musste die Nationalgarde einsetzen, um die Durchsetzung zu erzwingen. Die demokratischen Gouverneure erwiesen sich als erbitterte Gegner und wollten um jeden Preis die Trennung aufrechterhalten.

Erst unter Kennedy änderte sich langsam deren Politik. Er brauchte die Schwarzen als Wähler und wollte die Rassentrennung beenden. Aber erst unter seinem Nachfolger Johnson kam es zur Wende. Der setzte sich bei der Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten 1964 gegen seinen rassistischen Rivalen George Corley Wallace, Gouverneur von Alabama, durch und gewann die Wahl überlegen gegen den erzkonservativen Republikaner Barry Morris Goldwater, ein Politiker, der wegen seiner rechtsradikalen Ansichten vielen Amerikanern nicht geheuer war.

Mit den Civil Rights Acts von 1964 und 1965 wurden die letzten diskriminierenden Gesetze gegenüber Farbigen in den USA aufgehoben und erst jetzt, hundert Jahre nach dem Bürgerkrieg, war die gesetzlich Gleichstellung der Schwarzen hergestellt worden. Es dauerte allerdings noch eine Weile, bis sich die Bürgerrechtsbewegung mit den Demokraten anfreunden konnte. Innerhalb der Partei verloren die Rassisten an Einfluss, die konservative Wählerschaft im Süden wechselte zum Teil nun zu den Republikanern. Aber auch hier wagt es heute nur noch selten jemand, sich offen mit den Farbigen anzulegen.

Die alten Scharfmacher von früher, Wallace und Goldwater, haben sich später offiziell für ihre früheren rassistischen Positionen entschuldigt. Wirkliche Einsicht oder nur strategische Neuorientierung? Wird man nie erfahren, beide sind schon vor längerer Zeit gestorben.

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