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Tier- und Menschenopfer - Der Deal mit den Göttern

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Beitrag von Tammuz Sa Jul 09, 2016 4:58 pm

Mt 26, 26-28:

Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.

Blutvergießen zur vermeintlichen Erlösung von Sündhaftigkeit gab es schon in der mythologischen Frühzeit der Israeliten:

(Ex 30,10)

Aaron soll an den Hörnern dieses Altares einmal im Jahre die Sühnung vollziehen mit dem Blute des Sündopfers, das zur Sühnung dargebracht wird. Solche Sühnung soll jährlich einmal geschehen bei euren Nachkommen.

Die vermeintlich angeborene Sündhaftigkeit der Menschen gehört bereits zum mesopotamischen religiösen Denken, der neben Ägypten bedeutendsten Quelle aller altorientalischen, auch jüdischen und christliche, Ideen. In der sumerischen Mythologie wird der Mensch von der Muttergöttin Nintu aus Lehm und dem Blut des bösen Gottes Kingu geschaffen, folglich ist das Böse, in Form dieses Blutes, schon vom Start weg ein Teil des Menschen, was sehr an die christliche Sündenlehre erinnert. Auch die Vorstellung, dass ein (Menschen-)Opfer missgelaunte Götter versöhnt, gehört zum Standardrepertoire der altorientalischen Religion, wie auch anderswo.

Zum Tieropfer:

Blutopfer von Tieren zur Besiegelung von Verträgen waren eine alte semitische Sitte, die sowohl zur Bekräftigung eines Friedenspaktes als auch zur Bildung eines temporären Bündnisses praktiziert wurde, bei dem sich mehrere Stämme für einen Rachefeldzug gegen einen Feind zusammenschlossen. Der Sinn des Vergießens von Opfertierblut ist nicht ganz eindeutig zu rekonstruieren, vielleicht wirkten auch mehrere Bedeutungskomponenten zusammen.

Zu bedenken ist, dass Verträge nur zwischen nicht miteinander blutsverwandten Gruppen geschlossen wurden, da innerhalb dieser Gruppen deren fester Zusammenhalt Verträge überflüssig machte. Vergossenes Tierblut ersetzte also die Blutsverwandtschaft als Medium eines solidarischen Zusammenhalts, der geschlossene Vertrag war eine "künstliche Blutsverwandtschaft".

Der Vertragscharakter des christlichen Blutopfers (d.h. des gekreuzigten Christus) zeigt sich ganz klar durch den Bund, den die Menschen  mit ´Gott´ schließen, indem Christus sein Blut für sie gibt.

(Lukas 22,20, ähnlich wie oben Mt 26,26-28)

„Desgleichen (nahm er) auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird!“

Ein viel früheres Beispiel ist das mesopotamische Königsopfer, das in den Anfängen des Königtums, einigen Gelehrten zufolge, zum jährlichen Ritual des Erneuerungsfestes gehörte, bei dem der König die rituelle Rolle des Vegetationsgottes innehatte und - wie der Gott in der Mythologie - zum Wohl des Volkes (Erntereichtum) sein Leben gab. Dass diverse altorientalische, den Opfertod sterbende Fruchtbarkeitsgötter wie Dumuzi, Attis und Dionysos das Vorbild für die christliche Idee vom sterbenden Gottessohn waren, steht für viele Religionswissenschaftler schon lange fest.

Dieses Ritual nahm später die Form des Ersatzkönig-Opfers an, welches dann praktiziert wurde, wenn ein negatives Omen den König bedrohte. In diesem Fall spielte ein Gefangener unter Zwang für 5 Tage die Königsrolle incl. Nutzung des Harems, dann wurde er ausgepeitscht und gepfählt (noch grausamer als Kreuzigung), womit das böse Omen als erledigt galt.

In Babylon wurde noch bis ins 1. Jt. BCE der König alljährlich im Zuge des Neujahrsfestes rituell gedemütigt, und zwar ab dem 5. Nisannu. Im Marduk-Tempel hatte er sich seiner Insignien zu entledigen, wurde vom Hohepriester geohrfeigt und, nachdem er ins Innerste des Tempels eintrat, heftig an den Ohren gezogen, während er am Boden kauerte. Nach dem Ablegen eines ´negativen Sündenbekenntnisses´ erhielt er seine Insignien zurück und wurde nochmals geohrfeigt. Falls er dabei in Tränen ausbrach, deutete man das als positives Omen. Danach musste er drei Tage in einem Rohrgefängnis in der Wüste verbringen. Erst dann war er bereit für die Schicksalsbestimmung durch die höchsten Götter, für die Versöhnung mit seinem persönlichen Gott und die Investitur, die seinen Königsstatus für ein weiteres Jahr bekräftigte.

Das erinnert sehr an die Demütigung und extremen Statusverlust des Jesus vor seinem Aufstieg "an die Seite des Vaters", um als König über die Welt zu herrschen.Dieser Königs-Status ist neben der Gottessohnschaft die signifikanteste Parallele zwischen Christologie und altorientalischer Königsideologie. Signifikant ist zudem die Hirtenmetapher, die sowohl in der mesopotamischen wie in der christlichen Vorstellungswelt den König (christlich: den Weltkönig Christus) umschreibt. Krummstab und Geißel (auch: Wedel), Werkzeuge des Hirten, werden zum Symbol der sumerischen und der ägyptischen Könige, wie der Krummstab auch zum bischöflichen Instrumentarium zählt.

In JohEv 10,11 heißt es:

Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für seine Schafe.

Sehr viel direkter lässt sich die Verbindung zum altorientalischen Königsopfer kaum formulieren. In der Religionswissenschaft wird die Authentizität der ´Ich-bin-Worte´ im Joh Ev stark angezweifelt auch von Autoren, die an der Historizität von JC nicht zweifeln (z.B. Gerd Lüdemann).

Dass die Metapher ´Hirte=Herrscher´ auch mit dem ökonomisch-politisch überlegenen Status des Rinderhirten gegenüber dem Ackerbauern zusammenhängt, sei nur am Rande erwähnt.

Tammuz

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