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Catulls Liebesdichtung

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Beitrag von Tammuz Sa Aug 20, 2016 4:02 pm

Ceres schrieb:
Catull war ein Römischer Dichter des 1. Jh. v. Chr. und ist in Verona geboren (...) Wann hatte er überhaupt gelebt? Hieronimus nimmt aber an, das Catull 87/86 v. Chr. geboren wurde und mit ca. 30 Jahren starb. Also alt ist Catull wahrlich nicht geworden..

Wahrscheinlich lebte er von 84-54 BCE. Da er in einem Werk auf ein Ereignis im Jahr 55 Bezug nimmt, kann die Datierung des Hieronymus nicht ganz stimmen.

Ceres schrieb:Die "Carmina" ist ein aufschlussreiches Werk über das Leben Catulls. Sehr zu empfehlen!

Carmen 5 lautet so:

Lass uns leben, meine Lesbia, und lieben
und das ganze Gerede der allzustrengen alten
Leuten einen Pfennig wertschätzen !

Sonnen können untergehen und aufgehen:
wenn uns einmal das kurze Licht ausgeht,
müssen wir eine ewige Nacht schlafen.

Gib mir 1000 Küsse, darauf 100,
dann 1000 weitere, ein zweites 100,
dann in einem fort 1000 weitere und darauf 100.

Dann, wenn wir viele tausende ausgetauscht (gemacht) haben,
werden wir jene durcheinander bringen, damit wir es nicht wissen
oder kein Schlechter auf uns neidisch sein kann,
weil er weiß, dass es sehr viele der Küsse sind.

Gewidmet ist es der 10 Jahre älteren Geliebten des Catull, Clodia (Codename ´Lesbia´), einer Schwester des Volkstribunen Publius Clodius Pulcher.

Da ´romantische´ Liebe zu Catulls Zeiten bei den harten Römern verpönt war, gab Catull den Inhalt als komplett fiktiv aus und behauptete, auch das ´Ich´ des Gedichts sei fiktiv und nicht sein eigenes. Darüber hinaus vertrat Catull den Epikureismus, welcher der sinnlichen Liebe keinen hohen Stellenwert beimaß, was aber im Widerspruch zu Carmen 5 steht, welches die sinnliche Liebe preist. Zur Kritik an dem Gedicht äußert er sich mit drastischer Ironie in Carmen 16:

(Achtung, nicht ganz jugendfrei...)

Ich werde euch schänden und oral penetrieren, Tunte Aurelius und Lustmolch Furius, die ihr aufgrund meiner kleinen Verse geglaubt habt, dass ich, weil sie recht zärtlich sind, zu wenig schamhaft sei. Denn anständig zu sein, ziemt sich für einen gewissenhaften Dichter selbst, es ist nicht notwendig, dass die kleinen Verse es sind; diese haben schließlich dann Witz und Humor, wenn sie recht zärtlich und zu wenig schamhaft sind, und wenn sie das, was aufgeilt, anregen können; ich spreche nicht von Knaben, sondern von diesen Behaarten, die ihre harten Lenden nicht bewegen können. Weil ihr von vielen tausend Küssen gelesen habt, haltet ihr mich für einen schlechten Mann? Ich werde euch schänden und oral penetrieren.

Seine Strategie, sich gegen die Kritik von Aurelius und Furius an Carmen 5 zu verwahren, bedient sich in Carmen 16 der ironischen Paradoxie analog zu dem Muster von „Ich knall euch gleich eine, weil ihr bezweifelt, dass ich ein friedlicher Mensch bin“. Wäre Catull wirklich wütend, hätte er natürlich anders reagiert.

Catull bestreitet, dass das lyrische Ich mit seinem, Catulls, Ich identisch ist, aber auf seine eigene, d.h. sehr ironische Weise. Die in Carmen 16 Angesprochenen unterstellen ihm, die Erlebnisse, die er z.B. in Carmen 5 dichterisch schildert, aus eigener Erfahrung zu schöpfen. Nun wäre an sich nichts auch nur im Ansatz Verwerfliches daran, eine Frau mit einer dreistelligen Anzahl von Küssen zu bedecken, allerdings kollidiert das klar mit Catulls epikureischer Einstellung, welche Leidenschaftslosigkeit auf die Fahnen schreibt und Liebe als etwas Sinnloses ansieht, da sie doch nur im Schmerz enden kann. Außerdem hat man ihm Mangel an Männlichkeit vorgeworfen, weil das Ich der Kussgedichte allzu zärtlich mit dem Mädchen umgehe – bekanntlich hatten die Römer in Sachen Sex mit Frauen eine (modern gesagt) machohafte und betont unzärtliche Auffassung, die z.B. den Cunnilingus als eines Mannes unwürdig verpönte. Zwischenmenschliche Gefühle spielten bei Eheschließungen keine Rolle, die Töchter wurden ohne Mitspracherecht vom Vater im Alter zwischen 11 und 15 an denjenigen Mann bzw. Jüngling verheiratet, der aus finanziellen oder politischen Motiven als gute Partie erschien.

Um den Widerspruch zwischen Epikureismus und zärtlicher Leidenschaft zu überdecken, stellt Catull seine Liebesgedichte also als fiktiv dar.

Tammuz

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Beitrag von Ceres Do März 02, 2017 10:33 am

Auch wenn sich Catull in seinen Texten öfters drastisch auszudrücken vermag, ist "Carmen" ein Kunstwerk in Reinform, da in seinem Werk eine unvergleichliche Harmonie steckt!
Ceres
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