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Philippe Pétain - eine tragische Figur

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Philippe Pétain - eine tragische Figur Empty Philippe Pétain - eine tragische Figur

Beitrag von Marek1964 So Jan 23, 2022 10:40 am

Ein interessanter Artikel aus der Schweizer Weltwoche:

https://weltwoche.ch/story/der-held-der-zu-lange-lebte/?utm_source=ActiveCampaign&utm_medium=email&utm_content=RSS%3AITEM%3ASUMMARY&utm_campaign=Weltwoche+LIVE+Sonntag

Wie bewertet Ihr diesen Mann und sein Wirken, wie den Umgang der französischen Vergangenheits(nicht?)bewältigung mit diesem tragischen Helden?


Marek1964
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Philippe Pétain - eine tragische Figur Empty Re: Philippe Pétain - eine tragische Figur

Beitrag von Skeptik Mo Jan 24, 2022 10:25 am

Wenn man Petain als „tragischen Helden“ sieht, entschuldigt man in gewisser Weise seine „Regierung“. Das ist der Versuch, ihn von seinem Charakter her zu beurteilen:

Pétain galt als zurückhaltend, unabhängig, distanziert. In die politischen Debatten, die damals auch das Offizierskorps aufwühlten, mischte er sich nicht ein. Er gehörte weder zur aristokratischen Kaste, die von der Wiederherstellung der Monarchie träumte, noch zum antiklerikalen republikanischen Clan. Selbst in der Dreyfus-Affäre, die Frankreich in zwei unversöhnliche Lager spaltete, hielt er sich zurück – im Gegensatz zu vielen hohen Offizieren, die sich an der Intrige gegen den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus beteiligten, der zu Unrecht wegen Landesverrats verurteilt worden war. Als ausgesprochen unabhängig galt er vor allem in militärischen Fragen. Die offizielle Militärdoktrin, die der Offensive absolute Priorität einräumte, fand er Humbug.

Mit dieser Haltung kam es bei einem unerbittlichen Hitler zwangsläufig zu einer fatalen Entwicklung hin zu einer Kollaboration mit der Besatzungsmacht:

In der Folge entstanden in Frankreich zahlreiche sogenannte Kollaborationsgruppen, die oft aus der extremen Rechten stammten, ideologisch dem Nationalsozialismus nahestanden und mit der Politik des französischen Staatsoberhauptes einverstanden waren. Mehr noch: Einige dieser Kollaborateure zögerten nicht, sich in die deutsche Armee einzuschreiben, um im Auftrag der Nazis gegen die UdSSR zu kämpfen.
...Gegenüber den Kollaborationisten entstanden auch Widerstandsgruppen, die sich weigerten, die Niederlage gegen Deutschland anzuerkennen (anfangs waren es vor allem Kommunisten, die sich direkt gegen das Regime und die Ideologie der Pétainisten stellten).
...Um diesen erbitterten Widerstand zu bekämpfen, errichtet Pétain ein repressives System, das darauf abzielt, die Widerstandsgruppen zu unterdrücken. Um das Problem zu lösen, gründete das Regime im August 1941 die "Section spéciale", die sich mit der Suche und Aufdeckung der verschiedenen kommunistischen, anarchistischen und anderen politischen Netzwerke befasste. Die Section Spéciale war auch ein Vorgeschmack auf die Milice Française, die erst im Januar 1943 offiziell gegründet wurde; ihre Aufgaben waren ähnlich, mit dem Unterschied, dass sie eng mit der SIPO-SD zusammenarbeitete und sich auch um die Jagd auf Juden kümmerte.
….Es wurde befürchtet, dass die Deutschen eine heftige Reaktion zeigen würden. Tatsächlich verlangte Hitler die Erschießung von Geiseln. Der französische Innenminister Pierre Pucheu ergriff die Initiative. Er wollte nicht, dass die Deutschen die zu Erschießenden auswählten. Es sollten Ruhe und Ordnung im Land geschaffen werden und man wollte lieber selbst Einfluss haben auf die hinzurichtenden Personen.
...Da man die wahren Täter noch nicht ermittelt hatte, griff man für die ersten Verhandlungen vor den Sondertribunalen zurück auf Kommunisten und Juden, die wegen anderer Taten bereits in den Gefängnissen einsaßen. Die ersten in Paris zum Tode verurteilten waren die Kommunisten Émile Bastard, Abraham Trzebrucki und André Bréchet, die zum Teil nur geringfügige Taten begangen hatten, wie z. B. kommunistische Propaganda angeklebt oder bei der Einwanderung nach Frankreich einen falschen Namen angegeben hatten. Lucien Sampaix, einstmals Chefredakteur der linken Tageszeitung L’Humanité wurde „nur“ zu verschärfter Zwangsarbeit verurteilt, letztlich jedoch von den Deutschen im Dezember 1941 erschossen.
...Außerhalb von Paris wurden im August 1941 neun Todesurteile verhängt. Die Deutschen verlangten wenigstens 30 Todesurteile; so viele konnten nicht geliefert werden. Anstelle der nicht von den Franzosen zum Tode verurteilten wurden Geiseln erschossen.
...Die Sonderabteilungen verhängten insgesamt 45 Todesurteile, davon 33 in Abwesenheit. In Paris waren die ersten zum Tode Verurteilten die drei kommunistischen Widerstandskämpfer Émile Bastard, André Brechet und Abraham Trzebrucki, die am 28. August 1941 im Gefängnis von La Santé guillotiniert wurden.
Im Februar 1942 urteilte die Sonderabteilung des Militärgerichts in Toulouse über 21 deutsche und österreichische kommunistische Widerstandskämpfer.
...In öffentlichen Kampagnen nahm die Milice eine Art „Kreuzzugshaltung“ ein. Ihre Aufgabe bestand darin, versteckte Juden und Mitglieder der Résistance zu ergreifen und an die deutschen Besatzer auszuliefern. Mehrere tausend Juden fanden durch sie in den Vernichtungslagern den Tod. Da die Milice nicht im Stande war, den Maquis selbst zu zerschlagen, beschränkte sie sich häufig darauf, einzelne Maquisards zu erschießen. Örtliche Anwohner wurden unter dem Verdacht, die Résistance unterstützt zu haben, von der Milice gefoltert und getötet.
...Das Gesetz vom 20. Januar 1944 ermächtigte die Miliz, summarische Kriegsgerichte zu bilden: Drei Richter, allesamt Milizionäre, saßen anonym zusammen und fällten innerhalb weniger Minuten Todesurteile, die sofort vollstreckt werden konnten. Sie übernahmen insbesondere die Verurteilung und Hinrichtung der Aufständischen im Zentralgefängnis von Eysses (April 1944), denen die Milizionäre im Gegenzug für ihre Kapitulation das Leben versprochen hatten.

Skeptik

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