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Medien im Mittelalter

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Beitrag von civa88 Di Feb 28, 2017 8:08 pm

Was denkt ihr denn, welche äußeren Faktoren dazu führten, dass um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert ein neues „Medienzeitalter“ eingeläutet wurde? Very Happy

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Beitrag von Marek1964 Mi März 01, 2017 7:47 am

Herzlich willkommen hier civa88.

Ich denke, das war die Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg. Wissen konnten nun viel effizienter vervielfältigt werden. Vorher musste alles abgeschrieben werden - meist von Mönchen in Klostern. Dadurch konnte das Wissen weiteren Schichten zugänglich gemacht werden. Wissen konnte sich gegenseitig befruchten - den einen Wissnschaftler brachten die Erkenntnisse eines anderen auf neue Ideen.

Ich kann mich erinnern, dass in meinen Jugendjahren der Schriftsetzer überflüssig wurde - ein Beruf, der während 400 Jahren eine absolute Schlüsselstellung in der Wissensvermehrung hatte.

Hier haben wir einen ähnlich gelagerten Thread:
https://geschichte-forum.forumieren.de/t413-von-gutenberg-bis-zum-internet-die-entwicklung-der-medien-und-ihrer-rolle#3569

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Beitrag von Wallenstein Mi März 01, 2017 10:58 am

Gegen Ende des Mittelalters waren etwa 10% der männlichen Bevölkerung des Lesens und Schreibens einigermaßen mächtig, vor allem in den Städten, auf dem Lande hingegen so gut wie gar nicht. Das Wachstum der Städte, die gewaltige Ausweitung des Handels im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert erforderte Schriftkenntnisse für Dokumente und Buchführung. Alphabetisiert waren vor allem Kaufleute plus Personal, einzelne Handwerker, städtische und fürstliche Beamte sowie die Geistlichkeit.

Die Reformation wäre ohne den Buchdruck wohl nicht so erfolgreich gewesen. Luther übersetzte die Bibel und es erschienen diverse Flugschriften. Meistens wurden diese aber von den Schriftkundigen öffentlich oder privat vorgelesen. (Auch die 95 Thesen, die Luther an der Kirchentür angebracht hatte, konnten wohl nur wenige lesen und mussten vorgetragen werden).

Im Allgemeinen war die Alphabetisierung bei den Protestanten höher als bei den Katholiken. Die Protestanten verbreiteten ihre Ideen durch Schriften und begannen private Initiativen zu entwickeln, um den Menschen Lesen und Schreiben zu vermitteln, als es noch keine öffentlichen Schulen gab, sondern nur private Bildungseinrichtungen.
Die Katholiken begannen mit der Gegenreformation aber auch mit der Alphabetisierung. Der eigentliche Durchbruch erfolgte aber wohl erst im 18. Jahrhundert mit dem Beginn der industriellen Revolution. Dann wurden auch staatliche Schulen gegründet. Der Alphabetisierungsgrad bei Männern betrug dann wohl etwa 30-40%. (Unterschiedlich von Land zu Land).

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Beitrag von Marek1964 Fr März 03, 2017 10:55 pm

Was ist von der Aussage zu halten, Martin Luther, der erste "Medienstar"? So schrieb es die ZEIT letztes Jahr, aber der Artikel liegt nicht online vor.

War er der Star oder waren es seine Gedanken, die die Leute ansprachen?

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Beitrag von Moschusochse Fr März 03, 2017 11:24 pm

In erster Linie finde ich es diskutabel, ob man im Mittelalter von Medien sprechen kann. So wie ich die Bemerkungen hier verstehe, war es doch eher so, dass das Mittelalter eben durch den Buchdruck beendet wurde.

Was war vorher da, was man im weitesten Sinne als "Medium" begreifen kann? Die Herolde, die Bekanntmachungen verlasen, die Pfarrer, die predigten, und dann vielleicht noch irgendwelche Erzähler auf den Märkten? Und ansonsten das, was sich bis heute hält, einfach der Tratsch, oder modern Gossip, wo das eine oder andere auch tradiert wurde, die Erzählungen der Alten usw.

Auch der Begriff "Medienstar" scheint mir weit hergeholt. Es gab ja noch keine Zeitungen, das kam später. Luther hat seine Thesen verbreitet - ich denke, da waren seine Gedanken, die Kritik an der Kirche im Vordergrund. Er hatte den Buchdruck eingesetzt, wurde aber nicht von den Medien zum Star gemacht. Ein Unterschied, denke ich, oder wie sieht ihr das hier?
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Beitrag von civa88 Sa März 04, 2017 9:16 am

Ja, ich glaub auch das es durch den Buchdruck beendet wurde

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Beitrag von Marek1964 Sa März 04, 2017 9:56 am

Wie schon gesagt - das sind alles Konventionen. Einen klaren Anfang und ein klares Ende gibt es ja  im Falle des Mittelalters nicht. Ich persönlich würde die Tätigkeit von Jan Hus und die Hussitische Reformation in Böhmen als Ende des Mittelalters sehen. Diese Sichtweise könnte man aber als "tschechozentrisch" bezeichnen. Zum ersten Mal hatte in einem Land die Reformation gesiegt. Und der Gleichheitsgedanke - alle durften am Abendmahl teilnehmen, nicht nur die Geistlichen. Der Kelch als Symbol des Abendmahls war auch Symbol der Hussiten. Bis heute ist der Kelch das Symbol der hussitischen Kirchen in Tschechien.

Der Buchdruck hatte ja erst mal keinen grossen Einfluss, aber in Verbindung mit der Reformation hatte er eine erste historische Wirkung erzielt - und zwang, wie es Wallenstein schrieb, die Katholiken zum "Nachrüsten" und dann einer weiteren Ausbreitung der Alphabetisierung. Sehr wichtig aber halte ich die Tatsache, dass die Kirche kritisiert worden ist. Das in Frage Stellen von scheinbar gegebenem ist ein ganz wichtiges Element der Aufklärung. Durch den Buchdruck und die Alphabetisierung erreichte es weite Schichten.

Aus meiner Sicht ist es weniger wichtig, irgendwelche klaren Grenzen zu ziehen als vor allem die Entwicklungen zu verstehen - und ihr Zusammenspiel - Technik (Buchdruck) und Geistesthaltung (Kritik an der Kirche, Hinterfragen von Gegebenem, Gleichheitsgedanke).

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Beitrag von Skeptik So März 05, 2017 11:32 am

Schon der Begriff "Buchdruck" grenzt zu sehr ein, wenn man diese Erfindung benennt, die eine so umwälzende Veränderung im öffentlichen Leben darstellte.

Sicher stand am Anfang diese großartige Leistung einer Gutenberg-Bibel. Und sicher auch andere weltliche Buchveröffentlichungen. Aber alle Erfindungen sind doch nur deshalb so erfolgreich, weil es immer clevere Menschen gibt die alle Möglichkeiten sehen, damit reich zu werden.
Zeitungen gab es noch keine. Aber das Drucken von Flugblättern - das waren die eigentlich neuen Medien in der Breite - brachte auf die Schnelle viel Geld.
Schon 1452 wurden Ablaßbriefe als Einblattdrucke in Auflagen von zehntausend Exemplaren gedruckt. Nicht nur die Kirche hatte ihre Geldtruhen: "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!"

Aus einem Buch von Hermann Wäscher, "Das deutsche illustrierte Flugblatt":
Aber auch das Volk hatte in dieser Zeit der Gärung vieles zu sagen, und so werden schon in den ersten Jahren nach Gründung der Druckereien Einblattdrucke mit Mitteilungen, Aufrufen, Beschwerden und allerlei Geschehnissen gedruckt...
...die große Masse des Volkes kann noch nicht lesen, deshalb nimmt man bald zu dem Text das Bild ... aus der Erkenntnis heraus, daß ein Bild dazu anreizt, ein solches Blatt zu beachten und zu lesen oder es sich vorlesen zu lassen.

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Beitrag von Wallenstein So März 05, 2017 2:13 pm

Der Buchdruck alleine bewirkt noch nicht so viel. In China ist der Buchdruck mit beweglichen Lettern anscheinend schon im 11.Jahrhundert eingeführt worden. Er wurde allerdings offensichtlich nur dazu benutzt, um kaiserliche Dekrete zu veröffentlichen und später wurde nur noch wenig gedruckt.

Der Grund liegt wahrscheinlich darin, dass China schon damals ein strikt organisierter Zentralstaat war mit einem Informationsmonopol der Regierung. Offensichtlich durfte und konnte nur der Staat Bücher drucken, wenn es ihm genehm war.

In Europa hingegen hatten wir eine Vielzahl konkurrierender politischer Einheiten, von denen keine stark genug war, um andere zu beherrschen. Die deutschen Fürsten unterstützten die Reformation, um sich vom Kaiser und Papst zu trennen. Ähnliches taten die skandinavischen Könige oder die Calvinisten in den Niederlanden. Gleichzeitig entstanden soziale Massen Bewegungen wie die Hugenotten in Frankreich. Alle diese Gruppen führten nicht nur militärische Auseinandersetzungen, sondern lieferten sich auch eine Schlacht der Worte. Das Buch als Propagandamittel bekam daher eine enorme Bedeutung, so wie heute die elektronischen Medien.

Die Versuche, eine katholische Universalmonarchie unter Karl V einzuführen, sind gescheitert. Die hätte sonst versucht, den Buchdruck zu monopolisieren, um nur noch die eigene Meinung zu verbreiten.

Die politische Zersplitterung führte am Ende des Mittelalters zu einem Wettkampf der entstehenden Nationalstaaten und der verschiedenen Glaubensrichtungen, in dem das Buch als Waffe eine große Rolle spielte.

Die starren Strukturen in China mit dem allmächtigen Kaiser verhinderten eine ähnliche Entwicklung. Nur so ist es zu erklären, dass viele Erfindungen und Entdeckungen nicht genutzt wurden. China hatte schon frühzeitig Schießpulver erfunden, machte davon aber keinen militärischen Gebrauch. Die Stahlproduktion hatte im 16. Jahrhundert einen hohen Stand erreicht, wurde dann aber eingestellt. Im 15. Jahrhundert baute China eine gewaltige Flotte, um die Welt zu erkunden. Nach mehreren Fahrten wurde die Schifffahrt aber wieder beendet und die Schiffe zerstört.


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Beitrag von Marek1964 So März 05, 2017 6:07 pm

Super, Wallenstein. Solche Beiträge machen Freude, bringen sie in einfachen, fast schon banal klingenden Worten auf den Punkt was man wissen will. Aber ich weiss, wie schwierig es ist, komplexe Dinge verständlich zu schreiben. Dir gelingt das immer wieder.

Ja, die Konkurrenz belebte auch hier das Geschäft und ermöglichte die Freiheit der Gedanken. Und damit offensichtlich die technischen Entwicklung, die in Fernost nicht möglich war.

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Beitrag von Moschusochse Mo März 27, 2017 5:27 pm

Eine Frage, die ich noch habe an die User hier - würde Ihr das Mittelalter als dunkles Zeitalter bezeichnen? Gibt es Argumente gegen diese Sichtweise?
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Beitrag von Skeptik Mo März 27, 2017 8:58 pm

Ich denke, das gesamte Mittelalter wurde nie als das "dunkle" bezeichnet. Es traf eher auf das Frühe Mittelalter zu. Und nicht in der Bedeutung von obskur, sondern von zu wenig "erhellenden" Nachrichten für den doch recht langen Zeitraum von 500 bis 600 Jahren. da schließt sich ja noch das Hoch- und das Spätmittelalter an. (1100 bis 1300 und 1300 bis 1500).

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Beitrag von Marek1964 Mo März 27, 2017 11:29 pm

Nun, man hat ja sehr oft das Mittelalter als Devolution bezeichnet, im Anschluss an das römischer Reich. Welche Fortschritte kann man eigentlich den 1000 Jahre verbuchen?

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Beitrag von Wallenstein Di März 28, 2017 1:19 pm

Fortschritt? Kaum der Rede wert. Ich zitiere einmal einen Professor, mit dem wir als Studenten eine geologische Exkursion in Süddeutschland machten. Er zeigte uns eine Ausgrabungsstätte:

„Sehen sie die unterste Schicht? Das ist die Römerzeit, solides Mauerwerk, hier stand eine Villa mit Fußbodenheizung und allen Annehmlichkeiten der römischen Antike. Und darüber diese schwarzen Schichten? Da beginnt das Mittelalter, ein Haufen Dreck. Die Leute haben einfach nur eine primitive Holzhütte auf die Reste der Villa gesetzt, mit offener Feuerstelle und natürlich ohne Heizung und fließend Wasser, keine Toiletten. Diese Hütten sind immer wieder abgebrannt, deshalb diese verkohlten Schichten. Das Mittelalter ist das Dreckloch der Weltgeschichte. Die Leute waren dumm, ungebildet abergläubisch  und primitiv, konnten nicht Lesen und Schreiben, hatten von nichts eine Ahnung, litten an  allen möglichen Krankheiten und waren ständig besoffen. Diese Leute sind es nicht wert, das man sich mit ihnen beschäftigt.“

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Beitrag von Marek1964 Di März 28, 2017 9:55 pm

Hohoho, schön plakativ, wie das Dein damaliger Professor zum Besten gab. Ist aber so ein halbes Jahrhundert her, oder? Ist das auch Deine heutige persönliche Einschätzung?

Ich habe in den letzten Jahren da doch immer wieder die Ansicht gehört, dass das Mittelalter lange zu Unrecht geringgeschätzt wurde. Allerdings - wenn man dann nachfragt kommt nicht so wahnsinnig viel.

Da wird etwa die Kunst erwähnt - nur eben, wenn man die Kunst sich anschaut, so wirken manche Strichmännleinzeichnungen doch deutlich geringer als die antiken Skulpturen. Ja, gegen Ende des Mittelalters wird das wieder besser. Aber das ist überhaupt nicht mein Fachgebiet, hier denke ich mal so laut.

Dann wird die Hanse als Wohlstandsbringer erwähnt, aber hatten nicht schon im Altertum Phönizier, Karthager Griechen und die Römer schon ihre Handelsniederlassungen?

Ohnehin ist ja das Mittelalter eine einger Massen willkürliche Einteilung, aber irgendwie muss man ja Epochen unterteilen.

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Beitrag von Wallenstein Mi März 29, 2017 12:02 pm

Ja, die Exkursion liegt viele Jahre zurück. Und der Professor war Geologe, kein Historiker. Also eigentlich ein Laie auf dem Gebiet des Mittelalters.

Ich persönlich halte das Mittelalter auch für eine unerfreuliche Zeit, wobei es natürlich in einer so langen Periode von 500-1500 n.Chr. Licht und Schatten gab. Besonders übel war wahrscheinlich das 14. Jahrhundert mit den Pestumzügen und dem Ausbruch der kleinen Eiszeit. Ich habe kürzlich das Buch von der amerikanischen Historikerin Barbara Tuchmann gelesen „Der ferne Spiegel“. Sie beschreibt dieses Jahrhundert als ausgesprochenes „Unglücksjahrhundert“. Die Klimaverschlechterung und die daraus resultierenden Hungersnöte, die neuen Epidemien, hier vor allem der „Schwarze Tod“, der ein Drittel der Bevölkerung auslöschte, der mörderische „Hundertjährige Krieg“ zwischen England und Frankreich, die ersten Bauernkriege (Die Jacquerie in Frankreich und die Lollarden in England), religiöse Massenbewegungen wie die Flagellanten, die Aufstände in den oberitalienischen Städten und in Rom (die Rienzi-Revolte), schwere Erdbeben in Südeuropa, die Vernichtung der Templer durch Philipp dem Schönen, Beginn der Hexenverfolgungen, die Krise des Papsttums mit der babylonischen Gefangenschaft usw. Diese Kumulation von Katastrophen führte schon bei den Zeitgenossen zu der Furcht, dass das Ende der Welt nun bevorstand. (Daran glaubte man im Mittelalter zwar immer, aber noch nie so intensiv wie im 14. Jahrhundert).

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Beitrag von Marek1964 Mi März 29, 2017 11:16 pm

Sicher liegt die schlechte Rezeption des Mittelalters auch daran, dass die Protagonisten der Renaissance und der frühen Neuzeit und Aufklärung vor allem das Mittelalter als dunkle Zeit verunglimpften und die Antike wiederum etwas idealisierten.

Zumindest das späte Mittelalter mit den Häretikern muss man aber als Beginn der Aufklärung sehen. Ja, es ist eine Frage, ob ausgerechnet diese 1000 Jahre zusammengehören aber irgendwie muss man ja die Epochen einteilen.

Eine bemerkenswerte Erfindung kann das Mittelalter auch für sich beanspruchen - die Erfindung der Brille. Ohne die könnten wir ältere jetzt auch nicht posten Very Happy

Aber die Neuzeit ist halt schon durch mehrere wichtige bahnbrechende Ereignisse geprägt, die mehr oder minder gleichzeitig erfolgten, die Entdeckungsfahrten der Seeleute, dem Buchdruck und der Reformation. Und diese drei Eriegnisse haben Europa halt schon als führenden Kontinent erhoben, nachdem 1453 der Verlust der christlichen Metropole Konstantinopel an die Türken eigentlich eine schwere Niederlage war.

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Beitrag von Skeptik Fr März 31, 2017 12:41 pm

Wallenstein schrieb:Fortschritt? Kaum der Rede wert. Ich zitiere einmal einen Professor, mit dem wir als Studenten eine geologische Exkursion in Süddeutschland machten. Er zeigte uns eine Ausgrabungsstätte:

„Sehen sie die unterste Schicht? Das ist die Römerzeit, solides Mauerwerk, hier stand eine Villa mit Fußbodenheizung und allen Annehmlichkeiten der römischen Antike. Und darüber diese schwarzen Schichten? Da beginnt das Mittelalter, ein Haufen Dreck. Die Leute haben einfach nur eine primitive Holzhütte auf die Reste der Villa gesetzt, mit offener Feuerstelle und natürlich ohne Heizung und fließend Wasser, keine Toiletten. Diese Hütten sind immer wieder abgebrannt, deshalb diese verkohlten Schichten. Das Mittelalter ist das Dreckloch der Weltgeschichte. Die Leute waren dumm, ungebildet abergläubisch und primitiv, konnten nicht Lesen und Schreiben, hatten von nichts eine Ahnung, litten an allen möglichen Krankheiten und waren ständig besoffen. Diese Leute sind es nicht wert, das man sich mit ihnen beschäftigt.“

In diesen schwarzen Schichten Dreck müssen wir auch den so hoch gelobten Karl den Großen vermuten. Mit seinen so „weitreichenden“ Reformen und dieser großartigen „Renovatio“. Die ja mit ihm verschwunden sind und später sich erst neu erschaffen werden mußte.
Geht man in dieser Zeit einmal weit nach Osten, so findet man eine Bevölkerung in Persien vor, die sich in allen Bereichen schon weit entwickelt hat und in einer Millionenstadt Bagdad lebte.
Davon hatte man im späteren Mittelalter sicher gehört und spendierte nachträglich jenem Karl eine immerwährende Freundschaft zum damaligen Herrscher Harun Al-Raschid. Schwer vorstellbar, daß dieser wirklich ein solches Interesse an jenem Hinterwäldner im fernen Germanien entwickelt haben soll, daß er im wertvolle Geschenke und den weißen Elefanten Al Abbas hat zukommen lassen.
Es kommt immer auf den Standpunkt an, den man einnimmt, wenn man auf Geschichte schaut.

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Beitrag von Marek1964 Fr März 31, 2017 8:55 pm

Ein interessantes Statement eine Archäologin habe ich gerade gelesen: Auch der Lebenststandard im Mittelalter sei höher als gemeinhin angenommen. So hätte man bei vielen Ausgrabungen auch bei weniger betuchten Zeitgenossen viele Glasreste und Knochen gefunden - Hinweise aus höheren Fleischkonsum und das eigentlich als sehr teuer angenommen Glas als schon recht verbreitetem Werkstoff.


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Beitrag von Ceres Fr März 31, 2017 9:09 pm

Ich denke es mir so, dass im allgem. das Mittelalter ein "Stillstand", wenn nicht gar "Rückschritt" stattfand und kaum ein/e Fortschritt bzw. Entwicklung in der Geschichte gewesen ist. Man kann diese Zeit nicht mit einer anderen Epoche vergleichen. Denken wir nur an die teilweise hochentwickelte Antike zu ihrer Zeit, in der die Ägypter schon einen bemerkenswerten Fortschritt aufwiesen; sei es in der Medizin, ihren kolossalen Bauten - oder das antike Rom mit ihren Fußbodenheizungen, ihre Bäder und Tempeln.
Wenn man im Mittelalter von einer "Dunklen Zeit" spricht, dann ist sicher hiermit gemeint, dass durch äußere Einflüsse kaum Entwicklungen  stattfinden konnten, denn vieles wurde ja durch äußere Einflüsse (hierzu schrieb auch Wallenstein trefflich) gebremst .
Eine rasante Entwicklung fand m. E. zum Ende des Mittelalters, aber mehr in der Neuzeit statt.
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Beitrag von van Kessel Mo Apr 03, 2017 5:03 pm

Ist es nicht ein wenig simpel, Zeitaltern ein Prädikat zu verpassen? Die Beurteilung von Hinten nach Vorn ist so falsch wie die sogen. Bibelarchäologie, welche nicht unvoreingenommen forscht, sondern ein Ergebnis zeitigen soll.

Ähnlich sehe ich dies bei den o.a. Vergleichen. Jede Zeit hat ihre Höhen und Tiefen, wie würden wohl Archäologen in ferner Zeit urteilen, wenn sie das 20. Jahrhundert als das barbarischte Zeitalter ever bezeichnen würden, weil sie in Zentraleuropa, eine Menge Knochen aus der Erde buddelten, welche durch Gewalteinwirkung dort hin gelangt waren?

Und wie sehen sich die Einwohner Zentraleuropas heute...?

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Beitrag von Marek1964 Mo Apr 03, 2017 11:06 pm

van Kessel schrieb:Ist es nicht ein wenig simpel, Zeitaltern ein Prädikat zu verpassen?

Es ist sicher vereinfachend - aber, wie ich schon weiter oben schrieb, es ging darum einfach bestimmte Epochen zusammenzufassen, um die sonst ungeheuer vielfältige Menschheitsgeschichte irgendwie überschaubar zu machen. Und da denke ich, dass man, zumindest auf Europa bezogen, durchaus Sinn, die Jahre 500-1500 als ein Zeitalter zusammenzufassen, weil es eben schon das Zeitalter der grossen Macht der Kirchen war, die dann allmählich durch Häretiker, Reformation, Renaissance und Aufklärung aufgebrochen wurde und die enorme Entwicklung der Neuzeit ermöglichte

Die Beurteilung von Hinten nach Vorn ist so falsch wie die sogen. Bibelarchäologie, welche nicht unvoreingenommen forscht, sondern ein Ergebnis zeitigen soll.

Eine gewisse Voreingenommenheit gibt es halt sehr oft. Sie kann bewusst aber sehr oft auch unbewusst sein. Werturteile können in gewisser Sicht gar nicht richtig oder falsch sein, sondern sind halt immer subjektiv und können allenfalls mehr oder weniger sinnvoll sein.

Ähnlich sehe ich dies bei den o.a. Vergleichen. Jede Zeit hat ihre Höhen und Tiefen, wie würden wohl Archäologen in ferner Zeit urteilen, wenn sie das 20. Jahrhundert als das barbarischte Zeitalter ever bezeichnen würden, weil sie in Zentraleuropa, eine Menge Knochen aus der Erde buddelten, welche durch Gewalteinwirkung dort hin gelangt waren?

Und wie sehen sich die Einwohner Zentraleuropas heute...?

Nun, das wäre eine interessante Frage an einen Archäologen - ich selbst kann mir eigentlich auch nur schwer vorstellen, wie man durch Ausgrabungsfunde zu weitreichenden Erkenntnissen kommen will, aber Archäologie ist nun überhaupt nicht mein Gebiet.

Ich denke, das Mittelalter hat in den letzten Jahrzehnten durchaus eine gewisse Rehabilitation erfahren, aber die Devolution nach dem römischen Reich lässt sich nun einmal nicht wegleugnen, das finde ich zumindest.

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Beitrag von ArnoldB. Fr Apr 14, 2017 11:13 pm

Marek1964 schrieb:(...)

Ich denke, das Mittelalter hat in den letzten Jahrzehnten durchaus eine gewisse Rehabilitation erfahren, aber die Devolution nach dem römischen Reich lässt sich nun einmal nicht wegleugnen, das finde ich zumindest.


Ich halte diese Einschätzung für einen Irrtum! Denn sie idealisiert das römische Kaiserreich in einer Art und Weise, die der Realität nicht entspricht.

Schon im 2. Jh., das eigentlich als ein Höhepunkt der Kaiserzeit gilt, litt das Reich unter wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten, schwächten und dezimierten Seuchen die Bevölkerung. Diese Schwierigkeiten bzw. Krisen steigerten sich im 3. Jh., setzten sich im 4. und 5. Jh. fort. Die Stadtkultur und die mit ihr verbundenen Annehmlichkeiten reduzierten sich, die Reichen verweigerten sich dem Dienst am Reich, zogen sich auf ihre Ländereien zurück und bereiteten das für das Mittelalter typische Feudalwesen vor. Auch die Mentalität der Menschen änderte sich: die alten Götterkulte verloren an Bedeutung, Erlösungsreligionen, von denen das Christentum zunächst nur eine unter vielen war, breiteten sich im ganzen Reich aus. Durch die Förderung der Kaiser, das organisatorische Geschick der Kirche, das soziale Engagement der Christen und schließlich die enge Verbindung von Staat und Kirche, die dem Christentum ermöglichte, eine religiöse Ausschließlichkeit durchzusetzen, wandelte die Mentalität der Menschen völlig. Wohlhabende und Adlige sahen nicht mehr im Reichsdienst, sondern in der Kirche neue Aufstiegs- und Machtmöglichkeiten. Alles Wissen, über das die Menschen im Mittelalter verfügten, war durch das Raster des spätantik-christlichen römischen Reiches gegangen und übrig geblieben. Die spätantike Kirche bestimmte im Wesentlichen die Weltanschauung des mittelalterlichen Menschen.

Kurz: Es gab keinen Bruch zwischen Spätantike und Mittelalter, sondern insgesamt setzte sich eine Entwicklung fort, die die römische Spätantike vorgegeben hatte.

Das Mittelalter hat Vieles aus der römischen Zeit bewahrt, fortgeführt und fortentwickelt: Kirche und ihre Organisation, Reichsgedanke, Mentalität, Ausbreitung von Christentum und römisch-christlicher Kultur in nichtrömische europäische Gebiete, feudale Gesellschaftsordnung, Weiterführung wesentlicher Kulturtechniken, der Wissenschaften usw. Es gab mehrere "Renaissancen" der Antike: unter Karl d. Gr., im 12. und im 14. Jh., die jedesmal mit einem "Innovationsschub" verbunden waren - die letzte Renaissance führte dann direkt in die sog. Frühe Neuzeit.

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Beitrag von Sebius Do Jul 27, 2017 8:53 am

civa88 schrieb:Was denkt ihr denn, welche äußeren Faktoren dazu führten, dass um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert ein neues „Medienzeitalter“ eingeläutet wurde? Very Happy

@civa88,

wie Du es richtig zum Ausdruck bringst, mit der Wende des 15./16. Jhd. begann ein neues Medienzeitalter, nämlich das der Schrift.

„Medien“ gab es schon immer. Ein Schamane in einem analphabetischen Stamm der Vor- und Frühgeschichte oder heute noch lebender indigen- belassener Kulturen agiert genauso mit „Medien“, er tanzt, trommelt, singt und erzählt den einfachen Stammesmitgliedern eine Geschichte, moralisierend, erziehend, genauso wie ein Priester in einer Kirche der eine Erzählung aus der Bibel vorliest.

Bücher, Schriftrollen der Antike konnten nur von einer kleinen Elite, etwa 2% der Bevölkerung gelesen werden- und waren auch nur für sie bestimmt. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war auf Bilderbotschaften und mündlicher Erzählung angewiesen. Mit der Neuzeit, wie bereits in den obigen Beiträgen erwähnt, setzte eine großangelegte Alphabetisierung in der Bevölkerung ein, sehr viele konnten plötzlich lesen. Gleichzeitig entstand für Staatsherren ein Riesenproblem, nämlich auch das was einfache Menschen besser nicht wissen sollten konnte ebenso gelesen werden.

Die Lösung sah man im sog. Volksbuch das bis heute die Literatur überwiegt, einer medial gesteuerten Darstellung von Wirklichkeit im Sinne des Staates. Dazu zählen auch heutige Tageszeitungen. Eine der ersten gedruckten Nachrichtenblätter (Zeitung?) als Propaganda jener Tage war die Phillip Melanchthons, nämlich eine Spottschrift über den Papst, als sog. Papstesel *

Schriftgelehrte setzten mit Beginn der Neuzeit an, in einfacher, kompakter aber auch manipulativen Form Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der breiten Bevölkerung zu erläutern, die Welt neu zu erklären (deshalb "Neuzeit" bzw. "Neue Welt"). So entstanden schlussendlich erste „Hausbücher“ mehrerer vorwiegend Deutscher Autoren in Mittelhochdeutsch, vor allem in Neuhochdeutsch, eines kurzen Zeitfensters. Es waren Mentelin, Luther, Melanchton, Calvin, Zwingli, u.v.a. der insgesamt etwa 300 Reformatoren, welche Vergangenheit und Zukunft medial gedruckt sehr phantasievoll neu darstellten.

Medien im Mittelalter 29909647lt
Apokalypse; aus: Martin Luther „Das Newe Testament“ - Deutzsch (1522)

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"Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit" (Orwell)

Sebius

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