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Der arabische Sozialismus

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Beitrag von Wallenstein So Feb 22, 2015 3:10 pm

Das plötzliche Erstarken islamischer Bewegungen gegen Ende des 20. Jahrhunderts war die große Sensation, die Beobachter in West und Ost, aber auch viele Menschen in den arabischen Ländern selbst überraschte, spielte der politische Islam auch in den moslemischen Ländern lange Zeit vorher eher eine periphere Rolle und viele glaubten, er würde im Verlauf der Modernisierung, ähnlich wie früher das Christentum in Europa, immer mehr an Bedeutung verlieren und nur in Ländern mit feudalen Oligarchien wie in Saudi-Arabien, Oman oder den Golfstaaten würde er seine Hegemonie behalten. Lange Zeit dominierte der arabische Sozialismus mit seinen verschiedenen Spielarten in der nahöstlichen Welt: Der Nasserismus in Ägypten, die Baath-Parteien in Syrien und im Irak, der konstitutionelle Sozialismus in Tunesien, der „Volkssozialismus“ von Gaddafi in Libyen,  die Volksrepublik Süd Jemen (Aden). Der Zusammenbruch dieser Systeme hat den Aufstieg des radikalen Islamismus überhaupt erst ermöglicht.

Der arabische Sozialismus entstand nach dem Zweiten Weltkrieg und der anschließenden Unabhängigkeit der arabischen Staaten. Dieses System hat nichts mit dem Marxismus-Leninismus der Ostblock-Staaten zu tun, die Protagonisten lehnten die Diktatur des Proletariats ausdrücklich ab. Die Parolen waren:

Freiheit: Darunter verstanden sie die Unabhängigkeit ihres Landes

Sozialismus: Für sie gleichbedeutend mit Wohlstand und Gerechtigkeit für alle

Einheit: Einheit und Zusammenschluss aller Araber

Untersuchen wir diesen Sozialismus näher, so stellen wir fest: Überall regierten die Militärs, von Demokratie konnte keine Rede sein. Die Offiziere stammten überwiegend aus dem Mittelstand, der sich während der Kolonialzeit gebildet hatte. Der arabische Sozialismus ist in Wirklichkeit ein Sozialismus der Militärs, eine Militärdiktatur mit populistischem Beiwerk.

Die Generäle planten, ihre Länder nach der Unabhängigkeit schnell zu industrialisieren. Sie versuchten dies über eine Stärkung des staatlichen Sektors. Die alten Oligarchien wurden gegen Entschädigung enteignet und deren Land an die Bauern verteilt. Sie enteigneten die ausländischen Unternehmen, um ihre Unabhängigkeit vom Westen zu erlangen und die staatlichen Betriebe sollten systematisch ausgebaut werden, um das Land zu entwickeln. Ansonsten blieb die Wirtschaft aber überwiegend privat organisiert. Die ersten Reformen der Generäle waren sehr populär, ebenso ihr Kampf gegen die alten Kolonialmächte. Propaganda, Massenaufmärsche, all dies gab den Regimen einen populistischen Anstrich.

Die Entwicklungstheorie ging davon aus, dass die ehemaligen Kolonien duale Gesellschaften sind. Es gäbe einen modernen Sektor und einen traditionellen Sektor. Die Militärs gehörten demzufolge dem modernen Sektor an, der den traditionellen Sektor absorbieren soll. Da Generäle immer die besten Technologien für ihre Armeen haben wollen, sind sie fortschrittsorientiert und wollen ihr Land entwickeln. Im Westen schätzte man sie als positive Partner ein. Auch die Sowjetunion dachte so, sie pries die Generäle als Wegbereiter eines nichtkapitalistischen Entwicklungsweges, da diese das Staatseigentum förderten. Ost und West wollten die neuen Staaten als Partner haben, wobei die Sowjetunion zeitweilig die Nase vorne hatte. Doch die Regime nutzten die Rivalität der Supermächte geschickt aus und zu deren Kummer erwiesen sich die Diktatoren als unzuverlässige Bundespartner und wechselten öfters die Fronten wie z.B. Ägypten.

Der arabische Sozialismus führte vor allem zur Entstehung einer gigantischen Bürokratie, die das Staatseigentum als private Akkumulationsquelle ausbeutete. Die individuelle Bereicherung, durch Korruption und Raub öffentlicher Mittel, bereicherte die Cliquen an der Spitze, so dass die Staaten bald von mächtigen Familienclans beherrscht wurden. Diese bauten ihre Herrschaft weiter aus, in dem sie nach östlichem Vorbild Einparteiensysteme begründeten, die Medien kontrollierten, die Menschen in staatliche Organisationen hineindrängten, wie z.B. in staatliche Jugendverbände. Die Diktatoren betrieben einen absurden Personenkult und regierten mit Terror und Geheimpolizei.

Der arabische Sozialismus verhinderte die Entstehung einer Zivilgesellschaft, da jede Opposition, Parteien und Gewerkschaften, radikal unterdrückt wurden. Nur die religiösen Institutionen rührten sie nicht an. Deshalb entwickelte sich als einzige, geduldete Widerstandsbewegung der politische Islam, der sich rund um die Moscheen organisieren konnte. Sie wurden zum Sammelbecken aller Gegner.

Nach dem Ende dieses bizarren Sozialismus herrscht in einigen Ländern das Chaos wie in Libyen, dem Irak oder in Syrien. Radikale Islamisten, im Bündnis mit Anhängern der alten Regime, haben sich zu einer unheilvollen Allianz zusammengeschlossen. Da alle früheren politischen Modelle in der nahöstlichen Region, die Zeit der feudalen Herrscher, die koloniale Epoche, sozialistische und kapitalistische Entwicklungsmodelle nichts bewirkt haben, glauben einige, die Zukunft liegt in der Vergangenheit, im 7. Jahrhundert, als angeblich alles besser war.

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Beitrag von Exmitglied-1 Mo Feb 23, 2015 8:21 am

Der fast vergessene arabische Sozialismus hats auch nicht überlebt. Er endete 1967. Solange der Sozialismus mit Verboten, Waffen, Mauern, Stacheldraht, Diktatoren und Personenkult daherkommt, wird er immerfort scheitern.

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Beitrag von Wallenstein Mo Feb 23, 2015 10:51 am

segula schrieb:Der fast vergessene arabische Sozialismus hats auch nicht überlebt. Er endete 1967. Solange der Sozialismus mit Verboten, Waffen, Mauern, Stacheldraht, Diktatoren und Personenkult daherkommt, wird er immerfort scheitern.

Wieso 1967?

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Beitrag von Gontscharow Mo Feb 23, 2015 1:45 pm

Als Schüler der 9.Klasse empfanden wir im Frühjahr 1979 die Machtergreifung der Ayatollahs
im Iran als "komisch", diese alten Männer mit karnevalesken mittelalterlichen Kostümen, weißen Rauschebärten
und Turbanen auf dem Kopf waren so was von aus der Zeit gefallen, daß es uns amüsierte ....
Niemals hätte ich mir träumen lassen, daß diese Leute einmal von vielen Moslems
als Heilsbringer herbeigesehnt werden würden (abgesehen davon, daß ich mit 15 über so was nicht nachgedacht habe).
Immer wenn ich jemanden zitieren will, fällt mir der Autor nicht ein.... Also, "irgendein" franzsischer Schriftsteller / Philosoph hat einmal vorausgesagt ( lange vor den Ayatollahs und als linke Ideen allenthalben im Westen triumphierten) : "Das 21. Jahrhundert wird religiös sen - oder es wird gar nicht sein."
Für mich bis heute weder logisch noch emotional nachvollziehbar, aber viele Menschen scheinen Religion
zu brauchen.
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Beitrag von Wallenstein Mo Feb 23, 2015 2:07 pm

Gontscharow schrieb:Als Schüler der 9.Klasse empfanden wir im Frühjahr 1979 die Machtergreifung der Ayatollahs
im Iran als "komisch", diese alten Männer mit karnevalesken mittelalterlichen Kostümen, weißen Rauschebärten
und Turbanen auf dem Kopf waren so was von aus der Zeit gefallen, daß es uns amüsierte ....
Niemals hätte ich mir träumen lassen, daß diese Leute einmal von vielen Moslems
als Heilsbringer herbeigesehnt werden würden (abgesehen davon, daß ich mit 15 über so was nicht nachgedacht habe).
Immer wenn ich jemanden zitieren will, fällt mir der Autor nicht ein.... Also, "irgendein" franzsischer Schriftsteller / Philosoph hat einmal vorausgesagt ( lange vor den Ayatollahs und als linke Ideen allenthalben im Westen triumphierten) : "Das 21. Jahrhundert wird religiös sen - oder es wird gar nicht sein."
Für mich bis heute weder logisch noch emotional nachvollziehbar, aber viele Menschen scheinen Religion
zu brauchen.

Das stammt von André Malraux (1901-1976): „Das 21. Jahrhundert wird religiös sein, oder es wird nicht sein.“
Er war Mitarbeiter von de Gaulle und zeitweilig Existentialist. Ähnlich wie Camus schrieb er über die Absurdität des Lebens und beklagte den Verfall bürgerlicher Werte. Der Niedergang der Ideologien hat ihn wohl zu der Überzeugung geführt, dass Religion wieder an Bedeutung gewinnt. Gute Bücher von ihm sind: „Die Eroberer“; „So lebt der Mensch“.

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Beitrag von Exmitglied-1 Mo Feb 23, 2015 3:14 pm

Wallenstein schrieb:
segula schrieb:Der fast vergessene arabische Sozialismus hats auch nicht überlebt. Er endete 1967. Solange der Sozialismus mit Verboten, Waffen, Mauern, Stacheldraht, Diktatoren und Personenkult daherkommt, wird er immerfort scheitern.

Wieso 1967?


Ich dachte mit dem 6 Tagekrieg?

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Beitrag von Wallenstein Mo Feb 23, 2015 4:19 pm

segula schrieb:
Wallenstein schrieb:
segula schrieb:Der fast vergessene arabische Sozialismus hats auch nicht überlebt. Er endete 1967. Solange der Sozialismus mit Verboten, Waffen, Mauern, Stacheldraht, Diktatoren und Personenkult daherkommt, wird er immerfort scheitern.

Wieso 1967?


Ich dachte mit dem 6 Tagekrieg?

In Ägypten endet der Sozialismus eigentlich erst mit dem Tode von Nasser 1970 und der Regierung von Sadat. In Libyen kommt Gaddafi erst 1969 an die Macht und seinen „Volkssozialismus“ erklärte er Anfang 2000 für gescheitert. In Tunesien endet der konstitutionelle Sozialismus erst mit dem Sturz von Bourguiba 1987 und der Machtübernahme durch Ben Ali. Im Irak wurde die Baath-Partei  2003 gestürzt, in Syrien regiert sie noch. Die Volksrepublik Jemen endet 1990 durch die Wiedervereinigung mit dem Norden.

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Beitrag von Gontscharow Di Feb 24, 2015 9:56 am

Danke, Wallenstein
Der arabische Sozialismus erschien von außen - wenn man ihn mit dem,
was man aus Osteuropa kannte, verglich - sehr anders,
du hast die Unterschiede in deinem Eingangspost auf den Punkt gebracht,
ebenso das Scheitern dieser Variante.
Stehen die nie "sozialistisch" gewesenen arabischen Länder besser da ?
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Beitrag von Wallenstein Di Feb 24, 2015 10:59 am

Gontscharow schrieb:Danke, Wallenstein
Der arabische Sozialismus erschien von außen - wenn man ihn mit dem,
was man aus Osteuropa kannte, verglich - sehr anders,
du hast die Unterschiede in deinem Eingangspost auf den Punkt gebracht,
ebenso das Scheitern dieser Variante.
Stehen die nie "sozialistisch" gewesenen arabischen Länder besser da ?


Nun, die Emirate, Kuwait, Saudi-Arabien und der Oman stehen ohne Zweifel nicht schlecht dar, allerdings verdanken sie dies vor allem dem Erdöl, also einer besonderen Naturgunst. Bis auf Saudi-Arabien leben dort nicht sehr viele Menschen, man kann den Reichtum aus den Einnahmen recht großzügig aufteilen, anders als früher im Irak oder Algerien und sich damit Stabilität erkaufen.
Der Libanon ist in einer schlimmen Situation, gegenwärtig ist dafür aber das außenpolitische Umfeld verantwortlich. Marokko ist halbwegs stabil, hat aber eine sehr arme Bevölkerung. Algerien hat sich auch wieder stabilisiert, hat Reste des Sozialismus behalten, stagniert aber.
Abschließend kann man sagen: Die Länder ohne sozialistisches Zwischenspiel stehen heute ökonomisch besser dar, verdanken dies aber vor allem Glückszufällen und weniger ihrem politischen System.

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Beitrag von SarahF Mi Feb 25, 2015 11:43 am

Als Fazit der bisherigen Beiträge zum Thema "Der arabische Sozialismus" schlussfolgere
ich, dass es für ihr gegenwärtiges Standing in der Welt relativ gleichgültig war, welche Staatsform die arabischen Staaten wählten - lediglich jene, die Öl exportierten, sind wohlhabend (insofern es reine Wüstenstaaten
mit geringer Bevölkerungszahl sind ).
Kein besonders ermutigendes Ergebnis. Ich gehe davon aus, dass gerade hierin der Grund für die Hinwendung
zum Islam als Heilsbringer liegt. Was man ja auch schon an den Namen der islamistischen Parteien sehen kann,
beispielsweise in Algerien "FIS - Front Islamique de Salvation", also "Rettungs"front.
Auch diese Hoffnung wird die Menschen enttäuschen - zumindest im Diesseits wird es sie  nicht zu einem
besseren Leben führen. Wie es danach im Jenseits aussieht, können wir an dieser Stelle schwerlich
überprüfen Wink . Das Paradies im Jenseits ist übrigens ein ideales Wahlprogramm - man muss nie beweisen,
dass man seine Versprechen auch eingehalten hat LOL.
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Beitrag von Marek1964 Mi Feb 25, 2015 7:07 pm

Mal so eine schüchterne Frage: Warum nannte man nach alldem den arabischen Sozialismus denn solchen? War das nur ein Label?

Es wurde ja manchmal dem Westen die islamische Revolution im Iran "vorgeworfen" (dass er die Modernisierung übertrieben habe). So könnte man doch auch sagen, dass der arabische Sozialismus auch den Islamismus er hervorgebracht hat: wo auch immer er war, schiessen die Islamisten aus dem Boden.

Aber die Erklärung scheint mir eine ganz andere zu sein: Der Islam ist einfach feindlich - zu allem, was ihm fremd ist. Deshalbt bricht der Islamismus überall aus. Die Moslems sind einfach überzeugt was besseres zu sein - daraus resultieren alle Konflikte.
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Beitrag von Gontscharow Mi Feb 25, 2015 10:52 pm

Wobei die Islamisten aber auch in Ländern "aus dem Boden schießen",
die sich nie das Label "arabischer Sozialismus" gaben.
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Beitrag von Judas Phatre Mi März 04, 2015 2:59 pm

Marek1964 schrieb:Mal so eine schüchterne Frage: Warum nannte man nach alldem den arabischen Sozialismus denn solchen? War das nur ein Label?
Auf die Gefahr hin, dass das etwas amateurhaft wird:
In Ägypten in den 80ern war Brot subventioniert. Jeder Student bekam nach dem Abschluss einen Posten beim Staat garantiert. Sexuelle Gleichberechtigung wurde propagiert (hat sich nicht wirklich durchgesetzt). Religion sollte keine Rolle spielen. Wie erwähnt kam es zu massiven Verstaatlichungen und einer Landreform. Sowohl die Ansätze als auch der Verlauf zeigen deutliche Ähnlichkeiten zum Ostblock-Sozialismus.
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Beitrag von Marek1964 Mi März 04, 2015 7:11 pm

Ok, Ägypten. Wie lange war eigentlich Ägypten "sozialistisch"? Unter Sadat?

Worin siehst Du die Ähnlichkeiten zum Ostblock Verlauf?

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Beitrag von Judas Phatre Mi März 04, 2015 7:30 pm

Marek1964 schrieb:Ok, Ägypten. Wie lange war eigentlich Ägypten "sozialistisch"? Unter Sadat?

Worin siehst Du die Ähnlichkeiten zum Ostblock Verlauf?
Im Grunde hat sich das System nicht geändert. Soweit ich weiß, ist der Baumwollmarkt immer noch verstaatlicht, der Brotpreis reguliert und die Währung nicht frei konvertierbar. Wie in der DDR gibt es eine pro-forma-Demokratie mit einem dominierenden Polizei- und Geheimdienstsystem. Wie dort grassiert Korruption, Vettern- und Misswirtschaft. Kleine Story:
In den 80ern wurden die Rinder in den Oasen heimlich mit Brot gefüttert, das wegen der Subventionen billiger als Futter war. Um Aufsehen zu vermeiden wurden dann die Herden wie im wilden Westen auf Trecks ins Niltal geschmuggelt und verkauft.
Der Unterschied ist, dass der arabische Sozialismus weniger fest im Ostblock verankert war und immer die Privatwirtschaft fortbestand. Für tiefere Einblicke fehlt mir allerdings das Wissen.
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Beitrag von Wallenstein Sa März 07, 2015 3:39 pm

Der arabische Sozialismus hieß so, weil er sich selber so nannte und sich als „Dritter Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus empfahl. Der herausragende Vertreter war der ägyptische Präsident Nasser, damals ein internationaler Superstar, heute vielen kaum noch bekannt.

Anfang der fünfziger Jahre war Ägypten unabhängig geworden, doch der unfähige König Faruk wurde von den „Freien Offizieren“ unter Nasser 1952 gestürzt. Ich war Mitte der sechziger Jahre als junger Mann erstmals in Ägypten gewesen und damals wurde Nasser dort verehrt wie ein Gott. Das war nicht aufgesetzt, die Menschen mochten ihn wirklich. In Ägypten werden schon seit 5.000 Jahren die Regierenden als Götter verehrt und im Westen nannte man Nasser den „Roten Pharao“, obwohl er alles andere als ein Kommunist war. Die Kommunistische Partei wurde in Ägypten blutig verfolgt, was die Sowjets aber nicht hinderte, mit ihm später Freundschaft zu schließen.

Nasser galt als Befreier vom englischen Kolonialjoch. Die Briten hatten das Land in eine Monokultur für Baumwolle verwandelt, es diente zur Produktion der englischen Unterhosen, wie Nasser spöttisch betonte. 90% der Menschen lebten damals auf dem Land als elende Fellachen, ausgebeutet von Großgrundbesitzern. Eine Agrarreform verschaffte vielen von ihnen erstmals Land, die Grundbesitzer wurden entschädigt durch Staatsanleihen, die sich aber bald als weitgehend wertlos herausstellten. Sie sollten ihr Kapital jetzt in Industriebetrieben anlegen, doch sie verschoben es ins Ausland oder importierten Luxusgüter. Eine Entwicklung durch Privatkapital funktionierte also nicht.

Nasser war ursprünglich prowestlich eingestellt und setzte auf ausländisches Kapital. Doch in der überschäumenden Nachkriegskonjunktur investierten die lieber in Westeuropa und in den USA und gingen nur in Entwicklungsländer, wenn es dort strategische Rohstoffe gab, die Ägypten aber nicht hatte. Die USA behandelten Nasser zudem abfällig wie einen Vasallen und wollten ihn vor allem in ein Militärbündnis drängen, was er ablehnte.

Nasser hatte jetzt zwei Pläne:
1. Die Bauern saßen auf kleinen, oft unproduktiven Parzellen. Solange das Land abhängig war von den jährlichen Nilfluten war dies kaum zu ändern. Deshalb sollte ein Staudamm in Assuan die Produktivität erhöhen durch eine kontinuierliche Bewässerung, die zwei Ernten statt bisher nur eine pro Jahr ermöglichte. Dafür brauchte das Land aber Finanziers.
2. Da weder private Unternehmen noch ausländisches Kapital die Industrialisierung finanzieren wollten, musste der Staat einspringen. Ägypten sollte weltweit Maschinen einkaufen und Staatsbetriebe gründen. Auch dafür brauchte man viel Geld.

Die wichtigste Geldquelle war der Suezkanal, der einer britisch-französischen Gesellschaft gehörte. Nur 7% der Einnahmen gingen an Ägypten. 1968 sollte der Kanal an Ägypten übergehen, zu spät, wie Nasser glaubte. 1956 ließ er verkünden, das Ägypten den Kanal schon jetzt übernehmen werde. Das löste eine weltweite Krise aus, britische und französische Fallschirmspringer besetzten den Kanal, die Israelis okkupierten den Sinai. Aber weder die Sowjets noch die USA duldeten neokoloniale Abenteuer. Ägypten übernahm den Kanal und besaß nun die Geldmittel für den Aufbau einer Industrie.

Nasser hoffte auf amerikanische Gelder für den Staudamm, die dies aber ablehnten. Nun ergriffen die Sowjets die Gelegenheit und Chruschtschow erklärte sich bereit, dies Projekt zu finanzieren. Beunruhigt durch die britisch-französisch-israelische Militärintervention hoffte Ägypten zudem auf Waffenlieferungen aus dem Ostblock zu seinem Schutz.

Von nun an geriet das Land in eine zunehmende Abhängigkeit von der UDSSR, doch die Freundschaft dauerte nicht lange. Die neuen Helfer führten sich bald wie Herrscher auf und verärgerten die Ägypter. Das Debakel setzte 1967 nach dem Krieg mit Israel ein. Die Sowjets hatten riesige Mengen von Waffen geliefert, die schon in wenigen Tagen völlig zerstört wurden. Man gab sich gegenseitig die Schuld. Nasser sagte:  Die Ägypter seien überhaupt nicht an den Waffen ausgebildet worden, sie konnten die Technik nicht bedienen, Handbücher auf Kyrillisch hätte keiner lesen können usw. Die Sowjets behaupteten, die Ägypter seien völlig unfähig und schlampig. Das Verhältnis kühlte ab. Nach Nassers Tod kam es zum offenen Bruch und Ägypten wechselte die Fronten Richtung USA.

Was ist geblieben? Ohne Zweifel kam es zu einem mächtigen Entwicklungsschub, doch eine allmächtige Bürokratie kontrollierte die Industrie, bediente sich selbst und wurde zunehmend ineffektiv. Unter Mubarak kam es zu einer „Liberalisierung“ nach sowjetischem Vorbild. Die Militärs privatisierten, in dem sie sich das Staatseigentum aufteilten. Staatsmonopole verwandelten sich lediglich in private Monopole, auch in Ägypten gibt es nun Oligarchen. Einige steinreiche Familien besitzen fast alles.
Der Assuan-Staudamm, so positiv er einerseits ist, zeigt ebenfalls negative Folgen. Das Wasser wird auch vor allem für die Stromerzeugung genutzt, dazu müssen die Turbinen schlammfrei bleiben. Der fruchtbare Nilschlamm, der seit Jahrtausenden die Felder düngt, wird in dem Stausee zurückgehalten und füllt ihn langsam auf. Die Bauern müssen nun Kunstdünger einsetzen.  Die jährliche Flut hat früher auch die Böden ausgewaschen und vom Salz befreit. Seit der Flussregulierung versalzen die Böden immer mehr.
Es gibt noch viel mehr zu sagen, einiges wurde in den vorherigen Beiträgen schon erwähnt. Der „Arabische Sozialismus“ war ein Versuch, ein rückständiges Land mit Hilfe einer Militärdiktatur in einen Industriestaat zu verwandeln. Dazu bediente man sich populistischer Demagogie und halbherziger Reformen. Dass Resultat war letztlich ein kapitalistischer Staat mit einer steinreichen Oligarchie. Was weiter passiert, bleibt abzuwarten.

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Beitrag von Marek1964 Sa März 07, 2015 5:15 pm

Auf die Gefahr hin mich langweilig zu wiederholen - einmal mehr ein spannender, gut formulierter und fundierter Beitrag, Wallenstein.


Ja, nasser war wohl wie Tito oder nehru und vielleicht noch andere ein Lavierer zwischen West und Ost - aber böse gesagt, sorgten alle drei für zu wenig Ordnung zu Hause und beschäftigten sich lieber mit Weltpolitik, so bleibt heute von ihnen nur noch ein Chaos - Jugoslawien ist weg, Indien kann man vielleicht noch positiv sehen, aber Ägypten definitiv nicht.

Aber ist letzteres nicht wegen dem Islam? Ich frage mich, warum es nicht gelang, den fundamentalistischen Islam zu entwurzeln? Stattdessen errang er die Oberhand, ähnlich wie im Iran.

Ja, der Assuan Staudamm ist ein Beispiel unbedachter Grossprojekte, die wohl für den Sozialismus typisch sind, aber auch im Kapitalismus vorkamen.

Es inspiriert mich zu weiteren Fragen, zu denen ich Threads eröffne respektive wiederbelebe.

Russische Arroganz zu Verbündeten und Vasallen
Der sechstage Krieg - Unfähigkeit Ägyptens oder mangelnde russische Empathie?
Sozialistische versus kapitalistische Grossprojekte - Gewalt an der natur, Gewalt am Menschen
Die Blockfreien und Entwicklungsländer - Lavierer zwischen Ost und West

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Beitrag von SarahF Sa März 07, 2015 5:20 pm

ich hab´s ja auch schon mal gesagt und wiederhole mich deshalb ebenfalls :
Danke für deine informativen und gut lesbaren Beiträge, Wallenstein !
( diese Kombination hat man nicht all zu oft - sagt die Geschichtsstudentin )
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Beitrag von Wallenstein Di März 10, 2015 1:11 pm

Der „Arabische Sozialismus“ und der Islam
Bei meinen Besuchen in Ägypten hatte ich nie das Gefühl, das die Menschen dort, zumindest in den Städten, besonders fromm sind. In der islamischen Welt zählen sie auch schon seit alters her nicht gerade zu den Vorzeige-Moslems. In den Moscheen kann man sich als Ausländer ungehindert umschauen, der fünfmalige Gebetsruf von den Minaretten wird von den Leuten nicht beachtet, keiner betet oder unterbricht deswegen seine Arbeit. Das ist nicht in allen Ländern so. Und abgesehen von der kurzlebigen Präsidentschaft von Mursi hat sich der politische Islam in Ägypten auch nicht behaupten können.

Aber vielleicht ein paar nähere Ausführungen hierzu und eine Einschätzung des arabischen Frühlings 2011 in diesem Land.

Während der britischen Kolonialzeit entstanden zwei verschiedene Unabhängigkeitsbewegungen:
1.) Die Nationalisten, bestehend aus Kaufleuten, Intellektuellen, also dem Mittelstand, und vor allem der unter britischem Befehl stehenden Armee, zusammengesetzt aus dem Kleinbürgertum. Die Offiziere kamen aus kleinen Verhältnissen, wie Nasser oder Sadat. Die Armee war die einzige Möglichkeit für den sozialen Aufstieg, wenn man nicht zur Oberschicht gehörte. Die Nationalisten wollten ihr Land befreien, orientierten sich sonst aber am Westen, dessen Technik und Wissenschaft sie übernehmen wollten. Das Ziel war ein säkularer, moderner Staat und vage Vorstellungen von Sozialismus, der für sie gleichbedeutend war mit Wohlstand für alle. Kein Interesse bestand hingegen an Demokratie oder Parlamentarismus. Die Militärs wollten alleine herrschen und orientierten sich an den Praktiken im Ostblock mit Einparteienherrschaft, Verbot von Oppositionsgruppen und Kontrolle der Medien.

2.) Die zweite Gruppe hingegen setzte auf eine Erneuerung des Islam, um dem Westen zu begegnen. Der im Pariser Exil lebende Gamal ed-Din-el-Afghani predigte die Rückkehr zu einem reinen Islam, der „Salafiya“. Später nannte man die Anhänger dieser Strömung Salafisten. Die Rückbesinnung auf die ursprüngliche Quelle des Islam und die vermeintlich glanzvolle arabische  Vergangenheit sollte die Befreiung bringen. Solche Ideen zirkulierten in der El-Azhar-Universität in Kairo, fanden Rückhalt in der Geistlichkeit, die die Säkularisierung des Westens verdammte, weil eine Verwässerung der islamischen Ideen ihre Existenz überflüssig machen konnte, imponierten auch den ungebildeten Kleinbauern, die den Predigten aufmerksam lauschten. Ein religiöser Eiferer namens Hassan el-Banna gründete 1928 die Muslimbrüder und wetterte gegen die britischen Kolonialherren.

Somit gab es in Ägypten zwei konkurrierende Organisationen, die gegen den westlichen Kolonialismus kämpften: die weltlichen Nationalisten und die religiösen Muslimbrüder. In diesem Wettkampf hatten die Militärs bis heute immer die Nase vorn.

Nach der Unabhängigkeit verboten die Militärs die unerwünschte Konkurrenz der Muslimbrüder als politische Partei, duldeten sie aber stillschweigend weiter als inoffizielle Organisation, da sie zu viele Sympathisanten hatten. Diese übernahmen nun karitative Aufgaben, wie z.B. den Betrieb von Krankenhäusern, Aufgaben, um die sich eigentlich der Staat zu kümmern hatte, aber nicht wahrnahm. In den vielen Geistlichen in den Dörfern hatten sie einen sicheren Anhang, denn ähnlich wie bei uns früher die Pastoren, sind diese nicht nur Seelsorger, sondern Anlaufstelle und Berater für die Bewohner in vielen alltäglichen Angelegenheiten.
Je mehr der „Arabische Sozialismus“ sich als bloße Propaganda erwies, desto mehr verlor er an Vertrauen und die Menschen setzten wieder auf althergebrachte Werte, denn die islamischen Organisationen waren die einzige bedeutsame Gegenkraft im Land.

Die Liberalisierung der Wirtschaft in den neunziger Jahren führte zur Entstehung einer steinreichen Oligarchie, schuf aber kaum Arbeitsplätze, da die Investitionen hauptsächlich im Finanzbereich erfolgten oder einen spekulativen Bauboom auslösten, der zur Erstellung zahlreicher, unverkäuflicher Luxuswohnungen führte.

Unter Nasser und seinen Nachfolgern erlebte das Land einen gewaltigen sozialen Umbruch. Lebten in Kairo 1945 nur eine Million Menschen, so sind es heute in der Metropolregion vermutlich 20 Millionen, eingepfercht in einem riesigen Moloch. Ägypten verstädtert zusehends, ein Drittel der Bewohner sind unter dreißig Jahren, oft gut ausgebildet, aber zumeist arbeitslos und ohne berufliche Chance. Als der Aufstand in Tunesien bekannt wurde, zogen im Januar 2011 hunderttausende von jungen Menschen zum Tahrir-Platz mit der Parole „Es reicht“. Zu unerträglich war die Korruption, die Arroganz der Herrschenden, die trostlose wirtschaftliche Lage, die politische Repression geworden.

In dieser frühen Phase der Revolution spielte der Islam überhaupt keine Rolle, die Muslimbrüder beteiligten sich nicht an dem Aufstand. Die jungen Leute forderten Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Parlamentarismus. Man hat dies oft als „Facebook-Revolution“ bezeichnet, weil die Demonstranten sich über die modernen Medien verständigten. Das hatte den Vorteil, dass man schnell riesige Massen zu Kundgebungen aufrufen konnte, hatte aber den Nachteil, dass es sich hier eigentlich nur um „Flashmobs“ handelte. Aus diesen Meetings entstanden keine festen Organisationen, keine Parteien, keine strukturierten Organisationen, keine charismatischen Führer, keine richtige Ideologie. Es kam nur zu kurzfristigen Zufallsbegegnungen, alles blieb anonym und spontan.

Die Armee mischte sich zunächst nicht ein. Der Zorn der Demonstranten richtete sich nicht gegen das Militär, sondern gegen den Mubarak-Clan. Den wollten viele Generäle auch loswerden, denn Mubarak plante,  seinen Sohn als Nachfolger zu ernennen und eine Dynastie zu gründen. Das hätte anderen die Karriere verbaut, also waren sie bereit, den Diktator opfern.

Anfänglich hatten fast alle Ägypter die Revolution begrüßt, doch sie brachte zunächst keine greifbaren Ergebnisse. Stattdessen führte sie zum Kollaps der Wirtschaft. Und noch bedrohlicher: Die Wut der Demonstranten richtete sich gegen die Polizei. Die Wachen wurden niedergebrannt und die Polizei löste sich auf. Kairo hatte nun keine Ordnungshüter mehr. Doch eine Stadt ohne Polizei ist nicht regierbar. Anarchie, Chaos, Gewalt und Verbrechen konnten sich jetzt ungehindert ausbreiten, nichts stellte sich dem entgegen. Die Menschen hatten Angst, bewaffneten sich mit knüppeln und Äxten, um den marodierenden Banden etwas entgegen zu setzen. Es drohte der völlige Zusammenbruch der gesellschaftlichen Strukturen.

Das drohende Chaos verlangte nach Ordnung und einer eisernen Hand. Aus Angst suchten die Ägypter jetzt ihr Heil bei den Muslimbrüdern und wählten deren Partei. Es rächte sich nun, dass die Tahrir-Demonstranten sich auf Flashmobs beschränkt hatten und keine Organisationen besaßen. Sie verschwanden aus dem politischen Spektrum.

Die Muslim-Brüder unter Mursi vertraten einen moderaten Islam, daneben gab es aber auch die Salafisten als radikalen Flügel. Doch auch Mursi wirtschaftete schnell ab. Er besaß überhaupt kein tragfähiges Programm. Zu offensichtlich wurde zudem, dass die Gruppe um den Präsidenten nur danach trachtete, sich möglichst schnell zu bereichern und als neue Oligarchie das Land zu beherrschen. Der fruchtlose Streit um islamische Gesetze lähmte Ägypten und polarisierte die Gesellschaft. Zudem besserte sich nicht die wirtschaftliche Lage und das Land versank immer weiter im Chaos. Der Präsident isolierte sich zusehends und selbst die Salafisten wendeten sich gegen ihn.

In dieser Situation putschte im Sommer 2013 wieder das Militär, unterstützt von großen Teilen der unzufriedenen  Bevölkerung, auch von den ehemaligen Tahrir-Demonstranten und sogar den Salafisten.

Es ist so, als hätte jemand in Ägypten die Reset-Taste gedrückt und alles wieder auf null gesetzt. Die Muslim-Brüder wurden vernichtet und mehrere tausend von ihnen ermordet. Auch die liberale Opposition ließen die Generäle zerschlagen. Der neue Diktator Abdel Fattah el-Sisi   regiert unumschränkt wie einst Nasser. Ähnlich  wie sein Vorgänger betreibt er einen unglaublichen Personenkult. Politik und Gesellschaft wurden eingefroren. Auf den arabischen Frühling folgte ein arabischer Winter.

Keines der Probleme in Ägypten wurde durch die Revolution und den Militärs gelöst. Der Putsch von 2013 hat scheinbar zunächst alle nationalen und sozialen Widersprüche im Land weggewischt. Doch das ist nur ein historischer Aufschub, eine Art politisches Moratorium. Die Wechsel sind mit einer neuen Frist ausgeschrieben worden, doch bezahlt werden müssen sie am Ende doch.

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Beitrag von Gontscharow Mi März 11, 2015 9:44 am

Danke für den interessanten Beitrag zu Ägypten !
Ist Ägypten mit der Entwicklung im Iran 1978/79 vergleichbar ?
Auch dort gab es von zwei Seiten Proteste gegen das Regime des Schah,
die religiösen Islamanhänger auf der anderen und linksliberale/kommunistische
Oppositionelle auf der anderen Seite.
Wenn ich mich recht erinnere, waren es auch im Iran die weltlichen Kritiker des Schahs,
die als erste protestierten. DIese Protestbewegung wurde immer größer und führte zur
Flucht des Schah. Erst dann kam ein Ayatollah Chomeini aus Paris eingeflogen ( übrigens in Begleitung von
Peter Scholl-Latour Laughing ) und die Religiösen übernahmen die Macht - und haben sie bis heute
nicht wieder abgegeben. EIne Diktatur wurde durch eine andere eingetauscht.
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Beitrag von Wallenstein Mi März 11, 2015 11:02 am

Ja, es gibt Ähnlichkeiten zum Iran. Persien ist aber nie sozialistisch gewesen und in der islamischen Revolution 1978/79 spielten die religiösen Gruppierungen eine viel größere Rolle als in Ägypten. Und der Ausgang ist auch umgekehrt. Im Iran siegten die islamischen Kräfte, in Ägypten hingegen nicht.


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Beitrag von SarahF Mi März 11, 2015 11:21 am

Würdest du sagen, dass Ägypten auch heute noch ein eher säkulares
Land ist ? Hat sich die Einstellung der Bevölkerung zur Religion in Hinsicht
auf eine Rückbesinnung auf die Religion nicht geändert, nachdem auch der
arabische Sozialismus wie in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern dastand ?
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Beitrag von Wallenstein Mi März 11, 2015 1:39 pm

SarahF schrieb:Würdest du sagen, dass Ägypten auch heute noch ein eher säkulares
Land ist ? Hat sich die Einstellung der Bevölkerung zur Religion in Hinsicht
auf eine Rückbesinnung auf die Religion nicht geändert, nachdem auch der
arabische Sozialismus wie in dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern dastand ?

Derzeit ist Ägypten primär säkular ausgerichtet, auch wenn Religion in diesen Ländern immer eine größere Bedeutung hat als bei uns. Die religiösen Kräfte haben sich aber während der kurzen Mursi-Herrschaft in der Bevölkerung verhasst gemacht und die Muslimbrüder wurden von den Militärs mit unglaublicher Brutalität zerschlagen.

Im Moment ist Ägypten paralysiert. Die demokratischen Kräfte vom Tahrir-Platz haben sich als unfähig erwiesen, die Herrschaft zu übernehmen und die religiösen Kräfte sind diskreditiert. Jetzt ruht alle Hoffnung auf dem „Neuen Pharao“, Abdel Fattah el-Sisi. Der General betreibt einen Personenkult, der an nordkoreanische Verhältnisse erinnert, doch die Ägypter haben immer solche starken Männer an der Spitze des Staates. Der General ist weder demokratisch noch sozialistisch noch religiös. Alles was er anbietet ist: Ich sorge wieder für Ordnung und dann wird alles wieder besser. Die Zukunft wird glänzend. Ob das ausreicht, wird sich zeigen. Im Moment gibt es aber keine Alternative und so ist er vielleicht das kleinere Übel.

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