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Warum gelang den Römern die Eroberung Germaniens nicht?

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Beitrag von Agrippa Mi März 04, 2015 12:33 am

Warum gelang den Römern die Eroberung Germaniens nicht?

Weil sie in der Varusschlacht 9 n.Chr. besiegt wurden?

Falsch.

Die Varusschlacht war nicht das Ende, sondern der Beginn eines jahrelangen Krieges um die Zukunft Germaniens.

Warum konnten die Römer, trotz größter Anstrengungen, den Sieg am Ende nicht davon tragen?

Wie man ein Barbarenvolk besiegt und sich dessen Land aneignet, hatte Caesar in Gallien gezeigt und im "De bello gallico"  festgehalten.
In Germanien sollte es nach dem Willen des Augustus genauso verlaufen und doch kam alles anders.

Warum gelang die Eroberung Galliens, jene Germaniens jedoch nicht?

1.)
In Gallien existierte eine funktionierende Infrastruktur. Es gab ausgebaute Wege, Brücken, Städte und Märkte. Caesar konnte das gallische Wegesytem nutzen, um rasch vorzurücken.

In Germanien dagegen gab es nur sehr wenige und schlechte Heerwege. Auf diesen Routen kamen die Legionen nur langsam voran und waren gegenüber Angriffen seitens der Germanen anfällig.
Die Römer bevorzugten deshalb nicht selten den Umweg über die Flüsse, um ins Landesinnere einzudringen.


2.)
Durch die Eroberung und Plünderung von Städten konnte Caesar den Galliern ihre Erntevorräte nehmen und sein eigenes Heer verpflegen. Vercingetorix versuchte mit der Taktik der "Verbrannten Erde" diesem vergebens entgegen zu wirken.

In Germanien gab es weder Städte, noch eine nennenswerte Vorratshaltung. Die Germanen waren ein Leben voller Entbehrungen gewohnt.
Ein römisches Heer in Germanien „aus dem Land“ zu ernähren, war fast unmöglich. Drusus musste einen Feldzug 11 v.Chr. aus Proviantmangel sogar abbrechen.


3.)
Gallier zogen es vor, sich bei Gefahr hinter die festen Mauern ihrer Höhensiedlungen (oppida) zu verschanzen. An diesen „festen Zielen“ konnten die Römer ihre ausgefeilte Belagerungstechnik zur Geltung bringen.

Germanen zogen sich bei Gefahr nicht auf Höhenfestungen zurück, sondern flohen in tiefe Wälder, wo sie nur sehr schwer aufzuspüren und zu bekämpfen waren.


4.)
Die gallische Gesellschaft kannte die Arbeitsteilung, d.h. es gab bereits zahlreiche Berufe. Ein großer Teil des gallischen Heeres bestand aus Bauern, Handwerkern und Händlern, die nur im Notfall zur Waffe griffen. Die Zahl der gut ausgebildeten Kämpfer aus der Kriegerkaste war relativ gering.

In Germanien herrschte Subsistenzwirtschaft. Es gab, abgesehen vom Schmied, keine Berufe. Durch das Fehlen eines staatlichen Gewaltmonopols war jeder einzelne männliche Germane, sobald er das Jugendalter erreicht hatte, ein Krieger. Die germanischen Heerführer konnten somit auf eine große Zahl kampferprobter und motivierter Krieger zurückgreifen.  


5.)
Für die Gallier war die neue römische Herrschaft keine große Umstellung. Sie kannten bereits Städte- und Marktwesen, Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Münzwirtschaft.

Für die Germanen hätten die kulturellen und infrastrukturellen Veränderungen unter einer römischen Herrschaft eine erhebliche Veränderung ihrer althergebrachten Lebensweise dargestellt.  


Fazit:

Es war gerade die niedrigere kulturelle Entwicklungsstufe, die die Germanen, im Gegensatz zu den höher entwickelten Galliern, im jahrelangen Krieg gegen die Weltmacht Rom bestehen ließ.
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Beitrag von Judas Phatre Mi März 04, 2015 10:43 am

Ein wichtiger Aspekt fehlt meiner Meinung noch:
Es hätte sich nicht gelohnt. Die fehlende Infrastruktur brachte es mit sich, dass das Land enorme Investitionen verschlungen hätte, nicht nur bei der Eroberung, sondern auch bei der Erschließung. Dem standen nur geringe zu erwartende Gewinne entgegen. Deshalb wurden die lukrativen Gebiete erobert und lang gehalten (linksrheinische Gebiete, Dekumatland). Ich vemute, dass es Rom darum ging, die Grenze gegen aggressive Germanen zu sichern, dass es aber letztendlich keinen großen Unterschied machte, ob die Grenze am Rhein oder an der Elbe lag.
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Beitrag von Ostfale Mi März 04, 2015 12:46 pm

Hallo zusammen,

von der Mär, die alten Germanen hätten nahezu ständig am Hungertuch genagt und Germanien um die Zeitenwende sei ansonsten weitgehend unterentwickelt gewesen, sollte man sich mittlerweile verabschieden. Heiko Steuer schreibt in:
"Besiedlungsdichte, Bevölkerungsgrößen und
Heeresstärken während der älteren Römischen
Kaiserzeit in der Germania magna", hier nachzulesen: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/7327/pdf/Steuer_Besiedlungsdichte_Bevoelkerungsgroessen.pdf
auf Seite 3 seiner Arbeit:
"Zwar waren die Mittelgebirge von Wäldern und große Bereiche der norddeutschen Tiefebene von Mooren bedeckt. Aber die übrigen Landschaften waren seit Jahrhunderten offen und erschlossen von dichten Netzen dörflicher Siedlungen, durchzogen von Fernstraßen und Nachbarschaftswegen.
Nur auf ein Beispiel sei hingewiesen: Warum hätten die Bewohner Norddeutschlands kilometerlange und sorgfältig konstruierte Bohlenwege über Niederungen und Moore von einem Ufer zum anderen gebaut und auch immer wieder erneuert, wenn sich dann die anschließenden Wege im Urwald verlaufen hätten? Ein gut organisiertes und funktionierendes Straßen- oder besser Wegenetz hat es in Mitteleuropa seit der Bronzezeit gegeben. Spurweiten der Wagen waren darauf eingestellt und galten für ganz Norddeutschland und darüber hinaus. Dazu kamen die Wasserwege für eine weit reichende Binnenschiffahrt.
Das dichte Netz der Siedlungen - darauf werde ich ausführlicher eingehen - steht für eine erstaunlich hohe Bevölkerungsdichte, weshalb die Germanen (und später unter demselben Aspekt die Sachsen) daher auch beachtliche Truppenkontingente auf die Beine stellen konnten, die den Römern entsprechenden
Widerstand entgegensetzten."


Er stellt fest, dass die falschen stereotypen Behauptungen römischer Chronisten über Germanien (Sümpfe und Wälder) relativ kritiklos bis in die heutige Zeit übernommen wurden.

Weiter schreibt er zur Anzahl der Germanen:
"Die Germania zwischen Rhein und Oder umfaßt etwa (Deutschland heute 357 000 km2 ) - ohne Süddeutschland und Gebiete westlich des Rheins, aber mit Jütland etc. - 250 000 km2 . Bei einer Bevölkerungsdichte von 60 Einwohnern pro km2 wären das insgesamt 15 Millionen; geht man von einer besiedelbaren Fläche von 50% aus, dann bleiben noch 7,5 Millionen Menschen zwischen Nordsee und Main, bei nur 25% Fläche noch 3 bis 4 Millionen, die dann rund 800 000 Krieger stellen konnten."

Schon Caesar berichtet ja, dass die 100 Gaue der Sueben unter Ariovist je 1000 Krieger unter Waffen hatten. Das wäre dann nicht übertrieben.
Zum Schluss stellt  Steuer u.a. folgende These auf:
"Da ich davon ausgehe, daß die Germania ein weitgehend bäuerliches und intensiv genutztes Land gewesen ist, das von Rom erobert werden sollte, stelle ich die These auf, daß diese Gebiete nicht dünner besiedelt waren als die ländlichen Gebiete der römischen Provinzen, wobei städtische Agglomerationen nicht mitgerechnet werden sollten.

Soviel zu Steuer und seinen Forschungsergebnissen. Weiterhin sollte nicht vergessen werden, dass weit vor der Ankunft der Römer schon intensiv Metall (Raseneisenerz, Blei, etc.) verarbeitet wurde.
Georg Eggenstein, zu finden hier http://www.gefao.de/bilder/publikation/AIO9-PDF/Eggenstein.pdf
schreibt:
"Die bäuerliche Selbstversorgung durch Ackerbau und Viehzucht bildete die wirtschaftliche Grundlage, die Jagd spielte nur eine geringe Rolle. Handwerkliche Tätigkeiten wie die Herstellung von Textilien, Tongefäßen, Werkzeugen etc. sowie der Hausbau wurden im wesentlichen von den einzelnen Betrieben selbst geleistet. In diesem Bild der allgemeinen Subsistenzwirtschaft fallen aber immer wieder Plätze auf, an denen offenbar spezialisierte Handwerker über den eigenen Bedarf hinaus Überschüsse produzierten, wie die Feinschmiede von Warburg-Daseburg. Sicher erforderte auch die Eisenverhüttung spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten. In Dorsten-Holsterhausen wurde im Anschluss an ein Siedlungsareal ein Eisenverhüttungsfeld mit 80 Rennfeueröfen ausgegraben. Kaum noch mit bäuerlicher Subsistenzwirtschaft in Verbindung zu bringen sind Fundstellen wie Kamen-Westick. Der Standort übte offenbar zentralörtliche Funktionen aus, in diesem Fall möglicherweise die eines Umschlagplatzes für Waren (Fertigprodukte und  Buntmetallschrott) aus dem Römischen Reich."

Fazit: Germanien war durchaus attraktiv für Rom! Erst als Tiberius offenbar die Kosten und Verluste der Germanicusfeldzüge zu hoch wurden, stellte er die Versuche zur Eroberung Germaniens ein, wobei sich gleichzeitig ein intensiver friedlicher Warenaustausch etc. entwickelte, bzw. erhalten blieb.

Beste Grüße
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Beitrag von SarahF Mi März 04, 2015 1:39 pm

Logisch, dass Germanien aus irgendeinem Grund attraktiv für Rom sein musste,
sonst hätten sie nicht versucht, es ihrem Imperium einzugliedern.
Antike Chronisten waren i.d.R. auch Propagandisten einer gewissen erwünschten Sichtweise,
somit gibt es wahrlich nicht so sehr viel Neues, seit die Welt sich dreht Wink
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Beitrag von Judas Phatre Mi März 04, 2015 2:44 pm

SarahF schrieb:Logisch, dass Germanien aus irgendeinem Grund attraktiv für Rom sein musste,
sonst hätten sie nicht versucht, es ihrem Imperium einzugliedern.
Gut, aber was war denn attraktiv? Städte gab es nicht. Das Straßennetz wird miserabel gewesen sein. Nicht umsonst wurde Waldgirmes an der Lahn gegründet. Die Bodenschätze dürften teilweise bekannt gewesen sein, aber etwas Einmaliges wie das Zinn aus Britannien hatte Germanien doch kaum zu bieten. Also nur Landwirtschaft. Das geht für Süddeutschland in Ordnung. Ich vermute aber, dass die Weizensorten in den nördlicheren Regionen schon Probleme gemacht haben, Wein sowieso. Weiß jemand Genaueres? Meiner Meinung nach gibt Tacitus mit seiner Landesbeschreibung die Attraktivität Germaniens für Rom ganz gut wieder. Die Germanen waren vor allem eine Bedrohung und dieser Rolle sind sie auf vorbildliche Art gerecht geworden.
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Beitrag von Ostfale Mi März 04, 2015 4:17 pm

Die Germanen förderten u.a. Blei in erstaunlichen Mengen:
wieder Eggenstein dazu:
"Aus Soest ist seit wenigen Jahren ein germanischer Standort des 1. Jh. bekannt, der auf die Verarbeitung von Blei spezialisiert war. Zum Fundmaterial gehören u. a. Bleibarren von mehreren Hundert Gramm Gewicht, wie sie auch in verschiedenen Siedlungen des nördlichen Sauerlandes und der sich daran anschließenden Bördenzone bis zur Lippe gefunden worden sind. Das Blei könnte durchaus im nördlichen Sauerland abgebaut worden sein. Allerdings scheinen die Germanen selbst kaum Bedarf daran gehabt zu haben. Ganz anders die Römer, bei denen eine große Nachfrage bestand. Daher ist es gut vorstellbar, dass in Westfalen Blei gewonnen und in die römischen Provinzen transportiert wurde. Das Soester Zentrum der Bleiverarbeitung ist ein Anhaltspunkt dafür, dass Bodenschätze Teil eines organisierten Güterverkehrs zwischen Germanen und Römern waren. Der Fernhandel hätte sich demnach auf einem viel höheren Niveau abgespielt hat, als bisher für möglich gehalten."
Zu den Feldfrüchten schreibt er:
"Unter den Kulturpflanzen nimmt die Rispenhirse den ersten Rang ein. Auch Gerste wurde in erheblichem Umfang angebaut, dagegen kaum Weizen. Eine gewisse Rolle spielte auch der Anbau von Erbsen. An Wildfrüchten wurden Haselnuss und Schlehe gesammelt. Wie die Auswertung der Holzkohlespektren ergab, existierten in der Umgebung der Siedlung keine naturnahen Wälder mehr, sondern sog. Wirtschaftswälder als Ergebnis menschlicher Eingriffe wie Viehweide innerhalb des Waldes und Holzeinschlag."

Und noch einmal, das Wegenetz war gut ausgebaut (siehe oben Prof. Steuer).

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Beitrag von Exmitglied-1 Mi März 04, 2015 4:19 pm

Hallo Ostfale,
danke für den fundierten Beitrag und die interessanten links im oberen Artikel.
Und Blei wurde viel für die Wasserversorgung gebraucht.

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Beitrag von Judas Phatre Mi März 04, 2015 5:45 pm

Ostfale schrieb:Die Germanen förderten u.a. Blei in erstaunlichen Mengen:
An den Grenzen zu Germanien wurde viel gehandelt, das ist mir klar. Holz, Nahrung, Vieh, Zirkusbären, Holzkohle. Die Germanen verfügten über große Mengen an Raseneisenerz. Ich bezog mich aber auf das Alleinstellungsmerkmal. Die Römer hatten dafür verschiedene Quellen. Germanien war nicht in dem Maße erschlossen wie Gallien oder vielleicht später das Markomannenreich (eigtl. auch germanisch).

Ostfale schrieb:Und noch einmal, das Wegenetz war gut ausgebaut (siehe oben Prof. Steuer).
Ich habe das gelesen, bin aber nicht überzeugt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das Wegenetz in Germanien auch nur annähernd mit dem im Römischen Reich vergleichbar war. Wenn das so gewesen wäre, hätten die Römer viel weniger logistische Probleme bei der Eroberung gehabt. Kennst Du erhaltene Germanenstraßen? Römerstraßen gibt es.
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Beitrag von Agrippa Mi März 04, 2015 9:08 pm

Ostfale schrieb:
Und noch einmal, das Wegenetz war gut ausgebaut (siehe oben Prof. Steuer).

Na ja, Prof. Steuer ist für seine gewagten Interpretationsansätze bekannt. Außerdem ist die römische Okkupationszeit nicht gerade sein Gebiet, sondern eher die Spätantike und das Frühmittelalter.

Den Thesen Steuers widersprechend habe ich folgende Quelle gefunden:

Dieter Timpe (Hrsg.):
Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit


4. Wegeverhältnisse und römische Okkupation Germaniens.

S. 115:
„Wie verhielt sich die Kommunikations-Infrastruktur rechts des Rheins zu den Zielen, Möglichkeiten und Ergebnissen der römischen Okkupation? Und inwiefern berührte umgekehrt die Annexion des Landes zwischen Rhein und Elbe sein Kommunikations-System?
Die Frage, so allgemein gestellt, gehört indessen nicht zu denen, auf die Quellen eine bündige Antwort bereithalten; fast wird mit ihr nur eine Unbekannte zu einer anderen in Beziehung gesetzt. Denn ein vorrömisches Wegenetz in Germanien ist praktisch nicht bekannt, seine Erschließung aus Funden entweder unmöglich oder methodisch problematisch. (...)


S.130:
„Die Einfallspforten der Flussmündungen von Lippe und Main lassen wenig Schlüsse darauf zu, wie sich von dort aus der Anschluss an ein innergermanisches Kommunikationsnetz unter praktisch-technischer und militärisch-politischer Hinsicht vollzog. Dass dies nie befriedigend gelang, beweist jedoch die Benutzung der Wasserwege, deren Zweck nicht die politisch überflüssige und militärisch unergiebige Unterwerfung der Küstenstämme war, sondern das Eindringen in das schwer erschließbare Binnenland.


S.136
„Es sind also ganz deutlich zwei typische Gefährdungen, denen die Eroberer unter den schlechten Bedingungen der germanischen Wegesituation grundsätzlich nicht gewachsen waren: Einmal die unvermeidliche, aber bedenkliche Länge marschierender Kolonnen, die in unübersichtlichem Gelände, namentlich wieder im Walde, zersprengt werden konnten, sodann und vor allem der mitgeführte Tross. Da das römische Heer aus dem Lande nicht erhalten werden konnte, musste irregulär viel Versorgungsgut mitgeführt werden (wenn nicht die Flotte den Nachschub sicherte).“
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Beitrag von Agrippa Mi März 04, 2015 9:12 pm




Ostfale schrieb:Und noch einmal, das Wegenetz war gut ausgebaut (siehe oben Prof. Steuer).

Judas Phatre schrieb:Ich habe das gelesen, bin aber nicht überzeugt. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das Wegenetz in Germanien auch nur annähernd mit dem im Römischen Reich vergleichbar war. Wenn das so gewesen wäre, hätten die Römer viel weniger logistische Probleme bei der Eroberung gehabt. (...)

Das sehe ich genauso.
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Beitrag von Ostfale Do März 05, 2015 2:34 pm

Hallo zusammen,

der Reihe nach...
Warum soll Steuer als gelernter Historiker nicht nach eingehenden Untersuchungen zur Siedlungsdichte, bei denen er sicher auf qualifizierte Arbeiten (z.B. Pollenanalysen) anderer Forscher zurückgreifen konnte, keine solide Aussage zu diesem Thema treffen können? Siedelten in der Spätantike und im Frühmittelalter denn keine Menschen in Deutschland? Warum sollen sein Vergleich zur Siedlungsdichte ländlicher römischer Gebiete oder seine Feststellung zum germanischen Wegesystem denn nun "gewagt" sein? Der Mann hat doch offensichtlich ordentlich recherchiert und vertraut nicht blind den Allgemeinplätzen überheblicher oder schlecht informierter antiker Autoren!
Weiter...
Schon Delbrück äußert sich zur Anzahl der Bohlwege in seiner Geschichte der Kriegskunst: "Es gibt der alten Bohlwege gar zu viele, und selbst in Westpreußen, wo die Römer nie hingekommen sind, hat man neuerdings solche Anlagen entdeckt."
Ich denke, die Tatsache, dass auf germanischem Gebiet etliche Bohlwege bereits vor der Ankunft der Römer existierten, wird hier nicht bestritten. Wenn Steuer dazu schreibt, dass diese Trassen ja dann nicht vor "dichten Wäldern" endeten, sondern weiter zu Transportzwecken genutzt wurden, kann ich ihm nur beipflichten. Immerhin besaßen die Germanen die Fähigkeit, Karren oder Wagen zu bauen (bereits Marius und Caesar berichten darüber). Da mussen diese Dinger ja auch einen praktischen Zweck haben - den Transport von Dingen von A nach B, also dem Einbringen der Ernte (Heu) und dem Handel (Metalle?). Dafür müssen zwingend brauchbare Trassen vorhanden gewesen sein. Weder ich noch die angeführten Quellen haben behauptet, dass dieses Wegesystem die Qualität des römischen Straßennetzes hatte!

Hier: http://www.academia.edu/4966099/Kontinuität_und_Diskontinuität_-_Vorrömische_und_römische_Verkehrswege
noch eine unterstützende Meinung dazu. Kernaussage ist:
"Die Römer standen also nicht, wie dies oftmals unreflektiert unterstellt wird, vor einer terra incognita während der Eroberung neuer Regionen bzw. der darauf folgenden Einrichtung römischer Infrastruktur. Sie nutzten vielmehr konsequent vorhandene – nichtrömische – Infrastrukturen, um erst in einer Phase der Konsolidierung ihr befestigtes Straßensystem aufzubauen."

Der Gymnasialprofessor J. Schneider schrieb in "Die alten Heer- und Handelswege der Germanen, Römer und Franken im deutschen Reiche: nach örtlichen Untersuchungen / dargestellt von J. Schneider. Düsseldorf, 1882" nach jahrelangen Forschungen:
"Daß die Römer bei ihren Feldzügen in Deutschland, sowie auch bei dem häufigen Verkehr in Gallien, die schon vorhandenen Wege, die mit Rücksicht auf die zweckmäßigste Bodenbeschaffenheit angelegt waren und daher in den am besten gangbaren Richtungen verliefen, überall da, wo es die Verhältnisse gestatteten benutzt haben, liegt in der Natur der Sache, und es hat sich bei unseren Untersuchungen der Römerstraßen in Gallien wie in Germanien immer mehr herausgestellt, daß die römischen Kunststraßen gar häufig auf kleinere oder größere Strecken, Teile schon vorhandener Wege zur Grundlage haben."

Schließlich stellt Matthias Bode (Wie erreichte Tiberius den kranken Drusus?
Überlegungen zur Reise des Tiberius durch Hessen 9 v. Chr.)
erst kürzlich fest:
"Um zu erklären, wie Tiberius seine Rettungsmission organisiert hat, müssen die traditionellen
Annahmen zur Landschaft in Hessen überdacht werden. Denn Tacitus’ verregnete Urwälder
Germaniens würden enorme Hindernisse für die Römer mit sich bringen. Der taciteische
Dschungel aber hat den Blick auf die ökologischen Realitäten jener Tage verstellt. Angesichts
der überlieferten Geschwindigkeitsangaben muss man konstatieren, dass Drusus und dann Tiberius
bei der Rettungsmission keine Probleme mit der Landschaft hatten. Im Gegenteil: Die
gesamte Reise muss sich in landwirtschaftlich genutztem Offenland abgespielt haben. Im Gegensatz
also zur traditionellen Vorstellung von den Urwäldern Germaniens wird für die zu bereisenden
Gebiete ein deutlicher Anteil von Offenland angenommen."
Und weiter:
"Die weitgehend offene Landschaft wird von vielen Wegen durchzogen gewesen sein. Wege und
Triften verbanden die Siedlungen untereinander und diese mit besonderen Orten wie Warten,
oppida, Heiligtümern, Furten, Pässen, Bergwerken, Salinen usw. Einige dieser Wege müssen sicherlich
eine überregionale Bedeutung besessen haben. Wenn sich Strabo erregt, die Germanen
führten eine Art »Guerilla-Krieg«, in dem sie die unwissenden Römer im Unklaren über die
Straßen und die Nahrungsvorräte ließen, dann zeigt dies, dass die Straßen vorhanden waren, man sie nur finden musste."
Er stellt abschließend fest:
"Es ist für Tiberius unmöglich, mit leichter Reiterei in einem undurchdringlichen Dschungel
zu operieren. Tiberius kann niemals hoffen, den Leichnam des Drusus auf römisches Gebiet zu
schaffen, wenn er sich von Baum zu Baum, von Tal zu Tal in unwegsamem Waldgebiet durchschlagen
muss. Die genannten Reisezeiten sind nur in einer offenen, durch Wege und Triften erschlossenen Kulturlandschaft denkbar. Anders formuliert: Da Drusus auf dem Rückweg eines Feldzuges vom Pferd fällt und Augustus im Winter der Prozession entgegengeht, entsteht ein Zeitrahmen, der nur durch die Annahme einer offenen Kulturlandschaft zwischen dem Sommerlager und Mainz erklärbar wird."

Obige Argumentationen sind für mich schlüssig. Daher kann ich die Meinung von Prof Timpe, der offenbar den stereotypen Hyperbeln von Tacitus, C.Dio und Veilleus P. (Sümpfe, undurchdringliche Wälder, schluchtenreiche Gebirge) aufgesessen ist, über das fehlende germanische Wegenetz nicht nachvollziehen. Seiner These, dass cheruskische Hilfstruppen (reguläre Auxiliareinheiten der mit Freundschaftsvertrag verbundenen Germanen gab es damals bei den Legionen noch nicht) den ahnungslosen Varus (im Lager?) überfielen, kann ich allerdings einiges abgewinnen  Smile

Beste Grüße
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Beitrag von Agrippa Fr März 06, 2015 1:02 pm

Timpe gilt als Kenner der römischen Okkupationszeit und hat sich sehr intensiv speziell mit dem Thema der Verkehrsstruktur Germaniens um Christi Geburt auseinandergesetzt.
Ich habe noch einen weiteren, sehr lesenswerten Artikel zu diesem Thema gefunden.

Timpe, Dieter: Geographische Faktoren und politische Entscheidungen in der Geschichte der Varuszeit. in:
Rainer Wiegels, Winfried Woesler (Hrsg.) Arminius und die Varusschlacht. Geschichte-Mythos-Literatur, Paderborn, 2003

S.18
„Das Land rechts des Rheins war generell unwegsam, aber keineswegs gleichmäßig und schlechthin; und es wurde zweifellos durch die römische Okkupation nur immer besser erschlossen.“

S.18 f.
„Niedriges Zivilisationsniveau der Stammespopulation, deshalb- und dank ausgedehnter Wald-und Moorbarrieren, sowie einer tiefgreifenden amphibischen Küstenzone – fehlende Verkehrseinheit, morphologische Ungunst des Landes, das für einen vom Rhein kommenden Eroberer schwer zu erschließen, noch schwerer zu durchqueren war, sowie nicht zu beseitigende aktuelle oder potentielle Rückzugsgebiete für renitente Stämme.“  

S.20
„Sie (die festen römischen Lager) konnten in dem armen, unwegsamen, unsicheren und weiträumigen Lande freilich nicht ersetzen, was anderswo Städte, Straßen, Handel und ausgebildete Infrastruktur leisteten. Deshalb ist die Okkupation gar nicht zu denken, ohne immer auch den ergänzenden Seeweg zu berücksichtigen.“

S.22 f.
„Die natur-und kulturgeographisch vorgegebene Schwierigkeit (ein unzulängliches, städteloses und verkehrsarmes, von Naturbarrieren durchsetztes, von der peripheren Rhein-und Seebasis her nur schwer zu erschließendes Gebiet unter wirksame Kontrolle zu bringen) war durch die sich abzeichnenden Vormarschwege von Lippe-und Mainmündung aus noch nicht prinzipiell gemeistert.“


Die militärischen Operationen im Inneren Germaniens konnten nur durch die gleichzeitige Unterstützung über den Seeweg stattfinden, weil die allgemeine Verkehrsstruktur in Germanien nicht ausreichend war.
Das Heranschaffen von Truppen, Versorgungsmitteln, Pferden und Geschützen war über den Seeweg zwar gefahrvoll, allerdings immer noch sicherer als ein Anmarsch über die wenigen und schlechten Wege in Germanien.
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Beitrag von Ostfale Fr März 06, 2015 3:17 pm

Agrippa, ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Du hier dem "Kenner" Timpe folgst. Ich mache das nicht!

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Beitrag von Agrippa Fr März 06, 2015 4:35 pm

Ostfale schrieb:Agrippa, ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Du hier dem "Kenner" Timpe folgst. Ich mache das nicht!

Entschuldige, aber ich kann mich den Äußerungen von Heiko Steuer nicht anschließen. Er schreibt in dem von Dir zitierten Beitrag:

„Der Marschweg der Varus-Legionen durch Norddeutschland und dann am Kalkrieser Berg entlang durch diesen Engpass führte also im allgemeinen durch dicht besiedeltes Land und nicht durch Wälder und Sümpfe.“

Es ist allgemein bekannt, dass der Nordhang des Wiehengebirges um Christi Geburt besiedelt war; auch dass dort der Hellweg vor dem Santforde verlief.
Wenn aber jemand so ohne den geringsten Zweifel Kalkriese als Ort der Varusschlacht bezeichnet und auch noch zu wissen glaubt, wie Varus dorthin zog, dann kann ich ihn nicht ernst nehmen. Es tut mir leid.

Timpe hat sich auch mit Kalkriese auseinander gesetzt. Er sieht das Problem trotz allem aber stets kritisch und differenziert.
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Beitrag von Ostfale Fr März 06, 2015 5:37 pm

Auch Steuer irrt (allerdings hier nur mit der Angabe Kalkriese), das ist menschlich. Genau wie bei Timpe. Mal liegen sie richtig, mal verzapfen sie Grütze. Ich habe in meinem langen Leben mit Akademikern gelernt: Je mehr sie sich qualifizieren, um so enger wird der Tunnelblick. Das ist fast zwangsläufig so - den Universalgelehrten haben wir nicht mehr.

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Beitrag von Agrippa Fr März 06, 2015 8:17 pm

Ostfale schrieb:Auch Steuer irrt (allerdings hier nur mit der Angabe Kalkriese), das ist menschlich. (...)

Da gebe ich Dir absolut recht.
Heiko Steuer entlarvt sich selbst gleich zu Beginn und zeigt, worauf seine ganze Abhandlung zum infrastrukturellen Entwicklungsstand in Germanien um Christi Geburt eigentlich abzielt.

Steuer :
„Der Marschweg der Varus-Legionen durch Norddeutschland und dann am Kalkrieser Berg entlang durch diesen Engpass führte also im allgemeinen durch dicht besiedeltes Land und nicht durch Wälder und Sümpfe.“

Kritiker der Kalkriese-Theorie, allen voran Peter Kehne, haben stets darauf hingewiesen, dass sich die topographische Situation in Kalkriese, eine offene Kulturlandschaft an einem wichtigen Fernhandelsweg,  nicht mit der Varusschlacht-Schilderung des Cassius Dio von einem abgelegenen, schwer begehbaren Waldgebirge in Einklang bringen lässt.

Also kommen Historiker daher, wie auch unser Herr Steuer, und stellen die These auf, die Schilderungen der römischen Autoren, die allesamt Germanien als ein verkehrstechnisch schlecht erschlossenes Land mit ausgedehnten Wäldern und Sümpfen beschreiben, seien reine topoi !

In Wirklichkeit, so wird uns Unwissenden offenbart, hätte es in Germanien nur „blühende Landschaften“ gegeben.

Damit ist Cassius Dio unglaubwürdig und Kalkriese als Ort der Varusschlacht gerettet. Hurra !

Achtung jetzt kommt´s:

Dieser Unsinn kann sogar noch einen Schritt weiter gehen (so geschehen in einem anderen Forum für Geschichte):

Da in Kalkriese eine außergewöhnlich große Zahl an römischen Münzen auftrat, fragten die Kritiker der Kalkriese-Varusschlacht-These, warum Varus soviel Geld in das Land gebracht haben sollte und wieder mitnahm.

Die Antwort der Kalkrieser kam prompt: Er hat das Geld nicht eingeführt. Das waren die Steuergelder, die Varus den Germanen abgenommen hatte und die er nun zum Rhein bringen wollte. Für die meisten Laien klingt das plausibel.

Es kann allerdings nicht zutreffen, denn die rechtsrheinischen Germanen der Zeit um Christi Geburt kannten noch keine Geldwirtschaft und konnten ihre Abgaben folglich nur durch Naturalien leisten.

Aber nein, werden wir dann belehrt. Denn irgendein Wirtschaftsprofessor hat allen Ernstes die verwegene These aufgestellt, dass die Geldwirtschaft rechts des Rheins genauso dicht und verbreitet war, wie auf dem römischen Reichsgebiet.
Schließlich habe man zwischen Rhein und Weser zahlreiche römische Münzen gefunden und der Hort von Kalkriese sei der endgültige Beweis (man könnte auch sagen, der endgültige Zirkelschluss).

Diese überflüssige und ermüdende Diskussion habe ich in besagtem Forum mit einem „Ritter von der traurigen Gestalt“, ich glaube er hieß „El Idiote“ oder so ähnlich, wochenlang geführt.
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Warum gelang den Römern die Eroberung Germaniens nicht? Empty Re: Warum gelang den Römern die Eroberung Germaniens nicht?

Beitrag von Ostfale So März 08, 2015 1:58 am

Hallo Agrippa,

da kann ich Dich verstehen, dort sind hartnäckige Diskutanten am Werk...
Aber kurz zurück zum landwirtschaftlichen Potential Germaniens rechts des Rheins.
Nehmen wir Caesar:
Bello Gallico (4,18)
(4) at Sugambri ex eo tempore quo pons institui coeptus est, fuga comparata hortantibus iis, quos ex Tenctheris atque Usipetibus apud se habebant, finibus suis excesserant suaque omnia exportaverant seque in solitudinem ac silvas abdiderant.
(4) Die Sugambrer hingegen hatten sich, sobald Cäsar den Bau der Brücke begann, zur Flucht angeschickt, auf Anraten der Tenkterer und Usipeten, die bei ihnen lebten, ihr Land mit Hab und Gut verlassen und sich in ihre Einöden und Wälder zurückgezogen.
Aha, die Sugambrer hatten also Land, welches keineswegs Einöde war! Ebenso verhielt es sich bei den Sueben, die sich bei Caesars Ankunft bis zum Bacenischen Wald an der Grenze ihres Gebietes zurückzogen. Offensichtlich gab es in ihrem Gebiet keinen Wald, der ähnlichen Schutz geboten hätte!

(4,19,1) Caesar paucos dies in eorum finibus moratus omnibus vicis aedificiisque incensis frumentisque succisis se in fines Ubiorum recepit atque his auxilium suum pollicitus, si ab Suebis premerentur,
19. Cäsar blieb wenige Tage in ihrem Gebiet, steckte alle Ortschaften und Gebäude in Brand, mähte die Feldfrucht ab und begab sich zu den Ubiern zurück, denen er für den Fall einer ferneren Anfeindung durch die Sueben seine Unterstützung zusagte.

Wir erfahren, dass es auch bei den Sueben Ortschaften gab und wohl auch reichlich Äcker. Sicher gab es auch hier ordentliche Wege, oder?

Caesar beim zweiten Rheinübergang:
Bello Gallico (6,10)
(2) his cognitis rebus rem frumentariam providet, castris idoneum locum deligit; Ubiis imperat, ut pecora deducant suaque omnia ex agris in oppida conferant,
(2) Auf diese Nachricht in sorgte Cäsar für Lebensmittel, wählte sich einen vorteilhaften Platz zum Lager und gebot den Ubiern ihre Herden in Sicherheit und all ihrer Habe vom Land zu den festen Plätzen zu bringen;


Wieder hatten sich die Sueben zurückgezogen und die Römer warteten. Caesar sorgte rechts des Rheins für Lebensmittel für etliche Legionen! Auch die Ubier hatten feste Plätze, also Ortschaften und Siedlungen.
Auch bemerkenswert, nicht ein Wort verliert er hier über angeblich undurchdringliche Wälder, Moore und ähnliche Hindernisse auf seinem Weg, im Gegenteil, offensichtlich war viel freie Landschaft vorhanden. Erstaunlich, nicht wahr?

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Beitrag von Judas Phatre So März 08, 2015 8:52 am

Ostfale schrieb:
Aha, die Sugambrer hatten also Land, welches keineswegs Einöde war! Ebenso verhielt es sich bei den Sueben, die sich bei Caesars Ankunft bis zum Bacenischen Wald an der Grenze ihres Gebietes zurückzogen. Offensichtlich gab es in ihrem Gebiet keinen Wald, der ähnlichen Schutz geboten hätte!

Wir erfahren, dass es auch bei den Sueben Ortschaften gab und wohl auch reichlich Äcker. Sicher gab es auch hier ordentliche Wege, oder?

Wieder hatten sich die Sueben zurückgezogen und die Römer warteten. Caesar sorgte rechts des Rheins für Lebensmittel für etliche Legionen! Auch die Ubier hatten feste Plätze, also Ortschaften und Siedlungen.
Auch bemerkenswert, nicht ein Wort verliert er hier über angeblich undurchdringliche Wälder, Moore und ähnliche Hindernisse auf seinem Weg, im Gegenteil, offensichtlich war viel freie Landschaft vorhanden. Erstaunlich, nicht wahr?
Wenn etwas einmal nicht erwähnt wird, heißt das nicht, dass es das nicht gab. Immerhin zogen sich Germanen in diese Wälder zurück. Niemand behauptet, dass die Germanen Jäger und Sammler waren. Sie hatten natürlich Dörfer, nutzten Ackerbau und Viehzucht, um sich zu ernähren. Das allein machte ein Land aber für Rom noch nicht attraktiv. Ein Land, wo kaum Weizen anzubauen war und das Unsummen für die Erschließung verschlungen hätte, brauchte andere Vorzüge, ein Alleinstellungsmerkmal.
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Beitrag von Agrippa So März 08, 2015 11:57 am

Ostfale schrieb:
Bello Gallico (4,18)
(4) Die Sugambrer hingegen hatten sich, sobald Cäsar den Bau der Brücke begann, zur Flucht angeschickt, auf Anraten der Tenkterer und Usipeten, die bei ihnen lebten, ihr Land mit Hab und Gut verlassen und sich in ihre Einöden und Wälder zurückgezogen.

Genau davon habe ich die ganze Zeit geschrieben. Bei Gefahr konnten die Germanen ihre Behausungen aufgeben, um sich in Refugien, also tiefe Wälder, zurück zu ziehen, ohne dass das sie ihrer Lebensgrundlage beraubt hätte.

Natürlich hatten sie auch Äcker, aber nur in geringem Umfang. Sie konnten auch ohne überleben.

Wenn es sich um eine bäuerliche Gesellschaft gehandelt hätte, die im Herbst die Ernte einfährt um über Vorräte für den Winter zu verfügen, dann wäre es für die Römer relativ einfach gewesen, die Germanen zu bezwingen. Durch die Verwüstung der Felder im Sommer hätte man den Germanen ihre Lebensgrundlage entziehen können. Die Folge wären Hungersnöte gewesen, die alsbald den Willen zum Widerstand gebrochen hätten.

Das Verwüsten der Felder und das Niederbrennen der kleinen Ortschaften war jedoch kein geeignetes Mittel, um die Germanen zur Kapitulation zu zwingen.

Wovon ernährten sich denn die Sugambrer, als sie vor Caesar in Wälder und Einöden geflohen waren?
Von dem, was sie an Vieh mitnehmen konnten und was der Wald hergab. Das war Schmalkost, aber die Germanen waren an ein entbehrungsreiches Leben gewöhnt.
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Beitrag von Judas Phatre So März 08, 2015 12:33 pm

Agrippa schrieb:
Das Verwüsten der Felder und das Niederbrennen der kleinen Ortschaften war jedoch kein geeignetes Mittel, um die Germanen zur Kapitulation zu zwingen.
Wovon ernährten sich denn die Sugambrer, als sie vor Caesar in Wälder und Einöden geflohen waren?
Von dem, was sie an Vieh mitnehmen konnten und was der Wald hergab. Das war Schmalkost, aber die Germanen waren an ein entbehrungsreiches Leben gewöhnt.  
Da muss ich ich aber wieder auf die ostfälische Seite stellen: Germanien war relativ dicht besiedelt, auch wenn wir keine verlässlichen Zahlen haben. Sonst hätte es die Grenzen Roms nicht immer wieder bedroht. Das geht aber nur, wenn intensiver Ackerbau betrieben wurde. Auch Germanen konnten sich nicht dauerhaft in der Wildnis ernähren. Die Wanderungen führten sie immer in fruchtbare Gebiete mit Ackerbau.
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Beitrag von Agrippa So März 08, 2015 5:17 pm

Judas Phatre schrieb:
Agrippa schrieb:
Das Verwüsten der Felder und das Niederbrennen der kleinen Ortschaften war jedoch kein geeignetes Mittel, um die Germanen zur Kapitulation zu zwingen.
Wovon ernährten sich denn die Sugambrer, als sie vor Caesar in Wälder und Einöden geflohen waren?
Von dem, was sie an Vieh mitnehmen konnten und was der Wald hergab. Das war Schmalkost, aber die Germanen waren an ein entbehrungsreiches Leben gewöhnt.  
Da muss ich ich aber wieder auf die ostfälische Seite stellen: Germanien war relativ dicht besiedelt, auch wenn wir keine verlässlichen Zahlen haben. Sonst hätte es die Grenzen Roms nicht immer wieder bedroht. Das geht aber nur, wenn intensiver Ackerbau betrieben wurde. Auch Germanen konnten sich nicht dauerhaft in der Wildnis ernähren. Die Wanderungen führten sie immer in fruchtbare Gebiete mit Ackerbau.

In Germanien gab es "Siedlungskammern", in denen die Dichte an Höfen und Weilern relativ groß war. Hier wurde in extensiver Weise Landwirtschaft betrieben, in erster Regel Viehwirtschaft. Der Viehbestand war bei den Germanen Zeichen des eigenen Status.
Die Besonderheit der germanischen Siedlungsweise war die Ortsungebundenheit, mit anderen Worten, die Germanen waren stets bereit, ihre einfachen Gehöfte aufzugeben, wenn es nötig war. Das würde ein Ackerbauer nur ungern tun, wenn sein noch nicht reifes Korn auf dem Felde steht.

Während der Feldzüge des Drusus, Tiberius und Germanicus mussten etliche Germanenstämme immer wieder vor den Römern ausweichen. Die Fähigkeit zur Mobilität war ihre Stärke.

Besonders während der Germanicusfeldzüge 14-16 n.Chr. waren die Zeiten für die Germanen schwierig. Die Brukterer wichen vor dem Angriff des Stertinius 15 n.Chr. aus, ebenso die Chatten. Die römischen Feldzüge fanden im Frühjahr bis Hochsommer statt, also zur Reifezeit des Korns. Die wenigen germanischen Getreidefelder hat es somit, nachdem die Römer wieder abzogen, nicht mehr gegeben. Wenn sie für die Germanen von existentieller Bedeutung gewesen wären, hätten sie den nächsten Winter nicht überlebt.

Die These von einer "Germanischen bäuerlichen Hochkultur" hatte übrigens in der NS-Zeit ihre Blüte. Die Vorfahren der Deutschen sollten jenen der Welschen in nichts nachstehen....
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Beitrag von Judas Phatre So März 08, 2015 6:10 pm

Agrippa schrieb:
Die These von einer "Germanischen bäuerlichen Hochkultur" hatte übrigens in der NS-Zeit ihre Blüte. Die Vorfahren der Deutschen sollten jenen der Welschen in nichts nachstehen....
"Bäuerliche Hochkultur" ist ja auch ein bisschen ein Widerspruch in sich. Jede bäuerliche Gesellschaft muss aber damit klarkommen, wenn eine Ernte vernichtet wird. Die Lücken werden mit Vorräten, Vieh und Sameln/Jagen gestopft. Ich meine, einmal gelesen zu haben, dass im ganzen Römischen Reich um die 50 Millionen Menschen lebten. Welche Zahlen werden denn für Germanien gehandelt?
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Beitrag von Agrippa So März 08, 2015 8:18 pm

Judas Phatre schrieb:
Agrippa schrieb:
Die These von einer "Germanischen bäuerlichen Hochkultur" hatte übrigens in der NS-Zeit ihre Blüte. Die Vorfahren der Deutschen sollten jenen der Welschen in nichts nachstehen....

"Bäuerliche Hochkultur" ist ja auch ein bisschen ein Widerspruch in sich. Jede bäuerliche Gesellschaft muss aber damit klarkommen, wenn eine Ernte vernichtet wird. Die Lücken werden mit Vorräten, Vieh und Sameln/Jagen gestopft. Ich meine, einmal gelesen zu haben, dass im ganzen Römischen Reich um die 50 Millionen Menschen lebten. Welche Zahlen werden denn für Germanien gehandelt?


Etwa 1 Million. Steht hier:

http://www.zeno.org/Geschichte/M/Delbrück,+Hans/Geschichte+der+Kriegskunst/2.+Teil.+Die+Germanen/1.+Buch.+Der+Kampf+der+Römer+und+Germanen/1.+Kapitel.+Der+urgermanische+Staat/Die+Bevölkerungsdichtigkeit+in+Germanien
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Beitrag von Judas Phatre So März 08, 2015 11:30 pm

Agrippa schrieb:
Etwa 1 Million. Steht hier:

http://www.zeno.org/Geschichte/M/Delbrück,+Hans/Geschichte+der+Kriegskunst/2.+Teil.+Die+Germanen/1.+Buch.+Der+Kampf+der+Römer+und+Germanen/1.+Kapitel.+Der+urgermanische+Staat/Die+Bevölkerungsdichtigkeit+in+Germanien
Danke schön!
Ich hätte gedacht, dass der Ackerbau die dominierende Wirtschaftsform war. Aber die Mobilität der Germanen spricht sicher für Deine Sicht.
Das alles klingt ziemlich plausibel und würde gerade reichen, um Rom dauerhaft Schwierigkeiten zu bereiten. Auf der anderen Seite machte das Germanien nicht gerade attraktiv.


Zuletzt von Judas Phatre am Di März 10, 2015 6:21 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag von Ostfale Di März 10, 2015 9:33 am

1 Million ist viel zu wenig. In den 100 Jahren seit Delbrück hat sich einiges an Forschungs- und Analysemethoden verbessert, z.B. die Pollenanalyse war damals noch nicht bekannt.
Da stimme ich doch eher dem guten Steuer zu, hatte ich eine Seite vorher auch eingestellt, was er zur Bevölkerungsdichte schreibt, womit er übrigens nicht allein steht.
Und natürlich war Germanien grundsätzlich für die Römer attraktiv! Dort gab es relativ leicht zu förderndes Metall, welches nicht extra von weit her angeliefert werden musste, dazu hervorragende Böden, die bei richtiger Fruchtwahl und besseren (römischen) Anbaumethoden überreichlichen Ertrag bringen konnten, ebenso eigneten sich die erstklssigen Weiden hervorragend zur Viehzucht! Auch grade wegen des fruchtbaren Landes - und der relativen Nähe zu Italien - war Germanien nahezu ideal zur Ansiedlung von Veteranen der Legionen. Dafür sehr vorteilhaft war, dass die äußeren Provinzen unter direkter kaiserlicher Verwaltung standen (und damit zuerst dort auch kaiserliche Domänen - Saltus - gegründet wurden).

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