Warum ging das römische Reich unter?
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Marek1964
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Warum ging das römische Reich unter?
Eine wohl ebenso beliebte wie komplexe Frage, die mich auch schon seit der Kindheit beschäftigt; dass die Römer degeneriert seien, durch Wasserleitungen aus Blei etwa. Durch den christlichen Glauben. Durch die Germanen, durch die Hunnen.
Vielleicht kann hier einer unserer Altertumsfreunde hier mal einen Überblick verschaffen? Das eine oder andere kenne ich schon, auch dass eigentlich ja Byzanz als Ostrom ein weiteres Jahrtausend bestand.
Es gibt ja auch den Spruch, Rom wurde nicht an einem Tag erbaut; so gesehen könnte man sagen: es ging auch nicht an einem Tag unter und nicht nur aus einem Anlass. Äussere, kampfbereite Feinde, Schwäche im Inneren.
Immerhin überstand das Reich ja mehr als Tausend Jahre, was eigentlich für ein Imperium dieser Grösse schon sehr viel ist. Und mit Byzanz kann man von zwei Jahrtausenden sprechen.
te
Mein Eindruck ist auch, dass man weniger von Untergang als von schrittweiser Auflösung sprechen muss. Generell wird ja das Jahr 475 als das Ende des weströmischen Reiches genannt. Aber zum Beispiel in Gallien regierte ein römischer Statthalter weiter, abgesehen von Byzanz. Unter Justinian wurde das römische Reich fast wieder hergestellt, für kurze Zeit.
Vielleicht kann hier einer unserer Altertumsfreunde hier mal einen Überblick verschaffen? Das eine oder andere kenne ich schon, auch dass eigentlich ja Byzanz als Ostrom ein weiteres Jahrtausend bestand.
Es gibt ja auch den Spruch, Rom wurde nicht an einem Tag erbaut; so gesehen könnte man sagen: es ging auch nicht an einem Tag unter und nicht nur aus einem Anlass. Äussere, kampfbereite Feinde, Schwäche im Inneren.
Immerhin überstand das Reich ja mehr als Tausend Jahre, was eigentlich für ein Imperium dieser Grösse schon sehr viel ist. Und mit Byzanz kann man von zwei Jahrtausenden sprechen.
te
Mein Eindruck ist auch, dass man weniger von Untergang als von schrittweiser Auflösung sprechen muss. Generell wird ja das Jahr 475 als das Ende des weströmischen Reiches genannt. Aber zum Beispiel in Gallien regierte ein römischer Statthalter weiter, abgesehen von Byzanz. Unter Justinian wurde das römische Reich fast wieder hergestellt, für kurze Zeit.
Marek1964- Admin
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Was Einzelheiten anbelangt, kann ich nur mit Meinungen aus dem ersten und zweiten Jahrhundert dienen. Damals herrschte die Überzeugung, dass es möglich wäre, eine bürgerliche Gemeinschaft zu gründen, in der alle am gemeinsamen Wohl teilhaben. Ich glaube, das war der Traum von der pax romana des Augustus bis zu Mark Aurel. Epiktet und ganz ähnlich Irenaeus von Lyon schreiben, dass das Reich ihnen ermöglicht überallhin zu reisen, ohne sich bedroht zu fühlen. Doch schon im dritten Jahrhundert war dieser Traum zuende. Natürlich gab es die Gründe, die Du genannt hast, und alle spielten eine Rolle, 'mal abgesehen von der Dekadenz, die ich für groben Unfug halte. Ökonomische Gründe mit der Ausbeutung der Landwirtschaft und der Zwangsbindung der Bauern an ihr Land halte ich für sehr wichtig. Das Wichtigste aber war der fehlende Zusammenhalt, der Verlust der gemeinsamen Idee. Rom hatte gegen Hannibal viel schlimmere Krisen durchzustehen gehabt und doch stand es immer wieder auf. Warum nicht im 5. Jahrhundert? Die Menschen hatten im Westen und im Osten eine gemeinsame Sprache, aber offensichtlicht kein tragfähiges Gemeinschaftsgefühl. Ich glaube, dass dieses Gemeinschaftsgefühl verloren gegangen ist. Die Menschen fühlten sich ausgebeutet vom Staat. Ich könnte mir vorstellen, dass der Verlust auch der letzten Reste einer Demokratie diese Gleichgültigkeit verstärkt hat. Diese Sicht würde gut dazu passen, dass Heere zum großen Teil aus Germanen bestanden, die dieses Gemeinschaftsgefühl ja noch besaßen. Das Christentum hat am Verlust des Gemeinsinns sicher einen Anteil gehabt. Christen fehlte jeder Sinn für eine nationale Idee. Sie waren nur untereinander solidarisch, da aber fast grenzenlos. Mark Aurel schreibt:Marek1964 schrieb:Eine wohl ebenso beliebte wie komple Frage, die mich auch schon seit der Kindheit beschäftigt; dass die Römer degeneriert seien, durch Wasserleitungen aus Blei etwa. Durch den christlichen Glauben. Durch die Germanen, durch die Hunnen.
"Oh, was für eine Seele ist das, die bereit ist, jeden Augenblick von dem Körper, wenn es so sein soll, sich loszulösen und entweder zu erlöschen oder zu zerstäuben oder mit ihm fortzudauern! Nur muß diese Bereitschaft von der eigenen Überzeugung herstammen, nicht aber, wie bei den Christianern, von bloßem Eigensinn;" (Selbstbetr. XI,3)
Der erbitterte Streit zwischen rechtgläubigen, gnostischen Christen und "Heiden" hat sicher zur Entfremdung der Bürger vom Staat beigetragen. Danach war Rom keine Idee mehr, sondern wurde von Geld, Macht und Soldaten zusammengehalten. Es ähnelte dem Osmanischen Reich in seiner Spätphase.
Noch ein wichtiger Aspekt: Wir sind dabei, so etwas wie das Römische Reich in Form der Europäischen Gemeinschaft aufzubauen. Die Gründe für das Ende des Römischen Reichs haben auch eine große Bedeutung für unser Staatensystem. Der Traum von Einheit in Vielfalt ähnelt sehr dem der ersten beiden Jahrhunderte in Rom.
Re: Warum ging das römische Reich unter?
Ja, den fehlenden Gemeinschaftssinn finde ich eine interessante Interpretation, ebenso Deine Beispiele der Krisen aus der Frühzeit des römischen Reiches, als man in der Tat grosse Gefahren meisterte.
Mir ist vor allem aus dem punischen Krieg die Bemerkung aus meinem Geschichtsbuch in Erinnerung, wonach reiche römische Bürger sich nach der ersten fehlgeschlagenen Seeangriff der Römer Teile ihres Vermögens opferten für den Aufbau einer neuen Flotte. Gleichzeitig hatten sich immer wieder die Bürgerlegionen den karthagischen Söldnerheeren als überlegen erwiesen.
Damit ist klar - ja der Gemeinschaftssinn ist immer wichtig, vor allem von den Eliten. Fehlt der, zocken gar die Eliten ab - das kommt Gefahr auf. Das ist übrigens mE auch eine Form der Degeneration. Aber ja, das ist nur so ein Stichwort.
Ob das jetzt mit dem Christentum wirklich zusammenhängt, weiss ich nicht, würde mich eigentlich wundern, weil das Christentum eigentlich Gemeinschaftssinn fördert. Aber das sollte der Kommunismus eigentlich auch.
Aber falsch interpretiert oder inkonsequent gehandhabt ist auch die beste Absicht der Welt vergebens, wenn nicht gar kontraproduktiv.
Mir ist vor allem aus dem punischen Krieg die Bemerkung aus meinem Geschichtsbuch in Erinnerung, wonach reiche römische Bürger sich nach der ersten fehlgeschlagenen Seeangriff der Römer Teile ihres Vermögens opferten für den Aufbau einer neuen Flotte. Gleichzeitig hatten sich immer wieder die Bürgerlegionen den karthagischen Söldnerheeren als überlegen erwiesen.
Damit ist klar - ja der Gemeinschaftssinn ist immer wichtig, vor allem von den Eliten. Fehlt der, zocken gar die Eliten ab - das kommt Gefahr auf. Das ist übrigens mE auch eine Form der Degeneration. Aber ja, das ist nur so ein Stichwort.
Ob das jetzt mit dem Christentum wirklich zusammenhängt, weiss ich nicht, würde mich eigentlich wundern, weil das Christentum eigentlich Gemeinschaftssinn fördert. Aber das sollte der Kommunismus eigentlich auch.
Aber falsch interpretiert oder inkonsequent gehandhabt ist auch die beste Absicht der Welt vergebens, wenn nicht gar kontraproduktiv.
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Marek1964- Admin
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Ich sehe auch den Gemeinschaftssinn der Römer als wichtigsten Punkt des Aufstiegs zur Weltmacht. Als er langsam schwand, war der Niedergang die Folge.
Das Christentum war mit Sicherheit nicht Schuld am Untergang des Römischen Reiches, denn sonst hätte das Ostreich, also Konstantinopel, nicht eine neue Blüte erfahren und noch weitere 1000 Jahre existiert.
Der Abstieg des Römischen Reiches begann mit den sog. Soldatenkaisern, also im 3. Jh., als noch eifrigst Christen verfolgt wurden. Es war eine Zeit, in der sich das Kaisertum hauptsächlich auf militärische Macht stützte. Der Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn ging verloren.
Die Germanen dagegen hatten einen großen Anteil am Niedergang des Römischen Reiches. Sie dienten ab dem 4. Jh. in großer Zahl als Söldner im römischen Heer, ohne sich mit der römischen Idee wirklich zu identifizieren. Später stellten sie sogar die Befehlshaber.
Außerdem waren die Konflikte mit den größten Feinden Roms, den Germanen und den Parthern, nie gelöst worden und belasteten die römische Staatskasse ab 270 in enormen Maße. Kaiser Aurelian gelangen zwar noch einige Erfolge, aber die Grenzen begannen zu bröckeln.
Das Christentum war mit Sicherheit nicht Schuld am Untergang des Römischen Reiches, denn sonst hätte das Ostreich, also Konstantinopel, nicht eine neue Blüte erfahren und noch weitere 1000 Jahre existiert.
Der Abstieg des Römischen Reiches begann mit den sog. Soldatenkaisern, also im 3. Jh., als noch eifrigst Christen verfolgt wurden. Es war eine Zeit, in der sich das Kaisertum hauptsächlich auf militärische Macht stützte. Der Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn ging verloren.
Die Germanen dagegen hatten einen großen Anteil am Niedergang des Römischen Reiches. Sie dienten ab dem 4. Jh. in großer Zahl als Söldner im römischen Heer, ohne sich mit der römischen Idee wirklich zu identifizieren. Später stellten sie sogar die Befehlshaber.
Außerdem waren die Konflikte mit den größten Feinden Roms, den Germanen und den Parthern, nie gelöst worden und belasteten die römische Staatskasse ab 270 in enormen Maße. Kaiser Aurelian gelangen zwar noch einige Erfolge, aber die Grenzen begannen zu bröckeln.
Agrippa- Gründungsmitglied
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Agrippa schrieb:
Die Germanen dagegen hatten einen großen Anteil am Niedergang des Römischen Reiches. Sie dienten ab dem 4. Jh. in großer Zahl als Söldner im römischen Heer, ohne sich mit der römischen Idee wirklich zu identifizieren. Später stellten sie sogar die Befehlshaber.
Servus Agrippa,
sind germ. Befehlshaber im röm. Heer bekannt, die in die "Geschichte eingegangen" sind?
Waldi- Anzahl der Beiträge : 431
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Waldi schrieb:Agrippa schrieb:
Die Germanen dagegen hatten einen großen Anteil am Niedergang des Römischen Reiches. Sie dienten ab dem 4. Jh. in großer Zahl als Söldner im römischen Heer, ohne sich mit der römischen Idee wirklich zu identifizieren. Später stellten sie sogar die Befehlshaber.
Servus Agrippa,
sind germ. Befehlshaber im röm. Heer bekannt, die in die "Geschichte eingegangen" sind?
Ja, ich dachte vor allem an Stilicho, der vandalischer Abstammung war.
Agrippa- Gründungsmitglied
- Anzahl der Beiträge : 70
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Moin Agrippa,
danke für die Info.
Mache mich da einmal schlau.
Grüße
Waldi
danke für die Info.
Mache mich da einmal schlau.
Grüße
Waldi
Waldi- Anzahl der Beiträge : 431
Anmeldedatum : 23.01.15
Re: Warum ging das römische Reich unter?
Das heutige Imperium Romanum sind die USA -
die Parallelen drängen sich auf : Der übergrosse Einfluss von Kapital und Militär,
die hohe Staatsverschuldung, die Massenzuwanderung aus der dritten Welt,
der Verlust eines Gemeinschaftsgefühls als Amerikaner ( siehe die jeweiligen Debatten
um den Haushalt, aus parteipolitischem Kalkül wird das Gemeinwohl geschädigt ),
der Lobbyismus, der sehr dreist finanzielle Eigeninteressen auf Kosten der Gemeinschaft
durchsetzt ( Stichwort Krankenversicherung - das teuerste Gesundheitssystem der Welt mit
eher mittelmäßigen Leistungen für Durchschnittsbürger und dem Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen,
damit die Gesundheitsindustrie verdienen kann ).
Die Streitkräfte der USA bestehen zwar nicht aus angeworbenen Söldnern, aber aus den Deklassierten
der US-Gesellschaft - staatstragend sind sie also bestimmt nicht.
Die USA werden untergehen wie Rom und wie alle Imperien - der Grund ist immer der gleiche, nämlich der
überbordende Egoismus der herrschenden Klassen, die das Privatwohl vor das Gemeinwohl stellen
und zwar ohne Rücksicht auf Verluste.
die Parallelen drängen sich auf : Der übergrosse Einfluss von Kapital und Militär,
die hohe Staatsverschuldung, die Massenzuwanderung aus der dritten Welt,
der Verlust eines Gemeinschaftsgefühls als Amerikaner ( siehe die jeweiligen Debatten
um den Haushalt, aus parteipolitischem Kalkül wird das Gemeinwohl geschädigt ),
der Lobbyismus, der sehr dreist finanzielle Eigeninteressen auf Kosten der Gemeinschaft
durchsetzt ( Stichwort Krankenversicherung - das teuerste Gesundheitssystem der Welt mit
eher mittelmäßigen Leistungen für Durchschnittsbürger und dem Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen,
damit die Gesundheitsindustrie verdienen kann ).
Die Streitkräfte der USA bestehen zwar nicht aus angeworbenen Söldnern, aber aus den Deklassierten
der US-Gesellschaft - staatstragend sind sie also bestimmt nicht.
Die USA werden untergehen wie Rom und wie alle Imperien - der Grund ist immer der gleiche, nämlich der
überbordende Egoismus der herrschenden Klassen, die das Privatwohl vor das Gemeinwohl stellen
und zwar ohne Rücksicht auf Verluste.
SarahF- Anzahl der Beiträge : 207
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Erstarken der germanischen Stammesverbände
An der Wende des 3. zum 4. Jahrhunderts werden in mehreren Gebieten östlich des Rheins Anzeichen ökonomischen Aufschwungs erkennbar:
--In der Landwirtschaft kam es zu einer begrenzten Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Es gab – Ausgrabungen zufolge – unterschiedlich große Stallanlagen und Höfe. Feldwirtschaft war bereits in primitiver Fruchtfolge organisiert. Eisenbeschlagene Pflüge, Pflugscharen, Sech, Kurzsense. und Vorschneidemesser wurden von germanischen Bauern übernommen.
-- Dadurch konnten viele Siedlung der Germanenstämme bereits über mehrere Generationen bestehen
--Voraussetzung für die Herstellung eiserner Gerätschaften war eine gesteigerte Eisengewinnung. Das Raseneisenerz wurde ergänzt mit bergmännischer Gewinnung und gewerbsmäßiger Eisenschmelze.
--Unter römischen Einfluss entstanden Töpferwerkstätten in Böhmen, Mähren, Thüringen und Lausitz bis in heute polnische Gebiete hinein.
--Andere Werkstätten, wie Kammmacher, Beinschneider und eine Art Goldschmiede kamen dazu. Auf Hofwirtschaften gab es auch noch verarbeitende Gewerbe wie Brauer und Winzer. Die Wohnhäuser „waren sorgfältig nach römischer Weise gebaut“, die Gehöfte reich an Früchten und Vieh“ (Ammian)
--Schließlich entwickelte sich der Schiffbau an den Küsten und Ufern.
Die Aufzählung ist längst noch nicht vollzählig, soll aber andeuten, dass die Gentilordnung immer mehr neue Kräfte freisetzte, die zum Kampf gegen die Römer zur Verfügung standen, während bei den Römern immer mehr Kräfte durch Aufstände und Überfälle gebunden und vernichtet wurden.
So begann sich die Waage etwa ab um 375 langsam zu Gunsten der Germanen zu neigen.
--In der Landwirtschaft kam es zu einer begrenzten Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Es gab – Ausgrabungen zufolge – unterschiedlich große Stallanlagen und Höfe. Feldwirtschaft war bereits in primitiver Fruchtfolge organisiert. Eisenbeschlagene Pflüge, Pflugscharen, Sech, Kurzsense. und Vorschneidemesser wurden von germanischen Bauern übernommen.
-- Dadurch konnten viele Siedlung der Germanenstämme bereits über mehrere Generationen bestehen
--Voraussetzung für die Herstellung eiserner Gerätschaften war eine gesteigerte Eisengewinnung. Das Raseneisenerz wurde ergänzt mit bergmännischer Gewinnung und gewerbsmäßiger Eisenschmelze.
--Unter römischen Einfluss entstanden Töpferwerkstätten in Böhmen, Mähren, Thüringen und Lausitz bis in heute polnische Gebiete hinein.
--Andere Werkstätten, wie Kammmacher, Beinschneider und eine Art Goldschmiede kamen dazu. Auf Hofwirtschaften gab es auch noch verarbeitende Gewerbe wie Brauer und Winzer. Die Wohnhäuser „waren sorgfältig nach römischer Weise gebaut“, die Gehöfte reich an Früchten und Vieh“ (Ammian)
--Schließlich entwickelte sich der Schiffbau an den Küsten und Ufern.
Die Aufzählung ist längst noch nicht vollzählig, soll aber andeuten, dass die Gentilordnung immer mehr neue Kräfte freisetzte, die zum Kampf gegen die Römer zur Verfügung standen, während bei den Römern immer mehr Kräfte durch Aufstände und Überfälle gebunden und vernichtet wurden.
So begann sich die Waage etwa ab um 375 langsam zu Gunsten der Germanen zu neigen.
Exmitglied-1- Anzahl der Beiträge : 266
Anmeldedatum : 29.01.15
Re: Warum ging das römische Reich unter?
Sicher nicht. Die USA verfügen immer noch über einen ausgeprägten Nationalismus. Es gibt kaum "zentrifugale" Kräfte. Es gibt zwar eine große Masse Unterprivilegierter, aber bisher keine gemeinsame Organisation. Europa ist das heutige Rom. Wir teilen viel mehr Eigenschaften mit unserem Vorbild. Das mach diese Diskussion auch so spannend!SarahF schrieb:Das heutige Imperium Romanum sind die USA
Und da stimme ich zu. Das ist im Grunde mein Argument der gemeinsamen Sache. Die Menschen fühlen sich so lang als Mitglieder einer Familie, einer Stadt, eines Landes oder einer Religion, wie sie sich darin wohl fühlen. Wenn das nicht mehr so ist, suchen sie sich neue Orientierungen. Das ist der Grundstein von Revolutionen. Ich würde Amerika eine gönnen, wenigstens ein bisschen. Russland und China auch. Aber auch unser Wirtschaftssystem geht in dieselbe Richtung. Die Verarmung von arbeitenden Menschen muss unbedingt verhindert werden.SarahF schrieb:
Die USA werden untergehen wie Rom und wie alle Imperien - der Grund ist immer der gleiche, nämlich der
überbordende Egoismus der herrschenden Klassen, die das Privatwohl vor das Gemeinwohl stellen
und zwar ohne Rücksicht auf Verluste.
Re: Warum ging das römische Reich unter?
Das ist sicher ein wichtiger Punkt. Germanien ist durch das benachbarte Römische Reich völlig verändert worden. Die Völker wurden total neu geordnet, von den alten Stämmen ist nicht viel geblieben. Schon die neuen Namen sprechen Bände: Die "Freien", "die mit dem Kurzschwert", die "Alle Männer" (wenn's stimmt). Das muss eine Reaktion auf die militärische und wirtschaftliche Bedrohung gewesen sein. Das Ergebnis waren Völker, die dieser Bedrohung Paroli bieten konnte.segula schrieb:An der Wende des 3. zum 4. Jahrhunderts werden in mehreren Gebieten östlich des Rheins Anzeichen ökonomischen Aufschwungs erkennbar:...
Die Aufzählung ist längst noch nicht vollzählig, soll aber andeuten, dass die Gentilordnung immer mehr neue Kräfte freisetzte, die zum Kampf gegen die Römer zur Verfügung standen, während bei den Römern immer mehr Kräfte durch Aufstände und Überfälle gebunden und vernichtet wurden.
So begann sich die Waage etwa ab um 375 langsam zu Gunsten der Germanen zu neigen.
Re: Warum ging das römische Reich unter?
Heutzutage fällt das Christentum zusammen mit der Dekadenz als Ursache in eine Schublade. Das ist sicher falsch.Agrippa schrieb:
Das Christentum war mit Sicherheit nicht Schuld am Untergang des Römischen Reiches, denn sonst hätte das Ostreich, also Konstantinopel, nicht eine neue Blüte erfahren und noch weitere 1000 Jahre existiert.
Der Abstieg des Römischen Reiches begann mit den sog. Soldatenkaisern, also im 3. Jh., als noch eifrigst Christen verfolgt wurden. Es war eine Zeit, in der sich das Kaisertum hauptsächlich auf militärische Macht stützte. Der Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn ging verloren.
Das Christentum war nicht verantwortlich für den Untergang Roms in den letzten 150 Jahren. Warum nicht? Weil es ein ganz anderes Christentum war als in den ersten 250 Jahren. Das Christentum als Staatsreligion ist seine eigene Karikatur. Ich meine damit nicht das Dogma, das hat sich kaum geändert. Das Dogma hatte meiner Meinung nach aber auch keinen großen Anteil an seiner enormen Ausbreitung. Mit der Lehre wäre das religiös tolerante Rom klar gekommen. Eine Bedrohung für den Staat war
1. die soziale Komponente: Bei Minucius Felix und schon bei Plinius Secundus heißt es, dass sich das Christentum aus den armen Schichten rekrutierte. Rom war eine Ausbeutergesellschaft. Als die Sklaverei zurückging, verstärkte sich die Proletarisierung. Erst mit Justin dem Mätyrer begann die Intelligenz in dieser Religion Fuß zu fassen. Die Christen propagierten nicht nur eine Art Sozialismus/Anarchie, sondern praktizierten sie auch. Das zeigen nicht nur ihre eigenen Dokumente, sondern viel beweiskräftiger ihre Gegner: Lukian von Samosata beschreibt das im "Tod des Peregrinus" in exakt derselben Weise. Zwar erklären ihre Anführer, dass sie staatstreu wären, sagen aber auch, dass sie weder an gemeinsamen Festen, noch an der Staatsverwaltung noch am Militädienst teilhaben.
2. Die Abgrenzung: Die rechtgläubigen Christen waren genauso intolerant anderen Ideologien und Religionen gegenüber wie die Juden. Sie versuchten zwar massiv über ihre Misssion Menschen auf ihre Seite zu ziehen, grenzten sich aber gegen Unwillige ab. Anderdenkende wurden ausgestoßen. Das ist gut an den vielen Schriften gegen Juden, Philosophen, "Heiden" und "Häretiker" zu erkennen und natürlich am Verhalten, nachdem das Christentum an der Macht war (Bücherverbrennungen, Todesstrafe für religiöse Abweichler).
Wir stehen dem Phänomen der Christenverfolgung mit einigem Unverständnis gegenüber. Schließlich waren sie ja völlig gewaltfreie Menschen von äußerst sittsamem Lebenswandel. Man stelle sich aber vor, der fundamentale Islam würde sich in Europa auf diese Weise ausbreiten. Selbst der harmlose Auftritt weniger Spinner treibt ja schon zigtausende auf die Straße.
Das Christentum war eine Bedrohung des Staates, viel mehr noch des Gemeinschaftssinns und zwar dadurch, dass es eine neue konkurrierende Gemeinschaft bot, die den Staat ablehnte. Damit hat m.E. das Christentum den Hauptanteil am Zerfall dieses Gemeinschaftsgefühls im 2. und 3. Jahrhundert. Im 4. und 5. Jahrhundert spielte es dann keine Rolle mehr. Byzanz ist nur noch sehr mittelbar am Christentum gescheitert, im Grunde aber genau wie Westrom und alle Riesenreiche an der fehlenden Solidarität.
Re: Warum ging das römische Reich unter?
Die christlichen Gemeinden waren im 1. Jh. etwas völlig Neues:
Alle Unterschiede zwischen Mann und Frau, Arm und Reich, Grieche und Barbar spielten plötzlich keine Rolle mehr.
Entscheidend ist allerdings, dass sich diese Gemeinden zunächst keinen Platz in dieser Welt suchen, sondern sich auf die kommende Welt, das Gottesreich, vorbereiten wollen.
Zum ersten Mal in der Geschichte bekommen die Menschen eine Religion, bei der jeder Gläubige sich persönlich als von Gott geliebt empfinden kann.
Das Besondere ist, dass das christliche Gottesbild verkündet, dass Gott nicht einfach nur ein Volk oder eine bestimmte Gemeinschaft liebt, sondern den EINZELNEN Menschen, wir haben sozusagen die Geburt der Individualität in diesen Gemeinden. Der Mensch trat vor Gott aus der Anonymität der Masse.
Anfangs sind es eher die kleinen Leute, dann zunehmend auch Wohlhabende, vor allem in den Städten des Römischen Reiches. Das Reich bietet mit seinem hervorragenden Verkehrssystem ideale Bedingungen für die Mission.
Für die Christen tauchen bald ganz alltägliche Probleme auf: Wie soll man es mit dem Reichtum halten? Für die Gläubigen keine Frage: Im Jacobus-Brief vom Ende des 1. Jhs. heißt es: „Und nun zu Euch Ihr Reichen. Heult und wehklagt über die Nöte, die Euch bevorstehen. Euer Reichtum ist faul geworden. Euer Gold und Silber verrostet, und dieser Rost wird zum Zeugnis gegen Euch dienen und Euer Fleisch aufzehren wie Feuer.“
Zur selben Zeit kursiert der erste Timotheus-Brief. Sein Verfasser sieht die Sache ganz anders.
Er sieht im Reichtum eine Aufgabe für die Reichen: „Gutes tun sollen sie, reich an guten Taten sollen sie werden, gern abgeben und sich dadurch ein kostbares Guthaben ansammeln, einen guten Grundstock für die Zukunft, um das wahre Leben zu gewinnen."
Unterm Strich unterscheidet sich das Wirtschaftsleben in den Gemeinden kaum vom Großteil der Gesellschaft.
Zwar gibt es verpönte Berufe, z.B. Prostituierte, Magiere oder aktive Soldaten. Aber die Gemeindeleiter müssen sogar die eigenen "braven Schäfchen" immer wieder vom Zinswucher abhalten.
Weshalb schließen sich aber immer mehr Menschen dem Christentum an?
Ein wichtiger Grund ist schlichtweg der Zusammenhalt in den Gemeinden.
In den christlichen Gemeinden haben sich die Menschen umeinander gekümmert.
Das ist etwas, was den Nichtchristen im 2. Jh. ganz besonders aufgefallen ist.
Zum Beispiel spotten griechische Philosophen über die Christen, weil sie so dumm sind, ihnen völlig fremde Menschen im Krankenlager oder Gefängnis zu besuchen, um sie zu unterstützen.
Das heißt, die Unterstützung von Bedürftigen, das Eintreten für andere, auch wenn sie keine Verwandten oder Freunde waren, das war etwas völlig Neues. Auch das ist ein Grund, warum das Christentum immer stärker wurde.
Viele Christen sind durch immer wieder aufflammende Verfolgungswellen im Reich umgekommen.
Warum eigentlich?
Sie waren keine Gegner der weltlichen Macht, schon Paulus hatte an die Römer geschrieben, es gäbe keine politische Gewalt, die nicht von Gott ihre Vollmacht hat.
Über hundert Jahre später schreibt Theophilos, 6. Bischof von Antiochien:
„Also will ich lieber dem Kaiser Ehre erweisen, nicht dadurch, dass ich ihn anbete, sondern dadurch, dass ich FÜR ihn bete.“
Christen, die das Opfer und damit die Anbetung des Kaisers verweigerten, waren des Todes.
Die Christenverfolgungen, seit 64 unter Nero, wurden von der übrigen Bevölkerung akzeptiert, weil man diese Gruppe argwöhnisch betrachtete und nicht einschätzen konnte.
Die letzten Jahrzehnte des 3. Jhs. hatten viele Opfer unter den Christen gefordert. Natürlich sind auch viele Gläubige schwach geworden, sie haben dem Kaiser geopfert um nicht sterben zu müssen.
Danach wollen viele von ihnen wieder zu ihren Gemeinden zurück.
Lange wird heftig gestritten, wie man mit diesen Gefallenen umgehen soll.
Am Ende heißt es: Die Gemeinde muss auch für die Schwachen offen sein.
311 gesteht Kaiser Galerius ein, dass die Christenverfolgungen gescheitert sind, er lässt sie offiziell einstellen.
Kurz darauf kommt es zur Konstantinischen Wende, das Christentum wird offiziell toleriert und sogar unterstützt.
Alle Unterschiede zwischen Mann und Frau, Arm und Reich, Grieche und Barbar spielten plötzlich keine Rolle mehr.
Entscheidend ist allerdings, dass sich diese Gemeinden zunächst keinen Platz in dieser Welt suchen, sondern sich auf die kommende Welt, das Gottesreich, vorbereiten wollen.
Zum ersten Mal in der Geschichte bekommen die Menschen eine Religion, bei der jeder Gläubige sich persönlich als von Gott geliebt empfinden kann.
Das Besondere ist, dass das christliche Gottesbild verkündet, dass Gott nicht einfach nur ein Volk oder eine bestimmte Gemeinschaft liebt, sondern den EINZELNEN Menschen, wir haben sozusagen die Geburt der Individualität in diesen Gemeinden. Der Mensch trat vor Gott aus der Anonymität der Masse.
Anfangs sind es eher die kleinen Leute, dann zunehmend auch Wohlhabende, vor allem in den Städten des Römischen Reiches. Das Reich bietet mit seinem hervorragenden Verkehrssystem ideale Bedingungen für die Mission.
Für die Christen tauchen bald ganz alltägliche Probleme auf: Wie soll man es mit dem Reichtum halten? Für die Gläubigen keine Frage: Im Jacobus-Brief vom Ende des 1. Jhs. heißt es: „Und nun zu Euch Ihr Reichen. Heult und wehklagt über die Nöte, die Euch bevorstehen. Euer Reichtum ist faul geworden. Euer Gold und Silber verrostet, und dieser Rost wird zum Zeugnis gegen Euch dienen und Euer Fleisch aufzehren wie Feuer.“
Zur selben Zeit kursiert der erste Timotheus-Brief. Sein Verfasser sieht die Sache ganz anders.
Er sieht im Reichtum eine Aufgabe für die Reichen: „Gutes tun sollen sie, reich an guten Taten sollen sie werden, gern abgeben und sich dadurch ein kostbares Guthaben ansammeln, einen guten Grundstock für die Zukunft, um das wahre Leben zu gewinnen."
Unterm Strich unterscheidet sich das Wirtschaftsleben in den Gemeinden kaum vom Großteil der Gesellschaft.
Zwar gibt es verpönte Berufe, z.B. Prostituierte, Magiere oder aktive Soldaten. Aber die Gemeindeleiter müssen sogar die eigenen "braven Schäfchen" immer wieder vom Zinswucher abhalten.
Weshalb schließen sich aber immer mehr Menschen dem Christentum an?
Ein wichtiger Grund ist schlichtweg der Zusammenhalt in den Gemeinden.
In den christlichen Gemeinden haben sich die Menschen umeinander gekümmert.
Das ist etwas, was den Nichtchristen im 2. Jh. ganz besonders aufgefallen ist.
Zum Beispiel spotten griechische Philosophen über die Christen, weil sie so dumm sind, ihnen völlig fremde Menschen im Krankenlager oder Gefängnis zu besuchen, um sie zu unterstützen.
Das heißt, die Unterstützung von Bedürftigen, das Eintreten für andere, auch wenn sie keine Verwandten oder Freunde waren, das war etwas völlig Neues. Auch das ist ein Grund, warum das Christentum immer stärker wurde.
Viele Christen sind durch immer wieder aufflammende Verfolgungswellen im Reich umgekommen.
Warum eigentlich?
Sie waren keine Gegner der weltlichen Macht, schon Paulus hatte an die Römer geschrieben, es gäbe keine politische Gewalt, die nicht von Gott ihre Vollmacht hat.
Über hundert Jahre später schreibt Theophilos, 6. Bischof von Antiochien:
„Also will ich lieber dem Kaiser Ehre erweisen, nicht dadurch, dass ich ihn anbete, sondern dadurch, dass ich FÜR ihn bete.“
Christen, die das Opfer und damit die Anbetung des Kaisers verweigerten, waren des Todes.
Die Christenverfolgungen, seit 64 unter Nero, wurden von der übrigen Bevölkerung akzeptiert, weil man diese Gruppe argwöhnisch betrachtete und nicht einschätzen konnte.
Die letzten Jahrzehnte des 3. Jhs. hatten viele Opfer unter den Christen gefordert. Natürlich sind auch viele Gläubige schwach geworden, sie haben dem Kaiser geopfert um nicht sterben zu müssen.
Danach wollen viele von ihnen wieder zu ihren Gemeinden zurück.
Lange wird heftig gestritten, wie man mit diesen Gefallenen umgehen soll.
Am Ende heißt es: Die Gemeinde muss auch für die Schwachen offen sein.
311 gesteht Kaiser Galerius ein, dass die Christenverfolgungen gescheitert sind, er lässt sie offiziell einstellen.
Kurz darauf kommt es zur Konstantinischen Wende, das Christentum wird offiziell toleriert und sogar unterstützt.
Agrippa- Gründungsmitglied
- Anzahl der Beiträge : 70
Anmeldedatum : 27.01.15
Re: Warum ging das römische Reich unter?
Ja, Agrippa,
das ist die Geschichte des Christentums. Doch versteht man sie? Ich sehe überall Brüche und Widersprüche. Mir scheint, wir könnten uns mit Gewinn ein bisschen über meine neue Theorie unterhalten. Ich werde ein neues Thema aufmachen...
das ist die Geschichte des Christentums. Doch versteht man sie? Ich sehe überall Brüche und Widersprüche. Mir scheint, wir könnten uns mit Gewinn ein bisschen über meine neue Theorie unterhalten. Ich werde ein neues Thema aufmachen...
Meine Analyse zum Untergang Westroms:
Ich halte von der Theorie (die man manchmal liest) das die Verweichlichung der Römer schuld am Niedergang des Römischen Reichs nicht wirklich viel. Denke es lag an mehreren Faktoren. Ein ganz wesentlicher Faktor war das die Grenzen des Römischen Reichs sehr lange und schwer zu verteidigen waren. Langfristig gesehen dann doch zu schwierig.
Ab Hadrian dehnte sich das Römische Reich nicht weiter aus, der Schwerpunkt lag auf der Grenzverteidigung. Schon bei Mark Aurel zeigte sich das es gar nicht so einfach war sich gegen einfallende Germanen zu verteidigen. Nach ihm endete die Blütezeit Roms.
Philipp Arabs verringerte die Zahlungen an Verbündete Germanische Fürsten, was diese noch stärker zu Angriffen bewegte. Das selbst spielte langfristig wenig Rolle, aber es zeigt das man schon vorher (ich vermute ab Mark Aurel, wenn nicht sogar länger) germanische Fürsten dazu verwendete die Grenze zu sichern. Phillip Arabs war einer jener Kurzzeitkaiser die in der Reichskrise des 3. Jahrhunderts herrschten. Einer Zeit in der nicht nur die Germanen und innere Probleme dem Reich zu schaffen machten, sondern auch die Sassaniden in Persien ihren Aufstieg erlebten.
Die Sassaniden agierten aggressiver als ihre Vorgänger die Parther. Alles gemeinsam brachten Rom schon einmal in eine große Krise. Diese konnten fähige Leute wie Diokletian und Konstantin noch einmal abwenden.
Die Hunnen und wohl noch andere Faktoren wie Klimaveränderungen wirbelten die Völkerlandschaft Europas gewaltig durcheinander. Nachdem die Hunnen die Alanen und danach die Ostgoten besiegt haben, flüchteten die Westgoten auf dem Balkan, in den Ostteil des Römischen Reichs. Nachdem man sie dort aufgenommen hatte, kam es schnell zu Konflikten. Diese führten schließlich zur Schlacht von Adrianopel, in der das Römische Heer geschlagen wurde.
Das hatte mehrere Effekte: Erstens: Es zeigte sich auch bei anderen Völkern das Rom sehr wohl besiegbar war, zweitens es tat sich hiermit eine neue Front auf, die man zu verteidigen hatte. Auch das manche innere Kämpfe hohe Verluste an Soldaten mit sich brachten erschwerte die Lage im Reich weiter. Immer stärker bestand die Römische Armee mittlerweile aus Söldnern, die man bei den Germanen angeworben hatte. Diese Söldnerarmee zu finanzieren erwies sich als schwieriges Unterfangen.
Nach der endgültigen Reichsteilung 395 zeigte sich immer mehr das es schwer war die zustäzliche Front auch noch zu verteidigen. Um Italien zu schützen musste der Westen Heere von den Rändern des Reichs abziehen und sich vollkommen auf verbündete Germanen verlassen – es kam zur Rheinüberquerung von zahlreichen Völkern. Heermeister Stilicho hat es noch geschafft wenigstens das Zentrum Roms mit dieser Taktik zu schützen, doch nachdem Kaiser Honorius ihn abgesetzt hatte gelang auch das nicht mehr. Im Jahr 410 eroberten die Westgoten Rom.
Die Persönlichkeiten die ab diesen Zeitpunkt Erfolge erzielten konnten vor allem eines gut: Egal ob Constantius III oder Aethius, sie beherrschten es ihre Gegner gegeneinander auszuspielen. Noch dramatischer wurde die Lage ab 455. Aethius wurde von Kaiser Valentinian III ermordet, was dann wiederum zu dessen Ermordung führte. Im gleichen Jahr wirkte sich noch ein weiteres dramatisches Ereignis aus. Den Wandalen war es gelungen Nordafrika und damit die wertvollsten Korn- und Steuerprovinzen des Reichs zu erobern. Im angesprochenen Jahr 455 plünderten sie nun auch noch Rom. Später versuchten Kaiser wie Majorian und Anthemius den Untergang nochmals abzuwenden.
Doch die Lage war dramatisch. Die meisten Provinzen Roms waren bereits an die einströmenden Germanen gefallen. Die Grenzverteidigung wie auch der Handel waren zusammengebrochen und auch im Zentrum Roms (hauptsächlich Italien) war die Lage alles andere als gut. Heermeister Ricimer hatte seine Kaiser fest unter Kontrolle. Diejenigen die versuchten mehr als nur seine Marionette zu sein, wie eben Majorian und Anthemius wurden bereits nach der ersten Niederlage wieder abgesetzt.
Die besagte Niederlage kam bei beiden zustande als sie versuchten Nordafrika doch noch zurückzuerobern. Das hätte dazu geführt dass man die Steuereinnahmen von dort wider bekommen hätte, hätte vielleicht das niedergehende Westrom zumindest etwas gestärkt.
Doch diese letzten Versuche scheiterten schließlich. Viele der Germanenfürsten erkannten den Kaiser als theoretischen Oberherren an, kein Wunder waren doch viele ihrer Untertanen Römer. In Wahrheit verfügte der Kaiser nun kaum noch über eigene Truppen. Die letzten Kaiser, die meist sowieso nur sehr kurz auf ihrem Thron saßen waren stark abhängig von ihrem (oft germanischen) Heermeistern. Der Osten Roms mischte in ihrer Innenpolitik ebenso mit wie die Machthaber der Germanen.
Der letzte Kaiser des Westens Romulus Augustulus war noch ein Kind, die wahre Macht lag bei seinem Vater Orestes. Dieser scheiterte beim Versuch den germanen Odowakar an der Herrschaftsübernahme zu hindern. Odowakar setzte Romulus Augustulus ab.
Er hätte sich als ein weiterer Heermeister sehen können und einen Marionettenkaiser bestimmen können, doch er sah davon ab. Das Kaisertum existierte in den Köpfen der Leute und auch des Machthabers weiter, nur war der ohnehin nur noch theoretische Oberherr nun der Kaiser in Konstantinopel.
So das ist nun meine, zugegeben etwas vereinfachte Darstellung des Nieder- und Untergangs von Rom im Westen. Denke vor allem das es sehr schwer war die Grenzen überhaupt zu halten und als dann eine weitere Front zu verteidigen war, außerdem die Bedingungen schwieriger wurden, führte das zum endgültigen Niedergang Roms.
Ab Hadrian dehnte sich das Römische Reich nicht weiter aus, der Schwerpunkt lag auf der Grenzverteidigung. Schon bei Mark Aurel zeigte sich das es gar nicht so einfach war sich gegen einfallende Germanen zu verteidigen. Nach ihm endete die Blütezeit Roms.
Philipp Arabs verringerte die Zahlungen an Verbündete Germanische Fürsten, was diese noch stärker zu Angriffen bewegte. Das selbst spielte langfristig wenig Rolle, aber es zeigt das man schon vorher (ich vermute ab Mark Aurel, wenn nicht sogar länger) germanische Fürsten dazu verwendete die Grenze zu sichern. Phillip Arabs war einer jener Kurzzeitkaiser die in der Reichskrise des 3. Jahrhunderts herrschten. Einer Zeit in der nicht nur die Germanen und innere Probleme dem Reich zu schaffen machten, sondern auch die Sassaniden in Persien ihren Aufstieg erlebten.
Die Sassaniden agierten aggressiver als ihre Vorgänger die Parther. Alles gemeinsam brachten Rom schon einmal in eine große Krise. Diese konnten fähige Leute wie Diokletian und Konstantin noch einmal abwenden.
Die Hunnen und wohl noch andere Faktoren wie Klimaveränderungen wirbelten die Völkerlandschaft Europas gewaltig durcheinander. Nachdem die Hunnen die Alanen und danach die Ostgoten besiegt haben, flüchteten die Westgoten auf dem Balkan, in den Ostteil des Römischen Reichs. Nachdem man sie dort aufgenommen hatte, kam es schnell zu Konflikten. Diese führten schließlich zur Schlacht von Adrianopel, in der das Römische Heer geschlagen wurde.
Das hatte mehrere Effekte: Erstens: Es zeigte sich auch bei anderen Völkern das Rom sehr wohl besiegbar war, zweitens es tat sich hiermit eine neue Front auf, die man zu verteidigen hatte. Auch das manche innere Kämpfe hohe Verluste an Soldaten mit sich brachten erschwerte die Lage im Reich weiter. Immer stärker bestand die Römische Armee mittlerweile aus Söldnern, die man bei den Germanen angeworben hatte. Diese Söldnerarmee zu finanzieren erwies sich als schwieriges Unterfangen.
Nach der endgültigen Reichsteilung 395 zeigte sich immer mehr das es schwer war die zustäzliche Front auch noch zu verteidigen. Um Italien zu schützen musste der Westen Heere von den Rändern des Reichs abziehen und sich vollkommen auf verbündete Germanen verlassen – es kam zur Rheinüberquerung von zahlreichen Völkern. Heermeister Stilicho hat es noch geschafft wenigstens das Zentrum Roms mit dieser Taktik zu schützen, doch nachdem Kaiser Honorius ihn abgesetzt hatte gelang auch das nicht mehr. Im Jahr 410 eroberten die Westgoten Rom.
Die Persönlichkeiten die ab diesen Zeitpunkt Erfolge erzielten konnten vor allem eines gut: Egal ob Constantius III oder Aethius, sie beherrschten es ihre Gegner gegeneinander auszuspielen. Noch dramatischer wurde die Lage ab 455. Aethius wurde von Kaiser Valentinian III ermordet, was dann wiederum zu dessen Ermordung führte. Im gleichen Jahr wirkte sich noch ein weiteres dramatisches Ereignis aus. Den Wandalen war es gelungen Nordafrika und damit die wertvollsten Korn- und Steuerprovinzen des Reichs zu erobern. Im angesprochenen Jahr 455 plünderten sie nun auch noch Rom. Später versuchten Kaiser wie Majorian und Anthemius den Untergang nochmals abzuwenden.
Doch die Lage war dramatisch. Die meisten Provinzen Roms waren bereits an die einströmenden Germanen gefallen. Die Grenzverteidigung wie auch der Handel waren zusammengebrochen und auch im Zentrum Roms (hauptsächlich Italien) war die Lage alles andere als gut. Heermeister Ricimer hatte seine Kaiser fest unter Kontrolle. Diejenigen die versuchten mehr als nur seine Marionette zu sein, wie eben Majorian und Anthemius wurden bereits nach der ersten Niederlage wieder abgesetzt.
Die besagte Niederlage kam bei beiden zustande als sie versuchten Nordafrika doch noch zurückzuerobern. Das hätte dazu geführt dass man die Steuereinnahmen von dort wider bekommen hätte, hätte vielleicht das niedergehende Westrom zumindest etwas gestärkt.
Doch diese letzten Versuche scheiterten schließlich. Viele der Germanenfürsten erkannten den Kaiser als theoretischen Oberherren an, kein Wunder waren doch viele ihrer Untertanen Römer. In Wahrheit verfügte der Kaiser nun kaum noch über eigene Truppen. Die letzten Kaiser, die meist sowieso nur sehr kurz auf ihrem Thron saßen waren stark abhängig von ihrem (oft germanischen) Heermeistern. Der Osten Roms mischte in ihrer Innenpolitik ebenso mit wie die Machthaber der Germanen.
Der letzte Kaiser des Westens Romulus Augustulus war noch ein Kind, die wahre Macht lag bei seinem Vater Orestes. Dieser scheiterte beim Versuch den germanen Odowakar an der Herrschaftsübernahme zu hindern. Odowakar setzte Romulus Augustulus ab.
Er hätte sich als ein weiterer Heermeister sehen können und einen Marionettenkaiser bestimmen können, doch er sah davon ab. Das Kaisertum existierte in den Köpfen der Leute und auch des Machthabers weiter, nur war der ohnehin nur noch theoretische Oberherr nun der Kaiser in Konstantinopel.
So das ist nun meine, zugegeben etwas vereinfachte Darstellung des Nieder- und Untergangs von Rom im Westen. Denke vor allem das es sehr schwer war die Grenzen überhaupt zu halten und als dann eine weitere Front zu verteidigen war, außerdem die Bedingungen schwieriger wurden, führte das zum endgültigen Niedergang Roms.
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Anthemius vs Ricimer:
WDPG schrieb:Diejenigen die versuchten mehr als nur seine Marionette zu sein, wie eben Majorian und Anthemius wurden bereits nach der ersten Niederlage wieder abgesetzt.
Das mit Anthemius habe ich zugegeben etwas verkürzt beschrieben. Währen Majorian nach der Niederlage gegen die Wandalen von Ricimer schon bald abgesetzt wurde, ging das bei Anthemius nicht ganz so einfach.
Anthemius war ursprünglich Anwärter auf den Kaiserthron im Osten. Aus diesem Grund war der Ostkaiser wohl auch froh der er ihn nach Westen entsenden konnte. Dort herrschte wie schon beschrieben Ricimer als Heermeister. Anthemius arbeitete beim beschriebenen Versuch Nordafrika zurückzuerobern mit dem Osten zusammen. Das Unternehmen scheiterte.
Ich persönlich habe den Eindruck als wäre die Freude des Ricimer darüber das aktive Anthemius auf den Kaiserthron kam, von Anfang an nicht sehr groß gewesen. Doch dadurch das er ihn anerkannte konnte er erstens einen Kampf mit Ostrom vermeiden und zweitens diesen als Verbündeten gegen die Wandalen bekommen.
Kein Wunder das Ricimer, nachdem Anthemius es auch nicht geschafft hatte gegen die Wandalen vorzugehen, was ein sehr teures Unternehmen war, schon bald wieder versuchte ihn los zu werden. Doch Anthemius gab sich nicht so schnell geschlagen, ein Machtkampf brach aus. Ricimer nutzte die germanischen Truppen und Mailand als Machtbasis, Anthemius Rom. Schlussendlich unterlag der Kaiser dem Heermeister, der in der Zwischenzeit einen neuen Kaiser ausgerufen hatte. Rom wurde erneut geplündert, die Reste der römische Armee waren dahin, alles was noch blieb waren die Germanensöldner Ricimers. Anthemius wurde gefangen genommen und Hingerichtet.
Damit war einer der letzten Kaiser, die noch sowas wie Hoffnung für das Weströmische Reich mitbrachten abgesetzt worden. Man muss aber schon sagen, das er bereits zuvor in dieser Hinsicht gescheitert war.
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Waldi schrieb:Agrippa schrieb:
Die Germanen dagegen hatten einen großen Anteil am Niedergang des Römischen Reiches. Sie dienten ab dem 4. Jh. in großer Zahl als Söldner im römischen Heer, ohne sich mit der römischen Idee wirklich zu identifizieren. Später stellten sie sogar die Befehlshaber.
Servus Agrippa,
sind germ. Befehlshaber im röm. Heer bekannt, die in die "Geschichte eingegangen" sind?
Ja, ich denke da an Heermeister wie den Franken Bauto, dem halbgermanen Stilicho, den Machthaber Ricimer (der ja auch durch einen Sieg über die Wandalen seinen Aufstieg schaffte) um nur einige Beispiele zu nennen. Auch Odowakar stand ja ursprünglich im Dienst des Geschwächten Kaisertums.
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Hallo WDPG,
sehr gute Analyse von Dir zu den Umständen, die im 3.-5.Jh. zum Untergang des Römischen Westreichs beitrugen.
Die Frage, warum Rom unterging ist ebenso interessant, wie die Frage danach, warum ein kleiner Ort am Tiber überhaupt zur Weltmacht aufstieg.
Das wäre auch ein Thema wert.
sehr gute Analyse von Dir zu den Umständen, die im 3.-5.Jh. zum Untergang des Römischen Westreichs beitrugen.
Die Frage, warum Rom unterging ist ebenso interessant, wie die Frage danach, warum ein kleiner Ort am Tiber überhaupt zur Weltmacht aufstieg.
Das wäre auch ein Thema wert.
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Eine Frage mit der ich mich im Moment beschäftige ist: Welchen Anteil hatte die Teilung in Ost und Westrom am Untergang. Um wieviel schwächer war der Westteil, war der Untergang hier sozusagen schon vorprogrammiert oder verhielt sich der Osten einfach geschickter und überstand deshalb die Völkerwanderung?
Was sagt ihr dazu?
Was sagt ihr dazu?
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Tja, ich bin da auch nur am spekulieren, Du kennst diese Thematik besser als ich.
Aber rein deduziert aus der Logik der weiteren Ereignisse, war der Osten kompakter und stärker, erst die Arabische Expansion brachte den Verlust der nordafrikanischen und nahöstlichen Gebiete.
Wenn ich mich recht entsinne, war er deshalb auch reicher und zahlte den Hunnen Tribut, dass sie an ihnen vorbeizogen... aber wirklich Spekulation.
Aber Justinian konnte ja dann für kurze Zeit das das Reich ja fast wieder herstellen - aber eben, dann kamen die Gegner von Osten.
Das römische Reich konnte einfach lange davon profitieren, dass nach Karthago kein ernster Herausforderer mehr da war. Man werde sich ja nur bewusst, dass ein Jahrhundert Bürgerkriege, die wir hier thematisiert haben
https://geschichte-forum.forumieren.de/t353-warum-ging-die-romische-republlk-unter-welche-faktoren-fuhrten-dazu
und nicht zu dessen Untergang geführt haben - die Gegner waren zu schwach.
Es kamen nach und nach militärisch starke Gegner, Germanen, Hunnen, Perser, Araber und schliesslich Türken, denen Rom resp. Byzanz einfach so oder so nicht genug hat entgegensetzen können, ob es nun geteilt war, oder nicht.
Das ist meine erste These ohne Anspruch auf Richtigkeit, eher als Gedankenanstoss.
Aber rein deduziert aus der Logik der weiteren Ereignisse, war der Osten kompakter und stärker, erst die Arabische Expansion brachte den Verlust der nordafrikanischen und nahöstlichen Gebiete.
Wenn ich mich recht entsinne, war er deshalb auch reicher und zahlte den Hunnen Tribut, dass sie an ihnen vorbeizogen... aber wirklich Spekulation.
Aber Justinian konnte ja dann für kurze Zeit das das Reich ja fast wieder herstellen - aber eben, dann kamen die Gegner von Osten.
Das römische Reich konnte einfach lange davon profitieren, dass nach Karthago kein ernster Herausforderer mehr da war. Man werde sich ja nur bewusst, dass ein Jahrhundert Bürgerkriege, die wir hier thematisiert haben
https://geschichte-forum.forumieren.de/t353-warum-ging-die-romische-republlk-unter-welche-faktoren-fuhrten-dazu
und nicht zu dessen Untergang geführt haben - die Gegner waren zu schwach.
Es kamen nach und nach militärisch starke Gegner, Germanen, Hunnen, Perser, Araber und schliesslich Türken, denen Rom resp. Byzanz einfach so oder so nicht genug hat entgegensetzen können, ob es nun geteilt war, oder nicht.
Das ist meine erste These ohne Anspruch auf Richtigkeit, eher als Gedankenanstoss.
Marek1964- Admin
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Ich stelle gerne mal eine provozierende Frage : Ist das römische Reich denn überhaupt "untergegangen"?
ArnoldB.- Anzahl der Beiträge : 90
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Beeindruckender Eiwurf, der das wahre Problem beleuchtet!ArnoldBentheim schrieb:Ich stelle gerne mal eine provozierende Frage : Ist das römische Reich denn überhaupt "untergegangen"?
Das Römische Reich ist nicht mit einem Mal entstanden und auch nicht mit einem Mal untergegangen. Da ich die Europäische Union als einen Erben dieses Reichs sehe. würde ich sagen: Nein, die besseren Teile existieren noch/wieder. Das Römische Recht ist die Grundlage unserer Justiz. Viele Strukturen und Einrichtungen, viele Ideen stammen daher (und mittelbar aus Griechenland). Die Idee eines Vielvölkerstaats hat sich bis in die Neuzeit erhalten (Römisches Reich deutscher Nation). Ich würde Österreich/Ungarn, das Russische und das Osmanische Reich für Nachfolger des Römischen Reichs halten, allerdings für die schlechten Aspekte. Aber abgesehen von den wiederauferstandenen Teilen ist im ersten Jahrtausend die Demokratie untergegangen und mit ihr die Gleichberechtigung, der Kosmopolitismus, der Friedensgedanke, der Rechtstaat, die Solidarität und die Toleranz, mit einem Wort: die Stoa. Nur die zentrale Macht hat überlebt, und der Zentralismus ist vielleicht der Hauptgrund für das Versagen des römischen Staats.
Das Römische Reich ist Untergegangen, aber nicht auf einem Schlag Teil 1:
ArnoldBentheim schrieb:Ich stelle gerne mal eine provozierende Frage : Ist das römische Reich denn überhaupt "untergegangen"?
Ich weiß was du meinst. Rom ging mit der Absetzung von Romulus Augustulus durch Odowakar in den Augen der Zeitgenossen nicht unter.
Das Römische Reich existierte damals schon über einen beachtlichen Zeitpunkt, ein Untergang dieses Reichs war für die Leute die damals lebten undenkbar. Selbst für Odowakar, er sah, wie zahlreiche Germanischen Herrscher auch den Ostkaiser als (theoretischen) Oberherren.
Schon ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. kam es vor das Rom in mehrere Teile geteilt war. Das Reich war aus administrativen Gründen zwar von mehreren Herrschern geführt worden, doch es blieb als Einheit erhalten.
Im 5. Jahrhundert waren in den Westen zahlreiche Germanenstämme eingedrungen. Meist suchte man ein Gebiet zum Bewohnen, niemand hatte die Absicht das Römische Reich zu zerstören, denn das wäre undenkbar gewesen. So entstanden auf römischen Boden mehrere Germanenreiche, mit Herrschern die jeweils den Römischen Kaiser als ihren Oberherren ansahen. Kein Wunder, man muss auch bedenken das der Großteil ihrer Untertanen Römer waren.
Die wahre Macht des Kaisers reichte nach 455 meist nur noch über Teile Galliens und Italien. Schon Stilicho musste Truppen von der Grenze abziehen um das Zentrum zu schützen (das nach dessen Absetzung und Ende, dann doch von Westgoten geplündert wurde). Der Verlust Nordafrikas nahm Westrom bedeutende Steuer- und Versorgungsprovinzen und schwächte somit die Möglichkeit neue Truppen mobilisieren zu können enorm. Diese Truppen waren häufig Germanischen Söldnerheere und konnten spätestens jetzt nur noch schwer bezahlt werden.
Das Amt des Kaisers hatte spätestens ab der Reichsteilung von 395 stark an praktischer Macht eingebüßt. Oft waren die (häufig germanischen) Heermeister die wahren Herrscher. Kaiser Honorius hatte fast immer einen starken Heermeister der die Politik führte (Stilicho, Constantius III), Valentinian III auch (Aethius). Nach dem Jahr 455 in dem die Dynastie von Theodosius Endgültig ihre Macht verloren hatte und kurz danach noch Rom von den Wandalen geplündert wurde, hielten sich die Kaiser meist nur noch ein paar Jahre. Sehr bald stieg der germanisch Stämmige Heermeister Ricimer zum Machthaber im Westen auf, er setzte immer wieder Kaiser auf den Thron und dann wieder ab. Darunter auch sehr fähige wie Maiorian oder Anthemius. Deren Versuche Westroms Lage noch einmal zu verbessern scheiterte. Spätestens nach Anthemius konnte der Westen kaum noch ein größeres Heer aufstellen. Verschiedene Machtparteien kämpften nun häufig um den Kaiserthron. Olybrius, der Kaiser unter dem Ricimer verstarb, verstarb schon bald nach Ricimer und regierte nur kurz. Sein Nachfolger Glycerian, dürfte gar nicht so unfähig gewesen sein, er war aber Hauptsächlich von Ricimers Nachfolger Gundobad abhängig. Als dieser sich lieber um Burgundische Angelegenheiten kümmerte wurde er bald von Julius Nepos vertrieben, der vom (geschwächten) Ostkaisertum unterstützt wurde. Er war der letzte vom Ostkaiser anerkannte Herrscher. Auch er verlor den Thron bald an Orestes, der seinen Sohn Romulus Augustus zum Kaiser machte.
Nun kehren wir wieder zurück zu Odowakar, der Romulus Augustus (der noch ein Kind war) schließlich absetzte und in Pension schickte. Das Reich unter Ricimer hatte immer wieder Phasen ohne Kaiser auf den Thron und es kam auch vor das Reichsteile den Ostkaiser als ihren Kaiser sahen, schon bevor Romulus abgesetzt wurde. Also war es doch gar nicht so unlogisch das Odowakar anstatt eines „Marionettenkaisers“ meinte „der in Konstantinopel“ ist auch unser Kaiser.
Vorschläge und Überlegungen für neue Westkaiser gab es auch in der Zeit von Odowakar und Theoderich. Rom war nicht schlagartig von der Bühne der Welt verschwunden. Viele Strukturen bestanden genauso noch weiter wie vorher, andere hatten wohl längst vor der Absetzung des letzten Kaisers ihre Bedeutung verloren.
Wann ging Rom also unter?
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Das Römische Reich ist Untergegangen, aber nicht auf einem Schlag Teil 2:
WDPG schrieb:Wann ging Rom also unter?ArnoldBentheim schrieb:Ich stelle gerne mal eine provozierende Frage : Ist das römische Reich denn überhaupt "untergegangen"?
Auch dazu möchte ich noch kurz was schreiben.
Kaiser Justinian I wollte (wahrscheinlich) nicht mehr nur der theoretische Oberherr des Westens sein. Aus diesem Grund eroberte er Nordafrika von den Wandalen und Italien von den Ostgoten zurück, auch die Eroberung von Teilen Spaniens gelang. Doch diese Rückeroberungspolitik kostete viel Geld. Die Söldnerheere von damals waren extrem teuer, manche Gegner mussten mit Zahlungen ruhig gehalten werden. Das ganze führte dazu das es bald wieder zum Niedergang kam. Diese war so dramatisch das Ostrom am Anfang des 7. Jahrhunderts um seine Existenz fürchten musste. Die Awaren, Slawen und die Sassaniden bedrohten ein Reich, das unter Finanzproblemen litt und sich schwer damit tat Truppen auszuheben und das außerdem noch von inneren Kämpfen geplagt war. Schließlich gelang es Kaiser Herakleios das Reich zu Retten. Er und seine Nachfolger stellten das Reich das schon bald nach dem Sieg über die Sassaniden mit der Arabischen Expansion einen neuen Gegner erhielt, auf neue Beine.
So nun aber zurück zum Westen. Die Franken erkannten noch relativ lange den Ostkaiser als ihren (theoretischen) Oberherren an, auch in der Politik des Westgotenreichs spielte er eine Rolle und sogar Widerstandskämpfe Totila hatte gehofft das sich der Ostkaiser im Falle eines Siegs des Ostgotenkönigs weiterhin nur als theoretischer Oberherr sehen würde.
Ich finde dieses Verständnis schwand im Niedergang des Ostens nach Justinian I langsam. Auch wenn der Osten sich dann doch halten konnte und sich die Kaiser in Konstantinopel selbst wohl noch lange als „die wahren Römische Kaiser“ sahen, muss man sagen das die Kaiser sich sehr stark auf den Osten konzentrieren mussten und das man ja schon bei Justinian I gesehen hatte das es nicht mehr wirklich möglich war langfristig echte Macht auf den Westen auszuüben.
Rom verschwand so mit der Zeit von der Bildfläche. Nicht ganz, das ist klar, denn auch Karl der Große bezog sich wieder auf den Kaiserthron aus der Römerzeit. Aber dennoch muss man sagen das sich das „Heilige Römische Reich“ das da entstand vom „einstigen Römischen Reich“ doch sehr stark unterschied.
Fazit: Rom ist also doch irgendwann mal untergegangen. Im Gegensatz zu China z.B. dieses wurde immer wieder geteilt, besetzt usw. doch das Bewusstsein, das es ein China gibt blieb. Und euch heute ist es klar das es ein China gibt. Im Gegensatz zu Rom, denn wer außer den Einwohnern er Stadt würde heute noch sagen „ich bin ein Römer“?
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Re: Warum ging das römische Reich unter?
Ich möchte nicht zu jeder Einzelheit der Beiträge, die auf meine Frage eingestellt wurden, etwas schreiben, denn das würde eine sehr ausführliche Abhandlung erfordern. Ich greife daher nur folgende Gesichtspunkte heraus, an denen ich meine Sichtweise deutlich zu machen versuche:
1. Das Reich sei doch irgendwann einmal untergegangen.
2. Die Frage des westlichen Kaisertums.
3. Das Reich sei vergleichbar mit der EU.
1. und 2. Es steht außer Zweifel, dass die Aufteilung des Reiches unter verschiedene Herrscher einer Verselbständigung und erhöhten Eigennützigkeit der Reichsteile Vorschub geleistet hat. So war es im 5. Jh. seitens des oströmischen Reiches zu einer Reduzierung bzw. Verweigerung umfassender Militärhilfen für das Westreich gekommen. Zu was das oströmische Reich fähig gewesen wäre, haben die Rückeroberungskriege Justinians I. gezeigt. Das weströmische Reich verlor zunehmend seine Verteidigungsfähigkeit und seine direkten Herrschaftsmöglichkeiten über die germanischen Nachfolgestaaten in den Provinzen. Ein gewisses Gefühl der Zusammengehörigkeit zum Römischen Reich blieb aber auch in diesen Nachfolgereichen erhalten. Als die Hunnen Mitte des 5. Jahrhunderts ganz Europa bedrohten, waren die wichtigsten germanischen Herrscher bereit, sich und ihr Truppenkontingent dem Befehl des römischen Feldherrn Aetius zu unterstellen.
Das weströmische Kaisertum wurde nach 476 nicht mehr erneuert. Dass nur ein Herrscher das Reich lenkte, war nicht ungewöhnlich. Der legitime Kaiser saß in Konstantinopel. Er band die wichtigsten germanischen Herrscher an sich, durch Geschenke ebenso wie durch Verleihung von Ehren, etwa dem Konsulat oder dem Patriciustitel. Ostrom führte eine Diplomatie weiter, die sich in den Jahrhunderten zuvor gegenüber den Germanen in der sog. "Germania libera" bewährt hatte. Erst mit Justinian wandelte sich diese diplomatische in eine kriegerische Politik. Ostrom war aber nicht in der Lage, diese Politik durchzuhalten. Im Ergebnis wurde auch Ostrom geschwächt, damit sein Einfluss auf das Westreich immer geringer.
Dennoch, das Westreich ist nicht untergegangen. Die Idee des Römischen Reiches blieb überall im Westen lebendig. An die Stelle Ostroms trat mehr und mehr – Rom und die Kirche! Nicht umsonst hat die Katholische Kirche die sog. "Konstantinische Schenkung" gefälscht, um sich auf diese Weise kaisergleiche Stellung als "Erben" Kaiser Constantins zu usurpieren. Die germanischen Nachfolgereiche auf weströmischem Boden haben das akzeptiert. Der Papst war es auch, der zusammen mit den katholischen Franken das weströmische Kaisertum erneuert hat. Eine "Translatio Imperii" auf einen Kaiser germanischer Abstammung war keine Neuerung, stammten doch schon in der Antike zahlreiche Kaiser weder aus Rom noch Italien. Karl d. Gr. fühlte sich als Nachfolger der Kaiser Augustus, des Reichsgründers, und Constantin, des ersten christlichen Kaisers. Sein Biograph Einhard hat nicht ohne Grund den Kaiserbiographen Sueton als Vorbild für seine Karlsbiographie genommen. Einer von Karls Nachfolgern, Friedrich Barbarossa, eiferte seinen antiken Vorbildern und Karl d. Gr. nach, in dessen Tradition zu stehen er fest überzeugt war. Kaiser Konrad III. empfand gegenüber dem oströmischen Kaiser eine deutliche Überlegenheit und Höherrangigkeit, weil er Kaiser der "Mutter" des Reiches, nämlich Roms, sein oströmischer Kollege aber nur der Kaiser der "Tochter", nämlich Neuroms=Konstantinopels sei. Immer hatten die Kaiser eine Art Ehrenvorrang vor allen Königen in Europa, auch wenn die Kaiser daraus kaum erwähnenswerte Befugnisse ableiten konnten. Gewiss, die empfundene Kontinuität zum römischen Kaisertum und zum Römischen Reich ist für uns nur Ideologie, aber für die Menschen damals erlebte Realität. Und diese Realität wurde mehr oder weniger bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aufrecht erhalten.
Die Menschen – genauer natürlich: die (gebildeten) Eliten – waren der Überzeugung, immer noch im Römischen Reich zu leben. Kurz: sie haben sich in das Reich integriert und mit seiner Ideologie identifiziert. Man mag darauf verweisen, dass sich viel geändert hat: die Gesellschaft, die Staatsverwaltung, das Bildungswesen, die materielle Kultur usw. Gewiss, aber solche Veränderung gab es im weströmischen ebenso wie im oströmischen Reich. Die Menschen übernahmen aus dem römischen Erbe, was ihnen wichtig war, verloren, was ihnen nichts bedeutete oder was unbrauchbar war, schufen aber auch auf ihre Bedürfnisse ausgerichtetes Neues. Im Westreich wuchsen die Kirche und ihre reichsweiten Strukturen in die Funktion einer Klammer zwischen den verschiedenen Nachfolgereichen und der neuen/alten Zentrale Rom hinein, Rom, das der Erbe des Westkaisertums, der Papst, dominierte. Der Papst und die katholische Kirche, wenn man so will, erfüllen diese Funktion noch heute – und aufgrund der Ausweitung der kirchlichen Strukturen in die sog. "Neue Welt" und in den afrikanischen wie asiatischen Raum ist der Papst sogar ein "Mehrer des Reiches". Denn die Kultur und die Strukturen, die die Kirche vermitteln, sind, wenn auch z. T. modern angepasst, ohne Zweifel ursprünglich römisch!
Fazit: Das west- ebenso wie das oströmische Reich haben sich je unterschiedlich gewandelt, aber "untergegangen" sind sie weder in der Spätantike noch den folgenden Jahrhunderten. Erst am Ende des Mittelalters ist ein Reich untergegangen – und vielleicht, wenn man an die Übernahmen durch die Osmanen denkt, auch wieder doch nicht so ganz: das oströmische! Das weströmische Reich existiert in seinen wesentlichen geographischen Zügen noch heute, und es wurde sogar erheblich ausgeweitet. Die heutige Kultur dieses "Reiches" scheint immer noch wesentlich römisch-christlich zu sein. Dieser Gedanke leitet über zu Punkt 3.
3. Die Frage der Vergleichbarkeit von Europa mit dem Römischen Reich wirft das Problem auf, was denn verglichen werden soll: die Herrschaftsorganisation, die Kultur usw.? Ich greife mal wahllos einige Aspekte heraus:
- Europa zeigt allein durch seine schiere Größe und Bevölkerungsstärke Ansätze einer Imperiumsbildung politischen und wirtschaftlichen Charakters, die aber nicht auf Gewalt gegründet ist, sondern auf Freiwilligkeit der Völker - selbst ein Austritt aus der EU wäre möglich. Das Römische Reich war in erster Linie das Ergebnis militärischer Stärke.
- Die Ansätze übergeordneter, zentraler Regierung der EU beruhen nicht auf dem monarchischen Prinzip wie in Rom, sondern auf der freiheitlichen Demokratie mit einer zunehmenden Beteiligung des Volkes, das im Römischen Reich keine Rolle mehr spielte. Die Mitglieder der EU werden, wie auch immer die weitere Entwicklung sich gestalten wird, eine gewisse Selbständigkeit behalten, eine regionale kulturelle Vielfalt wird sich erhalten – wie das Römische Reich ist eben auch die EU ein Vielvölkerstaat.
- Das römische Reich verschaffte seiner Rechtskultur überall Geltung, erkannte aber auch die verschiedenen örtlichen Rechtskulturen an. Eine einheitliche Rechtskultur wird auch durch die EU angestrebt, die ebenfalls landestypisches Recht respektiert.
- Eine gemeinsame Leitkultur, orientiert an Freiheiten und Menschenrechten, ist in der EU vorhanden, die allerdings und zum Glück nicht nur auf eine kleine Elite beschränkt ist wie das Konzept der "humanitas" im Römischen Reich. Wurde die Kirche im spätantiken Reich zu einer politischen und gesellschaftlichen Größe, so hat sie bei den EU-Völkern eine deutlich nachlassende Bedeutung - ganz anders als außerhalb Europas; auch von den römisch-christlichen Kulturtraditionen wenden sich im EU-Raum immer mehr Menschen ab. Die europäischen Völker drohen also ihre kulturellen Wurzeln allmählich zu verlieren. Was werden sie dafür eintauschen?
- Hinzu kommt, dass es in der Bevölkerung kaum noch ein Bewusstsein für die Zugehörigkeit zu einem Römischen Reich gibt, oder richtiger: es ist fast vollkommen erloschen, was an dem ohnehin kaum noch vorhandenen und/oder an einem sehr reduzierten Geschichtsbewusstsein liegt.
- In der EU zeigt sich also eine Reihe wirklicher Brüche mit den Traditionen des spätantiken Römischen Reiches, die meiner Ansicht nach nicht mehr heilbar sind. Die EU ist so verschieden vom Römischen Reich, dass man, trotz einiger Ähnlichkeiten, doch von etwas Neuem ausgehen muss: von einer Imperiumsbildung sui generis, deren weitere positive oder negative Entwicklung noch nicht genau abschätzbar ist.
1. Das Reich sei doch irgendwann einmal untergegangen.
2. Die Frage des westlichen Kaisertums.
3. Das Reich sei vergleichbar mit der EU.
1. und 2. Es steht außer Zweifel, dass die Aufteilung des Reiches unter verschiedene Herrscher einer Verselbständigung und erhöhten Eigennützigkeit der Reichsteile Vorschub geleistet hat. So war es im 5. Jh. seitens des oströmischen Reiches zu einer Reduzierung bzw. Verweigerung umfassender Militärhilfen für das Westreich gekommen. Zu was das oströmische Reich fähig gewesen wäre, haben die Rückeroberungskriege Justinians I. gezeigt. Das weströmische Reich verlor zunehmend seine Verteidigungsfähigkeit und seine direkten Herrschaftsmöglichkeiten über die germanischen Nachfolgestaaten in den Provinzen. Ein gewisses Gefühl der Zusammengehörigkeit zum Römischen Reich blieb aber auch in diesen Nachfolgereichen erhalten. Als die Hunnen Mitte des 5. Jahrhunderts ganz Europa bedrohten, waren die wichtigsten germanischen Herrscher bereit, sich und ihr Truppenkontingent dem Befehl des römischen Feldherrn Aetius zu unterstellen.
Das weströmische Kaisertum wurde nach 476 nicht mehr erneuert. Dass nur ein Herrscher das Reich lenkte, war nicht ungewöhnlich. Der legitime Kaiser saß in Konstantinopel. Er band die wichtigsten germanischen Herrscher an sich, durch Geschenke ebenso wie durch Verleihung von Ehren, etwa dem Konsulat oder dem Patriciustitel. Ostrom führte eine Diplomatie weiter, die sich in den Jahrhunderten zuvor gegenüber den Germanen in der sog. "Germania libera" bewährt hatte. Erst mit Justinian wandelte sich diese diplomatische in eine kriegerische Politik. Ostrom war aber nicht in der Lage, diese Politik durchzuhalten. Im Ergebnis wurde auch Ostrom geschwächt, damit sein Einfluss auf das Westreich immer geringer.
Dennoch, das Westreich ist nicht untergegangen. Die Idee des Römischen Reiches blieb überall im Westen lebendig. An die Stelle Ostroms trat mehr und mehr – Rom und die Kirche! Nicht umsonst hat die Katholische Kirche die sog. "Konstantinische Schenkung" gefälscht, um sich auf diese Weise kaisergleiche Stellung als "Erben" Kaiser Constantins zu usurpieren. Die germanischen Nachfolgereiche auf weströmischem Boden haben das akzeptiert. Der Papst war es auch, der zusammen mit den katholischen Franken das weströmische Kaisertum erneuert hat. Eine "Translatio Imperii" auf einen Kaiser germanischer Abstammung war keine Neuerung, stammten doch schon in der Antike zahlreiche Kaiser weder aus Rom noch Italien. Karl d. Gr. fühlte sich als Nachfolger der Kaiser Augustus, des Reichsgründers, und Constantin, des ersten christlichen Kaisers. Sein Biograph Einhard hat nicht ohne Grund den Kaiserbiographen Sueton als Vorbild für seine Karlsbiographie genommen. Einer von Karls Nachfolgern, Friedrich Barbarossa, eiferte seinen antiken Vorbildern und Karl d. Gr. nach, in dessen Tradition zu stehen er fest überzeugt war. Kaiser Konrad III. empfand gegenüber dem oströmischen Kaiser eine deutliche Überlegenheit und Höherrangigkeit, weil er Kaiser der "Mutter" des Reiches, nämlich Roms, sein oströmischer Kollege aber nur der Kaiser der "Tochter", nämlich Neuroms=Konstantinopels sei. Immer hatten die Kaiser eine Art Ehrenvorrang vor allen Königen in Europa, auch wenn die Kaiser daraus kaum erwähnenswerte Befugnisse ableiten konnten. Gewiss, die empfundene Kontinuität zum römischen Kaisertum und zum Römischen Reich ist für uns nur Ideologie, aber für die Menschen damals erlebte Realität. Und diese Realität wurde mehr oder weniger bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aufrecht erhalten.
Die Menschen – genauer natürlich: die (gebildeten) Eliten – waren der Überzeugung, immer noch im Römischen Reich zu leben. Kurz: sie haben sich in das Reich integriert und mit seiner Ideologie identifiziert. Man mag darauf verweisen, dass sich viel geändert hat: die Gesellschaft, die Staatsverwaltung, das Bildungswesen, die materielle Kultur usw. Gewiss, aber solche Veränderung gab es im weströmischen ebenso wie im oströmischen Reich. Die Menschen übernahmen aus dem römischen Erbe, was ihnen wichtig war, verloren, was ihnen nichts bedeutete oder was unbrauchbar war, schufen aber auch auf ihre Bedürfnisse ausgerichtetes Neues. Im Westreich wuchsen die Kirche und ihre reichsweiten Strukturen in die Funktion einer Klammer zwischen den verschiedenen Nachfolgereichen und der neuen/alten Zentrale Rom hinein, Rom, das der Erbe des Westkaisertums, der Papst, dominierte. Der Papst und die katholische Kirche, wenn man so will, erfüllen diese Funktion noch heute – und aufgrund der Ausweitung der kirchlichen Strukturen in die sog. "Neue Welt" und in den afrikanischen wie asiatischen Raum ist der Papst sogar ein "Mehrer des Reiches". Denn die Kultur und die Strukturen, die die Kirche vermitteln, sind, wenn auch z. T. modern angepasst, ohne Zweifel ursprünglich römisch!
Fazit: Das west- ebenso wie das oströmische Reich haben sich je unterschiedlich gewandelt, aber "untergegangen" sind sie weder in der Spätantike noch den folgenden Jahrhunderten. Erst am Ende des Mittelalters ist ein Reich untergegangen – und vielleicht, wenn man an die Übernahmen durch die Osmanen denkt, auch wieder doch nicht so ganz: das oströmische! Das weströmische Reich existiert in seinen wesentlichen geographischen Zügen noch heute, und es wurde sogar erheblich ausgeweitet. Die heutige Kultur dieses "Reiches" scheint immer noch wesentlich römisch-christlich zu sein. Dieser Gedanke leitet über zu Punkt 3.
3. Die Frage der Vergleichbarkeit von Europa mit dem Römischen Reich wirft das Problem auf, was denn verglichen werden soll: die Herrschaftsorganisation, die Kultur usw.? Ich greife mal wahllos einige Aspekte heraus:
- Europa zeigt allein durch seine schiere Größe und Bevölkerungsstärke Ansätze einer Imperiumsbildung politischen und wirtschaftlichen Charakters, die aber nicht auf Gewalt gegründet ist, sondern auf Freiwilligkeit der Völker - selbst ein Austritt aus der EU wäre möglich. Das Römische Reich war in erster Linie das Ergebnis militärischer Stärke.
- Die Ansätze übergeordneter, zentraler Regierung der EU beruhen nicht auf dem monarchischen Prinzip wie in Rom, sondern auf der freiheitlichen Demokratie mit einer zunehmenden Beteiligung des Volkes, das im Römischen Reich keine Rolle mehr spielte. Die Mitglieder der EU werden, wie auch immer die weitere Entwicklung sich gestalten wird, eine gewisse Selbständigkeit behalten, eine regionale kulturelle Vielfalt wird sich erhalten – wie das Römische Reich ist eben auch die EU ein Vielvölkerstaat.
- Das römische Reich verschaffte seiner Rechtskultur überall Geltung, erkannte aber auch die verschiedenen örtlichen Rechtskulturen an. Eine einheitliche Rechtskultur wird auch durch die EU angestrebt, die ebenfalls landestypisches Recht respektiert.
- Eine gemeinsame Leitkultur, orientiert an Freiheiten und Menschenrechten, ist in der EU vorhanden, die allerdings und zum Glück nicht nur auf eine kleine Elite beschränkt ist wie das Konzept der "humanitas" im Römischen Reich. Wurde die Kirche im spätantiken Reich zu einer politischen und gesellschaftlichen Größe, so hat sie bei den EU-Völkern eine deutlich nachlassende Bedeutung - ganz anders als außerhalb Europas; auch von den römisch-christlichen Kulturtraditionen wenden sich im EU-Raum immer mehr Menschen ab. Die europäischen Völker drohen also ihre kulturellen Wurzeln allmählich zu verlieren. Was werden sie dafür eintauschen?
- Hinzu kommt, dass es in der Bevölkerung kaum noch ein Bewusstsein für die Zugehörigkeit zu einem Römischen Reich gibt, oder richtiger: es ist fast vollkommen erloschen, was an dem ohnehin kaum noch vorhandenen und/oder an einem sehr reduzierten Geschichtsbewusstsein liegt.
- In der EU zeigt sich also eine Reihe wirklicher Brüche mit den Traditionen des spätantiken Römischen Reiches, die meiner Ansicht nach nicht mehr heilbar sind. Die EU ist so verschieden vom Römischen Reich, dass man, trotz einiger Ähnlichkeiten, doch von etwas Neuem ausgehen muss: von einer Imperiumsbildung sui generis, deren weitere positive oder negative Entwicklung noch nicht genau abschätzbar ist.
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