Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
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Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Mir scheint, dass die meisten Menschen davon ausgehen, dass das Christentum sich im Römischen Reich deshalb so rasch ausbreiten konnte, weil es die "bessere Religion" war: Strenge ethische Regeln, nur ein Gott (?), einigermaßen logisch konstruiert und glänzende Aussichten im Jenseits.
Das kommt mir abstrus vor.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen eine Lehre nur aufgrund ihres Inhalts übernehmen und dafür ihr Leben riskieren.
Meine Ansicht:
Im Römischen Reich gab es eine große soziale Spannung mit immer weniger immer reicher werdenden Menschen auf der einen und immer mehr immer ärmer werdenden Menschen auf der anderen Seite. Das Christentum bot eine Art Anarchie mit sozialistischen Aspekten und eine Abgrenzung gegen den Ausbeuterstaat in einer sehr engen Gemeinschaft. Es war ein Auffangbecken für die Verlierer der Gesellschaft.
Das kommt mir abstrus vor.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen eine Lehre nur aufgrund ihres Inhalts übernehmen und dafür ihr Leben riskieren.
Meine Ansicht:
Im Römischen Reich gab es eine große soziale Spannung mit immer weniger immer reicher werdenden Menschen auf der einen und immer mehr immer ärmer werdenden Menschen auf der anderen Seite. Das Christentum bot eine Art Anarchie mit sozialistischen Aspekten und eine Abgrenzung gegen den Ausbeuterstaat in einer sehr engen Gemeinschaft. Es war ein Auffangbecken für die Verlierer der Gesellschaft.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Judas Phatre schrieb:
Im Römischen Reich gab es eine große soziale Spannung mit immer weniger immer reicher werdenden Menschen auf der einen und immer mehr immer ärmer werdenden Menschen auf der anderen Seite. Das Christentum bot eine Art Anarchie mit sozialistischen Aspekten und eine Abgrenzung gegen den Ausbeuterstaat in einer sehr engen Gemeinschaft. Es war ein Auffangbecken für die Verlierer der Gesellschaft.
Guter Ansatz. Sätze wie: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt," gehen ja in die Richtung, dass soziale Unterschiede im Glauben nicht von Bedeutung sind.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Judas Phatre schrieb:Es war ein Auffangbecken für die Verlierer der Gesellschaft.
Unsinn.
Demnach wäre auch Konstantin (der Große) ein "Verlierer der Gesellschaft" gewesen.
Agrippa- Gründungsmitglied
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Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Agrippa schrieb:Judas Phatre schrieb:Es war ein Auffangbecken für die Verlierer der Gesellschaft.
Unsinn.
Demnach wäre auch Konstantin (der Große) ein "Verlierer der Gesellschaft" gewesen.
Das war ja schon am Ende dieser Entwicklung, als das Christentum schon eine mächtige Bewegung war.
Ich kann mir schon gut vorstellen, dass die Bedeutungslosigkeit der sozialen Unterschiede, neben der Verheissung des ewigen Lebens, sehr entscheidend war.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Über das Christentum zu diskutieren wird schnell emotional überlagert. Hier verstehe ich die (Über-)reaktion aber nicht. Ich gehe später auf die Sozialisation des frühen Christentums ein. Konstantin I markiert den Übergang von der "Befreiungs-" zur Staatsreligion, gehört nicht zu der Zeit, über die ich diskutieren möchte. Vielleicht solltest Du uns aber mitteilen, woraus Du schließt, dass Konstantin überhaupt Christ im engeren Sinne war. Dieser Aspekt ist sehr umstritten und die meisten, die ihn für einen Christen halten, gehen davon aus, dass er ein "politischer" Christ war.Agrippa schrieb:Unsinn.Judas Phatre schrieb:Es war ein Auffangbecken für die Verlierer der Gesellschaft.
Demnach wäre auch Konstantin (der Große) ein "Verlierer der Gesellschaft" gewesen.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Judas Phatre schrieb: Dieser Aspekt ist sehr umstritten und die meisten, die ihn für einen Christen halten, gehen davon aus, dass er ein "politischer" Christ war.
Das würde ich auch annehmen, nicht zuletzt weil ich denke, dass in dem ziemlich dekadenten römischen Reich, die Führenden mehr für die breite Masse den Göttern gehuldigt haben.
Was in gewisser Weise zu Friedrich dem Zweiten passt (dem ich nicht absprechen will, dass er ein guter Christ gewesen sein mag):
Die Religionen Müßen
alle Tolleriret werden
und Mus der Fiscal nuhr
das Auge darauf haben
das keine der anderen
abruch Tuhe, den hier
mus ein jeder nach
Seiner Faßon Selich
werden Fr.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Ich vermute, dass die geistige Elite Roms noch über die Zeit Konstantins I. hinaus stoisch orientiert war. Religion war Opium für's Volk, darunter Mithraskult und Christentum. Auch der Sol invictus sieht für mich aus wie eine Kompromisslösung. Wer kann sicher sagen, ob Konstantin an Christus, Sol invictus oder nicht doch nur an sich selbst geglaubt hat? Er wollte Frieden und Macht. Leider hat er sich dabei im Christentum geirrt.wfwbinder schrieb:Das würde ich auch annehmen, nicht zuletzt weil ich denke, dass in dem ziemlich dekadenten römischen Reich, die Führenden mehr für die breite Masse den Göttern gehuldigt haben.Judas Phatre schrieb: Dieser Aspekt ist sehr umstritten und die meisten, die ihn für einen Christen halten, gehen davon aus, dass er ein "politischer" Christ war.
Wie gesagt, ändert sich das Christentum mit der Mailänder Vereinbarung radikal:
Es war schon seit seiner Entstehung zwischen Anarchie und Hierarchie hin- und hergerissen. Jetzt siegte die Hierarchie. Mit der raschen Entwicklung zur Staatsreligion erhielt sie mit kaiserliche Unterstützung eine effiziente Organisation und wurde genötigt, noch radikaler als bisher die Abweichler auszuschließen. Die katholische Kirche zeigt, was aus dieser Religion geworden ist. Ein weiteres Indiz dafür, dass das Christentum sich grundlegend gewandelt hatte ist die Tatsache, dass es sich kaum noch eigenständig verbreitet hat. Seither wurde die Mission politisch und militärisch.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Judas Phatre schrieb: Ein weiteres Indiz dafür, dass das Christentum sich grundlegend gewandelt hatte ist die Tatsache, dass es sich kaum noch eigenständig verbreitet hat. Seither wurde die Mission politisch und militärisch.
entschuldige bitte, aber da wage ich zu widersprechen.
Ich stamme aus einem Ort in dem Missionare ausgebildet werden. Darf einen Pfarrer zu meinen Freunden zählen, der in Südafrika ins Gefängnis musste (er ist weisser Südafrikaner), weil er schon in den 70er Jahren gemeinsame Gottesdienste von Farbigen und Weissen abhielt, andere Missionare haben Schulen, eine Blindenschule, Krankenhäuser usw. in Südafrika, Äthiopien, Indien, Brasilien und weiteren Ländern aufgebaut. alles zum Teil gegen widerstände in den Ländern, aber völlig Gewaltfrei und nur gelegentlich mit etwas Hilfe durch das Entwicklungshilfeministerium.
Solche Missionen der ev.-lutherischen Landeskirchen, oder auch anderer Organisationen gibt es recht viele.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Das ist ein Missverständnis, an dem ich selbst schuld bin. Ich bezog das auf die christliche Kirche am Ende der Antike bis in das Mittelalter. Die Reformation hat das gründlich geändert. Deshalb benutze ich für die frühe Kirche auch den Begriff "Befreiungskirche", denn die neuen Strömungen in Südamerika habe Züge der frühesten Zeit, die der Grund für eine erneute selbständige Verbreitung sind.wfwbinder schrieb:Judas Phatre schrieb: Ein weiteres Indiz dafür, dass das Christentum sich grundlegend gewandelt hatte ist die Tatsache, dass es sich kaum noch eigenständig verbreitet hat. Seither wurde die Mission politisch und militärisch.
entschuldige bitte, aber da wage ich zu widersprechen.
Ich stamme aus einem Ort in dem Missionare ausgebildet werden. Darf einen Pfarrer zu meinen Freunden zählen, der in Südafrika ins Gefängnis musste (er ist weisser Südafrikaner), weil er schon in den 70er Jahren gemeinsame Gottesdienste von Farbigen und Weissen abhielt, andere Missionare haben Schulen, eine Blindenschule, Krankenhäuser usw. in Südafrika, Äthiopien, Indien, Brasilien und weiteren Ländern aufgebaut. alles zum Teil gegen widerstände in den Ländern, aber völlig Gewaltfrei und nur gelegentlich mit etwas Hilfe durch das Entwicklungshilfeministerium.
Solche Missionen der ev.-lutherischen Landeskirchen, oder auch anderer Organisationen gibt es recht viele.
Und damit komme ich auf einen wichtigen Aspekt zu sprechen: Vergleichbare Ausbreitungen des Christentums in späterer, besser dokumentierter Zeit.
Bereits vor der Reformation gab es aufklärerische Strömungen in der katholischen Kirche aber die eindrucksvollste ist die "Katharer"-Bewegung. Bogomilen und Katharer entstammen offensichtlich den Resten des gnostischen Christentums im Osten. Ich vermute, dass ihrer raschen Verbreitung in Deutschland, Italien und Südfrankreich ganz ähnliche Mechanismen zugrundeliegen wie dem frühen Christentum in Rom: Eine belastbare Solidargemeinschaft auf dem Boden einer gemeinsamen Ideologie, die auf den Egoismus verzichtet. Mit einem Wort: Anarchie.
Weniger deutlich ist das bei der Reformation in Deutschland. Die aufständigen Bauern haben die Idee eines Christentums "von unten" begeistert aufgenommen.
Diese Beispiele zeigen, dass das Christentum nur eine "lebendige Religion" ist, wenn sie den Menschen auf DIESER Welt etwas bietet und das ist der soziale Aspekt.
Theologische und jenseitige Gründe spielen dabei keine große Rolle.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Judas Phatre schrieb: Ein weiteres Indiz dafür, dass das Christentum sich grundlegend gewandelt hatte ist die Tatsache, dass es sich kaum noch eigenständig verbreitet hat. Seither wurde die Mission politisch und militärisch.
Es gibt zahlreiche Gegenbeispiele zu Deiner These. Die Missionare in Britannien und Sachsen lebten noch gefährlicher als ihre Vorgänger im Römischen Reich.
Oberflächlich gesehen haben Christentum und Sozialismus vielleicht manche Gemeinsamkeiten, genauer betrachtet zeigen sich aber die grundlegenden Unterschiede.
Der Sozialismus ist eine rein materielle Weltanschauung. Sie regelt die, in ihren Augen, ungerechte Verteilung der Produktionsgüter zugunsten der arbeitenden und produzierenden Klasse, dem sog. Proletariat.
Im Christentum dagegen gab es keine Umverteilung von materiellen Gütern. Es gab auch keinen Aufruf zu zivilem Ungehorsam oder Verweigerung von Steuern. Es gibt lediglich das Versprechen auf ein kommendes Reich Gottes, das nicht irdischer Natur ist. Dieses steht allein durch den Glauben offen, unabhängig vom eigenen Besitz.
Nach Tolerierung bzw. Einführung des Christentums ändert sich an der sozial-ökonomischen Lage im Römischen reich nichts in Richtung Sozialismus oder gar Anarchie. Für solche Ansätze benötigten die Römer auch keine neue Religion, solche Revolutionsansätze hat es immer gegeben. Zu erinnern wäre an die Aktivitäten um Gaius und Tiberius Gracchus um 133 v.Chr.
Wenn das Christentum eine sozialistische Bewegung gewesen wäre, dann hätte es unter Konstantin zu umfangreichen Enteignungen von großen Landgütern kommen müssen und zu einer Umverteilung der Güter. Es kam bekanntermaßen nicht dazu, weil das Christentum dieses nicht vorsieht.
Agrippa- Gründungsmitglied
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Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Ich will nicht sagen, dass es keine Ausbreitung mehr gab, nur das Tempo war nicht mehr mit dem der ersten 2 Jahrhunderte vergleichbar. Gerade die Sachsen wurden erst unter Karl zwangschristianisiert, soweit ich weiß.Agrippa schrieb:
Es gibt zahlreiche Gegenbeispiele zu Deiner These. Die Missionare in Britannien und Sachsen lebten noch gefährlicher als ihre Vorgänger im Römischen Reich.
Ich wähle die Begriffe Sozialismus und Anarchie nur mit Einschränkung. Natürlich kann keine moderne Strömung 1:1 auf die Antike übertragen werden, schon gar nicht ihr philosophisch-ideolgischer Überbau. Es sind nur gemeinsame Voraussetzungen und Eigenschaften da.Agrippa schrieb:
Oberflächlich gesehen haben Christentum und Sozialismus vielleicht manche Gemeinsamkeiten, genauer betrachtet zeigen sich aber die grundlegenden Unterschiede.
Der Sozialismus ist eine rein materielle Weltanschauung. Sie regelt die, in ihren Augen, ungerechte Verteilung der Produktionsgüter zugunsten der arbeitenden und produzierenden Klasse, dem sog. Proletariat.
Diese gemeinsame Voraussetzung ist in meinen Augen die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, die im 19. Jahrhundert offenbar ist, in der Spätantike mehr vermutet als nachgewiesen werden kann.
Das ist falsch. Das Christentum verlangt ausdrücklich die Umverteilung der Güter. In der Apostelgeschichte wird die jerusalemer Gemeinde als eine Gütergemeinschaft beschrieben. Auch die Katharer betrieben diese Umverteilung, um ein Beispiel aus dem anderen Zweig des Christentums zu nennen. Der große Unterschied zum Sozialismus ist der, dass es keine Gewalt dabei gab. Der einzige Zwang war moralisch.Agrippa schrieb:
Im Christentum dagegen gab es keine Umverteilung von materiellen Gütern.
Auch das ist falsch. Mark Aurel beschwert sich in seinen Selbstbetrachtungen ausdrücklich über die Widersetzlichkeit der Christen. Origenes verrät uns, dass Christen weder an öffentlichen Feiern oder anderen Veranstaltungen, noch am Militärdienst noch an der Administration teilnahmen. Die Weigerung für das Glück des Kaisers zu opfern und zu beten ist allgemein bekannt. Die Christen ließen sich lieber foltern und töten. Nur Steueren zahlten sie.Agrippa schrieb:
Es gab auch keinen Aufruf zu zivilem Ungehorsam oder Verweigerung von Steuern.
Andere anarchistische Strömungen aus der Antike sind mir nicht bekannt. Für die relevante Zeit sind mir auch keine anderen Versuche zur sozialen Reform bewusst. Kennst Du welche? Das wäre interessant.Agrippa schrieb:
Nach Tolerierung bzw. Einführung des Christentums ändert sich an der sozial-ökonomischen Lage im Römischen Reich nichts in Richtung Sozialismus oder gar Anarchie. Für solche Ansätze benötigten die Römer auch keine neue Religion, solche Revolutionsansätze hat es immer gegeben. Zu erinnern wäre an die Aktivitäten um Gaius und Tiberius Gracchus um 133 v.Chr.
Wenn das Christentum eine sozialistische Bewegung gewesen wäre, dann hätte es unter Konstantin zu umfangreichen Enteignungen von großen Landgütern kommen müssen und zu einer Umverteilung der Güter. Es kam bekanntermaßen nicht dazu, weil das Christentum dieses nicht vorsieht.
Es scheint uns, als ob mit der Tolerierung des Christentums unter Konstantin diese Religion das Römische Reich besiegt hat. Das Gegenteil ist der Fall. Das Christentum nach der Mailänder Vereinbarung ist dogmatisch dasselbe geblieben. Der soziale Aspekt ist fast völlig verlorengegangen. Jetzt partizipieren die Christen am öffentlichen Leben und sind Soldaten. Sie verehren den Kaiser.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Ich kann jetzt noch die Belegstellen nachliefern.
1. Urgemeinde in Jerusalem:
"Alle aber, die gläubig waren geworden, waren beieinander und hielten alle Dinge gemein. Ihre Güter und Habe verkauften sie und teilten sie aus unter alle, nach dem jedermann not war." (Apg 2,44f)
"Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein." (Apg 4,32)
2. Verweigerung des Kriegsdienstes:
"Im folgenden ermahnt uns Celsus, "wir sollten dem Kaiser beistehen mit aller Kraft, mit ihm für das uns abmühen, was recht ist, für ihn kämpfen und, wenn die Not es forderte, mit ihm ins Feld rücken und mit ihm seine Truppen anführen".
Und je frömmer jemand ist, um so mehr richtet er durch seine den Herrschern geleistete Hilfe aus, auch mehr als die Soldaten, die zur Feldschlacht ausziehen und so viele von den Feinden vernichten, als sie imstande sind.
und wenn ein Krieg ausbricht, so macht ihr doch wohl nicht auch die Priester zu Soldaten. Wenn dies nun mit gutem Grunde geschieht, um wieviel mehr wird es dann vernnünftig sein, daß die Christen, während die andern zu Felde ziehen, als Priester und Diener Gottes an dem Feldzuge teilnehmen, indem sie ihre Hände rein bewahren und mit ihren an Gott gerichteten Gebeten für die gerechte Sache und deren Verteidiger und für den rechtmäßigen Herrscher kämpfen, damit alles vernichtet werde, was sich der guten Sache und ihren Verteidigern feindlich widersetzt!
"Wir kämpfen" sogar mehr1 "für den Kaiser"; und wenn wir auch nicht "mit ihm ins Feld rücken", "sobald die Not es fordert", so ziehen wir doch für ihn zu Felde, indem wir ein besonderes Kriegsheer der Frömmigkeit durch die an die Gottheit gerichteten Fürbitten zusammenbringen." (Origenes Contra Celsum VIII,73)
3. Weigerung, öffentliche Ämter zu übernehmen:
"Celsus ermahnt uns weiter, "wir sollten obrigkeitliche Ämter in der Vaterstadt übernehmen, wenn die Erhaltung der Gesetze und die Gottesfurcht auch dieses fordere".
Gerade unsere trefflichen Vorsteher haben ihr Amt durch Zwang erhalten, indem "der große König" sie dazu nötigte, von dem wir glauben, daß er der Sohn Gottes, Gott, das Wort ist.
Wenn nun die Christen die übernahme von staatlichen Ämtern ablehnen, so tun sie das nicht, um sich den gemeinsamen Dienstleistungen des bürgerlichen Lebens zu entziehen, sondern um sich für den göttlicheren und notwendigeren Dienst an der Kirche Gottes zum Wohle der Menschen zu erhalten." (ebenda VIII,75)
4. Fernbleiben von öfffentlichen Veranstaltungen:
Vorwurf des Celsus: "Gott fürwahr ist allen gemeinsam, er ist gut und bedürfnislos und ohne Neid; was hindert also die besonders ihm Geweihten daran, auch an den öffentlichen Festen teilzunehmen?" (ebenda VIII,21)
Man sieht, dass die frühen Christen sich in Gemeinschaften absonderten, die viele Aspekte einer Kommune hatten, wobei sie eher mit modernen Sekten als mit kommunistischen Zellen vergleichbar sind.
Wie sehr die Christen sich vom Allgemeinwohl distanzierten zeigt meiner Meinung nach auch der Hass, der ihnen von der übrigen Bevölkerung und der Elite entgegenschlug. Die Verfolgungen sind zwar bis zum Anfang des 3. Jhdt. überschaubar, aber für einen Rechtsstaat nur schwer erklärbar. Der Staat fühlte sich bedroht.
Man stelle sich vor, in allen Städten Deutschlands würden sich große salafistische Gemeinden bilden. So ähnlich stelle ich mir das vor.
1. Urgemeinde in Jerusalem:
"Alle aber, die gläubig waren geworden, waren beieinander und hielten alle Dinge gemein. Ihre Güter und Habe verkauften sie und teilten sie aus unter alle, nach dem jedermann not war." (Apg 2,44f)
"Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein." (Apg 4,32)
2. Verweigerung des Kriegsdienstes:
"Im folgenden ermahnt uns Celsus, "wir sollten dem Kaiser beistehen mit aller Kraft, mit ihm für das uns abmühen, was recht ist, für ihn kämpfen und, wenn die Not es forderte, mit ihm ins Feld rücken und mit ihm seine Truppen anführen".
Und je frömmer jemand ist, um so mehr richtet er durch seine den Herrschern geleistete Hilfe aus, auch mehr als die Soldaten, die zur Feldschlacht ausziehen und so viele von den Feinden vernichten, als sie imstande sind.
und wenn ein Krieg ausbricht, so macht ihr doch wohl nicht auch die Priester zu Soldaten. Wenn dies nun mit gutem Grunde geschieht, um wieviel mehr wird es dann vernnünftig sein, daß die Christen, während die andern zu Felde ziehen, als Priester und Diener Gottes an dem Feldzuge teilnehmen, indem sie ihre Hände rein bewahren und mit ihren an Gott gerichteten Gebeten für die gerechte Sache und deren Verteidiger und für den rechtmäßigen Herrscher kämpfen, damit alles vernichtet werde, was sich der guten Sache und ihren Verteidigern feindlich widersetzt!
"Wir kämpfen" sogar mehr1 "für den Kaiser"; und wenn wir auch nicht "mit ihm ins Feld rücken", "sobald die Not es fordert", so ziehen wir doch für ihn zu Felde, indem wir ein besonderes Kriegsheer der Frömmigkeit durch die an die Gottheit gerichteten Fürbitten zusammenbringen." (Origenes Contra Celsum VIII,73)
3. Weigerung, öffentliche Ämter zu übernehmen:
"Celsus ermahnt uns weiter, "wir sollten obrigkeitliche Ämter in der Vaterstadt übernehmen, wenn die Erhaltung der Gesetze und die Gottesfurcht auch dieses fordere".
Gerade unsere trefflichen Vorsteher haben ihr Amt durch Zwang erhalten, indem "der große König" sie dazu nötigte, von dem wir glauben, daß er der Sohn Gottes, Gott, das Wort ist.
Wenn nun die Christen die übernahme von staatlichen Ämtern ablehnen, so tun sie das nicht, um sich den gemeinsamen Dienstleistungen des bürgerlichen Lebens zu entziehen, sondern um sich für den göttlicheren und notwendigeren Dienst an der Kirche Gottes zum Wohle der Menschen zu erhalten." (ebenda VIII,75)
4. Fernbleiben von öfffentlichen Veranstaltungen:
Vorwurf des Celsus: "Gott fürwahr ist allen gemeinsam, er ist gut und bedürfnislos und ohne Neid; was hindert also die besonders ihm Geweihten daran, auch an den öffentlichen Festen teilzunehmen?" (ebenda VIII,21)
Man sieht, dass die frühen Christen sich in Gemeinschaften absonderten, die viele Aspekte einer Kommune hatten, wobei sie eher mit modernen Sekten als mit kommunistischen Zellen vergleichbar sind.
Wie sehr die Christen sich vom Allgemeinwohl distanzierten zeigt meiner Meinung nach auch der Hass, der ihnen von der übrigen Bevölkerung und der Elite entgegenschlug. Die Verfolgungen sind zwar bis zum Anfang des 3. Jhdt. überschaubar, aber für einen Rechtsstaat nur schwer erklärbar. Der Staat fühlte sich bedroht.
Man stelle sich vor, in allen Städten Deutschlands würden sich große salafistische Gemeinden bilden. So ähnlich stelle ich mir das vor.
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Judas Phatre schrieb:
Wie sehr die Christen sich vom Allgemeinwohl distanzierten zeigt meiner Meinung nach auch der Hass, der ihnen von der übrigen Bevölkerung und der Elite entgegenschlug. Die Verfolgungen sind zwar bis zum Anfang des 3. Jhdt. überschaubar, aber für einen Rechtsstaat nur schwer erklärbar. Der Staat fühlte sich bedroht.
Man stelle sich vor, in allen Städten Deutschlands würden sich große salafistische Gemeinden bilden. So ähnlich stelle ich mir das vor.
Also, das finde ich eine gewagte These. Dass andersartige verfolgt oder verachtet werden, ohne aber dem Allgemeinwohl zu schaden (ja manchmal trotz ihrem nutzen), dafür gibt es etliche Beispiele. Juden, Homosexuelle, Prostituierte, Kapitalisten, Kulaken, nationale Minderheiten...
Wohl aber ist in Diktaturen (und das war das Imperium Romanum ja seit Augustus) immer mal wieder geneigt, Minderheiten als Blitzableiter zu benutzen..
Marek1964- Admin
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Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Ich habe nicht gesagt, dass die Christen dem Staat Schaden zufügen wollten. Das Christentum in seinen Anfängen war geradezu faszinierend friedlich. Es ist aber eindeutig, dass sie sich für etwas Besseres hielten und es ablehnten, am Staat mitzuwirken.Marek1964 schrieb:Judas Phatre schrieb:
Wie sehr die Christen sich vom Allgemeinwohl distanzierten zeigt meiner Meinung nach auch der Hass, der ihnen von der übrigen Bevölkerung und der Elite entgegenschlug. Die Verfolgungen sind zwar bis zum Anfang des 3. Jhdt. überschaubar, aber für einen Rechtsstaat nur schwer erklärbar. Der Staat fühlte sich bedroht.
Man stelle sich vor, in allen Städten Deutschlands würden sich große salafistische Gemeinden bilden. So ähnlich stelle ich mir das vor.
Also, das finde ich eine gewagte These. Dass andersartige verfolgt oder verachtet werden, ohne aber dem Allgemeinwohl zu schaden (ja manchmal trotz ihrem nutzen), dafür gibt es etliche Beispiele. Juden, Homosexuelle, Prostituierte, Kapitalisten, Kulaken, nationale Minderheiten...
Wohl aber ist in Diktaturen (und das war das Imperium Romanum ja seit Augustus) immer mal wieder geneigt, Minderheiten als Blitzableiter zu benutzen..
Für die Verfolgung von Christen gab es auch noch andere Gründe, die aber sehr spekulativ sind. Natürlich waren sie Prügelknaben, die Frage aber ist: Wieso sie? Die Juden boten sich doch förmlich an. Sie hatten 3 enorm verlustreiche Aufstände verschuldet und passten sich genauso wenig an wie die Christen. Warum begnügte man sich mit steuerlichen Nachteilen und folterte oder tötete sie nicht auch?
Nein, die Christen mussten sowohl für den Staat als auch für große Teile der Bevölkerung als eine viel größere Bedrohnung angesehen worden sein. Im Philippusevangelium (schwer zu datieren, m.E. Mitte 2. Jhdt) heißt es:
"Wenn du sagst 'Ich bin Jude', bewegt das keinen. Wenn du sagst 'Ich bin Römer', stört das keinen. Wenn du sagst 'Ich bin Grieche, Barbar, Sklave, Freier', beunruhigt das keinen. Wenn du aber sagst 'Ich bin Christ', wird die [Menge] zittern." (NHC II,2,62,28ff)
Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Judas Phatre schrieb:
Man stelle sich vor, in allen Städten Deutschlands würden sich große salafistische Gemeinden bilden. So ähnlich stelle ich mir das vor.
Der Vergleich der frühen Christen mit den heutigen Salafisten ist weit verfehlt.
Gegen Salafisten hätte niemand etwas, wenn nicht aus ihren Reihen gewaltbereite potenzielle Kämpfer rekrutiert würden, die im Krieg in Syrien und dem Irak ihr mörderisches Unwesen treiben.
Die Befürchtung, diese Gewalttäter könnten nach ihrer Rückkehr in Europa weitere Gewalttaten durchführen, ist nicht unbegründet.
Von den frühen Christen ging nicht im geringsten eine derartige Gefahr aus.
Agrippa- Gründungsmitglied
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Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Das Neue am Christentum war, dass die Würde jedes einzelnen Menschen vor Gott als unantastbar galt.
Ganz gleich ob er Grieche, Jude, Römer oder sonst etwas war. Ganz gleich ob er Sklave, Freigelassener oder römischer Bürger war.
Für einen heidnischen Römer war es vollkommen abwegig, einen Fremden auf dem Krankenlager oder im Gefängnis zu besuchen, um ihm Trost zu zusprechen.
Ein heidnischer Römer liebte seine Angehörigen und Freunde, aber einem Fremden beizustehen, nur weil er ein Mensch war, das war den meisten Römern suspekt.
Mit dieser Sichtweise war das Christentum dem antiken römischen Staat um Jahrtausende voraus und es bildet auch heute noch das Grundgerüst des Wertesystems westlicher Demokratien.
Das sollte man allerdings nicht mit Sozialismus verwechseln. Im Sozialismus zählt nicht das Individuum, sondern nur die Masse, also das Proletariat.
Ganz gleich ob er Grieche, Jude, Römer oder sonst etwas war. Ganz gleich ob er Sklave, Freigelassener oder römischer Bürger war.
Für einen heidnischen Römer war es vollkommen abwegig, einen Fremden auf dem Krankenlager oder im Gefängnis zu besuchen, um ihm Trost zu zusprechen.
Ein heidnischer Römer liebte seine Angehörigen und Freunde, aber einem Fremden beizustehen, nur weil er ein Mensch war, das war den meisten Römern suspekt.
Mit dieser Sichtweise war das Christentum dem antiken römischen Staat um Jahrtausende voraus und es bildet auch heute noch das Grundgerüst des Wertesystems westlicher Demokratien.
Das sollte man allerdings nicht mit Sozialismus verwechseln. Im Sozialismus zählt nicht das Individuum, sondern nur die Masse, also das Proletariat.
Agrippa- Gründungsmitglied
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Re: Das Christentum: Soziale Revolution über 3 Jahrhunderte?
Die christliche Caritas war auch den asiatischen Kulturkreisen fremd,
deshalb fand die Missionierung in manchen Regionen - wie z.B. Vietnam -
regen Anklang, die Menschen konvertierten.
deshalb fand die Missionierung in manchen Regionen - wie z.B. Vietnam -
regen Anklang, die Menschen konvertierten.
Gontscharow- Gründungsmitglied
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