Der Vertrag von Versailles, St. Germain und Trianon: War die Friedensordnung von 1919 zum scheitern verurteilt oder besser als ihr Ruf?
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Re: Der Vertrag von Versailles, St. Germain und Trianon: War die Friedensordnung von 1919 zum scheitern verurteilt oder besser als ihr Ruf?
Zur Pariser Friedenskonferenz erschien heute ein ganzseitiger Artikel unter dem Titel "Die Experten" von Maciej Gorny. Er führt aus, daß die eigentlichen Hauptpersonen der Siegermächte von Arroganz und Ignoranz geprägt waren. Da gab es einen Rat der Zehn, der sehr schnell zu einem Rat der Fünf wurde: USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Japan wurde von den Westmächten ignoriert. Da waren's nur noch vier. Und da die Großmächte die Bestrebungen Italiens mit ähnlicher Missachtung behandelten, da waren's nur noch drei. Auch die Oststaaten fühlten sich nicht ausreichend gewürdigt. Der polnische Vertreter Roman Dmowski, der Rumäne Bratianu und der Repräsentant der Tschechen und Slowaken Edvard Benes waren unter den Siegern, aber in Wirklichkeit war keiner von ihnen in Paris mehr als nur Bittsteller.
Die große Zahl der Experten aus den verschiedenen Ländern arbeiteten eigentlich sehr konstruktiv zusammen, konnten aber nicht entscheidend zur eigentlichen Entscheidungsebene durchdringen. Dort saßen anscheinend müde, alte Männer. Über wirkliche Macht verfügten nur die Großen Drei. Alle übrigen Teilnehmer spielten die Rolle von Bittstellern.
Die große Zahl der Experten aus den verschiedenen Ländern arbeiteten eigentlich sehr konstruktiv zusammen, konnten aber nicht entscheidend zur eigentlichen Entscheidungsebene durchdringen. Dort saßen anscheinend müde, alte Männer. Über wirkliche Macht verfügten nur die Großen Drei. Alle übrigen Teilnehmer spielten die Rolle von Bittstellern.
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Re: Der Vertrag von Versailles, St. Germain und Trianon: War die Friedensordnung von 1919 zum scheitern verurteilt oder besser als ihr Ruf?
Natürlich gab es Hierarchien zwischen den Siegermächten. Die Tschechoslowaken mit Masaryk, Beneš und Štefanik waren, so wird das in tschechischer und slowakischer Geschichtsschreibung rezipiert, sehr erfolgreich im Lobbying für einen Staat, der erst mal überhaupt geschaffen werden musste. Da halfen auch die Legionen, die geschaffen wurden, teils aus Exilbürgern, teils aus Kriegsgefangenen und Überläufern.
Meine erste Strasse, in der ich in Prag wohnte, hiess Strasse des 28. Regiments - es war ein Regiment, das geschlossen überlief.
Lange Zeit während des Krieges war überhaupt nicht sicher, dass es neue Staaten geben sollte. Da war dann der tschechoslowakische Staat in den Grenzen von 1919 ein grosser Erfolg, da es g, den böhmisch-mährischen Wirtschaftsraum zusammen zu behalten. Dass allerdings damit eine Hypothek mit der Deutschen Minderheit übernommen wurde, war auch klar. Die Hoffnung, die Masaryk und Beneš hatten, dass sich grosse Teile der Bevölkerung nun zur tschechischen Nation bekennen würden, die es vorher nicht taten, erfüllte sich nur teilweise.
Man kann den Machthabern von damals sicher Inkompetenz vorwerfen, andererseits, ist es heute soviel besser...? Niemand konnte sich in der unübersichtlichen Völkergemischen, die das Habsburger aber auch das Osmanische Reich hinterlassen haben, auskennen.
Mein Fazit bleibt: Die Pariser Vorortsverträge, sie waren nicht so schlecht, wie man sie immer darstellt, aber die Probleme konnten sie nicht alle lösen, aber meiner Meinung nach gab es die einfach schlicht nicht, dafür war Europa nach diesem furchtbaren Krieg einfach nicht in der Lage.
Der fürchterliche Fehler war, dass ihn die Habsburger vom Zaun rissen, statt sich innerlich zu konsolidieren.
Meine erste Strasse, in der ich in Prag wohnte, hiess Strasse des 28. Regiments - es war ein Regiment, das geschlossen überlief.
Lange Zeit während des Krieges war überhaupt nicht sicher, dass es neue Staaten geben sollte. Da war dann der tschechoslowakische Staat in den Grenzen von 1919 ein grosser Erfolg, da es g, den böhmisch-mährischen Wirtschaftsraum zusammen zu behalten. Dass allerdings damit eine Hypothek mit der Deutschen Minderheit übernommen wurde, war auch klar. Die Hoffnung, die Masaryk und Beneš hatten, dass sich grosse Teile der Bevölkerung nun zur tschechischen Nation bekennen würden, die es vorher nicht taten, erfüllte sich nur teilweise.
Man kann den Machthabern von damals sicher Inkompetenz vorwerfen, andererseits, ist es heute soviel besser...? Niemand konnte sich in der unübersichtlichen Völkergemischen, die das Habsburger aber auch das Osmanische Reich hinterlassen haben, auskennen.
Mein Fazit bleibt: Die Pariser Vorortsverträge, sie waren nicht so schlecht, wie man sie immer darstellt, aber die Probleme konnten sie nicht alle lösen, aber meiner Meinung nach gab es die einfach schlicht nicht, dafür war Europa nach diesem furchtbaren Krieg einfach nicht in der Lage.
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Re: Der Vertrag von Versailles, St. Germain und Trianon: War die Friedensordnung von 1919 zum scheitern verurteilt oder besser als ihr Ruf?
Hier ist noch ein kostenloser Download von einer Reihe von Aufsätzen zu den Pariser Vorortsverträgen: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/288794/pariser-friedensordnung
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Re: Der Vertrag von Versailles, St. Germain und Trianon: War die Friedensordnung von 1919 zum scheitern verurteilt oder besser als ihr Ruf?
Hier habe ich auch eine Karikatur und dazu eine Interpretation, offenbar eine Hausaufgabe in der Schule:
http://www.popp-sport.de/02%20Geschichtsunterricht/12%20Pruefung/06%20Weimarer%20Rep/04%20Karikaturen/2014%20Karikatur%20Vers%20Vertr.pdf
Bin gespannt auf Eure Kommentare
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Re: Der Vertrag von Versailles, St. Germain und Trianon: War die Friedensordnung von 1919 zum scheitern verurteilt oder besser als ihr Ruf?
Klartext schrieb:Hier habe ich auch eine Karikatur und dazu eine Interpretation, offenbar eine Hausaufgabe in der Schule:
http://www.popp-sport.de/02%20Geschichtsunterricht/12%20Pruefung/06%20Weimarer%20Rep/04%20Karikaturen/2014%20Karikatur%20Vers%20Vertr.pdf
Bin gespannt auf Eure Kommentare
Das hier ist ein Zitat aus diesem Geschichtsunterricht:
Der Versailler Vertrag schränkte so zum Beispiel die Wehrmacht der Deutschen erheblich ein und schadete der Wirtschaft durch die Reparationszahlungen und dem Verlust einiger Gebiete, die im großen Maße an der Schwerindustrie Deutschlands beteiligt waren. Die Guillotine und der Verurteilte symbolisieren den Versailler Vertrag, dessen Auswirkungen und vor allem dessen Wahrnehmung von Deutschen.
Und schon 20 Jahre später sah alles wieder ganz anders aus. Im September 1939 z.B. befreite das "geknechtete Deutschland" seine geraubten Gebiete in Polen. Und Russland holte sich im Osten seinen Happen. Vorher ein Nichtangriffspakt mit Deutschland am 23.8.1939 und schon konnte es - dank eines geheimen Zusatzprotokolls - im September losgehen. In Brest-Litowsk gab es eine gemeinsame Parade deutscher und sowjetischer Panzereinheiten. Stalins Außenminister Molotow triumphierte am 31. Oktober 1939, "ein kurzer Schlag gegen Polen zuerst von Seiten der deutschen Armee, dann durch die Rote Armee" habe genügt, "damit von dieser Mißgeburt des Versailler Vertrags nichts bleibt".
Und heute versucht Putin mit Nachdruck die Geschichte "zurechtzurücken" und Stalin wieder in strahlendem Licht zu zeigen. Dazu muß er natürlich auch Deutschland rehabilitieren. In einem langen Vortrag vor den Spitzen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sagte Putin, "mit dem Versailler Vertrag, "faktisch der Beraubung Deutschlands", habe der Westen den Nazis mit eigener Hand freie Bahn für Revanche gegeben".
So wurde schon immer Geschichte weiterentwickelt und neu interpretiert.
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