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Der "rechte Sektor" greift an

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Beitrag von Gontscharow Mo Jun 08, 2015 10:08 am

Am letzten Wochenende hat in Kiew zum dritten Mal eine gay pride Demonstration stattgefunden.
Rund 200 mutige Frauen und Männer wagten es, in Kiew für ein Ende ihrer Diskriminierung
durch die ukrainische Gesellschaft zu demonstrieren. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko
hatte die Demonstranten im Vorfeld gebeten, auf die Parade zu verzichten, da es Drohungen
ukrainischer Neonazis gegeben hat.
Die Demonstranten marschierten trotzdem, ein schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot sollte sie schützen.
Die Neonazis griffen zunächst die Polizei an und verletzten viele Polizisten , zum Teil so schwer,
daß diese in Lebensgefahr schweben.
Dann wurden die Teilnehmer der Demonstration durch Kiew gejagt und auf den Hinterhöfen der Häuser
zusammengeschlagen. Im ukrainischen Fernsehen konnte man die Lautsprecherdurchsagen der Polizei
hören, die die Demonstranten warnte, in die Hinterhöfe zu flüchten, da die Nazis dort prügeln würden.

In Warschau, Riga, Moskau und vielen anderen Städten des ehemaligen Ostblocks gab und gibt es ähnliche
Szenen. Das Besondere der ukrainischen Situation ist die ausgesprochene Brutalität der Neonazis, die absolute
Mißachtung der staatlichen (Polizei)gewalt und das interesselose bis feindseelige Stillhalten der Zivilgesellschaft.
Immerhin hat die ukrainische Regierung, Präsident Poroschenko und Vitali Klitschko zum ersten Mal
vorsichtig davon gesprochen, daß man die Rechte der Homosexuellen achten solle.




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Beitrag von Judas Phatre Mo Jun 08, 2015 4:07 pm

Da ist wieder das Paradoxe: Die Rechten in Russland und der Ukraine teilen viele (bescheuerte [Anm. der Redaktion]) Überzeugungen, grenzen sich aber mit ihrem Nationalismus voneinander ab.
Wie steht eigentlich die Kirche der Ukraine zur Homosexualität und welche Bedeutung hat die Kirche in der Gesellschaft?
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Beitrag von Gontscharow Mo Jun 08, 2015 6:38 pm

Es gibt drei orthodoxe Staatskirchen in der UA, alle verurteilen die Homosexualität.
Die Kirchen sind traditionell eng mit dem Staat vernbunden, das war sogar in der
Sowjetunion so, man duldete sie in einer Nische und überwachte sie penibel, bzw. das
klerikale Spitzenpersonal entstammte dem KGB.
Viele Russen und Ukrainer haben sich nach dem Zerfall der SU taufen lassen und wollten
Christen sein, so wie ihre Vorfahren vor der Revolution. Mir kam das oft wie eine "Mode" vor,
die nur einer geringen oder gar keiner inneren Überzeugung entsprach.
Die Kirchen haben deutlich an Terrain gewonnen, und das Wissen über das Christentum hat sich wieder verbreitet. Trotzdem : der Traditionsbruch nach 1917 ff. ist unübersehbar.
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Beitrag von Klartext Mo Jun 08, 2015 11:42 pm

Für mich ein klares Signal, wie weit weg Osteuropa, also Russland wie wohl auch die Ukraine von Europa sind. Auch 25 Jahre nach der Wende.

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Beitrag von Atzec Di Jun 09, 2015 11:13 am

Gontscharow schrieb:Das Besondere der ukrainischen Situation ist die ausgesprochene Brutalität der Neonazis, die absolute
Mißachtung der staatlichen (Polizei)gewalt und das interesselose bis feindseelige Stillhalten der Zivilgesellschaft.
Immerhin hat die ukrainische Regierung, Präsident Poroschenko und Vitali Klitschko zum ersten Mal
vorsichtig davon gesprochen, daß man die Rechte der Homosexuellen achten solle.

Sehr traurig. Wobei mich der 3. Punkt, "das interesselose bis feindseelige Stillhalten der Zivilgesellschaft", wieder etwas stutzig macht.

Lange bevor ich überhaupt von der Existenz einer Conchita Wurst erfahren habe, hatten sich schon ukrainische Homosexuelle national für den Eurovision Contest qualifiziert. Insofern ist die ukrainische Zivilgesellschaft vielleicht gar nicht so interessenlos und noch nicht einmal besonders feindselig, sondern ohne Organisationen, Zugang zu Medien, ohne große Sprachrohre. Bezwichnend doch auch, dass dieses wirklich besonders widerwärtige ukrainische Faschistengesindel erbarmungslos bei den Parlamentswahlen abgestraft und in die Schranken verwiesen wurde.
Ich denke, die deutliche Mehrheit hat dieses Pack satt. Aber statt mit denen sich in einer Sprache auf Augenhöhe in Benehmen zu setzen, hält sich die Staatsmacht bewusst zurück, weil sie die Trottel als Verheizungsmaterial in der Ostukraine braucht...

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Beitrag von SarahF Di Jun 09, 2015 12:23 pm

Ich kenne zwei Ukrainerinnen und die haben nichts gegen Schwule oder Lesben, sondern haben eine Einstellung , die der unseren entspricht. Allerdings leben und studieren sie auch hier in
Deutschland und sind sicher nicht repräsentativ für das ukrainische Volk insgesamt.
Ich hoffe auch, dass es so ist, dass die schweigende Mehrheit gegen Diskriminierung ist,
aber nicht wahrgenommen wird, sondern nur die extremistischen Schreihälse aller Seiten.
Sicher wäre ich mir da aber ganz und gar nicht, ich habe schon zu viele Beiträge über Homophobie in Osteuropa gehört, besonders in Rußland.
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Beitrag von Atzec Di Jun 09, 2015 12:57 pm

Na ja, es ist doch schon bemerkenswert, dass in vielen Ländern Osteuropas die Votings der füfnköpfigen Jurys für Wurst ziemlich negativ waren und sie dort vor allem durch die Bevölkerung gevotet wurde!
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/conchita-wurst-beim-esc-abstimmung-von-jury-und-zuschauern-a-968858.html

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Beitrag von Judas Phatre Di Jun 09, 2015 4:15 pm

Mir kommt es so vor, als würde eine Gesellschaft in der Diktatur eingefroren. Der weltfremde Nationalismus, die Intoleranz gegen Randgruppen, das erinnert an die 50er und 60er Jahre bei uns. Es braucht wohl eine Generation, um die allgemeine Meinung in der Bevölkerung zu ändern, ähnlich wie bei den Südslawen. Dort würde doch auch keiner mehr nationalistisch motivierte Kriege vom Zaun brechen (hoffe ich).
Es würde mich wundern, wenn die Mehrheitsmeinung in der Ukraine für die Gleichstellung Homosexueller wäre. Die Liberalen beschränken sich vermutlich weitgehend auf die junge gebildete Bevölkerung. Glücklicherweise sind das die Kulturträger. Ich bin sicher, dass der Eintritt in die EU diese liberale Strömung rasch verstärken wird. Auch deshalb sollte möglichst bald eine friedliche Lösung im Osten gefunden werden.
Ich habe nach der Rolle der Kirche gefragt, weil meiner Meinung nach das rechtgläubige Christentum und der Islam einen großen Anteil an der Verteufelung der Homosexualität haben. Ägypter, Griechen und Römer sahen das viel entspannter.
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Beitrag von Atzec Mi Jun 10, 2015 10:08 am

Und die alten Slawen sind alle dumm, oder was? :-) Die "real existierenden sozialistischen" Staaten haben durchaus eine Bildungssystemqualität gehabt, die unserer nicht sooo weit hinterherhinkte. Bilanziere ich weiter den großen Anteil von Ex-Sowjetunionisten in meinem Freundes- und Bekanntenkreis würde ich mir Volksabstimmungen über die Homo-Ehe z.B. in der Ukraine und In Russland vom Ausgang auch nicht viel anders vorstellen als in Irland...

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Beitrag von Gontscharow Mi Jun 10, 2015 12:39 pm

Mit dem Unterschied, Atzec, daß die "Ex-Sowjetunionisten" Smile deines Freundeskreises IN DEUTSCHLAND leben. Emigranten sind nie typisch für ihre Heimatländer, die sie aus unterschiedlichen Motiven verlassen haben .... Allen gemeinsam aber ist das Bestreben und die Hoffnung auf ein besseres Leben als in der alten Heimat. Daher sind sie nicht nur bereit, eine neue Sprache zu lernen, sondern auch zu großen Teilen die Mentalität und Ansichten der neuen Heimat zu übernehmen. Nach etlichen Jahren stellen sie dann bei einem nostalgischen Besuch in der alten Heimat fest, daß diese ihnen fremd geworden ist und sie von nun an zwischen zwei Stühlen sitzen.
Ich habe mich weder in Warschau noch in Kiew / der Ukraine jemals als Homosexueller zu erkennen gegeben, und das hat seine guten Gründe. Die Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung dazu ist einfach ablehnend, so wie sie es früher in Deutschland auch war, am ehesten sind die von JP genannten "Kulturträger" westlicher Orientierung noch zu Toleranz und Akzeptanz bereit. Es hat einige Jahrzehnte gedauert,die Einstellung zur Homosexualität hierzulande / im Westen zu ändern. Hundertprozentig war der Erfolg übrigens auch bei uns nicht ( es gibt immer noch Homophobie, insbesondere bei wenig gebildeteten aber um so gewaltbereiteren jungen Männern. Wenn sie dann auch noch Moslems sind, ist meist Hopfen und Malz verloren ) - und wird er voraussichtlich auch nie sein.
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Beitrag von Atzec Mi Jun 10, 2015 5:57 pm

Ja, das ist auch immer wieder eine hochinteressante Beobachtung, wie entsetzt und entfremdet Ex-SUler reagieren, wenn sie nach mehreren Jahren mal wieder die alte Heimat besuchen und wie ungerne viele das machen (eigentlich nur noch wg. Verwandtschaft).
Mir gehen halt solche Phänomene durch den Kopf wie das Abschneiden der Wurst beim ESC, der Umstand, dass die Ukraner da auch schon einen Schwulen hingeschickt haben, den Umstand, dass beim ukranischen x-factor ein Homo in der Jury sitzt. Ich will ja gerne glauben, dass dort Homophobie noch viel verbreiterter und vor allem militanter ist als bei uns. Ganz so hinterwäldlerisch sind die in der Frage auch nicht drauf,so mein Eindruck. Aber gut. Du bist da viel dichter dran...

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Beitrag von Judas Phatre Mi Jun 10, 2015 11:09 pm

Marek,
was sagt denn unser Tschechien-Experte? Hat sich dort die öffentliche Meinung bezüglich Toleranz gegenüber "Randgruppen" geändert?
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Beitrag von Gontscharow Fr Jun 12, 2015 12:30 pm

Heute lese ich auf einer ukrainischen Nachrichtenseite, daß die Neonazis des "Rechten Sektor" die ausländischen Bewohner eines Studentenwohnheims tätlich angegangen sind und daß es zu Provokationen seitens dieser Fanatiker vor dem russischen Konsulat in Charkow gekommen ist.

In den Wahlen schneiden die Neonazis regelmäßig schlecht ab ( unter 5 % ), die Sympathien
der Normalbevölkerung haben sie gewiss nicht. Sie sind aber durch den Krieg in ihrem Land aufgeputscht und äußerst gewalttätig, das unterscheidet sie von ihren Gesinnungsgenossen in anderen Ländern.
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Beitrag von Judas Phatre Fr Jun 12, 2015 4:34 pm

Wie gehen denn Politik und Presse mit ihnen um? War nicht eine nationalistische Fraktion mit in der Regierung?
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Beitrag von Gontscharow Fr Jun 12, 2015 8:23 pm

Diese Gruppierung Пра́вий се́ктор ( rechter Sektor) war an der Verteidigung des Euromaidan
gegen die Regierungstruppen beteiligt, dafür wurde sie in die neue Regierung aufgenommen.
Eine andere extrem rechte Partei namens Swoboda ist nicht in der Regierung, es ist jeweils schwierig zu sagen, wem die gewalttätigen Neonazis angehören. Natürlich gibt es nicht wenige Stimmen in der Ukraine, die die Regierungsteilnahme des Rchten Sektor skandalös finden, weltweit wird von Kritikern auch immer wieder auf diesen Umstand hingewiesen. Ob Poroschenko meint, er bräuchte jeden, aber wirklich jeden Verbündeten ?
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Beitrag von monplesir312 Fr Jun 12, 2015 8:39 pm

It is 2015 now, it is the 21-st century. So, it is even strange to hear when somebody support such wild neonazi organizations as theso-called Right Sector. But this organisation is not the only one. There is also another same party called Svoboda (Freedom) which is also confessing the neonazi ideology. They developed their false and absurd theory and state that Ukrainians are the main nation and announce Russia in all the bad things taking place in Ukraine. And the most cynic is a fact that both of these parties leaders are the members of Ukrainian Parliament. How could it be? And how could they be supported by politicians in other countries! There is no any other country supporting neonazi ideology! It is strictly forbidden all over the world! But every day we can read and see in Ukrainian mass-media a lot of in formation about these parties activity. Such as "The Right Sector expressed...", "The press-secretary of the 'Right Sector'. And all of them express these information as would it be something usual. What is it? What a press-secretary? May be it would be better to open the books of history and to read as attentively as possible about this ideology and its shamed finish before to publish such things? For example we know that Ukrainian nationalists were much cruel than even Hitler's soldiers during the Second World War. If so, how would it be possible to support such things? To my mind the newest history of Ukraine is the history of a crime, when white is calling black, and black is calling white. This country can`t await anything good until this present government will stop their awful actions!
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Beitrag von Judas Phatre Fr Jun 12, 2015 9:05 pm

Gontscharow schrieb:Ob Poroschenko meint, er bräuchte jeden, aber wirklich jeden Verbündeten ?
Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Zusammenstehen in der höchsten Bedrohung ein wichtiger Punkt ist. Nicht umsonst brechen geschwächte Politiker Konfklikte vom Zaun, um ihre verlorenen Schäflein wieder um sich zu scharen. Und ruckzuck wird aus der demokratischen Lichtfigur ein Diktator.
Auch um diese Entwicklung zu unterbrechen wäre ein rascher Friede eine große Hilfe.
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