Freihandel oder Protektionismus? Kontroverse Ricardo – List.
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Freihandel oder Protektionismus? Kontroverse Ricardo – List.
Im 19. Jahrhundert entwickelte der britische Ökonom David Ricardo (1772-1823) die Theorie der komparativen Kosten welche besagt: Jedes Land spezialisiert sich tendenziell auf die Produktion der Güter, bei denen die jeweiligen relativen und absoluten Kosten geringer sind als in anderen Ländern. Dies lief letztlich darauf hinaus, das England zur Werkstatt der Welt wird und die anderen Länder mineralische und agrarische Rohstoffe liefern.
Dagegen verwahrte sich der deutsche Ökonom Friedrich List (1789-1846) mit seiner Theorie der produktiven Kräfte. Ein Land sollte zunächst seine eigene Industrie aufbauen und dann, wenn ein Gleichstand erreicht war mit England, zum Freihandel übergehen. Vorläufig wären aber sogenannte Erziehungszölle notwendig.
Die einzelnen Länder reagierten unterschiedlich auf die britische Herausforderung:
1.) Assoziativ. Sie ließen sich auf den Freihandel ein. Holland, die Schweiz und Belgien machten damit gute Erfahrungen. Bauten trotz Freihandel eigene Industrie auf. Doch dem stehen gegenüber zahlreiche heutige Entwicklungsländer und Osteuropa, denen keine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gelang.
2.) Assoziativ-dissoziativ: Freihandel, aber Veredelung von Rohstoffen und Aufbau von Rohstoffindustrien: Dänemark, Schweden, Norwegen, später Finnland, Australien, Neuseeland, Kanada. Darauf aufbauend später weitere Industrien.
3.) Dissoziativ, später assoziativ. Zuerst Aufbau eigener Industrien hinter Schutzzöllen, dann Weltmarktintegration. Preußen – Deutschland, Japan, USA.
4.) Dissoziativ, später ungenügende Weltmarktintegration: Russland, Österreich-Ungarn.
Mit welchem Entwicklungsweg ein Land besser fährt, hängt offensichtlich von vielen Faktoren ab. Ob eine Nation im Freihandel bestehen kann oder zur Kolonie herabsinkt, das hängt vermutlich von folgenden Komponenten ab:
1.) Wie reagiert das Land auf die britische Herausforderung und welche Kräfte werden aktiv? Staaten mit einem entwickelten Bürgertum und demokratischen Strukturen wie die Niederlande, Belgien oder die Schweiz waren hier viel erfolgreicher als Länder, in denen feudale Strukturen herrschten, wie in Südeuropa, Osteuropa oder Lateinamerika.
2.) Wann wird der Versuch unternommen, den Rückstand aufzuholen? Je später, desto schlechter sind die Aussichten.
3.) Wie groß ist das Entwicklungsgefälle, welches zu überwinden ist? Länder in Afrika zum Beispiel haben einen viel größeren Rückstand aufzuarbeiten als einige asiatische Staaten.
4.) Größere Länder können anscheinend auf Grund ihrer hohen Bevölkerungszahl und der vorhandenen Ressourcen Entwicklungsrückstände eher aufholen als kleine Länder. Das zeigen zumindest die Entwicklungen von Russland, China, Indien, Brasilien.
Auch heute hält die Diskussion an. Die fortgeschrittenen Länder drängen auf Freihandel, die anderen setzen lieber auf Schutzzölle. Wie man aus der Geschichte lernen kann, gibt es aber mehrere Wege zum Erfolg bzw. zum Scheitern.
Dagegen verwahrte sich der deutsche Ökonom Friedrich List (1789-1846) mit seiner Theorie der produktiven Kräfte. Ein Land sollte zunächst seine eigene Industrie aufbauen und dann, wenn ein Gleichstand erreicht war mit England, zum Freihandel übergehen. Vorläufig wären aber sogenannte Erziehungszölle notwendig.
Die einzelnen Länder reagierten unterschiedlich auf die britische Herausforderung:
1.) Assoziativ. Sie ließen sich auf den Freihandel ein. Holland, die Schweiz und Belgien machten damit gute Erfahrungen. Bauten trotz Freihandel eigene Industrie auf. Doch dem stehen gegenüber zahlreiche heutige Entwicklungsländer und Osteuropa, denen keine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gelang.
2.) Assoziativ-dissoziativ: Freihandel, aber Veredelung von Rohstoffen und Aufbau von Rohstoffindustrien: Dänemark, Schweden, Norwegen, später Finnland, Australien, Neuseeland, Kanada. Darauf aufbauend später weitere Industrien.
3.) Dissoziativ, später assoziativ. Zuerst Aufbau eigener Industrien hinter Schutzzöllen, dann Weltmarktintegration. Preußen – Deutschland, Japan, USA.
4.) Dissoziativ, später ungenügende Weltmarktintegration: Russland, Österreich-Ungarn.
Mit welchem Entwicklungsweg ein Land besser fährt, hängt offensichtlich von vielen Faktoren ab. Ob eine Nation im Freihandel bestehen kann oder zur Kolonie herabsinkt, das hängt vermutlich von folgenden Komponenten ab:
1.) Wie reagiert das Land auf die britische Herausforderung und welche Kräfte werden aktiv? Staaten mit einem entwickelten Bürgertum und demokratischen Strukturen wie die Niederlande, Belgien oder die Schweiz waren hier viel erfolgreicher als Länder, in denen feudale Strukturen herrschten, wie in Südeuropa, Osteuropa oder Lateinamerika.
2.) Wann wird der Versuch unternommen, den Rückstand aufzuholen? Je später, desto schlechter sind die Aussichten.
3.) Wie groß ist das Entwicklungsgefälle, welches zu überwinden ist? Länder in Afrika zum Beispiel haben einen viel größeren Rückstand aufzuarbeiten als einige asiatische Staaten.
4.) Größere Länder können anscheinend auf Grund ihrer hohen Bevölkerungszahl und der vorhandenen Ressourcen Entwicklungsrückstände eher aufholen als kleine Länder. Das zeigen zumindest die Entwicklungen von Russland, China, Indien, Brasilien.
Auch heute hält die Diskussion an. Die fortgeschrittenen Länder drängen auf Freihandel, die anderen setzen lieber auf Schutzzölle. Wie man aus der Geschichte lernen kann, gibt es aber mehrere Wege zum Erfolg bzw. zum Scheitern.
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Re: Freihandel oder Protektionismus? Kontroverse Ricardo – List.
Ein wunderschönes Thema. Es gibt aber keine Musterlösung, die allgemein gültig ist.
Länder in Europa wie Deutschland, Schweiz, Frankreich usw. die durch Forschung und Entwicklung einen ähnlichen Stand wie Großbritannien hatten, waren mit dem Modell nach Ricardo besser bedient, was auch das grundsätzlich wirtschaftlich günstigere ist.
Dinge, die man zwar selbst hätte entwickeln, oder bauen können (z. B. Eisenbahn) konnten in der ersten Zeit günstiger und schneller im Ausland besorgt werden. Das hat dann natürlich auch die Entwicklung beschleunigt und einen schnelleren wirtschaftlichen Fortschritt ermöglicht.
Natürlich gilt für Länder, die in der wirtschaftlichen Entwicklung noch zurück sind etwas anderes. Für die kann der freie Handel eine langanhaltende Stagnation und Abhängigkeit bedeuten. Man sieht es an den afrikanischen Nationen.
Dort ist es so, dass die Lieferungen von landwirtschaftlichen Gütern aus den USA und auch Europa, billiger sind als einheimische Produkte. Also verarmen die eigenen Bauern, denen die Existenzgrundlage entzogen wird. Gleichzeitig gibt es aber auch keine anderen Wirtschaftszweige, die das auffangen könnten. Das führt bei Ländern, die Bodenschätze haben dazu, dass sie von der Ausbeutung abhängig sind und bei Nationen die keine Bodenschätze haben dazu, dass sie von Hilfslieferungen abhängig sind und Spielball der großen Mächte sind, sowie "Stimmvieh" in der UNO.
Die Lösung wäre, dass diese Länder Einfuhrzölle zum Schutz der eigenen Wirtschaft erheben dürfen. Dies wird aber zur Zeit durch den IWF verhindert, wenn die Nationen Hilfskredite/-programme möchten.
Länder in Europa wie Deutschland, Schweiz, Frankreich usw. die durch Forschung und Entwicklung einen ähnlichen Stand wie Großbritannien hatten, waren mit dem Modell nach Ricardo besser bedient, was auch das grundsätzlich wirtschaftlich günstigere ist.
Dinge, die man zwar selbst hätte entwickeln, oder bauen können (z. B. Eisenbahn) konnten in der ersten Zeit günstiger und schneller im Ausland besorgt werden. Das hat dann natürlich auch die Entwicklung beschleunigt und einen schnelleren wirtschaftlichen Fortschritt ermöglicht.
Natürlich gilt für Länder, die in der wirtschaftlichen Entwicklung noch zurück sind etwas anderes. Für die kann der freie Handel eine langanhaltende Stagnation und Abhängigkeit bedeuten. Man sieht es an den afrikanischen Nationen.
Dort ist es so, dass die Lieferungen von landwirtschaftlichen Gütern aus den USA und auch Europa, billiger sind als einheimische Produkte. Also verarmen die eigenen Bauern, denen die Existenzgrundlage entzogen wird. Gleichzeitig gibt es aber auch keine anderen Wirtschaftszweige, die das auffangen könnten. Das führt bei Ländern, die Bodenschätze haben dazu, dass sie von der Ausbeutung abhängig sind und bei Nationen die keine Bodenschätze haben dazu, dass sie von Hilfslieferungen abhängig sind und Spielball der großen Mächte sind, sowie "Stimmvieh" in der UNO.
Die Lösung wäre, dass diese Länder Einfuhrzölle zum Schutz der eigenen Wirtschaft erheben dürfen. Dies wird aber zur Zeit durch den IWF verhindert, wenn die Nationen Hilfskredite/-programme möchten.
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