Das Münchner Abkommen oder Diktat - ohne uns über uns (Edvard Beneš) - Sieg Hitlers Salamitaktik, Fiasko des Appeasements
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Das Münchner Abkommen oder Diktat - ohne uns über uns (Edvard Beneš) - Sieg Hitlers Salamitaktik, Fiasko des Appeasements
Heute vor 75 Jahren rief Hitler das Protektorat Böhmen und Mähren aus. Es war ein weiterer Triumph seiner skrupellosen, aber bis dahin und auch noch später sehr erfolgreichen "täusche, erpresse, teile und herrsche" Taktitk, die er schon beim "Anschluss" Österreichs und dem Müncher Abkommen anwandte.
Für die Tschechen war es ein weiteres Trauma, nachdem man sich schon im Herbst 1938 nicht gegen die Aggression gewehrt hatte. Ich will deshalb auch an die Vorgeschichte, dem Münchner Abkommen, eingehen.
Die Vorgeschichte - das Münchner Abkommen
Dieses Thema warum man sich 1938 nicht zur Wehr gesetzt hatte war für Tschechen während Jahrzehnte ein ganz besonders schmerzhaftes, man kann auch sagen traumatisches. Auch heute noch wird es noch emotional diskutiert. Insbesondere die Frage, ob man sich hätte wehren sollen und welche Aussichten auf Erfolg ein solcher Kampf gehabt hätte. Auch die Rolle von Präsident Edvard Beneš wurde immer wieder diskutiert und die Wertung seiner Rolle geht von „vernünftig und weitsichtig“ bis „Verrat an der Republik begangen“.
Von einer „Weigerung“ zu kämpfen, konnte man bei den Tschechen im Herbst 1938 nicht sprechen. Sicher nicht von Seiten des tschechischen (und auch slowakischen) Volkes, nicht von der Armee, den Soldaten und auch nicht den Generälen. Auch nicht von der Mehrzahl tschechischer und slowakischer Politiker. Auch Präsident Beneš wäre bereit gewesen, die Nation in den Kampf zu führen, hatte aber gute Gründe, sich letztlich zu entscheiden, von einem Kampf abzusehen. Der Entscheid, die Nation, die eigentlich im Kampfwillen vereint war, doch nicht in den Kampf zu führen war also ein „einsamer“. Warum entschied sich also Beneš, obwohl damit gegen den Willen des ganzen Volkes, der Armee und deren Führung?
Manche Historiker haben Beneš als einen Adolf Hitler und seinen ihm folgenden Sudetendeutschen unter der Führung von Henlein und K.H. Frank überlegenen Politiker bezeichnet. Er habe Hitler in eine Sackgasse manövriert und hätte seine Maske runterreissen lassen.
Zunächst kann man das Abkommen von München und die Besetzung des Sudetenlandes (des mehrheitlich von Deutschen in Böhmen und Mähren besiedelten Gebietes) als grossen Erfolg Hitlers sehen, den er ohne Blutvergiessen erreichte.
Das Münchner Abkommen wie die dann folgende Zerschlagung der Tschechoslowakei war letztlich das Ergebnis einer sehr erfolgreichen Taktik von Hitler, teils Salamitaktitk, teils durch Drohungen, durch (auch falsche) Versprechungen, Manipulation, geschickter Propaganda und vor allem durch das sehr erfolgreiche Anwenden des „Teile-und-Herrsche“ Prinzips angesichts der Uneinigkeit der Gegenspieler. Hauptprämissen seines Handelns waren dass er bereit war den Krieg zu riskieren und dies seine Hauptgegner aus England und Frankreich eben nicht waren. Weitere Prämisse war, das er natürlich jederzeit bereit war, jeden Vertrag und jede Versprechung zu brechen, wenn es ihm vorteilhaft erschien.
Dem Münchner Abkommen, von den Tschechen mitunter auch „Diktat“ oder auch „Verrat“ gennant ging die Sudetenkrise voraus. Die in Böhmen und Mähren lebende deutsche Minderheit hatte sich mit dem nach 1918 entstandenen tschechoslowakischen Staat in ihrer Mehrheit nicht identifizieren können, es kann nicht bestritten werden, dass sie als Minderheit ihre Nachteile hatte. Aufgrund der Struktur der exportorientierten Wirtschaft in den Grenzgebieten waren sie von der Wirtschaftskrise, ab 1936 auch von Hitlers und Görings Autarkiepolitik besonders hart betroffen. Nach der Machtergreifung Hitlers hatte die Sudetendeutsche Partei starken Stimmenzuwachs, in den Parlamentswahlen von 1935 erreichte sie etwa zwei Drittel der Deutschen in Böhmen und Mähren. Sie proklamierte allerdings nicht offen einen „Anschluss“ an das Deutsche Reich“ sondern nur Autonomie. Diese Autonomie hätte ihnen allerdings die Voraussetzung schaffen können, dass sich die Grenzgebiete noch einfacher hätten lösen und dem Reich anschliessen können. Die Stellung der 750 000 in diesen Gebieten lebenden Tschechen wäre auch problematisch gewesen. Last but not least fürchteten etwa eine Million demokratisch gesinnter Deutscher dass sich hier eine Nazidiktatur entwickeln würde.
Die Sudetendeutsche Partei wurde zum grossen Teil von Hitler finanziert und bezog von ihm auch Anweisungen. Es sollte ein Eskaltionskurs gesteuert werden, der nach Aussen Verhandlungsbereitschaft signalisieren sollte, verdeckt aber durch Terrorakte und Provokationen bürgerkriegsähnliche Zustände hervorrufen sollte. Diese sollten dann den Eindruck von massiver Unterdrückung hervorrufen, die dann auch Hitler aufgreifen könnte und ihm Grund für eine militärische Intervention geben sollten. Opfer der Terrorakte sollten nicht nur Tschechen in den Grenzgebieten von Böhmen und Mähren werden, sondern auch demokratische Deutsche und natürlich auch Juden. Die Sudetendeutschen, vor allem durch Henlein, versuchten in England und Frankreich nicht ohne Erfolg, sich als die Unterdrückten darzustellen. Das hatte zur Folge, dass die tschechoslowakische Polizei wie Armee mit der maximalen Zurückhaltung agierten, dies aber wiederum zu Folge hatte, dass Tschechen und demokratische Deutsche nicht genug vor dem Terror der „Ordner“ geschützt waren. Sicher ein Fehler war, dass der tschechoslowakische Rundfunk keinen ganztägigen deutschsprachigen Sender hatte. Man überliess damit das Feld Goebbels und seinem Rundfunk.
Andererseits war klar, dass durch die Provokationen der Freikorps Reaktionen erhofft wurden, die Hitler Grund für eine Intervention geben sollten.
Nach dem Anschluss Österreichs im Frühjahr 1938 erhöhte sich der Druck massiv. Ein Putsch wurde im Mai 1938 versucht, wurde durch eine Teilmobilmachung der tschechoslowakischen Armee vereitelt, bedeutete aber nur einen Aufschub. Im Sommer steigerten sich die Spannungen wieder, angeheizt auch durch den reichsdeutschen Rundfunk.
Im August sollte die Mission von Lord Runciman stattfinden. In ihr sollte dieser im Auftrag der britischen Regierung die Lage vor Ort feststellen. Es war für ihn sicher nicht leicht, sich ein objektives Bild vor Ort zu machen, aber es war wohl ohnehin sein Ziel, das Abtreten des sudetendeutschen Gebiets an das Deutsche Reich zu empfehlen, um einen Krieg zu verhindern. Eine Abstimmung der Bevölkerung hielt er für nicht nötig, denn er hielt das Resultat für von vorneherein klar... (!).
Man darf nicht vergessen, dass sowohl in Frankreich als auch in Grossbritannien ein Unwille bestand, nach dem Schrecken des ersten Weltkriegs einen neuen Krieg einzugehen. Schon gar nicht wegen einem Land irgendwo in Mitteleuropa mit ihren Problemen mit ihrer deutschen Minderheit.
Vor diesem Hintergrund wurde die tschechoslowakische Regierung unter Druck gesetzt, zu Verhandlungen über Gebietsabtretungen zuzustimmen. Nach einer ersten Ablehnung wurde ihr von französischer und britischer Seite beschieden, dass sie in einem Krieg mit Deutschland allein stehen würden. Unter diesem Druck stimmte Beneš einer Arbitrage zu. Das war im September, zuvor war der Britische Premier Chamberlain bei Hitler auf dessen Berghof in Berchtesgaden gewesen und dessen Forderung nach Abtretung der mehrheitlich von Deutschen bewohnten Gebiete entgegengenommen.
Als dies in der tschechischen Bevölkerung bekannt wurde, kam es zu massiven Demonstrationen. Man wollte sich nicht kampflos ergeben. „Gebt uns Waffen, dafür haben wir Steuern bezahlt“ war ein Slogan, ein anderer „Gebt uns Waffen, wir geben Euch unsere Söhne“.
Als Chamberlain dann am 23. September mit der Zustimmung der tschechoslowakischen Regierung nach Abtretung der Gebiete in der Tasche Hitler erneut besuchte, diesmal in Bad Godesberg, war er überzeugt, Hitler würde darüber sehr erfreut sein. Stattdessen erlebte er eine üble Überraschung: Hitler forderte nun noch weitere Gebietsabtretungen, ausserdem sollten auch ungarische und polnische Forderungen gegenüber der ČSR in die Verhandlungen einbezogen werden. Der gewiefte Manipulator Hitler hatte die Schwächen seines Gegenüber erkannt und deshalb seine Forderungen erhöht. Chamberlain reiste enttäuscht ab. Die Anhänger des Appeasements erlebten eine Abfuhr und ihre Gegner sahen sich bestätigt. Hitler hatte sich nicht als fairer Verhandlungspartner erwiesen. Der tschechoslowakischen Regierung wurde mitgeteilt, man könne nun „nicht mehr länger empfehlen, nicht zu mobilisieren“. Das tat sie auch. Grossbritannien mobilisierte die Royal Navy und Frankreich berief Reservisten ein. In der Tschechoslowakei löste die Mobilmachung eine Welle der feierlichen Entschlossenheit und des absoluten Kampfwillens aus; das Wort Begeisterung will ich vermeiden, es war nicht die „Hurra“ Begeisterung, die 1914 im Deutschen Reich herrschte (und vermutlich auch in der Berichterstattung übertrieben wurde), aber es war der Wille, die nationale Freiheit, die man zwei Jahrzehnte zuvor erlangt hatte, zu verteidigen, auch zum Preis des eigenen Lebens. „Die Heimat gebe ich nicht her“ schrieb ein Soldat an einen Eisenbahnwaggon. Wenzel Jaksch, der Abgeordnete der Deutschen Sozialdemokraten, sprach später in seinem Exil in England von einem heroischen Akt.
Nun sollte es also zum Krieg kommen, den Hitler ja eigentlich gewollt hatte und den die Tschechoslowaken anzunehmen bereit waren, überzeugt, dass mit ihnen ihre Verbündeten, die Franzosen und deren Verbündeten, Grossbritannnien und die UdSSR, mit in den Kampf ziehen würden.
Und doch sollte es anders kommen. In dem für ihn typischen Wankelmut versuchte nun Chamberlain nocheinmal einen Versuch zu verhandeln und bat Mussolini um Vermittlung. So kam es zum Treffen am 29. September, vor genau 75 Jahren, in den frühen Morgenstunden des 30. September wurde das Dokument unterzeichnet. Dabei wurde Hitler nahezu ohne Konzessionen nachgegeben. Die Vertreter der Tschechoslowakei wurden aussen vor gelassen, die Vertreter der Sowjetunion wurden gar nicht erst eingeladen. Als die Vertreter der Tschochoslowakei hinzugezogen worden waren, hatten die Vertreter Deutschlands und Italiens den Raum bereits verlassen. Beschämt schaute man ihnen von französischer und britischer Seite kaum in die Augen. Eine explizite Annahme der Forderungen wurde nicht erwartet – man setzte sie voraus. Hitler selbst war vom schwachen Auftritt seiner Gegenüber überrascht und sagte: „ich habe lauter Nullen vor mir“. Damit meinte er sicher nicht Mussolini, sondern Chamberlain und Daladier.
Unter dieser Situation musste sich nun Präsident Beneš entscheiden, nun in den Krieg zu ziehen oder nachzugeben. Es war aber unter diesen Umständen klar, dass der Grund für den Kriegsausbruch von der Mehrheit der britischen und französischen Politiker wie Bürger bei der Tschechoslowakei gesehen würde. Eine militärische Untertützung war nicht zu erwarten – und doch gingen die tschechischen Militärs, die gemäss von Geheimdienstchef Moravec „weinten“, davon aus, dass die Westmächte doch eingreifen würden, sie doch die Tschechoslowakei nicht allein lassen würden, wenn man nur kämpfen würde. Beneš bezeichnete diese Vorstellungen als naiv und die folgenden Ereignisse rund um Polen 1939 sollten ihn doch bestätigen. So entschied Beneš, dass die Bedingungen des Münchner „Dikats“ angenommen würden, wenn auch unter Protest. Militärisch wäre ein Alleingang sinnlos gewesen, denn man war nahezu umzingelt – Österreich war angeschlossen, Schlesien damals auch Deutsch – nur bei gleichzeitigem Angriff Frankreichs auf Deutschland hätte ein Krieg Aussicht auf Erfolg gehabt.
Hätte man aber in der Weltöffentlichkeit die Schuld für den Krieg der Tschechoslowakei gegeben, hätte dies Nachteile haben können – die Tschechen, die den Sudetendeutschen nicht ihre Selbstbestimmung geben wollten, hätten den Krieg entfesselt. Vor dieser Interpretation fürchtete sich Beneš und entschied deshalb, dem Münchner Diktat nachzugeben, um also das „grosse Opfer für den Frieden in Europa“ zu bringen. Dass es letztlich umsonst werden würde, davon ging er selbst auch aus, mit Krieg rechnete er, denn er sah Hitlers weitere Pläne voraus. Beneš hatte also einen „Plan“ wie er sagte, als er einige Tage später ins Exil ging.
Aussenpolitisch war also dieser Entscheid richtig. Auch militärisch, ein Kampf wäre zwar ein Akt des Heroismus gewesen, den die Nation gerne auf sich genommen hätte, aber nur ein Blutbad angerichtet hätte. Zwar war man in manchen Waffengattungen, wie Trojan richtig schreibt, ebenbürtig oder sogar überlegen, nicht aber in der Luftwaffe. Und das wäre entscheidend gewesen.
Innenpolitisch aber, vor allem hinsichtlich der Moral der Bevölkerung, war diese „Kapitulation ohne Kampf“ eine Katastrophe. Was danach folgte, der hier bereits erwähnte Erosionsprozess, darauf will ich später eingehen.
Einstweilen sei also die Frage beantwortet, warum es von tschechischer Seite 1938 zu keinem Kampf kam, obwohl die Bevolkerung dazu bereit war
Das Münchner Abkommen wie die dann folgende Zerschlagung der Tschechoslowakei war letztlich das Ergebnis einer sehr erfolgreichen Taktik von Hitler, teils Salamitaktitk, teils durch Drohungen, durch (auch falsche) Versprechungen, Manipulation, geschickter Propaganda und vor allem durch das sehr erfolgreiche Anwenden des „Teile-und-Herrsche“ Prinzips angesichts der Uneinigkeit der Gegenspieler. Hauptprämissen seines Handelns waren dass er bereit war den Krieg zu riskieren und dies seine Hauptgegner aus England und Frankreich eben nicht waren. Weitere Prämisse war, das er natürlich jederzeit bereit war, jeden Vertrag und jede Versprechung zu brechen, wenn es ihm vorteilhaft erschien.
Nach dem ihm das Münchner Abkommen, war die Tschechoslowakei nach dem Verlust der dortigen Befestigunsanlagen endgültig unverteidigbar geworden.
Für die Tschechoslowaken war das Münchner Abkommen ein Verrat der Westmächte, insbesondere von Frankreich, mit denen man einen Bündnisvertrag hatte. Verheerend war vor allem der Eindruck den die Westmächte auf Hitler wie auf ihre tschechoslowakischen Verbündeten machten: Der absolute Unwille sich der Nazi Aggression zu stellen, das Appeasement wurde sichtbar, für Hitler wie für die Tschechoslowaken, die bereit waren zu kämpfen, aber auf Verbündete angewiesen waren. Die Botschaft in München in der Nacht vom 29. zum 30. September 1938 war absloute Nachgiebigkeit, keine Botschaft im Sinne "Bis hierher und keinen Schritt weiter", die vielleicht schlimmeres verhütet hätte.
Die Monate nach dem Münchner Abkommen
So konnte sich Hitler weiterhin als Erpresser betätigen und die Tschechoslowakei weiter unter Druck setzen. In der Tschechoslowakei sank die im Herbst 1938 noch hohe Kampfmoral. Präsident Beneš, einer der bedeutenden Persönlichkeiten bei der Staatsgründung 1918, resignierte und ging ins amerikanische Exil. Erst was zwei Monate später wurde mit Emil Hácha ein Nachfolger gewählt, ein alter und nicht besonders gesunder Mann.
Am 14. März setzte Hitler den Slowakischen Ministerpräsidenten Tiso in Berlin unter Drurck, den Slowakischen Staat auszurufen, da er widrigenfalls die Slowakei den Ungaren überlassen würde. Dann liess er Hácha kommen und verlangte von ihm, dem Protektorat zuzustimmen und seine Armee anzuweisen, keinen Widerstand zu leisten. Widrigenfalls die Wehrmacht jeglichen Widerstand brutal zerschlagen würde. Göring liess sich hören, dass er es sehr schade finden würde, "Ihre wunderschöne Hauptstadt Prag" von seiner Luftwaffe in Schutt und Asche legen zu lassen.
Hácha kollabierte und musste mit Herzspritzen behandelt werden. Schliesslich stimmte Hácha zu und liess durch den mitgereisten Aussenminister Chvalovský die Armee anweisen, keinen Widerstand zu leisten.
Die Besetzung von Böhmen und Mähren, von Hitler verächtlich "Rest-Tschechei" genannt vollzog sich in den Morgenstunden vom 15. März 1939. Um 9.00 Uhr erreichten die Truppen von General Blaskowitz Prag. Am Mittag erreichte auch Hitler Prag.
Für die meisten Tschechen war die Okkupation und die Schaffung des Protektorats ein Schock. Aber nicht für alle. Dem Chef des tschechoslowakischen Geheimdienstes waren die Pläne Hitlers schon lange vorher bekannt. So konnte er immerhin viele Unterlagen mit Hilfe der Britischen Botschaft nach London schaffen, ebenso den Transfer von finanziellen Mitteln in verbündete und neutrale Länder schaffen. Alle anderen Unterlagen wurde rechtzeitig vor Eintreffen der Wehrmacht und Canaris´ Abwehr vernichtet. So konnte das tschechoslowakische Geheimdienstnetz tatsächlich während des ganzen Krieges von London aus weiterfunktionieren, den auch Moravec und seine Offiziere flogen am Tag vor der Okkupation über die Niederlande nach London aus. Die vielleicht einzige gute Nachricht an jenem Tag, die allerdings nicht an die Öffentlichkeit drang.
Die Westmächte wie auch die USA und die Sowjetunion anerkannten die Besetzung und das Protektorat nicht an. Ausser Protesten kam allerdings nichts.
Der ehemalige Präsident Beneš liess aus den USA verlauten, dass mit der völkerrechtswidrigen Besetzung des Landes der Münchner Vertrag ungültig geworden sei, damit die Tschechoslowakei de jure in ihren Grenzen von vor dem Oktober 1938 bestehe und er eine Exilregierung errichten wolle.
Ebenfalls schockiert waren die Westmächte, die für diese Situation nicht vorbereitet waren und nichts tun konnten und wohl auch wollten. Für Chamberlain war es das Ende des Appeasements, man gab später dann an Polen eine Garantieerklärung ab, die ihn aber bekanntermassen wenig beeindruckte.
Für Hitler war dies ein weiterer Triumph, den er praktische ohne Verluste erreichte (es gab einzelne Scharmützel). Vor allem konnte er die unzerstörte Ausrüstung der tschechischen Armee erbeuten, wie auch die ganze tschechische Rüstungsindustrie der Wehrmacht fortan wertvolle Dienste leistete. Vor allem die Panzer 35 t und 38 t, von denen manche an der Kanalküste in Wochenschauen zu sehen waren, wurden so bekannt. Für viele tschechoslowakische Soldaten und Offiziere ein bitterer Anblick, mancher mochte sich gedacht haben, dass das die Strafe für die Franzosen an ihren Verrat vom Herbst 1938 sei.
Viele Tschechen wie auch Slowaken flohen ins Ausland, in Frankreich konnte immerhin eine Einheit von 10 000 Soldaten gebildet werden, die in der Schlacht um Frankreich kämpften. Etwa 3 500 von ihnen konnten nach dem Fall von Frankreich sich nach England retten. Die wohl militärisch bedeutendsten waren die Piloten, die später an der Battle of Britain teilnahmen und nach den Polen das grösste Ausländerkontingent der RAF ausserhalb des British Commonwealths stellten.
Für die Tschechen war es ein weiteres Trauma, nachdem man sich schon im Herbst 1938 nicht gegen die Aggression gewehrt hatte. Ich will deshalb auch an die Vorgeschichte, dem Münchner Abkommen, eingehen.
Die Vorgeschichte - das Münchner Abkommen
Dieses Thema warum man sich 1938 nicht zur Wehr gesetzt hatte war für Tschechen während Jahrzehnte ein ganz besonders schmerzhaftes, man kann auch sagen traumatisches. Auch heute noch wird es noch emotional diskutiert. Insbesondere die Frage, ob man sich hätte wehren sollen und welche Aussichten auf Erfolg ein solcher Kampf gehabt hätte. Auch die Rolle von Präsident Edvard Beneš wurde immer wieder diskutiert und die Wertung seiner Rolle geht von „vernünftig und weitsichtig“ bis „Verrat an der Republik begangen“.
Von einer „Weigerung“ zu kämpfen, konnte man bei den Tschechen im Herbst 1938 nicht sprechen. Sicher nicht von Seiten des tschechischen (und auch slowakischen) Volkes, nicht von der Armee, den Soldaten und auch nicht den Generälen. Auch nicht von der Mehrzahl tschechischer und slowakischer Politiker. Auch Präsident Beneš wäre bereit gewesen, die Nation in den Kampf zu führen, hatte aber gute Gründe, sich letztlich zu entscheiden, von einem Kampf abzusehen. Der Entscheid, die Nation, die eigentlich im Kampfwillen vereint war, doch nicht in den Kampf zu führen war also ein „einsamer“. Warum entschied sich also Beneš, obwohl damit gegen den Willen des ganzen Volkes, der Armee und deren Führung?
Manche Historiker haben Beneš als einen Adolf Hitler und seinen ihm folgenden Sudetendeutschen unter der Führung von Henlein und K.H. Frank überlegenen Politiker bezeichnet. Er habe Hitler in eine Sackgasse manövriert und hätte seine Maske runterreissen lassen.
Zunächst kann man das Abkommen von München und die Besetzung des Sudetenlandes (des mehrheitlich von Deutschen in Böhmen und Mähren besiedelten Gebietes) als grossen Erfolg Hitlers sehen, den er ohne Blutvergiessen erreichte.
Das Münchner Abkommen wie die dann folgende Zerschlagung der Tschechoslowakei war letztlich das Ergebnis einer sehr erfolgreichen Taktik von Hitler, teils Salamitaktitk, teils durch Drohungen, durch (auch falsche) Versprechungen, Manipulation, geschickter Propaganda und vor allem durch das sehr erfolgreiche Anwenden des „Teile-und-Herrsche“ Prinzips angesichts der Uneinigkeit der Gegenspieler. Hauptprämissen seines Handelns waren dass er bereit war den Krieg zu riskieren und dies seine Hauptgegner aus England und Frankreich eben nicht waren. Weitere Prämisse war, das er natürlich jederzeit bereit war, jeden Vertrag und jede Versprechung zu brechen, wenn es ihm vorteilhaft erschien.
Dem Münchner Abkommen, von den Tschechen mitunter auch „Diktat“ oder auch „Verrat“ gennant ging die Sudetenkrise voraus. Die in Böhmen und Mähren lebende deutsche Minderheit hatte sich mit dem nach 1918 entstandenen tschechoslowakischen Staat in ihrer Mehrheit nicht identifizieren können, es kann nicht bestritten werden, dass sie als Minderheit ihre Nachteile hatte. Aufgrund der Struktur der exportorientierten Wirtschaft in den Grenzgebieten waren sie von der Wirtschaftskrise, ab 1936 auch von Hitlers und Görings Autarkiepolitik besonders hart betroffen. Nach der Machtergreifung Hitlers hatte die Sudetendeutsche Partei starken Stimmenzuwachs, in den Parlamentswahlen von 1935 erreichte sie etwa zwei Drittel der Deutschen in Böhmen und Mähren. Sie proklamierte allerdings nicht offen einen „Anschluss“ an das Deutsche Reich“ sondern nur Autonomie. Diese Autonomie hätte ihnen allerdings die Voraussetzung schaffen können, dass sich die Grenzgebiete noch einfacher hätten lösen und dem Reich anschliessen können. Die Stellung der 750 000 in diesen Gebieten lebenden Tschechen wäre auch problematisch gewesen. Last but not least fürchteten etwa eine Million demokratisch gesinnter Deutscher dass sich hier eine Nazidiktatur entwickeln würde.
Die Sudetendeutsche Partei wurde zum grossen Teil von Hitler finanziert und bezog von ihm auch Anweisungen. Es sollte ein Eskaltionskurs gesteuert werden, der nach Aussen Verhandlungsbereitschaft signalisieren sollte, verdeckt aber durch Terrorakte und Provokationen bürgerkriegsähnliche Zustände hervorrufen sollte. Diese sollten dann den Eindruck von massiver Unterdrückung hervorrufen, die dann auch Hitler aufgreifen könnte und ihm Grund für eine militärische Intervention geben sollten. Opfer der Terrorakte sollten nicht nur Tschechen in den Grenzgebieten von Böhmen und Mähren werden, sondern auch demokratische Deutsche und natürlich auch Juden. Die Sudetendeutschen, vor allem durch Henlein, versuchten in England und Frankreich nicht ohne Erfolg, sich als die Unterdrückten darzustellen. Das hatte zur Folge, dass die tschechoslowakische Polizei wie Armee mit der maximalen Zurückhaltung agierten, dies aber wiederum zu Folge hatte, dass Tschechen und demokratische Deutsche nicht genug vor dem Terror der „Ordner“ geschützt waren. Sicher ein Fehler war, dass der tschechoslowakische Rundfunk keinen ganztägigen deutschsprachigen Sender hatte. Man überliess damit das Feld Goebbels und seinem Rundfunk.
Andererseits war klar, dass durch die Provokationen der Freikorps Reaktionen erhofft wurden, die Hitler Grund für eine Intervention geben sollten.
Nach dem Anschluss Österreichs im Frühjahr 1938 erhöhte sich der Druck massiv. Ein Putsch wurde im Mai 1938 versucht, wurde durch eine Teilmobilmachung der tschechoslowakischen Armee vereitelt, bedeutete aber nur einen Aufschub. Im Sommer steigerten sich die Spannungen wieder, angeheizt auch durch den reichsdeutschen Rundfunk.
Im August sollte die Mission von Lord Runciman stattfinden. In ihr sollte dieser im Auftrag der britischen Regierung die Lage vor Ort feststellen. Es war für ihn sicher nicht leicht, sich ein objektives Bild vor Ort zu machen, aber es war wohl ohnehin sein Ziel, das Abtreten des sudetendeutschen Gebiets an das Deutsche Reich zu empfehlen, um einen Krieg zu verhindern. Eine Abstimmung der Bevölkerung hielt er für nicht nötig, denn er hielt das Resultat für von vorneherein klar... (!).
Man darf nicht vergessen, dass sowohl in Frankreich als auch in Grossbritannien ein Unwille bestand, nach dem Schrecken des ersten Weltkriegs einen neuen Krieg einzugehen. Schon gar nicht wegen einem Land irgendwo in Mitteleuropa mit ihren Problemen mit ihrer deutschen Minderheit.
Vor diesem Hintergrund wurde die tschechoslowakische Regierung unter Druck gesetzt, zu Verhandlungen über Gebietsabtretungen zuzustimmen. Nach einer ersten Ablehnung wurde ihr von französischer und britischer Seite beschieden, dass sie in einem Krieg mit Deutschland allein stehen würden. Unter diesem Druck stimmte Beneš einer Arbitrage zu. Das war im September, zuvor war der Britische Premier Chamberlain bei Hitler auf dessen Berghof in Berchtesgaden gewesen und dessen Forderung nach Abtretung der mehrheitlich von Deutschen bewohnten Gebiete entgegengenommen.
Als dies in der tschechischen Bevölkerung bekannt wurde, kam es zu massiven Demonstrationen. Man wollte sich nicht kampflos ergeben. „Gebt uns Waffen, dafür haben wir Steuern bezahlt“ war ein Slogan, ein anderer „Gebt uns Waffen, wir geben Euch unsere Söhne“.
Als Chamberlain dann am 23. September mit der Zustimmung der tschechoslowakischen Regierung nach Abtretung der Gebiete in der Tasche Hitler erneut besuchte, diesmal in Bad Godesberg, war er überzeugt, Hitler würde darüber sehr erfreut sein. Stattdessen erlebte er eine üble Überraschung: Hitler forderte nun noch weitere Gebietsabtretungen, ausserdem sollten auch ungarische und polnische Forderungen gegenüber der ČSR in die Verhandlungen einbezogen werden. Der gewiefte Manipulator Hitler hatte die Schwächen seines Gegenüber erkannt und deshalb seine Forderungen erhöht. Chamberlain reiste enttäuscht ab. Die Anhänger des Appeasements erlebten eine Abfuhr und ihre Gegner sahen sich bestätigt. Hitler hatte sich nicht als fairer Verhandlungspartner erwiesen. Der tschechoslowakischen Regierung wurde mitgeteilt, man könne nun „nicht mehr länger empfehlen, nicht zu mobilisieren“. Das tat sie auch. Grossbritannien mobilisierte die Royal Navy und Frankreich berief Reservisten ein. In der Tschechoslowakei löste die Mobilmachung eine Welle der feierlichen Entschlossenheit und des absoluten Kampfwillens aus; das Wort Begeisterung will ich vermeiden, es war nicht die „Hurra“ Begeisterung, die 1914 im Deutschen Reich herrschte (und vermutlich auch in der Berichterstattung übertrieben wurde), aber es war der Wille, die nationale Freiheit, die man zwei Jahrzehnte zuvor erlangt hatte, zu verteidigen, auch zum Preis des eigenen Lebens. „Die Heimat gebe ich nicht her“ schrieb ein Soldat an einen Eisenbahnwaggon. Wenzel Jaksch, der Abgeordnete der Deutschen Sozialdemokraten, sprach später in seinem Exil in England von einem heroischen Akt.
Nun sollte es also zum Krieg kommen, den Hitler ja eigentlich gewollt hatte und den die Tschechoslowaken anzunehmen bereit waren, überzeugt, dass mit ihnen ihre Verbündeten, die Franzosen und deren Verbündeten, Grossbritannnien und die UdSSR, mit in den Kampf ziehen würden.
Und doch sollte es anders kommen. In dem für ihn typischen Wankelmut versuchte nun Chamberlain nocheinmal einen Versuch zu verhandeln und bat Mussolini um Vermittlung. So kam es zum Treffen am 29. September, vor genau 75 Jahren, in den frühen Morgenstunden des 30. September wurde das Dokument unterzeichnet. Dabei wurde Hitler nahezu ohne Konzessionen nachgegeben. Die Vertreter der Tschechoslowakei wurden aussen vor gelassen, die Vertreter der Sowjetunion wurden gar nicht erst eingeladen. Als die Vertreter der Tschochoslowakei hinzugezogen worden waren, hatten die Vertreter Deutschlands und Italiens den Raum bereits verlassen. Beschämt schaute man ihnen von französischer und britischer Seite kaum in die Augen. Eine explizite Annahme der Forderungen wurde nicht erwartet – man setzte sie voraus. Hitler selbst war vom schwachen Auftritt seiner Gegenüber überrascht und sagte: „ich habe lauter Nullen vor mir“. Damit meinte er sicher nicht Mussolini, sondern Chamberlain und Daladier.
Unter dieser Situation musste sich nun Präsident Beneš entscheiden, nun in den Krieg zu ziehen oder nachzugeben. Es war aber unter diesen Umständen klar, dass der Grund für den Kriegsausbruch von der Mehrheit der britischen und französischen Politiker wie Bürger bei der Tschechoslowakei gesehen würde. Eine militärische Untertützung war nicht zu erwarten – und doch gingen die tschechischen Militärs, die gemäss von Geheimdienstchef Moravec „weinten“, davon aus, dass die Westmächte doch eingreifen würden, sie doch die Tschechoslowakei nicht allein lassen würden, wenn man nur kämpfen würde. Beneš bezeichnete diese Vorstellungen als naiv und die folgenden Ereignisse rund um Polen 1939 sollten ihn doch bestätigen. So entschied Beneš, dass die Bedingungen des Münchner „Dikats“ angenommen würden, wenn auch unter Protest. Militärisch wäre ein Alleingang sinnlos gewesen, denn man war nahezu umzingelt – Österreich war angeschlossen, Schlesien damals auch Deutsch – nur bei gleichzeitigem Angriff Frankreichs auf Deutschland hätte ein Krieg Aussicht auf Erfolg gehabt.
Hätte man aber in der Weltöffentlichkeit die Schuld für den Krieg der Tschechoslowakei gegeben, hätte dies Nachteile haben können – die Tschechen, die den Sudetendeutschen nicht ihre Selbstbestimmung geben wollten, hätten den Krieg entfesselt. Vor dieser Interpretation fürchtete sich Beneš und entschied deshalb, dem Münchner Diktat nachzugeben, um also das „grosse Opfer für den Frieden in Europa“ zu bringen. Dass es letztlich umsonst werden würde, davon ging er selbst auch aus, mit Krieg rechnete er, denn er sah Hitlers weitere Pläne voraus. Beneš hatte also einen „Plan“ wie er sagte, als er einige Tage später ins Exil ging.
Aussenpolitisch war also dieser Entscheid richtig. Auch militärisch, ein Kampf wäre zwar ein Akt des Heroismus gewesen, den die Nation gerne auf sich genommen hätte, aber nur ein Blutbad angerichtet hätte. Zwar war man in manchen Waffengattungen, wie Trojan richtig schreibt, ebenbürtig oder sogar überlegen, nicht aber in der Luftwaffe. Und das wäre entscheidend gewesen.
Innenpolitisch aber, vor allem hinsichtlich der Moral der Bevölkerung, war diese „Kapitulation ohne Kampf“ eine Katastrophe. Was danach folgte, der hier bereits erwähnte Erosionsprozess, darauf will ich später eingehen.
Einstweilen sei also die Frage beantwortet, warum es von tschechischer Seite 1938 zu keinem Kampf kam, obwohl die Bevolkerung dazu bereit war
Das Münchner Abkommen wie die dann folgende Zerschlagung der Tschechoslowakei war letztlich das Ergebnis einer sehr erfolgreichen Taktik von Hitler, teils Salamitaktitk, teils durch Drohungen, durch (auch falsche) Versprechungen, Manipulation, geschickter Propaganda und vor allem durch das sehr erfolgreiche Anwenden des „Teile-und-Herrsche“ Prinzips angesichts der Uneinigkeit der Gegenspieler. Hauptprämissen seines Handelns waren dass er bereit war den Krieg zu riskieren und dies seine Hauptgegner aus England und Frankreich eben nicht waren. Weitere Prämisse war, das er natürlich jederzeit bereit war, jeden Vertrag und jede Versprechung zu brechen, wenn es ihm vorteilhaft erschien.
Nach dem ihm das Münchner Abkommen, war die Tschechoslowakei nach dem Verlust der dortigen Befestigunsanlagen endgültig unverteidigbar geworden.
Für die Tschechoslowaken war das Münchner Abkommen ein Verrat der Westmächte, insbesondere von Frankreich, mit denen man einen Bündnisvertrag hatte. Verheerend war vor allem der Eindruck den die Westmächte auf Hitler wie auf ihre tschechoslowakischen Verbündeten machten: Der absolute Unwille sich der Nazi Aggression zu stellen, das Appeasement wurde sichtbar, für Hitler wie für die Tschechoslowaken, die bereit waren zu kämpfen, aber auf Verbündete angewiesen waren. Die Botschaft in München in der Nacht vom 29. zum 30. September 1938 war absloute Nachgiebigkeit, keine Botschaft im Sinne "Bis hierher und keinen Schritt weiter", die vielleicht schlimmeres verhütet hätte.
Die Monate nach dem Münchner Abkommen
So konnte sich Hitler weiterhin als Erpresser betätigen und die Tschechoslowakei weiter unter Druck setzen. In der Tschechoslowakei sank die im Herbst 1938 noch hohe Kampfmoral. Präsident Beneš, einer der bedeutenden Persönlichkeiten bei der Staatsgründung 1918, resignierte und ging ins amerikanische Exil. Erst was zwei Monate später wurde mit Emil Hácha ein Nachfolger gewählt, ein alter und nicht besonders gesunder Mann.
Am 14. März setzte Hitler den Slowakischen Ministerpräsidenten Tiso in Berlin unter Drurck, den Slowakischen Staat auszurufen, da er widrigenfalls die Slowakei den Ungaren überlassen würde. Dann liess er Hácha kommen und verlangte von ihm, dem Protektorat zuzustimmen und seine Armee anzuweisen, keinen Widerstand zu leisten. Widrigenfalls die Wehrmacht jeglichen Widerstand brutal zerschlagen würde. Göring liess sich hören, dass er es sehr schade finden würde, "Ihre wunderschöne Hauptstadt Prag" von seiner Luftwaffe in Schutt und Asche legen zu lassen.
Hácha kollabierte und musste mit Herzspritzen behandelt werden. Schliesslich stimmte Hácha zu und liess durch den mitgereisten Aussenminister Chvalovský die Armee anweisen, keinen Widerstand zu leisten.
Die Besetzung von Böhmen und Mähren, von Hitler verächtlich "Rest-Tschechei" genannt vollzog sich in den Morgenstunden vom 15. März 1939. Um 9.00 Uhr erreichten die Truppen von General Blaskowitz Prag. Am Mittag erreichte auch Hitler Prag.
Für die meisten Tschechen war die Okkupation und die Schaffung des Protektorats ein Schock. Aber nicht für alle. Dem Chef des tschechoslowakischen Geheimdienstes waren die Pläne Hitlers schon lange vorher bekannt. So konnte er immerhin viele Unterlagen mit Hilfe der Britischen Botschaft nach London schaffen, ebenso den Transfer von finanziellen Mitteln in verbündete und neutrale Länder schaffen. Alle anderen Unterlagen wurde rechtzeitig vor Eintreffen der Wehrmacht und Canaris´ Abwehr vernichtet. So konnte das tschechoslowakische Geheimdienstnetz tatsächlich während des ganzen Krieges von London aus weiterfunktionieren, den auch Moravec und seine Offiziere flogen am Tag vor der Okkupation über die Niederlande nach London aus. Die vielleicht einzige gute Nachricht an jenem Tag, die allerdings nicht an die Öffentlichkeit drang.
Die Westmächte wie auch die USA und die Sowjetunion anerkannten die Besetzung und das Protektorat nicht an. Ausser Protesten kam allerdings nichts.
Der ehemalige Präsident Beneš liess aus den USA verlauten, dass mit der völkerrechtswidrigen Besetzung des Landes der Münchner Vertrag ungültig geworden sei, damit die Tschechoslowakei de jure in ihren Grenzen von vor dem Oktober 1938 bestehe und er eine Exilregierung errichten wolle.
Ebenfalls schockiert waren die Westmächte, die für diese Situation nicht vorbereitet waren und nichts tun konnten und wohl auch wollten. Für Chamberlain war es das Ende des Appeasements, man gab später dann an Polen eine Garantieerklärung ab, die ihn aber bekanntermassen wenig beeindruckte.
Für Hitler war dies ein weiterer Triumph, den er praktische ohne Verluste erreichte (es gab einzelne Scharmützel). Vor allem konnte er die unzerstörte Ausrüstung der tschechischen Armee erbeuten, wie auch die ganze tschechische Rüstungsindustrie der Wehrmacht fortan wertvolle Dienste leistete. Vor allem die Panzer 35 t und 38 t, von denen manche an der Kanalküste in Wochenschauen zu sehen waren, wurden so bekannt. Für viele tschechoslowakische Soldaten und Offiziere ein bitterer Anblick, mancher mochte sich gedacht haben, dass das die Strafe für die Franzosen an ihren Verrat vom Herbst 1938 sei.
Viele Tschechen wie auch Slowaken flohen ins Ausland, in Frankreich konnte immerhin eine Einheit von 10 000 Soldaten gebildet werden, die in der Schlacht um Frankreich kämpften. Etwa 3 500 von ihnen konnten nach dem Fall von Frankreich sich nach England retten. Die wohl militärisch bedeutendsten waren die Piloten, die später an der Battle of Britain teilnahmen und nach den Polen das grösste Ausländerkontingent der RAF ausserhalb des British Commonwealths stellten.
Re: Das Münchner Abkommen oder Diktat - ohne uns über uns (Edvard Beneš) - Sieg Hitlers Salamitaktik, Fiasko des Appeasements
Also marek, für diesen detailierten Beitrag danke ich dir. Er hat viele Wissenslücken gefüllt. Ich habe zu DDR Zeiten mal gelesen, dass die Tschechen auch enttäuscht waren, dass die Sowjetunion sich nicht einmischte. Das las man z.B. sogar in einem Roman: Max Zimmering, "Die unfreiwillige Weltreise".
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