Weltverbesserer und Fundamentalist ohne Perspektive: Savonarola – Die Diktatur Gottes
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Weltverbesserer und Fundamentalist ohne Perspektive: Savonarola – Die Diktatur Gottes
Über den düster wirkenden Dominikanermönch Savonarola (1452 -1498) gehen die Meinungen weit auseinander. Für Goethe war er ein fratzenhaftes Ungeheuer, für Machiavelli ein „demagogischer Ideologe, der aus persönlichen Interessen handelte“. Luther hielt ihn hingegen für einen Heiligen.
1491 wurde er zum Prior der Klosters San Marco in Florenz gewählt und zu seinen Predigten strömten jeden Sonntag an die 10.000 Menschen in den Dom. Er beschimpfte die heruntergekommene Kirche, die im Luxus schwelgen würde, die reiche Oberschicht von Florenz und die herrschende Familie der Medici nannte er Tyrannen, auch wenn er deren Namen nicht aussprach. Ihm gefiel auch nicht die Renaissance, der neue Humanismus und die Wiederentdeckung der antiken Kultur.
1494 marschierte der französische König Karl VIII in Italien ein, die Medici flohen und die Oberschicht unterwarf sich. Karl VIII nutzte Savonarola als Schachfigur, die Verfassung der Stadt wurde demokratisiert und der Rat der Legislative auf 3.000 Stimmberechtigte erweitert, auch wenn die alten Eliten weiterhin an den Schalthebeln saßen. In den nächsten vier Jahren konnte sich der asketische Priester austoben und wollte ein neues Florenz aufbauen:
„Tu also ab von dir Florenz, die alten Dinge und erneure dich ganz, Gott gemäß. Tu auf Florenz, die Ohren und achte auf das, was ich dir sage:
Weiterhin musst du von dir diese Lieder, Spiele und Schenken abtun und die üblen Kleidersitten der Frauen; und so musst du alles, was der Gesundheit der Seele schädlich ist, wegschicken, und jeder möge für Gott leben und nicht für die Welt, und alle mit Einfachheit und christlicher Liebe.“ (Florenz, Frankfurt am Main, 1982, S.217)
Savonarola ließ große Scharen von Jugendlichen („fanciulli“), die in weißen Gewändern und mit spitzen Stöcken bewaffnet (sogenannte Kinderpolizei) alle kostbaren und wertvollen Gegenstände von den Florentinern beschlagnahmten, zusammentragen und zweimal auf einem großen Scheiterhaufen auf der Piazza della Signoria verbrennen, das „Fegefeuer der Eitelkeit“. Der berühmte Maler Botticelli (Gemälde „Geburt der Venus“) warf eine Reihe seiner Bilder in dieses „Fegefeuer“. Florenz wurde zu einem trostlosen Ort, die Kinderpolizei achtete darauf, dass niemand Schmuck oder teure Gewänder trug, der Handel kam zum Erliegen.
Doch dann sank der Stern von Savonarola. Sein religiöser Eifer ruinierte die Stadt, die Oberschicht wollte ihn loswerden. Sein Gönner, Karl VIII, musste Italien verlassen, der Papst Alexander VI exkommunizierte ihn, ein Städtebündnis, die „Heilige Allianz von Venedig“ setzte Florenz unter Druck. Savonarola wurde verhaftet und verbrannt.
Machiavelli, der mehrere seiner Reden gehört hatte, hielt ihn für einen weltfremden Narren. Er bezeichnete ihn als „unbewaffneten Propheten“ und kritisierte als kühler Machtstratege, dass der Prediger es versäumt hatte, eine eigene Streitmacht aufzubauen. Aber er erkannte an ihm die große Bedeutung der Religion, die, klug verwendet, der Machterhaltung dienen kann.
Savonarola hatte keine konstruktiven Theorien. Sinnloser Hass auf den Reichtum aber ohne wirkliche Alternative bewirkte nur wirtschaftlichen Stillstand. Er forderte in seinen Predigten einen „guten Tyrannen“, der die Gesetze Gottes zur Geltung bringen soll, aber so einen gab es nicht und er selbst konnte diese Rolle nicht ausfüllen.
Luther hielt ihn für einen „wahren Heiligen“:
"Er erlitt den Tod, weil er Rom, den Abgrund alles Verderbens, reinigen wollte. Aber siehe, er lebt und sein Gedächtniß ist im Segen. Christus canonisirt ihn durch uns, sollten gleich die Päpste und Papisten miteinander darüber zerbersten."
Luther, Gesammelte Werke, Band 14, Systematische Theologie, 1956, S. 256
Man muss dies noch präzisieren: Luther war nicht gegen den Feudalismus oder Reichtum an sich, sondern nur gegen den weltlichen Reichtum des Papstes, den Feudalismus der Fürsten hingegen hielt er mit dem Christentum vereinbar. Deshalb bekam er von denen auch Unterstützung, denn die waren auch dagegen, dass sich der Papst auf ihre Kosten bereicherte.
Savonarola hingegen wetterte gegen alle: Kirche, Feudalherrn, reiche Oberschicht von Florenz, und stützte sich nur auf die Armen von Florenz und als die ihn verließen, hatte er keine Anhänger mehr.
1491 wurde er zum Prior der Klosters San Marco in Florenz gewählt und zu seinen Predigten strömten jeden Sonntag an die 10.000 Menschen in den Dom. Er beschimpfte die heruntergekommene Kirche, die im Luxus schwelgen würde, die reiche Oberschicht von Florenz und die herrschende Familie der Medici nannte er Tyrannen, auch wenn er deren Namen nicht aussprach. Ihm gefiel auch nicht die Renaissance, der neue Humanismus und die Wiederentdeckung der antiken Kultur.
1494 marschierte der französische König Karl VIII in Italien ein, die Medici flohen und die Oberschicht unterwarf sich. Karl VIII nutzte Savonarola als Schachfigur, die Verfassung der Stadt wurde demokratisiert und der Rat der Legislative auf 3.000 Stimmberechtigte erweitert, auch wenn die alten Eliten weiterhin an den Schalthebeln saßen. In den nächsten vier Jahren konnte sich der asketische Priester austoben und wollte ein neues Florenz aufbauen:
„Tu also ab von dir Florenz, die alten Dinge und erneure dich ganz, Gott gemäß. Tu auf Florenz, die Ohren und achte auf das, was ich dir sage:
Weiterhin musst du von dir diese Lieder, Spiele und Schenken abtun und die üblen Kleidersitten der Frauen; und so musst du alles, was der Gesundheit der Seele schädlich ist, wegschicken, und jeder möge für Gott leben und nicht für die Welt, und alle mit Einfachheit und christlicher Liebe.“ (Florenz, Frankfurt am Main, 1982, S.217)
Savonarola ließ große Scharen von Jugendlichen („fanciulli“), die in weißen Gewändern und mit spitzen Stöcken bewaffnet (sogenannte Kinderpolizei) alle kostbaren und wertvollen Gegenstände von den Florentinern beschlagnahmten, zusammentragen und zweimal auf einem großen Scheiterhaufen auf der Piazza della Signoria verbrennen, das „Fegefeuer der Eitelkeit“. Der berühmte Maler Botticelli (Gemälde „Geburt der Venus“) warf eine Reihe seiner Bilder in dieses „Fegefeuer“. Florenz wurde zu einem trostlosen Ort, die Kinderpolizei achtete darauf, dass niemand Schmuck oder teure Gewänder trug, der Handel kam zum Erliegen.
Doch dann sank der Stern von Savonarola. Sein religiöser Eifer ruinierte die Stadt, die Oberschicht wollte ihn loswerden. Sein Gönner, Karl VIII, musste Italien verlassen, der Papst Alexander VI exkommunizierte ihn, ein Städtebündnis, die „Heilige Allianz von Venedig“ setzte Florenz unter Druck. Savonarola wurde verhaftet und verbrannt.
Machiavelli, der mehrere seiner Reden gehört hatte, hielt ihn für einen weltfremden Narren. Er bezeichnete ihn als „unbewaffneten Propheten“ und kritisierte als kühler Machtstratege, dass der Prediger es versäumt hatte, eine eigene Streitmacht aufzubauen. Aber er erkannte an ihm die große Bedeutung der Religion, die, klug verwendet, der Machterhaltung dienen kann.
Savonarola hatte keine konstruktiven Theorien. Sinnloser Hass auf den Reichtum aber ohne wirkliche Alternative bewirkte nur wirtschaftlichen Stillstand. Er forderte in seinen Predigten einen „guten Tyrannen“, der die Gesetze Gottes zur Geltung bringen soll, aber so einen gab es nicht und er selbst konnte diese Rolle nicht ausfüllen.
Luther hielt ihn für einen „wahren Heiligen“:
"Er erlitt den Tod, weil er Rom, den Abgrund alles Verderbens, reinigen wollte. Aber siehe, er lebt und sein Gedächtniß ist im Segen. Christus canonisirt ihn durch uns, sollten gleich die Päpste und Papisten miteinander darüber zerbersten."
Luther, Gesammelte Werke, Band 14, Systematische Theologie, 1956, S. 256
Man muss dies noch präzisieren: Luther war nicht gegen den Feudalismus oder Reichtum an sich, sondern nur gegen den weltlichen Reichtum des Papstes, den Feudalismus der Fürsten hingegen hielt er mit dem Christentum vereinbar. Deshalb bekam er von denen auch Unterstützung, denn die waren auch dagegen, dass sich der Papst auf ihre Kosten bereicherte.
Savonarola hingegen wetterte gegen alle: Kirche, Feudalherrn, reiche Oberschicht von Florenz, und stützte sich nur auf die Armen von Florenz und als die ihn verließen, hatte er keine Anhänger mehr.
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Re: Weltverbesserer und Fundamentalist ohne Perspektive: Savonarola – Die Diktatur Gottes
Es gibt eine sehr gute Dokumentation:
Savonarola der schwarze Prophet
https://www.youtube.com/watch?v=RTftEZ9uAJ8
Ich denke, man muss ihn und seine Einstellungen im zeitlichen Kontext sehen. Ebenso die Beurteilung durch Luther.
Savonarola wäre, wenn er heute leben würde wohl fast so einstufen sein, wie die Dschihadisten.
In der Zeit in der er lebte, mit einem verdorbenen, korrupten Papsttum und Kirchenapparat, war er mit seinen Ansichten erstmal auf einer Linie mit Luther. Natürlich waren seine Helfer die Kunstwerke zerstörten keine akzeptablen Methoden, aber der Vatikan seiner Zeit hatte mit Christentum (dem Grundgedanken des Christentums) ebensoviel zu tun, wie St. Pauli mit dem Betrieb eines Nonnenklosters.
Savonarola der schwarze Prophet
https://www.youtube.com/watch?v=RTftEZ9uAJ8
Ich denke, man muss ihn und seine Einstellungen im zeitlichen Kontext sehen. Ebenso die Beurteilung durch Luther.
Savonarola wäre, wenn er heute leben würde wohl fast so einstufen sein, wie die Dschihadisten.
In der Zeit in der er lebte, mit einem verdorbenen, korrupten Papsttum und Kirchenapparat, war er mit seinen Ansichten erstmal auf einer Linie mit Luther. Natürlich waren seine Helfer die Kunstwerke zerstörten keine akzeptablen Methoden, aber der Vatikan seiner Zeit hatte mit Christentum (dem Grundgedanken des Christentums) ebensoviel zu tun, wie St. Pauli mit dem Betrieb eines Nonnenklosters.
Re: Weltverbesserer und Fundamentalist ohne Perspektive: Savonarola – Die Diktatur Gottes
wfwbinder schrieb:Es gibt eine sehr gute Dokumentation:
Savonarola der schwarze Prophet
https://www.youtube.com/watch?v=RTftEZ9uAJ8
Ich denke, man muss ihn und seine Einstellungen im zeitlichen Kontext sehen. Ebenso die Beurteilung durch Luther.
Savonarola wäre, wenn er heute leben würde wohl fast so einstufen sein, wie die Dschihadisten.
In der Zeit in der er lebte, mit einem verdorbenen, korrupten Papsttum und Kirchenapparat, war er mit seinen Ansichten erstmal auf einer Linie mit Luther. Natürlich waren seine Helfer die Kunstwerke zerstörten keine akzeptablen Methoden, aber der Vatikan seiner Zeit hatte mit Christentum (dem Grundgedanken des Christentums) ebensoviel zu tun, wie St. Pauli mit dem Betrieb eines Nonnenklosters.
Diese Doku ist nur sehr oberflächlich gestaltet, aber auch interessant.
Besser noch ist das Buch über Savonarola (Biografie).
Ich habe es gelesen und beim Lesen lief es mir kalt den Rücken runter...
Ceres- Anzahl der Beiträge : 2899
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Re: Weltverbesserer und Fundamentalist ohne Perspektive: Savonarola – Die Diktatur Gottes
Vielen Dank für den Tipp. Schon bestellt.
Re: Weltverbesserer und Fundamentalist ohne Perspektive: Savonarola – Die Diktatur Gottes
LOL das ist ein guter und erheiternder Vergleich ! :
Savonarola wäre, wenn er heute leben würde wohl fast so einstufen sein, wie die Dschihadisten.
In der Zeit in der er lebte, mit einem verdorbenen, korrupten Papsttum und Kirchenapparat, war er mit seinen Ansichten erstmal auf einer Linie mit Luther. Natürlich waren seine Helfer die Kunstwerke zerstörten keine akzeptablen Methoden, aber der Vatikan seiner Zeit hatte mit Christentum (dem Grundgedanken des Christentums) ebensoviel zu tun, wie St. Pauli mit dem Betrieb eines Nonnenklosters.[/quote]
Savonarola wäre, wenn er heute leben würde wohl fast so einstufen sein, wie die Dschihadisten.
In der Zeit in der er lebte, mit einem verdorbenen, korrupten Papsttum und Kirchenapparat, war er mit seinen Ansichten erstmal auf einer Linie mit Luther. Natürlich waren seine Helfer die Kunstwerke zerstörten keine akzeptablen Methoden, aber der Vatikan seiner Zeit hatte mit Christentum (dem Grundgedanken des Christentums) ebensoviel zu tun, wie St. Pauli mit dem Betrieb eines Nonnenklosters.[/quote]
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Re: Weltverbesserer und Fundamentalist ohne Perspektive: Savonarola – Die Diktatur Gottes
Keine Frage.
Wären die Päpste in der Zeit von Luther nicht so gewesen, wie sie waren, sondern zum Beispiel wie jetzt Papst Franziskus, so hätte es vermutlich nie eine Reformation gegeben.
Martin Luther und Franziskus wären m.E. gute Freunde gewesen, wenn sie zur gleichen Zeit gelebt hätten.
Wären die Päpste in der Zeit von Luther nicht so gewesen, wie sie waren, sondern zum Beispiel wie jetzt Papst Franziskus, so hätte es vermutlich nie eine Reformation gegeben.
Martin Luther und Franziskus wären m.E. gute Freunde gewesen, wenn sie zur gleichen Zeit gelebt hätten.
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