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Der Untergang von Sparta

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Beitrag von Wallenstein So Jan 08, 2017 12:42 pm

Neuauflage eines älteren Artikels von mir.

Dass die Demokratie in Griechenland entstanden ist und sich die Vorstellungen von Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz dort entwickelt haben, ist allgemein bekannt. Allerdings genossen selbst in Athen auf dem Höhepunkt der demokratischen Entwicklung allenfalls 20 – 30% der Bevölkerung diese Vorzüge, da Frauen, Sklaven und Ortsansässige ohne Bürgerrecht hiervon ausgeschlossen blieben.

Besonders extrem war die politische Ungleichheit in Sparta, da dort ungefähr 13.000 Vollbürger mit Familienanhang mindestens 100.000 Sklaven, sogenannten Heloten, gegenüberstanden, auch wenn ihre genaue Anzahl nie ermittelt werden konnte. Außerdem gab es noch 30.000-40.000 Bürger mit minderem Rechtsstatus, Periöken genannt.

Sparta besaß noch eine weitere Besonderheit, die weitgehende soziale Gleichheit. Während in den anderen griechischen Kommunen krasse Vermögensunterschiede zwischen wenigen Reichen und dem Rest der Bevölkerung existierten, die angesichts der geringen Größe der Stadtstaaten besonders auffällig und provozierend wirkten, nannte sich die Spartiaten stolz hoi homoioi, die Gleichen.
Sparta macht deutlich, das sich der Menschheitstraum von Freiheit, sowie von rechtlicher und sozialer Gleichheit realisieren lässt für eine kleine, exklusive Minderheit auf Kosten einer zahlenmäßig überwältigenden Mehrheit weitgehend rechtloser Personen.

Sparta war damit auch in der griechischen Welt ziemlich einzigartig und wurde oft bewundert, aber auch gehasst. Da sich viele antike Autoren, wie etwa Plutarch oder Polybios darüber ausgelassen haben, liegen eine ganze Reihe von Informationen über dieses eigenartige Staatswesen vor.

Im 7. Jahrhundert vor u.Z. gerieten überall in Griechenland die bäuerlichen Gemeinschaften, die beherrscht wurden von einem Erbadel, in eine Krise. Bevölkerungswachstum, das Fehlen neuer, fruchtbarer Böden, zahlreiche Kriege, Entstehung einer besitzlosen Landbevölkerung, die Expansion des Großgrundbesitzes der Adligen, all dies hatte zu außerordentlichen Spannungen in der Landbevölkerung geführt, da nun eine kleine Gruppe reicher, adliger Großgrundbesitzer einer verarmten Bauernschaft gegenüberstand. Gleichzeitig hatte sich der Handel entwickelt und eine Schicht neureicher Händler meldete politische Führungsansprüche an. Dies war die Geburtsstunde der Tyrannis, meist reich gewordene Parvenüs, die im Zusammenspiel mit den verarmten Bauern die politische Macht übernahmen, den Einfluss des Adels zurückdrängten und durch Schuldenerlass und andere Maßnahmen den bäuerlichen Klein-und Mittelbesitz stabilisierten. In einigen Stadtstaaten, wie z.B. in Athen, schritt die Entwicklung weiter fort bis zur Demokratie.

In Sparta ging die Revolution weiter als in den übrigen Kommunen. Hier erzwangen die Bauern eine Neuverteilung des Bodens. Ermöglicht wurde dies durch die Eroberung von Lakonien und Messenien und der darauf folgenden Versklavung der dort ansässigen Bevölkerung. Die Spartiaten setzten der Überlieferung zufolge die Reformen des Lykurg durch, wobei unklar ist, ob es diese Person in Wirklichkeit überhaupt gegeben hat. Lykurg verteilte der Legende nach das Land zu gleichen Teilen an die Spartiaten als kleroi oder Landlose. Die Arbeitskräfte stellten die unterworfene Bevölkerung, die Heloten, die im Besitz des Staates waren und an die Grundeigentümer zur Nutznießung ausgeliehen wurden.

Das Bauerngut sicherte die Versorgung und ermöglichte es dem Eigentümer, seine militärische Ausrüstung zu bezahlen und sich von körperlicher Arbeit zu befreien. So entstand eine Schicht von Kriegern, die sich nahezu ausschließlich mit militärischer Ertüchtigung beschäftigten, eine Körperschaft aus 8-9.000 spartanischen Vollbürgern, die in sich nur wenig sozial differenziert war.
Das frühere Königtum wurde beibehalten, aber auf eine erbliche Heeresführerschaft reduziert und die Macht durch Doppelbesetzung beschnitten, da es nun zwei Königsfamilien gab. Die Aristokratie hatte weiterhin ein großes Gewicht, da ihre Oberhäupter in dem dreißigköpfigen Rat der Alten, der Gerusia saßen, aber sehr wichtig war nun die Volksversammlung der Bürger geworden, von denen nun entscheidende legislative Beschlüsse ausgingen. Fünf Beamte oder Ephoren, die direkt von der Bürgerschaft gewählt wurden, übten die exekutive Gewalt aus. So wurde ein Maximum an Demokratie realisiert und dieses Modell konnte sich über Jahrhunderte hinweg behaupten.

Es gab allerdings mehrere Schwächen, die letztendlich auch zum Zusammenbruch dieser Gesellschaft führten.

Erstens: Es musste eine hinreichend große Zahl von Vollbürgern vorhanden sein, um das System aufrechtzuerhalten. Dazu war es sinnvoll, keine expansive Politik zu führen, die die Zahl der Krieger radikal hätte reduzieren können. Spartas Gemeinschaft erwies sich als unfähig, die herrschende Kaste nach Verlusten wieder aufzufüllen. Mitgliedschaft an der Bürgerschaft hatte zur Voraussetzung den Besitz von einem Landlos und Teilnahme an der Volksversammlung. Außenstehende erfüllten diese Voraussetzung nicht und dies traf auch auf die Heloten zu, deren Emanzipation man nicht wünschte, da sonst das System zusammengebrochen wäre. Als die Zahl der Vollbürger nach dem peloponnesischen Krieg radikal abgenommen hatte, war die Zahl der Spartiaten von ursprünglich etwa 9.000 auf nur noch 2.000 geschrumpft. Vergleicht man etwa die Expansion des Stadtstaates Rom mit der von Sparta, ergibt sich ein bemerkenswerter Unterschied. Rom wurde von einer kleinen Oligarchie regiert, die besiegte Nachbarn als Bündnispartner aufnahm, die dortige Oligarchie im Amt beließ und in die römische Herrenschicht integrierte, wo sie dann miteinander verschmolzen. Die spartanische Verfassung mit ihrer Präsenzpflicht bei Vollversammlungen ließ dies aber nicht zu und so schrumpfte die Zahl der Spartiaten ständig.

Zweitens: Die Gleichheit der Spartiaten musste aufrechterhalten werden, um den solidarischen Zusammenhalt nicht zu sprengen. Max Weber hat die Schwierigkeiten verdeutlicht, die damit verbunden waren:[
Gegen den geldwirtschaftlichen Zersetzungsprozess kämpfte man durch künstliche Konservierung der Naturalwirtschaft und des Bedürfnisstandes der Kriegerbevölkerung: deshalb Ausschluss des Geldverkehrs, Immobilisierung der Spartiatenlose und Erhaltung der Kasinogemeinschaft. Dies hinderte die Vermehrung der Zahl der Kriegerlose, nicht aber ihre Verminderung durch Zusammenerben (in den Händen der Frauen) und Verarmung, auch nicht die geheime Beteiligung an auswärtigem Geldgewinn, während sie dagegen jede große politische Aktion des Staatswesens hemmte und zu der bekannten ängstlichen Schonung des Spartiatenbestandes führte. Schließlich war sie doch nicht zu halten, als die Herrscherstellung nach dem peloponnesischen Krieg mit ihrer Notwendigkeit, zur geldwirtschaftlichen Deckung der Staatsbedürfnisse überzugehen, die Geldwirtschaft in das Innere des geschlossenen Kriegerstaats trug, Geldvermögen schuf, den Bedürfnisstand der herrschenden Kaste revolutionierte, und damit in kürzester Zeit die ökonomischen Unterlagen des ganzen Systems vernichtete.“ (Max Weber, Agrarverhältnisse im Altertum, Tübingen 1976, S.113 ff.)

Schrumpfende Zahl der Vollbürger und Auflösung der Gleichheit, somit Entstehung sozialer Gegensätze zwischen den Spartiaten, das sind die beiden Faktoren, die zum Untergang des Militärstaates führen werden.

Diese Widersprüche wurden akut, als Sparta in den peloponnesischen Krieg von 431-404 vor u.Z. eingriff, ihn gewann und damit vorübergehend eine Hegemonialstellung in Griechenland einnahm. Die imperiale Expansion erwies sich aber als verhängnisvoll, weil sie Spartas reale Möglichkeiten bei weitem übertraf. Nach dem Krieg war die Zahl der Vollbürger auf 2.000 zusammengeschrumpft und es wurde unumgänglich, nun auch Teile der Heloten und Periöken zum Heeresdienst einzuberufen, ohne ihnen dafür irgendwelche Rechte im Gegenzug zu gewähren. Die Bewaffnung von ehemaligen Sklaven schuf eine gefährliche Situation, vor allem deshalb, weil die exklusive Schicht der übriggebliebenen Spartiaten keinerlei Emanzipation der unterdrückten Bevölkerung zuließ und sich immer weiter abkapselte.

Aber auch bei den Vollbürgern gab es bald krasse Unterschiede zwischen Arm und Reich. Die Könige und der Adel hatten trotz der Verfassung von Lykurg offensichtlich mehr Land besessen als die anderen Spartiaten. Außerdem eigneten sie sich den größten Teil der Kriegsbeute an. Die erheblichen Gewinne des Krieges landeten in den Händen einiger Familien. Diese kontrollierten bald auch immer mehr Ländereien der anderen Vollbürger. Schon vorher hatte es nie eine vollkommene Gleichheit gegeben. Nicht alle Felder waren gleichermaßen fruchtbar. Bei Missernten oder Krankheiten mussten sich manche Krieger bei ihren glücklicheren Mitbürgern verschulden und auf diese Weise gerieten viele Ländereien de facto unter die Kontrolle einer kleinen Oligarchie, auch wenn die Gleichheit offiziell weiterhin betont wurde. Nach dem dramatischen Schwund der Zahl der Vollbürger gerieten deren Ländereien in die Hände von Großgrundbesitzern, so dass bald das gesamte Land von wenigen Familien kontrolliert wurde. Diese führten nach dem gewonnenen Krieg ein luxuriöses Leben und ließen bald alle Hemmungen fallen. Kriegshelden, wie etwa Lysander, verlangte es gar nach göttlicher Verehrung. So klaffte innerhalb der kleinen Schar der Vollbürger ein tiefer Riss zwischen einigen Reichen und ihren verarmten Mitbürgern.

Solange noch reichliche Tribute nach Sparta flossen, ließen sich die Widersprüche kitten. Doch aufgrund der oben geschilderten Eigenarten der spartanischen Verfassung, schaffte es Sparta nicht, die Oberschichten der besiegten Städte in ihr System zu integrieren. Dies musste den Geist der Rebellion wecken und als sich die Stadt Theben erhob und das spartanische Heer 371 vor u.Z. bei Leuktra vernichtend schlug, verlor Sparta seine Hegemonialstellung und musste sogar Messenien aufgeben. Damit stürzte Sparta in die Bedeutungslosigkeit und die Zahl der Vollbürger war nun auf 700 gesunken. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Stadt von stärkeren Nachbarn annektiert werden würde.

Doch die inneren Wirren in Griechenland verschafften ihnen noch eine längere Atempause. Von der Schlacht bei Leuktra bis hin zur praktischen Annektierung von ganz Griechenland 146 vor u.Z. durch Rom hatten die Herrschenden in Sparta über 200 Jahre Zeit, um aus ihren inneren Schwierigkeiten herauszukommen und durch Strukturreformen ihre frühere Bedeutung als griechische Großmacht wieder zu erlangen. Warum ist dies nicht geschehen?

Zunächst einmal: Das außenpolitische Umfeld hatte sich inzwischen erheblich verändert. Die griechischen Kleinstaaten hatten sich wechselseitig durch die mörderischen Auseinandersetzungen erheblich geschwächt und im Norden war als neue Großmacht der Flächenstaat Makedonien entstanden unter seinem König Philipp und dessen Nachfolger Alexander dem Großen, der Griechenland seinen Willen aufzwang. Zwar blieb das Imperium von Alexander ein kurzlebiges Gebilde und zerfiel sehr schnell, doch die nachfolgenden hellenistischen Monarchien waren mächtige, großräumige Flächenstaaten und verfügten über wesentlich mehr Ressourcen als die alten Gegner von Sparta wie Athen oder Theben. Zudem dehnte sich im Westen das römische Reich langsam, aber stetig aus und streckte seine Hand auch nach Griechenland aus. Gegen diese neuen Großmächte hatte das kleine Sparta keine Chance. Umso törichter waren daher die Versuche der Herrschenden, trotzdem wieder eine expansive Politik aufzunehmen. Alle diesbezüglichen Versuche endeten in einer Katastrophe. Der Versuch, durch Kriege und Ausbeutung der Besiegten die schmale Ressourcenbasis zu vergrößern, um alte Machtpositionen wieder zu erlangen, scheiterte auf der ganzen Linie.

Es war naheliegend, die innenpolitische Krise so zu lösen, dass man die Verfassung des Lykurg wieder auf ihre reale Grundlage zurückstellte. Dies würde bedeuten: Das Land wieder neu aufzuteilen und zwar in gleiche Anteile und die Zahl der Vollbürger erneut zu erhöhen. Tatsächlich gab es in den nächsten zwei Jahrhunderten immer wieder Versuche, dies durchzusetzen, doch alle Reformversuche scheiterten an dem erbitterten Widerstand der Besitzenden. Die Auseinandersetzungen wurden im Laufe der Zeit immer blutiger und mörderische Machtkämpfe prägten die Politik der Stadt in den Jahren ihres Niedergangs.

Es sollen jetzt nicht alle Reformversuche hier aufgeführt werde. Erwähnt werden soll nur der letzte Versuch von dem König Nabis, der in Sparta eine soziale Revolution auslöste, eine der radikalsten, die die Antike gesehen hat.

Nabis gehört nicht zu den revolutionären Lichtgestalten wie Spartakus oder Thomas Müntzer. Obwohl er eine soziale Revolution initiierte, mochte sich niemand mit ihm identifizieren. Die Quellen bezeichnen ihn als blutrünstigen Tyrannen und er verkörpert gewissermaßen die dunkle Seite der Revolution, die befleckt ist mit Terror, Unterdrückung und Vernichtung der politischen Gegner. Einige vergleichen ihn gelegentlich mit Robespierre, doch während dieser noch einen revolutionären Idealismus vertrat und glaubte, durch Terror und Unterdrückung die Menschen bessern zu können, war Nabis anscheinend ein reiner Machtmensch, dem die Revolution nur dazu diente, um seine ehrgeizigen, egoistischen Ziele durchzusetzen.

207 vor u.Z. kam er an die Macht und erkannte schnell, dass er eine Massenbasis in der Bevölkerung brauchte, um sie zu behaupten. Deshalb begann er, mit einem großangelegten Reformversuch, um die Verfassung des Lykurg wieder zu erneuern. Der Historiker Perry Anderson schrieb hierzu: „Zu Nabis Sozialprogramm für die Wiederbelebung Spartas gehörten das Exil für Adlige, die Aufgabe des Ephorats, die bürgerliche Eingliederungen von Unterworfenen, die Freilassung von Sklaven und die Verteilung des konfiszierten Landes an die Armen, wahrscheinlich die kohärentesten und weitreichendsten revolutionären Maßnahmen, die jemals in der Antike formuliert wurden.“ (Perry Anderson, Von der Antike zum Feudalismus, Frankfurt 1978, S.66)

Um diese Ziele zu erreichen, ging er mit großer Rücksichtslosigkeit vor und beseitigte alle seine politischen Gegner. Dieses Reformprogramm ging allerdings noch über Lykurg hinaus, denn der hatte es so eingerichtet, das eine privilegierte Kriegerschicht auf Kosten von vielen Sklaven leben konnte. Die Befreiung von Heloten, praktisch die Abschaffung der Sklaverei, war aber mit Lykurg unvereinbar. Damit wurde das ganze System aus den Angeln gehoben. Überdies war die Aufhebung der Sklaverei in der Antike ein unerhörter Vorgang und musste die herrschenden Oligarchien überall in der Alten Welt beunruhigen, denn die gesamte griechisch-römische Kultur beruhte auf der Sklaverei und war ohne sie nicht vorstellbar.

Nabis stieß daher überall auf den erbitterten Widerstand der herrschenden Eliten. Auch in Sparta musste er den Adel und die noch verbliebenen Vollbürger bekämpfen, die nicht auf ihre Privilegien verzichten wollten. Seine terroristische Vorgehensweise, der Aufbau einer Geheimpolizei, ein Spitzelwesen, all dies machte ihn bei vielen verhasst. Seine Politik dürfte von der Masse der Bewohner kaum als Befreiung empfunden worden sein, denn mit der Schar seiner Anhänger drangsalierte er die Bevölkerung und ließ seine Gegner grausam foltern. Viele Historiker sehen hier Parallelen zum späteren Stalinismus in der Sowjetunion. Auch die Heloten konnte er nicht zufrieden stellen, denn anscheinend plante er, nicht alle zu befreien, sondern ging selektiv vor. Ein Teil von ihnen sollte vermutlich weiter als Sklaven tätig sein. Aufgrund dieser Inkonsequenz seiner Politik machte er sich auch bei den bisher Unterdrückten unglaubwürdig. Die Römer beschlossen, im Einverständnis mit den anderen griechischen Stadtstaaten, diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Der Kommandeur der römischen Armee, Quinctus Flaminnius, mobilisierte 50.000 Soldaten und zog gegen Sparta in den Krieg.

Laut dem römischen Historiker Livius soll Nabis zu ihm gesagt haben: „Ihr müsst nicht das, was zu Lakedämon geschieht, nach euren Gesetzen und Einrichtungen beurteilen. Ihr wählt die Reiter und das Fußvolk nach dem Vermögen und wollt, dass einige durch Reichtum hervorragen und dass die Bürger jenen unterworfen seien. Unser Gesetzgeber wollte, dass das Gemeinwesen nicht in der Gewalt Weiniger sein sollte, was ihr Senat nennt, noch dass der eine oder andere im Stand im Staate hervorrage, sondern durch Gleichheit des Vermögens und der Würde glaubte er zu bewirken, dass viele vorhanden wären, welche die Waffen fürs Vaterland trügen.“ (Livius, Römische Geschichte, XXXIV, xxxi, 17-18)

Nabis wurde von den Römern besiegt und musste zustimmen, das die revolutionären Maßnahmen wieder zurückgenommen wurden und die geflüchtete Aristokratie nach Sparta zurückkehren konnte. Schon kurze Zeit später suchte er eine neue Auseinandersetzung mit Rom, wurde aber 193 v.u.Z. von Bundesgenossen ermordet, die ihm in den Rücken fielen.

Wenn der spartanische König Erfolg gehabt hätte, wäre der Verlauf der Weltgeschichte ein anderer geworden, wie einige meinen? Vermutlich kaum. Eine vollständige Befreiung der Heloten hätte die Sklaverei beseitigt, das Ergebnis wäre wahrscheinlich die Entstehung einer zahlenmäßig großen Schicht von Kleinbauern gewesen. Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass diese auf die Dauer den hellenistischen Monarchien oder der römischen Militärmaschinerie hätten standhalten können. Sie wären sicherlich früher oder später unter die Herrschaft fremder Großgrundbesitzer geraten.
Oder nehmen wir an, Nabis hätte die Verfassung des Lykurg wieder reaktivieren können. Er hätte dann eine beschränkte Anzahl von Heloten als Vollbürger aufnehmen müssen, vielleicht wieder 8.000-9.000, um die alte Stärke erneut zu erreichen. Die Übrigen, also die große Masse, hätten weiterhin als Sklaven tätig sein müssen. Möglichweise wäre dies eine durchsetzbare Option gewesen. Ob das Ausland allerdings das Wiedererstarken einer spartanischen Militärmacht geduldet hätte, ist wohl keine realistische Annahme. Vor allem die Römer hätten versucht, so etwas zu unterbinden.

Nach der de facto Annektierung durch Rom ähnelte Sparta bald den übrigen Gebieten, die zu dem Imperium gehörten. Herrschende Aristokraten, die ihre Güter durch Sklaven oder abhängige Bauern bewirtschafteten, daneben Reste von Klein-und Mittelbauern, dies waren die üblichen Strukturen, die im Römischen Reich vorherrschten. Die reichen Familien in Sparta konnten sich hier problemlos wiederfinden und einordnen. Die Verfassung des Lykurg blieb offiziell in Kraft, doch der Gegensatz von Vollbürgern und der restlichen Bevölkerung wurde anscheinend allmählich gegenstandslos. Wichtig war nun die Beziehung zu Rom, und der Erfolg der römischen Expansion beruhte darauf, dass die römische Aristokratie keine geschlossene Kaste war wie die spartanische, sondern lokale Eliten und reiche Parvenüs in ihre Reihen aufnahm und integrierte über das römische Bürgerrecht, welches nun entscheidend war und im Prinzip für alle Spartiaten erreichbar sein konnte. Und als im dritten Jahrhundert nach u.Z. das römische Bürgerrecht für die meisten freien Menschen im Imperium vergeben wurde, spielten die alten Kastenschranken in Sparta keine Rolle mehr.

Sparta verschwand langsam aus dem Blickwinkel der Geschichtsschreiber. In der römischen Kaiserzeit entwickelte sich die Stadt zu einem beliebten Touristenziel und die Besucher bewunderten die spartanische Kriegerausbildung, die weiterhin betrieben wurde, auch wenn sie kaum noch eine Bedeutung besaß.

Während der Völkerwanderung wurde der Peloponnes von den Goten verwüstet. In den nachfolgenden Jahrhunderten überrollten slawische Stämme aus dem Norden die Halbinsel und verschmolzen im Laufe der Zeit mit den vermutlich nur noch spärlichen Resten der römisch-griechischen Bevölkerung. Damit veränderte sich auch die ethnische Zusammensetzung.
Sparta versank in den nächsten Jahrhunderten in Geschichtslosigkeit. Es wird kaum noch etwas über diesen Ort berichtet. Heute ist Sparta eine freundliche Kleinstadt, in der nichts mehr an die stolze Vergangenheit erinnert. Für Touristen gibt es so gut wie nichts an Altertümern zu entdecken.

In den siebziger Jahren hatte ich mehrere Tage dort verbracht. Vielleicht sollten die Stadtväter versuchen wie in der Kaiserzeit die Erinnerung an die glanzvolle Vergangenheit  zu reaktivieren durch Schauspiele und Aufführungen, um zahlungsfähige Gäste in den Ort zu locken. Der Strom der Touristen macht gegenwärtig einen großen Bogen um die Stadt.

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Beitrag von Skeptik So Jan 08, 2017 9:36 pm

...und besuchen wohl eher die "ergiebigeren" Ruinen von Mystras.

Die griechischen Bewohner Spartas, die die Fremdherrschaft der Kreuzfahrer leid waren, siedelten sich nun im nur etwa drei Kilometer entfernten Mystras an. Unterhalb der Burg entstand eine blühende Stadt, die schließlich mehrere zehntausend Einwohner zählte. Mystras avancierte zum kulturellen Zentrum der Region.

Goethe, der selbst niemals Griechenland bereiste, setzte Mystras ein literarisches Denkmal, indem er sich von Berichten über die Stadt zur Schilderung jener Kreuzfahrerfestung bei Sparta inspirieren ließ, auf der Faust die schöne Helena trifft.


Das ist ein großartiger Bericht von dir, Wallenstein. Man ist versucht, sich einen der Götter vorzustellen der sich mit einem joystick die himmlische Langeweile vertreibt. Er spielt das Spiel Sparta und läßt es so richtig krachen.

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Beitrag von Moschusochse Di Jan 10, 2017 10:37 am

Skeptik schrieb:Das ist ein großartiger Bericht von dir, Wallenstein. Man ist versucht, sich einen der Götter vorzustellen der sich mit einem joystick die himmlische Langeweile vertreibt. Er spielt das Spiel Sparta und läßt es so richtig krachen.

Dem kann ich mich nur anschließen. Ein großartiger Beitrag, interessant finde ich vor allem, die Zeit nach Alexander und die Eroberung durch Rom. Ich frage mich, warum eigentlich soviel über die Punischen Kriege gelehrt wird, aber sehr wenig oder in meinem Falle gar nichts über die Eroberung Griechenlands und Mazedoniens durch Rom, nur eineinhalb Jahrhunderte nach den Siegeszug Alexanders durch den ganzen Orient?
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