Die ersten Staaten in der Geschichte
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Die ersten Staaten in der Geschichte
Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog veröffentlichte 1988 ein Buch mit dem Titel „Staaten der Frühzeit“ und untersucht die staatlichen Strukturen im alten Ägypten, Mesopotamien, China und der Induskultur. Bevor ich näher darauf eingehe zunächst einige allgemeine Bemerkungen von mir:
Grundlage der Staatenbildung ist:
1.) Ein ständiges Mehrprodukt, um einen dauerhaften Nahrungsmittelvorrat zu schaffen. Dafür ist eine Steigerung der Arbeitsproduktivität Voraussetzung.
2.) Dieses erlaubt eine ausgeprägte Form der Arbeitsteilung, da nun Personen freigestellt werden können, die nicht unmittelbar mit der Nahrungsmittelerzeugung zu tun haben wie etwa Handwerker und eben auch Personen, die staatliche Funktionen ausüben.
3.) Das Mehrprodukt erlaubt ein schnelleres Wachstum der Bevölkerung, denn Staaten entstehen offensichtlich erst bei einer hinreichend großen Zahl von Menschen.
Der Staat ist also ein Produkt der gesellschaftlichen Arbeitsteilung mit dem Zweck, eine bestimmte Gesellschaftsstruktur aufrecht zu erhalten. Die Hauptfunktionen können in repressive, integrierende und technische eingeteilt werden.
Die repressive Funktion umfasst Armee, Polizei, Justiz und Strafvollzug.
Die integrierende Funktion wird je nach Entwicklungsstand von unterschiedlichen Ideologien ausgeübt: Magie und Ritus, Philosophie und Moral, Religion, Recht und Politik.
Zur technischen Funktion gehört die Sicherung allgemein gesellschaftlicher Vorbedingungen des eigentlichen Produktionsprozesses (Bewässerungsbauten und Deiche im Alten Orient, Heeresstraßen in Persien und Rom, Aquädukte, usw.) sowie solche Formen der geistigen Arbeit zu fördern, die unerlässliche Vorbedingungen sind für die Reproduktion wie die Förderung von Wissenschaften wie Astronomie, Mathematik, Naturwissenschaften allgemein, und gegebenenfalls die Errichtung von Universitäten und Schulen, die früher meistens nur wenigen zugänglich waren.
Die wichtige Aufgabe: Schutz nach außen könnte man noch als vierte Funktion aufführen oder sie einer der anderen Funktionen zuordnen.
Der Staat hat also die Aufgabe, allgemeine gesellschaftliche Funktionen zu sichern und dafür Personen freizustellen, die diese übernehmen.
Viele Wissenschaftlicher glauben zudem, dass die Entstehung des Staates parallel läuft mit der Herausbildung von Eliten, die diese Funktionen übernehmen. Dies wird zumeist als eine endogene Entwicklung gesehen. Eroberungen durch andere Völker sind natürlich ebenfalls häufig, aber sie schaffen keine Staaten, sondern übernehmen sie nur und tauschen das Führungspersonal aus.
Die spannende Frage ist natürlich, wie diese Staaten sich überhaupt gebildet haben. Diese Frage kann Herzog leider auch nicht beantworten. Wir finden die Staaten der Frühzeit in der Regel als fix und fertiges Gebilde vor. Ihre Genese bleibt unbekannt.
Max Weber schrieb einmal: Macht ist die Chance, seinen Willen durchzusetzen. Herrschaft ist institutionalisierte Macht, politische Macht. Warum dulden Menschen so etwas?
Herzog glaubt, dass die Unterordnung unter ein Machtzentrum ursprünglich freiwillig erfolge aus der Einsicht heraus, das ein Führungsorgan notwendig sei. Warum sich daraus dann aber später häufig despotische Regierungen bildeten, das kann er nicht sagen.
Max Weber sprach einmal von der charismatischen Herrschaft. Eine besonders begabte Person kommt an die Macht mit Zustimmung der Gemeinschaft. Sie bildet zu Lebzeiten eine Gefolgschaft heraus, die nach dessen Tode die Regierung weiter führt. Es entsteht ein sogenanntes Erbcharisma. Tatsächlich finden wir in Gesellschaften oft einen Gründungsmythos, eine außergewöhnliche Person am Anfang der Geschichte. Nachfolgende Herrscher berufen sich auf diesen und behaupten, von diesem abzustimmen.
Es ist natürlich möglich, das wir am Anfang einer Staatenbildung die Einsicht der Gesellschaft finden, dass eine Führung notwendig ist und dass diese dann von charismatischen Personen übernommen wird. Darüber wissen wir aber viel zu wenig.
Anzunehmen ist wahrscheinlich, das sich die Entstehung von Staaten über einen sehr langen Zeitraum erstreckt hat und das auch nicht alle staatlichen Funktionen sofort existierten. Auch die Herausbildung von Eliten dürfte ein schleichender Prozess gewesen sein und hat sich wahrscheinlich auf unspektakuläre Weise entwickelt.
Das Buch von Herzog bietet hier auch keine Lösung, seine eigentliche Darstellung beginnt auch erst mit dem zweiten Jahrtausend vor der Zeitrechnung. Über die Entstehung der Staaten und Eliten in der Frühzeit erfahren wir kaum etwas. Er bringt aber eine Fülle von Material über die weitere Entwicklung der frühen Staaten. Das macht das Buch durchaus lesenswert.
Roman Herzog, Die frühen Staaten, München 1998 Beck Verlag.
Grundlage der Staatenbildung ist:
1.) Ein ständiges Mehrprodukt, um einen dauerhaften Nahrungsmittelvorrat zu schaffen. Dafür ist eine Steigerung der Arbeitsproduktivität Voraussetzung.
2.) Dieses erlaubt eine ausgeprägte Form der Arbeitsteilung, da nun Personen freigestellt werden können, die nicht unmittelbar mit der Nahrungsmittelerzeugung zu tun haben wie etwa Handwerker und eben auch Personen, die staatliche Funktionen ausüben.
3.) Das Mehrprodukt erlaubt ein schnelleres Wachstum der Bevölkerung, denn Staaten entstehen offensichtlich erst bei einer hinreichend großen Zahl von Menschen.
Der Staat ist also ein Produkt der gesellschaftlichen Arbeitsteilung mit dem Zweck, eine bestimmte Gesellschaftsstruktur aufrecht zu erhalten. Die Hauptfunktionen können in repressive, integrierende und technische eingeteilt werden.
Die repressive Funktion umfasst Armee, Polizei, Justiz und Strafvollzug.
Die integrierende Funktion wird je nach Entwicklungsstand von unterschiedlichen Ideologien ausgeübt: Magie und Ritus, Philosophie und Moral, Religion, Recht und Politik.
Zur technischen Funktion gehört die Sicherung allgemein gesellschaftlicher Vorbedingungen des eigentlichen Produktionsprozesses (Bewässerungsbauten und Deiche im Alten Orient, Heeresstraßen in Persien und Rom, Aquädukte, usw.) sowie solche Formen der geistigen Arbeit zu fördern, die unerlässliche Vorbedingungen sind für die Reproduktion wie die Förderung von Wissenschaften wie Astronomie, Mathematik, Naturwissenschaften allgemein, und gegebenenfalls die Errichtung von Universitäten und Schulen, die früher meistens nur wenigen zugänglich waren.
Die wichtige Aufgabe: Schutz nach außen könnte man noch als vierte Funktion aufführen oder sie einer der anderen Funktionen zuordnen.
Der Staat hat also die Aufgabe, allgemeine gesellschaftliche Funktionen zu sichern und dafür Personen freizustellen, die diese übernehmen.
Viele Wissenschaftlicher glauben zudem, dass die Entstehung des Staates parallel läuft mit der Herausbildung von Eliten, die diese Funktionen übernehmen. Dies wird zumeist als eine endogene Entwicklung gesehen. Eroberungen durch andere Völker sind natürlich ebenfalls häufig, aber sie schaffen keine Staaten, sondern übernehmen sie nur und tauschen das Führungspersonal aus.
Die spannende Frage ist natürlich, wie diese Staaten sich überhaupt gebildet haben. Diese Frage kann Herzog leider auch nicht beantworten. Wir finden die Staaten der Frühzeit in der Regel als fix und fertiges Gebilde vor. Ihre Genese bleibt unbekannt.
Max Weber schrieb einmal: Macht ist die Chance, seinen Willen durchzusetzen. Herrschaft ist institutionalisierte Macht, politische Macht. Warum dulden Menschen so etwas?
Herzog glaubt, dass die Unterordnung unter ein Machtzentrum ursprünglich freiwillig erfolge aus der Einsicht heraus, das ein Führungsorgan notwendig sei. Warum sich daraus dann aber später häufig despotische Regierungen bildeten, das kann er nicht sagen.
Max Weber sprach einmal von der charismatischen Herrschaft. Eine besonders begabte Person kommt an die Macht mit Zustimmung der Gemeinschaft. Sie bildet zu Lebzeiten eine Gefolgschaft heraus, die nach dessen Tode die Regierung weiter führt. Es entsteht ein sogenanntes Erbcharisma. Tatsächlich finden wir in Gesellschaften oft einen Gründungsmythos, eine außergewöhnliche Person am Anfang der Geschichte. Nachfolgende Herrscher berufen sich auf diesen und behaupten, von diesem abzustimmen.
Es ist natürlich möglich, das wir am Anfang einer Staatenbildung die Einsicht der Gesellschaft finden, dass eine Führung notwendig ist und dass diese dann von charismatischen Personen übernommen wird. Darüber wissen wir aber viel zu wenig.
Anzunehmen ist wahrscheinlich, das sich die Entstehung von Staaten über einen sehr langen Zeitraum erstreckt hat und das auch nicht alle staatlichen Funktionen sofort existierten. Auch die Herausbildung von Eliten dürfte ein schleichender Prozess gewesen sein und hat sich wahrscheinlich auf unspektakuläre Weise entwickelt.
Das Buch von Herzog bietet hier auch keine Lösung, seine eigentliche Darstellung beginnt auch erst mit dem zweiten Jahrtausend vor der Zeitrechnung. Über die Entstehung der Staaten und Eliten in der Frühzeit erfahren wir kaum etwas. Er bringt aber eine Fülle von Material über die weitere Entwicklung der frühen Staaten. Das macht das Buch durchaus lesenswert.
Roman Herzog, Die frühen Staaten, München 1998 Beck Verlag.
Wallenstein- Gründungsmitglied
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Re: Die ersten Staaten in der Geschichte
Deinen Beitrag finde ich umfangreich und gut recherchiert dargestellt.
Betrachtet man den Staat und seinen Ursprung aus den uns ältesten bekannten Kulturen des vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung heraus mit erhaltenen Schriften der Zeit des alten Ägyptens, dann ergibt sich folgende Definition:
1) Der Staat kommt von seiner Struktur her aus der Landwirtschaft.
2) Um einen Staat überhaupt exekutieren zu können bedarf es Grenzen, geographische und soziale.
3) Ein Beamtentum als logische Konsequenz erstellt sich einerseits aus Kriegern und Judikatur, also physischer Gewalt und aus Besitzenden durch Grenzziehung und Anhäufung von Gütern, dem Einfluss durch Besitz und Mehrwert einer Ware als Handelswert.
4) Soziale Klassen sind die Folge und eine Flut von Gesetzen der herrschenden Klasse gibt vor, einen vorsätzlich erzeugten Missstand dadurch zu beseitigen. Dieser Trick funktioniert seit etwa siebentausend Jahren. Man versklavt seinen Mitmenschen und versucht ihm zu helfen, genauso wie der Landwirt sein domestiziertes eingesperrtes Vieh „betreut“.
Die Pharaonen strukturierten sich als „gute Hirten“ und das Volk in den Schriften der Pharaonen wurde als „Gottes Kleinvieh“ bezeichnet. Der Kümmerer der seine Herde betreut. Signifikant der pharaonische Hirtenstab mit einer Krümmung dazu, um dem entlaufenen Tier der Herde das Bein zu stellen es zurückzubringen der Nutzung und Verwertung wegen, nicht der Nächstenliebe. Die Hirten christlicher Kirchen tragen genauso den Hirtenstab und nahtlos gewebte Gewandung die der Pharaonen.
Der gute Hirte: Die Lehre für Merikare (er war ein Pharao der 10. Dyn.)
Die Theologin und Ägyptologin Dorothea Sitzler schreibt in ihrem Werk „Vorwurf gegen Gott“ * über Merikare:
... Das Bild das die Lehre für Merikare für diese Sozialbeziehung einsetzt, ist das vom guten Hirten und seiner Herde. Es beinhaltet sowohl die enge Angewiesenheit beider aufeinander (sie definieren sich jeweils durch den anderen) als auch die Feststellung der Hierarchie (der Hirte als überlegener Versorger) .... (aus: „Vorwurf gegen Gott“ von Dorothea Sitzler, Verl. Harrassowitz, ISBN 3-447-03602-8 )
Domestizierung als Sozialisierung, der Geknechtete im Staat der seinen Herrn braucht.
Betrachtet man den Staat und seinen Ursprung aus den uns ältesten bekannten Kulturen des vierten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung heraus mit erhaltenen Schriften der Zeit des alten Ägyptens, dann ergibt sich folgende Definition:
1) Der Staat kommt von seiner Struktur her aus der Landwirtschaft.
2) Um einen Staat überhaupt exekutieren zu können bedarf es Grenzen, geographische und soziale.
3) Ein Beamtentum als logische Konsequenz erstellt sich einerseits aus Kriegern und Judikatur, also physischer Gewalt und aus Besitzenden durch Grenzziehung und Anhäufung von Gütern, dem Einfluss durch Besitz und Mehrwert einer Ware als Handelswert.
4) Soziale Klassen sind die Folge und eine Flut von Gesetzen der herrschenden Klasse gibt vor, einen vorsätzlich erzeugten Missstand dadurch zu beseitigen. Dieser Trick funktioniert seit etwa siebentausend Jahren. Man versklavt seinen Mitmenschen und versucht ihm zu helfen, genauso wie der Landwirt sein domestiziertes eingesperrtes Vieh „betreut“.
Die Pharaonen strukturierten sich als „gute Hirten“ und das Volk in den Schriften der Pharaonen wurde als „Gottes Kleinvieh“ bezeichnet. Der Kümmerer der seine Herde betreut. Signifikant der pharaonische Hirtenstab mit einer Krümmung dazu, um dem entlaufenen Tier der Herde das Bein zu stellen es zurückzubringen der Nutzung und Verwertung wegen, nicht der Nächstenliebe. Die Hirten christlicher Kirchen tragen genauso den Hirtenstab und nahtlos gewebte Gewandung die der Pharaonen.
Der gute Hirte: Die Lehre für Merikare (er war ein Pharao der 10. Dyn.)
Die Theologin und Ägyptologin Dorothea Sitzler schreibt in ihrem Werk „Vorwurf gegen Gott“ * über Merikare:
... Das Bild das die Lehre für Merikare für diese Sozialbeziehung einsetzt, ist das vom guten Hirten und seiner Herde. Es beinhaltet sowohl die enge Angewiesenheit beider aufeinander (sie definieren sich jeweils durch den anderen) als auch die Feststellung der Hierarchie (der Hirte als überlegener Versorger) .... (aus: „Vorwurf gegen Gott“ von Dorothea Sitzler, Verl. Harrassowitz, ISBN 3-447-03602-8 )
Domestizierung als Sozialisierung, der Geknechtete im Staat der seinen Herrn braucht.
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