Totalitäre Systeme und die Beeinflussung der Jugend bis zur Aufhetzung gegen die eigenen Eltern
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Totalitäre Systeme und die Beeinflussung der Jugend bis zur Aufhetzung gegen die eigenen Eltern
Totalitäre Systeme wollen die Jugend erziehen und auch bei Bedarf gegen die eigenen Eltern aufhetzen oder zur Denunziantentum anstacheln, so habe ich das gehört.
Was wisst Ihr darüber? Wie hat das funktioniert?
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Moschusochse- Anzahl der Beiträge : 267
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Re: Totalitäre Systeme und die Beeinflussung der Jugend bis zur Aufhetzung gegen die eigenen Eltern
Ich finde, das ist ein wichtiges Thema und hat eine Diskussion verdient, auch wenn ich vielleicht nicht sehr kompetent bin.
Von der Soziologie als Wissenschaft halte ich nicht viel, sie kann m.E. bisher nur beschreiben. Also breche ich das Problem 'mal auf die Psychologie herunter. Ich habe drei Söhne und kann etwas über das Verhältnis Eltern - Kinder sagen: Natürlich ist, dass Eltern ihre Kinder lieben und sich für sie aufopfern. Die Liebe in umgekehrter Richtung ist Anhänglichkeit und später vielleicht Dankbarkeit und Respekt, der muss aber verdient werden. Ein Kind muss nicht für die Eltern sorgen (evolutionär betrachtet), es ist nicht für sie verantwortlich. Kinder übernehmen viele Ansichten der Eltern aber grenzen sich umgekehrt auch von ihnen ab. Eltern haben eine Vorbildfunktion, sowohl im Positiven wie im Negativen. Je älter das Kind wird, desto wichtiger werden die Eigenschaften der Eltern, die die Kinder ganz bewusst nicht übernehmen wollen. Als Ersatz werden Vorstellungen und Verhaltensweisen aus anderen Quellen übernommen, vor allem aus der Gruppe, zu der die Kinder gehören: Kindergarten, Schule, Freunde, Verein. Das hat seine natürlichen Gründe: Die Folgegeneration soll den Lebensraum erweitern und ändern.
Diese Gruppendynamik nutzen Menschen aus, die eine Ideologie verbreiten wollen. Im Dritten Reich waren das die Jugendorganisationen. Sie hatten gerade unter den Kindern einen sehr guten Ruf, man wollte unbedingt dazugehören. Ich kenne das aus Erzählungen meiner Mutter (Ihr Vater war Regimegegner). Gerade die Andersartigkeit der Vorstellungen reizten die Kinder und unterstützten sie auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit, auch von der evolutionären Bedeutung her betrachtet, erforderlich. Die Tatsache, dass viele Kinder dabei ihre Eltern in Schwierigkeiten gebracht haben, ist verständlich. Das wird aber kaum das Hauptziel dieser Organisationen gewesen sein, zumal die Aussagen der Kinder wenig verlässlich sind.
DIeses Vorgehen ist übrigens nicht auf totalitäre Regimes oder auf die Vergangenheit beschränkt. Nicht umsonst engagieren sich die Kirchen in Deutschland massiv in der Betreuung von Kindergärten. Im Alter bis etwa 10 sind Kinder auch für irrationale Dinge empfänglich ("Glaube"). Für mich ein Vorschul-brainwash.
Von der Soziologie als Wissenschaft halte ich nicht viel, sie kann m.E. bisher nur beschreiben. Also breche ich das Problem 'mal auf die Psychologie herunter. Ich habe drei Söhne und kann etwas über das Verhältnis Eltern - Kinder sagen: Natürlich ist, dass Eltern ihre Kinder lieben und sich für sie aufopfern. Die Liebe in umgekehrter Richtung ist Anhänglichkeit und später vielleicht Dankbarkeit und Respekt, der muss aber verdient werden. Ein Kind muss nicht für die Eltern sorgen (evolutionär betrachtet), es ist nicht für sie verantwortlich. Kinder übernehmen viele Ansichten der Eltern aber grenzen sich umgekehrt auch von ihnen ab. Eltern haben eine Vorbildfunktion, sowohl im Positiven wie im Negativen. Je älter das Kind wird, desto wichtiger werden die Eigenschaften der Eltern, die die Kinder ganz bewusst nicht übernehmen wollen. Als Ersatz werden Vorstellungen und Verhaltensweisen aus anderen Quellen übernommen, vor allem aus der Gruppe, zu der die Kinder gehören: Kindergarten, Schule, Freunde, Verein. Das hat seine natürlichen Gründe: Die Folgegeneration soll den Lebensraum erweitern und ändern.
Diese Gruppendynamik nutzen Menschen aus, die eine Ideologie verbreiten wollen. Im Dritten Reich waren das die Jugendorganisationen. Sie hatten gerade unter den Kindern einen sehr guten Ruf, man wollte unbedingt dazugehören. Ich kenne das aus Erzählungen meiner Mutter (Ihr Vater war Regimegegner). Gerade die Andersartigkeit der Vorstellungen reizten die Kinder und unterstützten sie auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit, auch von der evolutionären Bedeutung her betrachtet, erforderlich. Die Tatsache, dass viele Kinder dabei ihre Eltern in Schwierigkeiten gebracht haben, ist verständlich. Das wird aber kaum das Hauptziel dieser Organisationen gewesen sein, zumal die Aussagen der Kinder wenig verlässlich sind.
DIeses Vorgehen ist übrigens nicht auf totalitäre Regimes oder auf die Vergangenheit beschränkt. Nicht umsonst engagieren sich die Kirchen in Deutschland massiv in der Betreuung von Kindergärten. Im Alter bis etwa 10 sind Kinder auch für irrationale Dinge empfänglich ("Glaube"). Für mich ein Vorschul-brainwash.
Re: Totalitäre Systeme und die Beeinflussung der Jugend bis zur Aufhetzung gegen die eigenen Eltern
Der tschechoslowakische Geheimdienstchef Frantíšek Moravec, ein Antikommunist und 1948 in den Westen geflohen, warf den kommunistischen Jugendorganisationen vor, den Jugendlichen gewisse Freiheiten zu gewähren, die sie in "anständigen" Verhältnissen nicht gehabt hätten - um auch so diese für sich und gegen ihre Eltern zu gewinnen..
Unschwer zu erraten, dass er damit wohl sexuelle Freiheiten meinte. Es wäre interessant, zu erfahren, ob von HJ oder FDJ auch ähnliches berichtet werden kann.
Unschwer zu erraten, dass er damit wohl sexuelle Freiheiten meinte. Es wäre interessant, zu erfahren, ob von HJ oder FDJ auch ähnliches berichtet werden kann.
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Marek1964- Admin
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Re: Totalitäre Systeme und die Beeinflussung der Jugend bis zur Aufhetzung gegen die eigenen Eltern
Man muss natürlich auch die Grenzen dieser Beeinflussung sehen. In der Frühzeit ist sie wohl besonders wirkungsvoll und zwar dann, wenn sie sich gegen die politischen Vorstellungen der Eltern richtet, die noch anderen, älteren Weltbildern anhängen. Dann sehen die Jugendlichen in der Ideologie auch eine Möglichkeit, sich gegen Autoritäten aufzulehnen, die sie nicht mehr akzeptieren wollen.
Aber das hört nach einiger Zeit auf und zwar spätestens dann, wenn das System lange existiert und die totalitäre Ideologie die Ideologie der Herrschenden ist. Die Jugendlichen erkennen oft besonders deutlich den Widerspruch zwischen der Realität und den Behauptungen der Ideologen des Systems.
Ich habe nicht in der DDR gewohnt, aber mir wurde von vielen Jugendlichen erzählt, dass die Ideologie der SED in den letzten Jahrzehnten völlig wirkungslos an ihnen abprallte. Sie hatten sich gedanklich schon längst vom System verabschiedet und suchten sich ihre Werte woanders. Sonst hätte es die Revolution von 1989 nicht gegeben.
In den übrigen Ostblock-Staaten, die ich früher besucht habe, fiel mir auch auf, dass eigentlich kaum noch jemand an die marxistische Weltanschauung glaubte. Die hatte sich ohnehin auf Phrasen reduziert. Und wie wir heute wissen, ist es auch den Herrschenden bekannt gewesen, dass ihre Erziehung und Propaganda weitgehend wirkungslos blieb, das gilt sogar für die UDSSR. Deshalb wechselte man ja auch über zum Nationalismus als neuer Integrationsideologie mit allen unheilvollen Folgen. Das machen gegenwärtig auch die verbliebenen kommunistischen Staaten wie China oder Vietnam. Zumindest in den Ostblockländern zeigte sich in den letzten Jahrzehnten, dass die totalitäre Propaganda längst nicht so wirkungsvoll ist, wie geglaubt wird.
Aber das hört nach einiger Zeit auf und zwar spätestens dann, wenn das System lange existiert und die totalitäre Ideologie die Ideologie der Herrschenden ist. Die Jugendlichen erkennen oft besonders deutlich den Widerspruch zwischen der Realität und den Behauptungen der Ideologen des Systems.
Ich habe nicht in der DDR gewohnt, aber mir wurde von vielen Jugendlichen erzählt, dass die Ideologie der SED in den letzten Jahrzehnten völlig wirkungslos an ihnen abprallte. Sie hatten sich gedanklich schon längst vom System verabschiedet und suchten sich ihre Werte woanders. Sonst hätte es die Revolution von 1989 nicht gegeben.
In den übrigen Ostblock-Staaten, die ich früher besucht habe, fiel mir auch auf, dass eigentlich kaum noch jemand an die marxistische Weltanschauung glaubte. Die hatte sich ohnehin auf Phrasen reduziert. Und wie wir heute wissen, ist es auch den Herrschenden bekannt gewesen, dass ihre Erziehung und Propaganda weitgehend wirkungslos blieb, das gilt sogar für die UDSSR. Deshalb wechselte man ja auch über zum Nationalismus als neuer Integrationsideologie mit allen unheilvollen Folgen. Das machen gegenwärtig auch die verbliebenen kommunistischen Staaten wie China oder Vietnam. Zumindest in den Ostblockländern zeigte sich in den letzten Jahrzehnten, dass die totalitäre Propaganda längst nicht so wirkungsvoll ist, wie geglaubt wird.
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