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Durfte Brandt knien?

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War der Kniefall Brandts

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Beitrag von Moschusochse Mo Mai 18, 2015 9:21 pm

Eine Frage, die 1970 der Spiegel stellte und eine Umfrage machte - war der Kniefall Brandts angemessen oder übertrieben? Diese Umfrage möchte ich heute hier reinstellen.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43822427.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43822425.html

Bin gespannt auf eure Stimmen, aber auch an sonstige Kommentare.
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Beitrag von Greyff Di Mai 19, 2015 10:14 am

Eine knappe Mehrehit der Deutschen lehnte 1970 den Kniefall als "übertrieben" ab -
Untrschiedliche Beurteilungen gab es nicht nach Konfession oder Geschlecht, wohl aber nach Alter : die nach 1940 und vor 1910 Geborenen stimmten Brandt zu.
Niht verwunderlich, die Jüngeren waren der Nazipropaganda nicht mehr ausgesetzt, die Älteren waren schon erwachsen genug als die Nazis 1933 an die Macht kamen, um sih nicht allzu sehr ein X für ein U vormachen zu lassen.
Die "Nazigeneration" der Deutschen umfaßte somit sehr grob gesprochen die Jahrgänge zwischen 1911 und 1939.
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Beitrag von Moschusochse Di Mai 19, 2015 11:39 am

 Bitte an alle oben noch abzustimmen (oberhalb des ersten Posts).
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Beitrag von wfwbinder Di Mai 19, 2015 11:52 am

Ich habe mit übertrieben gestimmt.

Der Kniefall hat Deutschland auf jeden Fall aussenpolitisch genutzt.

Aus meiner Sicht war es aber politisches Kalkül und nicht die Überzeugung, die Brandt dies machen lies. Ich bekenne mich gern und ausdrücklich kein Brandtfan zu sein.

So wie geschehen war es mehr ein Kniefall vor Polen und weniger einer wegen der Opfer des Nationalsozialismus.
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Beitrag von Rübezahl Di Mai 19, 2015 4:01 pm

Ich bekenne, dass ich nicht abstimmen will, weil ich den Kniefall weder "angemessen" (woran misst man eine solch einmalige Geste?) noch übertrieben (angesichts der vergangenen Gräuel wäre auch eine prostratio nicht übertrieben gewesen) finde und ich mich eigentlich nicht in der Lage sehe, ihn zu bewerten. Ich erkenne auch nicht die Notwendigkeit einer Bewertung. Es war eine persönliche Entscheidung Brandts, wobei diese religiöse Demuts-Geste wohl kaum religiös bedingt war. In den meisten Ländern der Welt ist der Kniefall kaum zur Kenntnis genommen worden, lediglich in Deutschland hat es eine Diskussion darüber gegeben.

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Beitrag von SarahF Mi Mai 20, 2015 11:24 am

In Polen ist der Kniefall positiv bewertet worden, in Warschau gibt es heute einen
Willy-Brandt-Platz, und zwar genau im ehemaligen jüdischen Ghetto. Ich finde die Geste
angemessen, sie hat zur Völkerverständigung mit beigetragen, weil die anderen Länder wussten, dass Brandt kein Nazi war und er durch den Kniefall noch einmal symbolisch gezeigt hat, dass er es Ernst mit seiner Verständigungspolitik meinte.
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Beitrag von ThomasAral Mi Mai 27, 2015 2:30 am

es geht doch in erster Linie darum das andere Land freundlich zu stimmen .. und Deutschland kostet es nichts. Andersrum zahlt die jetzige Regierung Milliarden macht aber keine symbolischen Zeichen. Sie greifen jetzt nach 100 Jahren z.B. direkt die Türkei mit Worten an wegen der Sache die jedem schon klar ist -- Armenien. Was soll das? Will man es sich mit der Türkei verscherzen? Genau wie Merkel gegen Russland ihn offen verbrecherischer Handlung bezichtigt --- was soll das? Brandt wusste noch wie man diplomatische Zeichen setzt die nichts kosten ---- warum verhält sich die jetzige Regierung wie der Elefant im Porzelanladen ?

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Beitrag von Marek1964 Mi Mai 27, 2015 1:45 pm

Also Völkermord bleibt Völkermord, und am Völkermord an den Armeniern hatte Deutschland damals seine Mitverantwortung.


Auch das österreichische Parlament hat einstimmig diese Taten verurteilt, alle dort vertretenen Parteien äusserten sich dazu ähnlich wie die Bundeskanzlerin oder der dt. Bundespräsident.


Hier haben wir das auch schon diskutiert:
https://geschichte-forum.forumieren.de/t377-aghet-der-genozid-volkermord-an-den-armeniern-1915-1918


https://geschichte-forum.forumieren.de/t371-gaucks-bemerkenswerte-rede-zum-genozid-der-armenier-aghet



Was die Verurteilung Russland zu ihrer Einmischung in der Ukraine anbelangt, stimme ich ebenfalls Angela Merkel zu. 
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Beitrag von Atzec Mi Mai 27, 2015 7:32 pm

Ja, natürlich durfte er. Wer hätte ihm auch diese persönliche Entscheidung verwehren mögen...?
Übertrieben war diese Geste auch nicht, sondern schlicht eine der ganz großen Politgesten des 20. Jahrhunderts. Sie symbolisierte den deutsche Willen nach Aussöhnung mit den Opfern der Naziterrorherrschaft und die bedngungslose Anerkenntnis der tatsache, dass unter den Nazis im Namen Deutschlands gerade auch in Polen widerlichste verbrechen begangen wurden. Gleichzeitig ist sie aber auch noch der Startschuss für die Intensivierung der Entspannungspolitik und des "Wandels durch Annäherung", der schließlich die kommunistischen parteidiktaturen zum EInsturz brachte.
Vor ein paar Monaten gab es in der ARD? m Vorabendprogramm (am 3. Oktober?) eine Würdigung dieser Geste im Rahmen einer Reportage über eben große politische Gesten des 20. Jahrhunderts. Beeindruckend u.a. auch das Statement von Edmund Stoiber. Der war zeitgenössisch damals ein energischer Kritiker dieses Kniefalls und bekannte sehr überzeugend, sich damals komplett geiirt und einfach noch nicht den Horizont gehabt zu haben, um ihre Bedeutung abschätzen zu können. Sehr respektabel.
Die Geste soll international wenig Aufmerksamkeit bekommen haben? Na ja, nicht jeder australische Buschmann wird sich dafür interessiert haben, aber die maßgeblichen Teile der damaligen Weltöffentlichkeit schon.

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Beitrag von Marek1964 Mi Jun 03, 2015 11:01 pm

Hier die Rezeption in Polen: http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/x-01283/2000-11-krzeminski.pdf

Das damals offzielle sozialistische Polen war zwar durchaus positiv - aussenpolitisch. Innenpolitisch aber war man im Zwiespalt. Zum einen war das Knien zutiefst katholisch. Und dann brauchte man ja eigentlich Westdeutschland als Feindbild.

Der Autor beschreibt dann, wie die Photos nach und nach unauffälliger wurden, damit das Knien nicht mehr sichtbar war - zur Disziplinierung des eigenen Volkes, wenn es aufmüpfig werden sollte.

Die Rezeption in Polen war auch deshalb nicht ungeteilt begeistert, weil Brandt vor dem Warschauer Ghetto Denkmal kniete – also vor jüdischen Opfern. Manche Polen fühlten sich gegenüber den Juden als „Opfer zweiter Klasse“ - der Juden werde sehr viel mehr gedacht. So war der eine oder andere der Meinung, es hätte nicht unbedingt vor dem Ghetto Denkmal sein müssen, sondern vielleicht besser vor einem Denkmal für die polnischen Opfer der Hitler Herrschaft.

Recht bald aber nach der Wende benannte man in Warschau einen Platz nach Willy Brandt, wie schon SarahF schrieb.

Der Artikel von Krzeminski ist auch sonst lesenswert, beschreibt die Situation in Polen während dem zweiten Weltkrieg und die Rezeption danach.


Zuletzt von Marek1964 am Fr Jun 05, 2015 12:07 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag von wfwbinder Do Jun 04, 2015 8:48 am

Ich habe es nie so empfunden, als dass Brandt nur wegen der jüdischen Opfer gekniet hat. Er kniete in Polen, also wegen allen getöteten Polen, bzw. natürlich auch wegen aller Menschen die auf polnischem Gebiet getötet wurden.

Man sollte auch berücksichtigen, dass es auch in Polen (unter Polen) Antisemitismus gab und viele Polen froh waren, dass die meisten Juden, die den Krieg überlebt hatten, nach dem Krieg nach Israel gingen.
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Beitrag von Atzec Do Jun 04, 2015 2:39 pm

Ich war zeitgenössisch viel zu jung, um irgendeinen Unterschied zwischen polnischen und jüdisch-polnischen Opfern ziehen zu können... :-) Für mich war das auch immer eine Geste vor den Opfern des polnischen Volkes insgesamt.
Diese innerpolnische Differenzierung und Kritik ist wohl eher dem eigenen, katholizistischen Antisemitismus geschuldet, der in der Tat ganz tief in breiten Teilen der polnischen Bevölkerung verankert ist... widerlich...

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Beitrag von Marek1964 Fr Jun 05, 2015 11:51 am

Atzec schrieb:Ich war zeitgenössisch viel zu jung, um irgendeinen Unterschied zwischen polnischen und jüdisch-polnischen Opfern ziehen zu können... :-) Für mich war das auch immer eine Geste vor den Opfern des polnischen Volkes insgesamt.
Diese innerpolnische Differenzierung und Kritik ist wohl eher dem eigenen, katholizistischen Antisemitismus geschuldet, der in der Tat ganz tief in breiten Teilen der polnischen Bevölkerung verankert ist... widerlich...

Hm, das siehst Du mE viel zu hart. Wohl gab es in Polen Antisemitismus, auch gab es die "Szmalcovskis", polnische Denunzianten, die den Deutschen Judenverstecke verraten haben. Auch Sprüche wie "Deutsche sind Schweine, aber wenigstens schaffen sie uns die Juden vom Hals" hat der eine oder andere geäussert.

Brandt kniete vor dem Mahnmal des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Zweifellos meinte er damit alle Opfer der nazi Gewalt in Polen. Aber hier geht es eben um die Rezeption in Polen.

Das ganze ist subtiler und komplexer.

Es ist eher die westliche Rezeption der Verbrechen von Hitlers Schergen an den Polen, bei der sie sich unterrrepräsentiert fühlen. Krzeminski führt auch das Beispiel von Coventry auf - obwohl zuvor Warschau (und ich sage auch Guernica und Rotterdam) auch schon gab, ist letzteres zum Beispiel von Bombenterror geworden.

In der Tat kann ich nachvollziehen, dass die mediale Rezeption der Verbrechen in Polen oder auch der Sowjetunion, für manchen zu kurz kommt. Aber das ist schon schwierig.


Zuletzt von Marek1964 am Di Jun 09, 2015 6:47 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag von Gontscharow Fr Jun 05, 2015 12:39 pm

Warschau ist heute wieder eine schöne, und angenehme Stadt. Vor einigen Jahren war ich mehrmals jeweils einige Wochen lang dort und habe mich fast in die Stadt und das Land verliebt. Ich wurde so positiv überrascht, wie selten in meinem Leben. Der Kontrast zu meinen Vorstellungen, die ich vor der ersten Reise  dorthin hatte ( 2007), konnte größer nicht sein.
Die Stadt wirkte heiter und optimistisch, ich habe mich wohlgefühlt.
Ich war auch im ehemaligen jüdischen Ghetto - wo heute nur noch Hochhausneubauten stehen - und an jenem nach Willy Brandt benannten Platz, der hier schon erwähnt wurde. Dort gibt es auch eine Gedenktafel, die an Brandts Besuch erinnert, so wie es in Warschau an jeder Ecke Gedenktafeln zu geschichtlichen Ereignissen gibt, Mir waren die amüsant-skurril vielen Tafeln und Denkmale, Straßenbenennungen etc. besonders aufgefallen, die an Johannes Paul II. erinnern.Und sehr viele, die an den II. Weltkrieg und die polnische Heimatarmee erinnern, die den Aufstand 1944 durchführte. Irgendwann hört man auf, die Tafeln zu lesen, weil ihrer zu viele sind und die meisten auch nur in polnischer Sprache.
Jedenfalls haben die Polen eine positive Einstellung zu Willy Brandt, sie wissen schon, daß er nicht nur die jüdischen Opfer mit seinem Kniefall ehren wollte, sondern mittels einer neuen Ostpolitik eine Versöhnung mit Polen und den anderen Ländern des Ostens anstrebte.
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Beitrag von Atzec Di Jun 09, 2015 1:39 pm

Hallo Marek,

da hast du mich etwas missverstanden. Ich meine gar nicht den polnischen historischen Antisemitismus und Kollaborationen mit den Nazis. Ich meine eher den zeitgenössischen polnischen Antisemitismus. Den kenne ich wiederum hautnah aus eigenem Erleben. Es gehört in Polen quasi zum "guten Ton", den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten vorzuwerfen, sie seien irgendwie jüdischer Abstammung und allgemein über Juden abzulästern. Klar, es gibt auch viele, die da nicht mitmachen, aber so im Allgemeinen hat mich schon verblüfft, wie offen und ungeniert man in Polen sich in der Öffentlichkeit auch als antisemitischer Depp gerieren kann.

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Beitrag von Marek1964 Di Jun 09, 2015 6:49 pm

Wenn das stimmt, was Du sagt, Atzec, dann ist das schrecklich bedenklich. Ich habe eine Polin an der Hand, die ich hier ins Forum einladen möchte, vielleicht äussert sie sich.

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Beitrag von Greyff Fr Jun 12, 2015 12:51 am

Ich wäre gespannt, wie eine Polin die Sache sieht, deshalb hoffe ich, daß sie
deiner Einladung folgt, Marek.
Das antisemitische Tabu dürfte in keinem Land so groß sein wie in Deutschland,
das liegt auf der Hand.
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Beitrag von Atzec Fr Jun 12, 2015 11:23 am

Greyff schrieb:Das antisemitische Tabu dürfte in keinem Land so groß sein wie in Deutschland,
das liegt auf der Hand.

Nanu, regieren hier noch die Nazis...? :-) Ja, ja, deutsche Sprache, schwere Sprache... :-)

Du wolltest vermutlich eher sagen "die Tabuisierung des Antisemitismus". Wäre aber auch Gaga. Antisemitismus wird hier ja nicht tabuisiert, sondern vernünftigerweise intensiv kritisiert. :-)

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Beitrag von Rübezahl Do Jul 02, 2015 3:21 pm

Zum Thema Kniefall noch eine Ergänzung. Auch Benito Mussolini und Adolf Hitler liebten diese theatralische Geste, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Mussolini kniete jedes Jahr am Grab des Unbekannten Soldaten in Rom nieder, und Hitler machte es ihm bei seinem Besuch im Jahr 1936 nach. Das war Teil des Heldenkultes, mit dem der Krieg glorifiziert werden sollte, und damit genau das Gegenteil dessen, was Brandt mit seiner Geste bezweckte.

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Beitrag von Orianne Do Aug 13, 2015 10:48 am

Ich bin für den Kniefall, schliesslich waren 1970 noch viele offene Wunden der jüngsten Geschichte präsent. Nur hätte ich auch von Politikern aus dem Ostblock eine ähnliche Geste erwartet. Man kann nicht nur immer fordern, ohne zurück zu geben.

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Beitrag von Patryk1605 Fr Okt 07, 2016 11:40 pm

Atzec schrieb:Den kenne ich wiederum hautnah aus eigenem Erleben. Es gehört in Polen quasi zum "guten Ton", den jeweiligen Präsidentschaftskandidaten vorzuwerfen, sie seien irgendwie jüdischer Abstammung und allgemein über Juden abzulästern. Klar, es gibt auch viele, die da nicht mitmachen, aber so im Allgemeinen hat mich schon verblüfft, wie offen und ungeniert man in Polen sich in der Öffentlichkeit auch als antisemitischer Depp gerieren kann.



Es ist zwar schon was her das dieses Thema aktuell war, aber ich schreibe mal trotzdem. Ich selber komme ursprünglich aus Polen, habe in Deutschland mein Abi dieses Jahr gemacht und bin zurück gegangen nach Polen.

Ja das mit den Juden ist schon so eine Sache in Polen. Meine Familie kommt aus Ostpolen, was heute Ukraine ist, und dort lebten vor und im Krieg auch viele Juden. Die Schwester meiner Urgroßmutter hat während der deutschen Besatzung 2jüdische Kinder hinter dem Ofen versteckt, bis zu dem Tag an dem sie selber von ukrainischen Nationalisten auf brutalste Weise umgebracht wurde. Also während des Krieges gab es auch Polen, die unter Gefahr ihr Leben zu verlieren, Juden retten wollten. Im Osten damals trennte die Religion die Juden von uns Polen etwas, so wurde es mir erzählt, weil die Juden oftmals unter sich blieben und ja alles in ihren "Schtetteln" hatten.
Heute naja. Es wird viel gesagt, was nicht so hart gemeint ist. Zum Beispiel habe ich schon oft gehört das Sprichwort "Kochajmy sie jak bracia, liczmy sie jak Zydzi" "Lass uns einander lieben wie Brüder, aber untereinander aufteilen (es geht um Geld) wie die Juden." Die Übersetzung ist jetzt nicht die beste, aber es ist halt eine Anspielung darauf, das Juden geizig sind. Solche Anspielungen sind ab und zu anzutreffen, aber nicht wirklich antisemitisch gemeint.

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Beitrag von Marek1964 Fr Okt 07, 2016 11:59 pm

Herzlich willkommen hier, Patryk.

Ja, der Witz über das Geldteilen ist ja nicht unbedingt antisemitisch - er sagt eher aus, dass akurates Teilen sein gutes hat. Das wiederum erinnert mich an einen anderen Witz: Ein Tscheche (oder auch Pole) und ein Russe finden gemeinsam einen Schatz. Da sagt der Russe: Jetzt wird brüderlich geteilt. Da sagt der Tscheche/Pole - nein, halbe-halbe.

Sicher hat der Kommunismus in Polen einiges an Antisemitismus, den es im Zweiten Weltkrieg gab, zugedeckt. Andererseits war der Antisemitismus im Kommunismus in der Tschechoslowakei im Slanský Prozess enthalten, den wir auch schon behandelt haben (link folgt).

Andererseits kann ich mich erinnern, dass die meisten Geehrten in Jad Vašem Polen waren - und das recht eindeutig.

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Beitrag von Arkesailas Sa Jan 25, 2020 5:49 am

Brandt hat sich in den Osten hineingekniet und herausgekommen ist, was wir heute sehen. Die Annäherung und Vereinnahmung ist gelungen.
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Beitrag von Klartext Sa Jan 25, 2020 12:48 pm

Schön Dich hier wieder zu sehen, Arkesailas, Du bis ja ein Mitglied der ersten Stunde.

Ja, die Länder Europas sind sich näher gekommen, also zumindest Mitteleuropa und das Baltikum - ab Weissrussland würde ich das kritische sehen. Trotzdem gibt es Differenzen und die EU ist, so sehe ich das heute, eine Fehlkonstruktion, die sich entweder schleunigst reformieren muss oder auseinanderfällt.

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Beitrag von Arkesailas So Jan 26, 2020 12:16 pm

Hallo Klartext, ja, ich hatte aber inzwischen Andere Aufgaben. Auch hier werde ich nur sporadisch sein. Aber Euer Forum ist wichtig.
Was den Europäischen Gedanken angeht, hat er zwar ein Ziel, aber nicht die garantierte Basis. Es sehen die Leute in Griechenland nicht ein, dass in Brüssel die Form der Gurken vorgeschrieben werden oder sonstige Kopfgeburten entstehen. Andererseits nehmen sie gern die jährlichen Fördergelder in Empfang die von den einzahlenden wenigen Staaten kommen. Gegen Brüssel sein, aber Gelder nehmen, widerspricht sich. Aber wenn der Brexit Schule macht, und wir bald einen Dexit, Poxit, Buxit, Fraxit haben, dann sinken wir auf das Niveau vor dem 1. Weltkrieg hinunter. Die Zollgrenzen werden aufgebaut und die alten Feindbilder ausgegraben. Diese führten meist zum Krieg. Das sollten sich alle überlegen.
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