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Warum wurden Christen in Rom verfolgt?

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Warum wurden Christen in Rom verfolgt? Empty Warum wurden Christen in Rom verfolgt?

Beitrag von Judas Phatre Sa Jun 27, 2015 9:59 pm

Das Christentum ist eine friedliche Religion. Das sagen uns die Texte des Neuen Testaments und auch die Kirchenväter der Kaiserzeit. Die Christen bemühten sich, ein geradezu philosophisches Leben zu führen. Die am nächsten verwandte Religionsgemeinschaft, die Juden, bescherten dem Römischen Reich drei verlustreiche Kriege. Und trotzdem wurden sie toleriert. Die Anhänger der Kybele badeten im Blut. Auch diese wurden nicht verfolgt. Das Römische Reich war in Religionsfragen auf geradezu vorbildliche Weise tolerant. Trotzdem wurden die Christen nicht nur vom Mob sondern vom Staat selbst mit dem Tod bedroht.
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Beitrag von leinger77 Sa Jul 11, 2015 10:14 am

Meines Erachtens nach, da das Christentum allen Menschen, ungeachtet ihres Standes, Erlösung verspricht. Dies machte es gerade für Sklaven/ ärmere Bevölkerungsschichten interessant, wodurch Sklavenhalter/ Der Staat/ alle die von der Armut und Ungleichheit profitierten ihre Macht gefährdet sahen.

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Beitrag von Judas Phatre Sa Jul 11, 2015 4:09 pm

leinger77 schrieb:Meines Erachtens nach, da das Christentum allen Menschen, ungeachtet ihres Standes, Erlösung verspricht. Dies machte es gerade für Sklaven/ ärmere Bevölkerungsschichten interessant, wodurch Sklavenhalter/ Der Staat/ alle die von der Armut und Ungleichheit profitierten ihre Macht gefährdet sahen.
Das sehe ich ganz ähnlich. Wobei der philosophisch-religiöse Aspekt kaum eine Rolle gespielt haben kann. Zwar stellte die rechtgläubige Kirche es gerne so dar, als ob sie wegen ihrer Lehre verfolgt würde, aber die war den Römern herzlich egal, sie galt ihnen nur als "superstitio" (=Aberglaube). Und davon gab es eine Menge im Römischen Reich. Ich glaube auch nicht, dass der Staat etwas dagegen gehabt hätte, wenn man die Unterschicht mit einer Religion abgelenkt hätte, sozusagen "Opium für's Volk". Das wirklich Bedrohliche an dieser Religion war das Sozialrevolutionäre. Sie forderte nicht nur (Aber-)Glaube und Linientreue von ihren Mitgliedern, sondern auch eine Art Sozialismus. Das geht aus der Apostelgeschichte hervor (meine Schätzung: 100 n.Chr):
"Alle Gläubigen aber waren beisammen und hatten alles gemeinsam; die Güter und Habe verkauften sie und verteilten sie unter alle, je nachdem einer es bedurfte." (Apg 2,44f)
Dasselbe wird von römischer Seite im 2. Jh. bestätigt:
"Nun zog unser Mann zum zweitenmal aufs Landstreichen aus, wobei ihm statt alles Reisegeldes die Gutmüthigkeit der Christianer genügte, welche ihm überall zur Bedeckung dienten, und es ihm an Nichts gebrechen ließen." (Lukian, der Tod des Peregrinus 16)
Der Zündstoff im Rom der frühen Kaiserzeit war nicht religiös oder national, sondern sozial. Das Christentum war auch eine Forderung nach Umverteilung. Außerdem grenzten sich die Christen einerseits streng gegen die Heiden ab, nahmen nicht am gesellschaftlichen Leben teil, andererseits betrieben sie eine sehr aktive Missionsarbeit unter ihnen. Wie erfolgreich sie waren, geht aus den Briefen des jüngeren Plinius um 100 n. Chr. hervor.

Die Christen entwickelten sich zu einem Staat im Staate, dem sie eindeutig ablehnend gegenüberstanden.
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Beitrag von SarahF So Jul 12, 2015 1:31 pm

Von der Ablehnung des Staates durch die Christen bis zur Deklarierung dieses Glaubens
als "Staatsrelgion" - ich nehme an, dass sie dnach den Staat nicht mehr ablehnten,
schon gar nicht seine Zuwendungen, wie man an den zahlreichen Prunkgebäuden der Kirche überall in Europa sehen kann. So verrät die Revolution halt immer wieder ihre Kinder.
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Beitrag von Judas Phatre So Jul 12, 2015 3:42 pm

SarahF schrieb:Von der Ablehnung des Staates durch die Christen bis zur Deklarierung dieses Glaubens
als "Staatsrelgion" - ich nehme an, dass sie dnach den Staat nicht mehr ablehnten,
schon gar nicht seine Zuwendungen, wie man an den zahlreichen Prunkgebäuden der Kirche überall in Europa sehen kann. So verrät die Revolution halt immer wieder ihre Kinder.
Die rechtgläubige Kirche hat immer versucht, sich mit der gleichzeitig bekämpften römischen Sicht zu arrangieren, eine paradoxe Situation. Nach den z.T. wohl manipulierten Texten des Neuen Testaments tritt das institutionalisierte Christentum erst in der 2. Hälfte des 2. Jh. in Erscheinung. Einer der ersten Autoren ist Justin, der Märtyrer. Er bemüht sich ähnlich wie seine Nachfolger um folgendes Image:
1. Die Christen sind ungefährlich für Rom (klingt schon im Lukasevangelium und der Apostelgeschichte an)
2. Das Christentum ist eine Philosophie, der griechischen Philosophie mindestens ebenbürtig und damit hat es einen intellektuellen Anspruch
3. Das Christentum erzieht zu einem "philosophischen" Leben: Pflichtbewusstsein, Bescheidenheit, soziale Orientierung.
4. Das Christentum ist der rechtmäßige Nachfolger des Judentums und damit uralt (und keine superstitio)
Seit der Zeit bereitete sich dieser Zweig der neuen Religion auf die Übernahme der Herrschaft vor. Dazu passt auch das immer rücksichtslosere Vorgehen gegen Abweichler in den eigenen Reihen bis hin zu Bücherverbrennungen, Vertreibung und später Mord.
Dieses öffentliche Auftreten unter Beibehaltung der Abgrenzung gegen Heiden und Juden führte zu einer weiteren enormen Verbreitung und zu den systematischen Christenverfolgungen von Decius bis Diokletian. Bisher hatte der Staat nur aufrührerische und verbrecherische Individuen verfolgt oder der Mob wütete, doch als das Christentum an vielen Orten die Mehrheit stellte, war es eine enorme Bedrohung.
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Beitrag von Judas Phatre Sa Jul 18, 2015 3:20 pm

Ein wichtiger Aspekt des Gegensatzes Römer - Christen ist die Sicht der "Welt". Die griechische Philosophie, besonders die Stoa, sah den Menschen als Teil des Kosmos, der in seiner Gesamtheit Gott ist. Damit ist Gott in uns und wir ein Teil von ihm.
"Was ist Vernunft? Die Nachahmung der Natur", sagt Seneca. Er vergleicht jedes Lebewesen mit einem Soldaten, der ohne seinen Willen eine Aufgabe übertragen bekommt und nur dann ein guter Soldat ist, wenn er diese so gewissenhaft wie möglich ausführt, zum Wohl des Ganzen. Der Mensch soll sich also an der Verbesserung dieser Welt beteiligen, egal welche Rolle ihm das Schicksal gegeben hat. Die kulturtragende Schicht war sich im 1. Jh. sicher, dass die Pax romana die Menschen einigen würde und eine blühende Zukunft anstand.
Juden- und Christentum, besonders aber die Gnosis sahen die Welt als Ausgeburt des Bösen. Überall lauerte die Sünde. Das Ziel war dieses Jammertal so unbeschadet wie möglich zu verlassen, um in die ewige Glückseligkeit (ein Widerspruch in sich) einzutreten. Der "Herrscher dieses Systems", wie Paulus ihn nennt, ist der Teufel. Das bedeutet aber, dass alle Herrscher dieser Welt und mit ihnen der Kaiser, Angestellte des Teufels sind. Diese Menschen wollten sich nicht am Aufbau einer besseren Gesellschaft beteiligen. Mark Aurel sagt über die Opferbereitschaft:
"Nur muss diese Bereitschaft von der eigenen Überzeugung herstammen, nicht aber, wie bei den Christianern, von reiner Widersetzlichkeit." (Mark Aurel Selbstbetr XI, 3)
So waren die Christen nicht religiöse Gegner (die kannten die Römer eigentlich nicht), sondern Staatsfeinde. So erkläre ich mir auch, dass so viel Wert darauf gelegt wurde, dass die ertappten Christen dem Numen des Kaisers opferten, also ihre Loyalität dem Staat gegenüber bewiesen.
Ich würde die frühen Christen mit den Salafisten unserer Gesellschaft vergleichen. Man weiß, dass sie unseren Staat nicht respektieren. Man stelle sich vor, sie würden ihre Zahl jedes Jahr verdoppeln.
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Beitrag von Kallisto23 So Nov 01, 2015 10:42 pm

Etwas, das hier noch nicht erwähnt wurde, scheint mir auch ein wichtiger Grund zu sein: Und zwar weigerten die Christen sich den Kaiserkult zu vollziehen. Heißt, sie wollten einem lebenden divinisierten Kaiser keine Opfer bringen, da es ja nur einen Gott gäbe und der ganz sicher kein verstorbener römischer Kaiser war.

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Beitrag von Marek1964 Di Nov 10, 2015 10:49 pm

Kallisto23 schrieb:Etwas, das hier noch nicht erwähnt wurde, scheint mir auch ein wichtiger Grund zu sein: Und zwar weigerten die Christen sich den Kaiserkult zu vollziehen. Heißt, sie wollten einem lebenden divinisierten Kaiser keine Opfer bringen, da es ja nur einen Gott gäbe und der ganz sicher kein verstorbener römischer Kaiser war.

Genau. Es war dabei erstaunlicherweise den Juden erlaubt, den Kaiser nicht anzubeten, weil deren Religion so alt war. Solange die Christen als jüdische Sekte galten, war es ähnlich. Aber später ging es los.

Aus heutiger Sicht kaum noch nachzuvollziehen, da Christen sonst loyale und fleissige Bürger waren.

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Beitrag von harpye Mi Nov 11, 2015 7:31 pm

in Rom wurden nicht DIE Christen verfolgt, das ist eine relativ späte Legende, das Quellenmaterial kann man übersichtlicht finden in Karl Heinz Deschner "Kriminalgeschichte des Christentums"

zb wird von christlichen Geschichtsschreibern immer die angeblich besonders barbarische Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian erzählt.
Anlass waren die Kornspenden in Ägypten, die so ne Art antike Sozialhilfe waren. Die Römer hatten Ägypten jahrezehnte immer nur ausgeplündert, und Diokletian hat als erster Imperator versucht mit Wirtschaftsreformen die Inflation und Massenverelendung in den Provinzen zu bekämpfen.

Aber die Kirchenhierarchie in Ägypten hat versucht, die Verteilung der Kornspenden allein zu übernehmen, also die Christen zu bedienen und die Unchristen auszuschliessen. Gab also n riesen Konflikt und war n Kampf gegen die Kirchenhierarchie, nicht gegen DIE Christen. Die Religionen waren den Römern eh wurscht, ausser sie haben ihre öffentliche Ordnung gestört.
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Beitrag von ThomasAral Do Nov 12, 2015 5:11 am

Man hat doch den Brand von ROM den Christen in die Schuhe geschoben. Einfache Bürger haben das geglaubt und waren natürlich sauer und haben denen nach dem Leben getrachtet. Auf kaiserlichen Befehl wurden sie in der Arena zur Belustigung und Befriedung der römischen Normalbürger hingerichtet. Das war so ca. 30-40 Jahre nach dem Tot von Jesus Christus.

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Beitrag von harpye Do Nov 12, 2015 5:32 pm

ist aber ziemlich n Problem. Es war keine Christenverfolgung, sondern eine Verfolgung (angeblicher) Brandstifter.
Im Tacitus sind ein paar komische Stellen. Tacitus hat die Kresti für ne jüdische Sekte gehalten; er war kein Freund von Juden, hat sie für die selben Sachen kritisiert wie heute n Islamkritiker tut: sie sind Menschenfeinde (weil sie enge Freundschaft mit nichtchristen/Nichtjuden ablehnen), weil sie ganz eigene Sitten aufrecht halten, die Götter ablehnen und sich absondern (inmixia).
Später die christlichen Geschichtsschreiber haben alle irre übertrieben; es waren schätzungsweise 3000 Christen in Rom, davon sind ungefähr 200 verhaftet worden, und n Teil ist freisgesprochen worden. Die Verhaftungen waren nur in Rom, nirgends sonst im römischen Reich. Also ne religiöse Verfolgung hat es nicht gegeben.

Die komische Stelle bei Tacitus: es hat von Christen Selbstbezichtigungen gegeben, bevor se überhaupt angeklagt waren. Die haben sie dann verhaftet, gefoltert und die haben dann andere denunziert.
Dass es christliche Fundis gegeben hat, die ganz gern das Sündenbabel ROM abgefackelt hätten, das steht sogar im Korintherbrief (ne Ermahnung dagegegen). Aber sogar Tacitus, der kein Freund von so ne Religion war, tippt eher drauf auf  Nachlässigkeit, nicht auf Brandstiftung. Aber weil es Gerüchte gab gegen Nero, hat der vielleicht irgend ne verdächtige Minderheit beschuldigt.
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Beitrag von Marek1964 Do Nov 12, 2015 10:04 pm

Hm, also ich glaube, da gibt es doch schon viele Quellen dazu, dass die Christen im alten Rom mal mehr, mal weniger aber doch immer wieder, Futter für die Löwen in der Arena brauchte man immer mal wieder.

Was hälst Du den von dem, was auf wiki geschrieben ist?

https://de.wikipedia.org/wiki/Christenverfolgungen_im_R%C3%B6mischen_Reich

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Beitrag von Skeptik Do Nov 12, 2015 10:53 pm

harpye schrieb:
Die komische Stelle bei Tacitus: es hat von Christen Selbstbezichtigungen gegeben, bevor se überhaupt angeklagt waren. Die haben sie dann verhaftet, gefoltert und die haben dann andere denunziert.
Dass es christliche Fundis gegeben hat, die ganz gern das Sündenbabel ROM abgefackelt hätten, das steht sogar im Korintherbrief (ne Ermahnung dagegegen). Aber sogar Tacitus, der kein Freund von so ne Religion war, tippt eher drauf auf Nachlässigkeit, nicht auf Brandstiftung. Aber weil es Gerüchte gab gegen Nero, hat der vielleicht irgend ne verdächtige Minderheit beschuldigt.

Das scheint wirklich eine komische Stelle zu sein. Publius Cornelius Tacitus (58-120) hat sie in seinen Annalen (15,44) dem Testimonium Taciteum. Da heißt es unter anderem: „Zuerst also wurden solche ergriffen, die sich bekannten, dann auf ihre Anzeige hin eine gewaltige Menge, die nicht so sehr der Brandstiftung als vielmehr des Hasses auf das Menschengeschlecht überführt wurde. Noch den Sterbenden wurde der Spott zugefügt, derart daß sie, mit Tierfellen bedeckt, aufgrund von Zerfleischung durch Hunde starben oder ans Kreuz geheftet und angezündet wurden und, wenn der Tag vergangen war, als Fackeln zur nächtlichen Beleuchtung dienten."

Wiki: Seneca († 65) übergeht den Brand in seinen zeitgleich geschriebenen Epistulae morales praktisch völlig, dafür lässt er sich im August 64 ausführlich über einen verheerenden Stadtbrand in Lugdunum aus.[3] In dem nur kurz darauf (Mitte August 64) geschriebenen Brief 94 findet sich immerhin, wie nebenbei hingestreut, die aufschlussreiche Anmerkung: „Viele lassen sich finden, die Städte in Brand stecken, die das, was jahrhundertelang uneinnehmbar und durch etliche Generationen gesichert war, dem Erdboden gleichmachen [...].“
Es scheint also, dass Seneca, nur wenige Wochen nach dem Feuer, der Hypothese Brandstiftung zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit zubilligte.
Als im April 65 der Tribun Subrius Flavus ebenfalls wegen Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung verhaftet wurde, soll er gemäß Tacitus bei seiner Vernehmung Nero die Brandstiftung vorgeworfen haben: „Zu hassen begann ich dich, seitdem du Mörder deiner Mutter und Gemahlin, Wagenlenker, Schauspieler und Brandstifter wurdest.“
Auch für den Naturforscher Plinius den Älteren († 79) steht es fest, dass Nero die Stadt angezündet hat, spricht er doch ganz unverblümt davon, dass der Kaiser mit dem Anzünden der Stadt sogar die Bäume habe sterben lassen.
Tacitus schreibt in seinen Annales von einem "Unglück, bei dem es ungewiss ist, ob es auf Zufall oder auf die Heimtücke des Kaisers zurückzuführen war". Wesentlich weniger vorsichtig formuliert Suetonius in seiner Kaisergeschichte: "Er zündete die Stadt an und zwar ganz offenkundig.“

Dennoch wollten die Verdächtigungen nicht verstummen. Schließlich machte der Kaiser die kleine Christengemeinde Roms für die Katastrophe verantwortlich. Hunderte Unschuldige wurden deswegen grausam hingerichtet. Darin bestand die eigentliche und bewiesene Schuld des Tyrannen Nero.

Hermann Detering untersucht das in seinem Buch „Falsche Zeugen“ und kommt zu dem Ergebnis: Das Testimonium Taciteum wird in der antiken Literatur nirgendwo erwähnt. Das ist auffallend, weil zumindest von den christlichen Schriftstellern des 2. und 3. Jahrhunderts ein Eingehen darauf zu erwarten gewesen wäre. Es schweigen nicht nur Justin und Clemens von Alexandrien, der immerhin eine Zitatensammlung von heidnischen Schriftstellern bietet, auch Origenes, Eusebius, Laktanz und Tertullian äußern sich nicht zu den gegen die Christen erhobenen Beschuldigung, den Rombrand verursacht zu haben. Dabei wiegt das Schweigen Tertullians besonders schwer, nennt er doch Tacitus einen „im Lügen überaus beredten“ Mann.

Diese Anschuldigung der Christen ist sicher eine Interpolation des Mittelalters.

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Beitrag von Marek1964 Fr Nov 13, 2015 12:14 pm

Skeptik schrieb:
Diese Anschuldigung der Christen ist sicher eine Interpolation des Mittelalters.

Da möchte ich nachfragen, Skeptik - Du meinst also, dass die Christenverfolgungen im alten Rom erfunden oder zumindest übertrieben wurden, durch die mittelalterlichen Geschichtsschreiber?

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Beitrag von Skeptik Fr Nov 13, 2015 4:27 pm

Marek1964 schrieb:
Skeptik schrieb:
Diese Anschuldigung der Christen ist sicher eine Interpolation des Mittelalters.

Da möchte ich nachfragen, Skeptik - Du meinst also, dass die Christenverfolgungen im alten Rom erfunden oder zumindest übertrieben wurden, durch die mittelalterlichen Geschichtsschreiber?

Hermann Detering führt in seinem Buch noch weitere "Falsche Zeugen" an. Z.B. das Testimonium Flavium. Die dortige Interpolation haben wir Eusebius zu verdanken. Der letzte Satz heißt dort: "Und noch bis jetzt ist der nach ihm genannte Stamm der Christen nicht verschwunden".
In dem Satz gibt es eine verräterische Floskel: eis eti (te) nym = bis jetzt, bis auf den heutigen Tag. Das kommt vor Eusebius nirgends vor. Aber Eusebius verwendet dies 93-mal in seinen Werken. Außerdem ist verdächtig, daß zwölf christliche Schriftsteller vor Eusebius den Josephus zitieren ohne dieses Testimonium zu erwähnen.

Das kann man auch bei Tacitus beobachten. Dabei hätten diese christlichen Schriftsteller diese Belegstellen sicher liebend gerne zitiert, wenn sie diese denn gekannt hätten. Die einzige Erklärung ist die Interpolation in einer späteren Zeit.

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Beitrag von Klartext Sa Nov 21, 2015 2:12 am

Was meinst du mit Interpolation, werter Skeptik? Was sagt eigentlich dein Nick? Wogegen bist du skeptisch? Sprich Klartext, wenn es geht...

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Beitrag von Skeptik Sa Nov 21, 2015 10:01 am

Klartext schrieb:Was meinst du mit Interpolation, werter Skeptik? Was sagt eigentlich dein Nick? Wogegen bist du skeptisch? Sprich Klartext, wenn es geht...

Wenn man sich die entsprechende Stelle in den "Jüdischen Altertümern" des Flavius Josephus anschaut ist eine Interpolation/nachträgliche Einfügung offensichtlich.
In Kapitel 3,2 lesen wir vom Versuch des Pilatus von einer entfernten Quelle Wasser in die Stadt Jerusalem zu leiten und dafür die Tempelgelder zu verwenden. Das gab einen Aufruhr unter den Juden. Sie liefen zu Tausenden zusammen und Pilatus ließ sie durch verkleidete Soldaten, die sich darunter gemischt hatten, niederknüppeln. Der letzte Satz hier: "So wurde dieser Aufruhr unterdrückt".

Gleich anschließend folgt das berühmte Testimonium Flavium:
„Um diese Zeit lebte Jesus, ein Mensch voll Weisheit, wenn man ihn überhaupt einen Menschen nennen darf. Er tat nämlich ganz unglaubliche Dinge und war der Lehrer derjenigen Menschen, welche gern die Wahrheit aufnahmen; so zog er viele Juden und viele aus dem Heidentum an sich. Er war der Messias. Auf Anklage der Vornehmen bei uns verurteilte ihn Pilatus zwar zum Kreuzestode; gleichwohl wurden die, welche ihn früher geliebt hatten, auch jetzt ihm nicht untreu. Er erschien ihnen nämlich am dritten Tage wieder lebend, wie gottgesandte Propheten neben tausend anderen wunderbaren Dingen von ihm verkündet hatten. Noch bis jetzt hat das Volk der Christen, die sich nach ihm nennen, nicht aufgehört.“

Danach geht es weiter mit dem Satz: "Gleichfalls um diese Zeit traf auch noch ein anderes Unglück die Juden und zu Rom geschahen im Isistempel schändliche Dinge".
Es folgt eine längere und ausführliche Schilderung dieser "schändlichen Dinge". Man würde das heute als "Trash" bezeichnen. Josephus kommt zum Schluß mit dem Satz: "Nunmehr wende ich mich, wie oben angedeutet, zur Erzählung des Unglücks, welches die in Rom lebenden Juden traf".

Klartext: Das ist doch eine allgemein angemessene Haltung, allem was an einen so herangetragen wird erstmal skeptisch gegenüber zu treten.

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Beitrag von leonidas So Feb 28, 2016 12:13 pm

So friedliebend sind die Christen nun auch nicht, ich meine nicht das, was im Mittelalter im Namen des Kreuzes "Gott will es...." veranstaltet wurde. Mir ist keine andere Religion bekannt, in der Priester Waffen segnen.
Um auf Rom und das Jahr 64 zurück zu kommen:
Es ist durchaus denkbar, dass eine kleine militante Gruppe der Christen in Rom wirklich das Feuer gelegt hat. Diese Gruppe gehörte zu einer Richtung, dass die Erlösung der Menschen erst nach einem Fanal erfolgen würde. Die "Geheimpolizei" Neros nahm das auf und es kam Nero durchaus zupass.
Die Verteufelung Neros, aus dem Mittelalter stammend, ist eine typisch christliche abendländiche Form dessen, was wir heute als Verschwörungstheorie bezeichnen.


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