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Kalkriese Ort der Varusschlacht? Ein Evergreen historischer Diskussion

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Beitrag von Marek1964 Do Jan 22, 2015 8:42 pm

Immer wieder ist mir aufgefallen, dass der Ort der Varusschlacht ein Evergreen historischer Diskussion ist.

Ich bin Laie dieses Geschichtsabschnitts. Gerade aber deshalb würde ich eine Diskussion gerne verfolgen.
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Beitrag von Ostfale Fr Jan 23, 2015 3:47 pm

Hallo zusammen,

in Kalkriese wurden in den letzten Jahren bedeutende Funde gemacht, die mit ziemlicher Sicherheit auf ein Kampfereignis in der Zeit der beginnenden Provinzialisierung der Magna Germania (zwischen 9 und 16 unserer Zeitrechnung) hinweisen. Die verantwortlichen Ausgräber dort haben sich ziemlich schnell der bereits von Mommsen geäußerten Auffassung angeschlossen, dass hier die berühmte Varusniederlage, oder zumindest ein entscheidender Teil derselben, stattgefunden hat.
Sehr zu ihrem Leidwesen sind jedoch noch keine eindeutigen Funde gemacht worden. Weder die Münzen, deren Schlussmünzen (Gaius-Lucius-Typ) lediglich beweisen, dass diese nicht vor dem Jahre 2 oder 3 in die Erde gekommen sein können, noch andere Funde sind eindeutig!. Nun hat man dort viele Münzen mit Gegenstempeln gefunden, ungewöhnlich viele sogar! Insgesamt 96% der sogenannten Lugdunum-Asse, das war das Kupfer-Kleingeld der Legionäre, tragen einen Gegenstempel, davon knapp die Hälfte den Stempel "AVG", also Augustus, die Masse aller gestempelten Münzen ein "IMP", also Imperator, einige wenige tragen ein "VAR" und "CVAL". Diese letzten Münzen dienen als Indiz für die Varusschlacht, denn man liest aus VAR den legatus Augusti pro praetore Varus. Also können diese Gegenstempel mit VAR nur in der Zeit zwischen 7 bis 9, also in der Amtszeit des Varus aufgebracht worden sein, so der messerscharfe Schluss der Forscher. Man "vergisst" dabei, dass auch in anderen Gegenden des römischen Reichs Münzen mit diesem Gegenstempel existieren, auch in Syrien, wo Varus vorher Statthalter war und auch dort, wie im "Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Band 32, auf Seite 85 zu erfahren ist, als "umfassender Reformer des Münzwesens" tätig war. Es ist durchaus möglich, dass etliche dieser besonderen Münzen, wir reden hier über Kleingeld, schon weit früher, aber auch erst nach 9 u.Z. den Weg nach Germanien über den normelen Geldkreislauf gefunden haben könnte.
Diese gegengestempelten Münzen werden oft als Geldgeschenke zu besonderen Anlässen gesehen, allerdings muss man sich wundern, warum auch derart kleinwertige Münzen, zumal mit aufwändigem Gegenstempel versehen, verschenkt wurden.

Allerdings gibt es einen Anlass im Jahre 14, geringwertige Münzen mittels Gegenstempel einen weit höheren Wert zuzuweisen. Nach dem Tod des Augustus meuterten die Rheinlegionen und verlangten u.a. die Auszahlung des rückständigen Soldes und des anteiligen Erbes des Augustus. Dies stellte den soeben aus Gallien zurückgekehrten Germanicus vor erhebliche Probleme. Er musste, so Tacitus, in seine Privatschatulle und die seiner Freunde greifen um die Forderung der Legionen zu erfüllen. Hier wäre es durchaus möglich, dass mangels Münzen sogar Kleingeld kurzfristig aufgewertet wurde, was dann später gegen ordentliches Geld umgetauscht werden konnte.
Ein Jahr später lieferten sich vier Legionen unter Caecina bei den Langen Brücken (pontes longi) eine mehrtägige Schlacht auf Biegen und Brechen.
Am ersten Tag störten die Germanen den Lagerbau und wohl auch die Reparatur der Bohlenwege, in der Nacht stauten sie sogar die von den Berghängen herabfließenden Bäche und leiteten das Wasser in das Lager der Römer (hier macht es Sinn, vor dem stauenden Wall zur Bergseite hin einen Drainagegraben anzulegen!). Am nächsten Tag mussten die Römer eine Enge zwischen bewaldetem Berg und Sumpf kämpfend durchbrechen. Hier ging der Tross verloren und Caecina entkam mit knapper Not in ein inzwischen errichtetes Lager hinter der Enge. Dieses Lager stürmten die Germanen gegen den Rat des Arminius und holten sich blutige Köpfe, da Caecina entsprechende Gegenmaßnahmen durchführte und sich nach diesem Kampf in Richtung Rhein absetzte.

Ungeachtet der Tatsache, dass sich nach Tacitus die Schlacht an den Pontes Longi westwärts/südwestwärts der Ems abgespielt haben müsste, sind sicherlich grade beim Kampf in der Enge, wo der Tross verloren ging, auch etliche Münzen der Legionäre in den Boden gekommen.
Dass die Legionen des Germanicus möglicherweise noch keine Münzen bei sich hatten, die ab 13/14 in Lugdunum geprägt worden sind, ist nicht verwunderlich. Für die Jahre 15/16 konnten bisher nirgends am Rhein derartige Münzen festgestellt werden. Lediglich Münzfunde in einem Brandhorizont aus dem Jahre 14 in Köln beinhalten diese neuen Prägungen. Allerdings hat man den Brand mittels terra-sigillata-Scherben auf das Jahr 14 datiert, was mich ob der seltenen Genauigkeit wundert. Aber selbst wenn dem so wäre, was beweist das in Bezug auf die Münzen der Legionäre?

Aber genug zu den Münzen bei Kalkriese. Zum Wall schrieb ich oben schon.
Bleiben die Fragen:
Wann fand die Varusschlacht statt?
Und wo etwa fand sie statt?
Zur ersten Frage gibt es ziemlich genaue Angaben in den Quellen.
Florus schreibt: "Varus perditas res eodem quo Cannensem diem Paulus et fato est animo secutus." (Varus folgte dem allgemeinen Untergang mit gleichem Schicksal und in gleichem Geist wie (L. Aemilius) Paulus am Tag (der Schlacht) von Cannae.)
Die Schlacht bei Cannae fand an einem 2.August statt!
Weiterhin wird in den Antiatischen Fasten unter dem 2. August der Sieg
des Tiberius in Illyricum notiert. Hier muss man wissen, dass die Provinz Illyricum erst etwa im Jahre 70 in die Provinzen Pannonien und Dalmatien geteilt wurde. Der uns bekannte "Pannonische Aufstand" der Jahre 7 bis 9 war also für die römischen Zeitgenossen der Illyrische Aufstand.
Velleius Paterculus schreibt in 2,117, dass fünf Tage, nachdem der Krieg in Pannonien beendet wurde, die Nachricht von der Varuskatastrophe bei Tiberius eintraf.

Nun wird aber immer wieder in dubiosen "wissenschaftlichen" Sendungen, auch von den Kalkrieseforschern beständig suggeriert, dass Varus im Herbst auf dem Rückweg in die Winterquartiere am Rhein wegen des Aufstands entfernter Völker einen Umweg machte und daher bei Kalkriese in große Bedrängnis geriet.

Erstaunlich ist, dass nichts von dem obig Behaupteten in den antiken Quellen zu finden ist.
1. ist am 2. August nicht Herbst, sondern Sommer. Also kein Grund in irgendwelche Winterlager zu marschieren!
2. schreibt Cassius Dio in Römische Geschichte 18,1-22,2:
"18.
1. Die Beschlüsse waren kaum gefaßt, als aus Germanien eine Schreckenskunde eintraf und sie von den geplanten Festlichkeiten abhielt. In eben jener Zeit hatten sich in Germanien folgende Ereignisse abgespielt: Die Römer hatten gewisse Teile davon in Besitz, nicht zusammenhängende Gebiete, sondern nur solche Bezirke, wie sie gerade unterworfen worden waren, weshalb dann auch hiervon keine Erwähnung geschah.
2. Und römische Soldaten lagen dort in Winterquartieren, und man begann eben mit der Anlage von Städten. Die Barbaren selbst paßten sich den neuen Sitten an, gewöhnten sich an die Abhaltung von Märkten und trafen sich zu friedlichen Zusammenkünften."

Also keine Winterquartiere am Rhein, sondern mitten im eroberten Germanien!
Zum Feldzug des Varus schreibt er dort weiter:
"19.
3. So fühlte sich der römische Feldherr sicher und rechnete mit nichts Schlimmem; all denen aber, welche die Vorgänge argwöhnisch verfolgten und ihn zur Vorsicht mahnten, schenkte er keinen Glauben, ja machte ihnen sogar Vorwürfe, als seien sie ohne Grund beunruhigt und wollten seine Freunde nur verleumden. Dann kam es zu einer ersten Aufstandsbewegung, und zwar bei den Völkerschaften, die von ihm entfernt wohnten; ein wohlüberlegter Plan:
4. Varus sollte gegen diese Unruhestifter zu Felde ziehen und auf dem Marsch durch angeblich befreundetes Gebiet mit geringerer Mühe überwältigt werden, anstatt daß er sich, wie bei einem allgemeinen, plötzlichen Ausbruch von Feindseligkeiten gegen ihn zu erwarten war, besonders in Acht nahm. Und so kam es denn auch: Zuerst gaben ihm die Verschworenen beim Ausmarsch das Geleite, dann beurlaubten sie sich, um angeblich die verbündeten Kontingente zu sammeln und ihm damit rasch zur Hilfe zu kommen"

Wir erfahren, dass Varus vom Aufstand entfernter Völker unterrichtet wurde, allerdings steht dort nicht, wo sich diese Völker befanden und in welche Richtung Varus also zog. Es ging nur durch befreundetes Gebiet, das ist alles, was die Quelle C. Dio hergibt!
Im Gegensatz dazu berichtet wieder Florus, dass Varus in seinem Lager angegriffen wurde!

Soweit als Einstimmung erstmal. Ich halte also das Beharren der Kalkrieseforscher, die Schlacht bei Kalkriese als Varusschlacht zu identifizieren, für nicht überzeugend!

Grüße
Ostfale


Zuletzt von Ostfale am Fr Jan 23, 2015 9:44 pm bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet (Grund : Rechtschreibkorrekturen)

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Beitrag von Gontscharow Sa Jan 24, 2015 1:33 am

Wenn Kalkriese nicht der Schauplatz der Varusschlacht war, wo hat sie dann stattgefunden ?
Diese Schlacht wird doch als eine vernichtende Niederlage der Römer geschildert, es muß sehr viele Tote gegeben haben und müssten da nicht eigentliche jede Menge Hinterlassenschaften im Boden schlummern ? Warum hat man sie nicht gefunden? Die Gegend rund um Osnabrück / Münster / Bielefeld ist ja nun keine Wildnis, in der sich selten mal ein Mensch verirrt, sondern eine dicht besiedelte Region
mit sehr viel Landwirtschaft und Bautätigkeit. Da müßte man doch bei Bauarbeiten etc. schon längst den genauen Ort der Varussschlacht kennen. ???
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Beitrag von Cherusker Sa Jan 24, 2015 6:52 pm

Varus mit seinen 3 Legionen war zahlenmäßig weit geringer als die folgenden Schlachten des Germanicus. Bei Idistaviso und beim Angrivarierwall kämpfte Germanicus mit 8 Legionen gegen Arminius und seine Verbündete. Und selbst von diesen großen Schlachten hat man bisher noch nichts gefunden.Wink Und selbst bei pontes longi hatte Caecina 4 Legionen zur Verfügung. Und dort ging auch viel Material verloren, weil die Germanen den Troß plünderten.

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Beitrag von Gontscharow So Jan 25, 2015 1:11 am

Also hat es nichts weiter zu sagen, daß man den Ort noch nicht gefunden hat ?
Und ich dachte, unser Boen sei schon so durchwühlt, daß es keine Geheimnisse mehr birgt.
Wieder was gelernt.

PS : Willkommen Cherusker !
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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 8:57 am

Ostfale schrieb:
Ich halte also das Beharren der Kalkrieseforscher, die Schlacht bei Kalkriese als Varusschlacht zu identifizieren, für nicht überzeugend!
Grüße
Ostfale

Hallo Ostfale,

vielen Dank für Deine Zusammenfassung!

Ergänzen möchte ich noch, dass selbst Prof. Wolfgang Schlüter nicht mehr davon ausgeht, dass der Wall am Oberesch der Rest eines "Germanischen Hinterhalts" ist.

2011 schrieb Schlüter:
"Keines der Elemente des Befestigungsbaus auf dem Oberesch lässt sich demnach als Beleg für die Auffassung anführen, dass der Wall germanischen Ursprungs sei. Dagegen sprechen verschiedene Merkmale der Wehrmauer trotz des Fehlens des für römische Anlagen charakteristischen Spitzgrabens - hier sind u.a. die Bauweise, das Drainagesystem, die Lage der Brustwehr und auch die Linienführung zu nennen - für eine Errichtung durch römische Truppen."

Damit stellt er sich deutlich gegen das Szenario eines germanischen Hinterhalts, das nach über 20 Jahren intensivster archäologischer Forschung von seinen Kalkrieser Kollegen vertreten wird.


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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 9:19 am

Die Ungereimtheiten und offenen Fragen zur „Kalkriese-Varusschlacht-These“ sind so zahlreich, dass man mit dieser Diskussion Abende füllen könnte.


Nun aber zur eigentlichen Frage:
Wo hat die Varusschlacht stattgefunden?

Niemand wird nun erwarten, dass ein exakter Ort angegeben werden kann. Dazu liegen (noch) keine archäologischen Funde vor.

Da sich die Varusschlacht, nach dem was wir bisher wissen, zunächst als mehrtägiges Marschgefecht zugetragen hat, dürfte die zu erwartende Funddichte relativ gering sein.

Welche Funde sind am finalen Kampfplatz zu erwarten? Meiner Meinung nach der in den römischen Quellen mehrfach erwähnte Tumulus, den Germanicus für die Gebeine der Varuslegionen errichten ließ.

Der Fund eines solchen Massengrabes, und keine einzelnen Knochengruben, wären ein eindeutiger Beleg für das Varusschlachtfeld.

Einzelne Knochengruben, von Leichen die offensichtlich längere Zeit an der Oberfläche lagen und dem Tierfraß ausgesetzt waren, sind auch aus dem süddeutschen Raum bekannt. Dort sind sie archäologische Zeugnisse eines seltsamen, heute nicht mehr rekonstruierbaren keltischen Bestattungsritus. Das soll keineswegs bedeuten, dass in Kalkriese Kelten gegen Römer kämpften. Allerdings wissen wir nicht, welchen sonderbaren Riten die Germanen in dieser Zeit auf Schlachtfeldern nachgingen.
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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 9:40 am

Zum Ort der Varusschlacht gibt es einen allseits bekannten Hinweis von Tacitus:

Als Germanicus seinen Feldzug gegen die Brukterer unternahm, verwüstete er wahrscheinlich von Nordwesten kommend, das Land zwischen Ems und Lippe. In ihrem Quellgebiet verlaufen diese Flüsse nahezu parallel.

Dann, bei den „äußersten Brukterern“, befindet er sich „nicht weit entfernt vom teutoburgiensi saltu, in dem wie gesagt wird, die Gebeine der Varuslegionen unbestattet liegen.“

Nun folgt etwas Bemerkenswertes:

Germanicus erreicht zuerst das erste Lager des Varus, das noch von den drei Legionen errichtet wurde. Danach geht er dem Marschweg des Varus nach, bis er den finalen Ort der Schlacht, ein notdürftiges Lager mit halb eingestürztem Wall erreicht.

Germanicus zieht demzufolge in die gleiche Richtung wie Varus!
Das widerspricht der Annahme, Varus habe sich auf dem Rückweg zum Rhein befunden, als er von den Kriegern des Arminius angegriffen wurde.

Einige Historiker vertreten deshalb die Ansicht, Tacitus habe hier einen literarischen Kunstgriff angewendet. Er habe den Marsch des Germancius „geographisch umgekehrt“ dargestellt, um den Verlauf der Varusschlacht zu schildern.

Dabei vergessen diese Historiker allerdings, dass dieser „Kunstgriff“ bei den Lesern des Tacitus zu reichlich Verwirrung geführt hätte. Denn zu Zeiten des Tacitus gab es sehr ausführliche Literatur zum Verlauf der Varusschlacht, u.a. von Aufidius Bassus, Velleius Paterculus u.a..
Tacitus´ Absicht war, vom Feldzug des Germanicus zu berichten, nicht von der Varusschlacht. Es gab für ihn keinen Anlass, einen literarischen Kunstgriff vorzunehmen, um dem Leser zum hundertsten Male den Verlauf der Varusschlacht zu schildern.  

Es bleibt also die Erkenntnis, dass Germanicus den Weg der Varuslegionen in derselben Richtung vollzog.
Es deutet einiges darauf hin, dass sich Germanicus nicht zum Rhein, sondern ins Landesinnere bewegte. Denn kurz nach der Bestattungsaktion erfolgte der erste Feindkontakt mit den Cheruskern des Arminius.
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 Kalkriese Ort der Varusschlacht? Ein Evergreen historischer Diskussion Empty War der Tumulus in der Nähe der Lippe?

Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 11:42 am

Der Tumulus der Varuslegionen wird von Tacitus zweimal erwähnt:

15 n.Chr. lässt Germanicus ihn errichten, nachdem er das Land zwischen Ems und Lippe verwüstet und bei den äußersten Brukterern den teutoburgiensi saltu erreicht hat.
16 n.Chr. befreit Germanicus ein römisches Lager an der Lippe aus der Belagerung der Germanen. Die abziehenden Germanen hatten jedoch zuvor das Ehrenmal des Drusus sowie den Tumulus der Varuslegionen zerstört.

In beiden Fällen wird als der Tumulus in einem gewissen Zusammenhang mit der Lippe erwähnt. Es erschließt sich daraus zwar keine unmittelbare Nähe, jedoch liegt ein gewisser geographischer Zusammenhang nahe.


Zuletzt von Agrippa am Mi Jan 28, 2015 12:21 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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 Kalkriese Ort der Varusschlacht? Ein Evergreen historischer Diskussion Empty Steht das Lager von Anreppen in Zusammenhang mit der Varusschlacht?

Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 11:54 am

In Bezug auf das oben erwähnte „Lager an der Lippe“, das 16 n.Chr. aus der Belagerung befreit wurde, könnte das östlichste heute bekannte Lippelager, jenes von Anreppen, interessant sein.
Seine Entstehungszeit konnte dendrochronologisch in die Jahre 4/5 n.Chr. datiert werden, also in einen Zusammenhang mit dem Feldzug des Tiberius.

Es wird als Ausgangsbasis für römische Operationen nach Osten, also in den Weserraum, von Bedeutung gewesen sein. Eine große Zahl an Speicherbauten deutet darauf hin.
Wann es aufgelassen wurde, ist allerdings umstritten.
Numismatisch betrachtet, müsste es beim Eintreffen des Varus, also 6 n.Chr., nicht mehr in Betrieb gewesen sein, da der Gegenstempel VAR auf den Fundmünzen von Anreppen fehlt.
Sollte das bedeuten, das große und strategisch günstige Lager am Oberlauf der Lippe habe nur etwa ein Jahr bestanden?

Diese und weitere offene Fragen konnten auch die Forschungen von J.-S. Kühlborn in Anreppen nicht beantworten, die mittlerweile abgeschlossen wurden.  

Wie erwähnt liegt in Anreppen numismatisch betrachtet kein Hinweis auf Varus vor. Von Germanicus sowieso nicht, da von diesem rechts des Rheins überhaupt kein einziger numismatischer Beleg existiert.
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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 12:34 pm

Ich habe mir erlaubt, zwei neue Themen zu eröffnen. Zum Tumulus und zu Anreppen.

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Beitrag von Gontscharow Mi Jan 28, 2015 12:35 pm

Das ist ja richtig spannend !
Ich wohne im Land zwischen Lippe und Ems ( an der Ems bin ich schon oft
spazieren gegangen) und in jetzt von der Idee, daß hier irgendwo ein "Tumulus"
im Boden schlummern könnte, fasziniert.
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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 2:41 pm

Hallo zusammen,

nochmal kurz zum Wall bei Kalkriese:
Entgegen der Ansicht Schlüters, mit der er nicht allein steht, bin ich nicht der Meinung, dass dies ein von Römern errichtetes Bauwerk ist. Aus verschiedenen Gründen, doch dazu später, bin ich der Überzeugung, dass hier die Schlacht an den Pontes Longi stattfand. Dass der Wall, der zum Ableiten der vielen Bergbäche diente, auch Merkmale römischer Bauart erkennen lässt, verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass an obiger Schlacht auch Germanen mitkämpften, die vorher jahrelang bei den Römern als Hilfstruppen (nicht Auxiliareinheiten) dienten. Da ist es leicht möglich, dass sie römische Bautechniken, grade beim Lagerbau, gelernt hatten. Zu der behaupteten Brustwehr gibt es außer einigen sogenannten Pfostenlöchern, die man an der Basis des Walls zu finden glaubte, keinerlei weitere Hinweise. Eine mögliche Erklärung dazu ist das Einbeziehen von Jungbäumen in die Wallanlage um diese stabiler zu machen. Grade etliche Laubbäume (Birke, Espe, Douglasie,  Eberesche/Vogelbeere, Feldahorn, Fichte, Grau-Erle, Hainbuche, Hasel-Baum, etc.) sind Flachwurzler, die im Jungstadium noch keine nennenswerten Seitenwurzeln haben. Nach 2000 Jahren findet man dann nur die Reste des Stammes und hält diese für ehemalige Pfosten. Natürlich erklärt dann keiner, warum diese bei einem etwa zwei Meter hohen Wall bis in den gewachsenen Boden getrieben werden mussten, damit sie in der Lage sind oben dann ein Geflecht aus Ästen zu halten, welches Schutz vor Pfeilen etc. bieten sollte. Die "Durchgänge" sind dann schlicht die alten Bachläufe, die nach der Schlacht einfach wieder freigemacht wurden, damit das Wasser wieder normal abfließen kann.
Nur wenn man hier die Varusschlacht sehen will, kommt man dann zu den vielen waghalsigen Deutungen der Funktion des Walls - bis hin zum Defilee-Gefecht, bei dem sich Tausende von militärischen Vollprofis ohne nennenswerte Gegenmaßnahmen einfach so abschlachten lassen:lol:  

Grüße
Ostfale


Zuletzt von Ostfale am Mi Jan 28, 2015 2:42 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet (Grund : Rechtschreibung)

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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 3:10 pm

Hallo Ostfale,

ich sehe den Wall am Oberesch als eine Befestigung, die Caecina am Vorabend der Schlacht an den Pontes Longi anlegen ließ, um dem Tross am nächsten Morgen das Passieren der Engstelle zwischen Kalkrieser Berg und Sumpf zu ermöglichen.

Der Wall sollte dem Tross als Flankenschutz dienen, um Reiterangriffen der Germanen vom Berg hinab die Wucht zu nehmen.

Die Germanen leiteten ihrerseits die Bäche vom Berg um, um den Wall zu unterspülen. Aus diesem Grunde mussten die Legionäre, geschützt durch eine Postenkette, die Drainagegräben bergseits anlegen.

Am nächsten Morgen zogen die V. und die XXI. Legion durch die Engstelle und besetzten links und rechts die freie Fläche westlich der Engstelle. Dabei rückten sie allerdings zu weit vor und wurden auf ihren neuen Positionen in Kämpfe verwickelt, was noch heute an der gabelförmigen Fundverteilung westlich des Oberesch erkennbar ist.

Es folgte der Tross, geschützt durch eine auf dem Wall befindliche Postenkette der Legion I.

Als der Tross in der Engstelle war, leitete Arminius einen Reiterangriff ein und durchbrach den Wall (der Wall am Oberesch ist nach Norden, also zum Sumpf hin eingerissen worden).

Es gab heftige Kämpfe mit der Legion I. und dem Tross direkt Wall. Eine Ritzinschrift eben dieser Legion liegt auf dem Mundblech einer Schwertscheide vor, gefunden am Wall am Oberesch.

Die Nachhut bildete die Legion XX., von der es wenig Überlebende gegeben haben dürfte.

Am Abend gelang es den verbliebenen Legionären des Caecina westlich der Engstelle nur noch ein provisorisches Lager zu errichten, da das Schanzwerkzeug mit dem Tross verloren gegangen war.
Archäologische Spuren dieses Lagers dürften deshalb nur sehr schwer nachzuweisen sein.

Gruß
Agrippa
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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 3:50 pm

Sontheimer übersetzt die Stelle bei Tacitus wie folgt:
"Caecina der unschlüssig war, wie er die im Laufe der Zeit zusammengebrochenen Bohlenwege wiederherstellen und zugleich den Feind abwehren solle, beschloss an Ort und Stelle ein Lager abzustecken, damit der eine Teil mit der Befestigungsanlage beginnen, der andere den Kampf aufnehmen könne.
Die Barbaren versuchten die Postenkette zu durchbrechen und sich auf die Arbeitskommandos zu stürzen; sie forderten sie heraus, umzingelten sie und stürmten auf sie los. Durcheinander ertönte das Geschrei der Arbeitskommandos und der kämpfenden Truppe. Und überall stellten sich die gleichen Schwierigkeiten den Römern in den Weg: Das grundlose Sumpfgelände, auf dem man nicht fest auftreten konnte und beim Vorwärtsgehen ausglitt, das Gewicht der Panzer, das auf dem Körper lastete, die Unmöglichkeit, im Wasser stehend die Wurfspeere zu schwingen. Dagegen waren die Cherusker an den Kampf im Sumpfgelände gewöhnt, waren hochgewachsen, führten gewaltige Lanzen, mit denen sie auch auf größere Entfernung ihre Gegner verwunden konnten. Erst die Nacht enthob die schon weichenden Legionen dem unter ungünstigen Bedingungen geführten Kampfe. Die Germanen kannten angesichts ihrer Erfolge keine Müdigkeit. Sie gönnten sich auch jetzt keine Ruhe und leiteten alle Wasserläufe, die von den Anhöhen ringsum herunter kamen, in das tieferliegende Gelände ab. Dieses wurde überschwemmt und die schon fertig gestellten Befestigungsabschnitte verschüttet, wodurch die Mannschaften doppelte Arbeit zu leisten hatten. "

Strodtbeck übersetzt ähnlich:
"Caecina war in Verlegenheit, wie er die durch die Länge der Zeit verfallenen Brücken herstelle und zugleich den Feind zurücktreiben solle. Er hielt es fürs beste, wo er war, ein Lager aufzuschlagen und, während die einen schanzten, die andern den Kampf beginnen zu lassen. Die Barbaren bemühten sich, die zum Schutz Aufgestellten zu durchbrechen, um unter die Schanzenden einzudringen; sie lassen keine Ruhe, suchen zu umgehen, rennen von vorn an. Unter das Geschrei der Schanzenden hinein ertönt das der Kämpfenden. Und alles war für die Römer gleich ungünstig: der Ort ein bodenloser Sumpf, zum Stehen kein fester Tritt, zum Gehen alles schlüpfrig. Dazu die schwere Last der Panzer und vor lauter Wasser keine Möglichkeit, die Wurfspieße zu schwingen; die Cherusker dagegen gewohnt, im Morast zu kämpfen, hochgewachsene Leute mit mächtig langen Speeren, um aus aller Ferne verwunden zu können. Erst die Nacht entzog die bereits wankenden Legionen dem ungünstigen Kampf.
Die Germanen, die bei ihrem Glück unermüdlich waren und sich auch jetzt keine Ruhe gönnten, leiteten alles Wasser, das an den rings sich erhebenden Bergen entspringen, in die Niederungen; der Boden wurde überschwemmt, was von Verschanzung fertig war, umgewühlt und so für die Soldaten die Arbeit verdoppelt."


Nimms mir nicht krumm, lieber Agrippa, aber ich kann hier nur drei "Arbeiten" herauslesen (ohne die Kampfhandlungen). Zwei erledigen die Römer, 1. Bohlwege reparieren und 2. Lager bauen. Von weiteren Arbeiten der Römer schreibt Tacitus kein Wort!
Die dritte Arbeit ist das Umleiten der Bäche. und das machen die Germanen in der Nacht. Frage: Wie soll denn das praktisch geschehen sein? "Umleiten" sagt doch alles, oder?
Am Rand des Waldes zum Berg hin, den die Truppen des Arminius besetzt hielten, durch römische Soldaten einen Grassodenwall errichten zu lassen, hieße sie sämtlich zu opfern, man denke an die beschriebenen Speere, mit denen die Germanen aus der Ferne so trefflich umgehen konnten!

Grüße
Ostfale

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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 5:23 pm

Richtig, die von Dir angeführten Teile der Übersetzungen beschreiben die ersten Kämpfe, den Bau des Walles und die Umleitung der Bäche, um diesen zu unterspülen.

Auch Schlüter hat bemerkt, dass der etwa 400 m lange Wall an beiden Enden nach Norden abwinkelt.

An dieser Engstelle zwischen Berg und Sumpf war es nicht notwendig, ein geschlossenes Lager zu bauen, da von Norden her der Sumpf eine Annäherung der Feinde verhinderte.

Durch die Schlangenform wurde die Länge des Walles vergrößert, so dass eine größere Anzahl an Legionären auf ihm postiert werden konnte.  

Bei Tacitus wird es doch erwähnt:
„Die Barbaren versuchten die Postenkette zu durchbrechen und sich auf die Arbeitskommandos zu stürzen...“

Es gab also eine Postenkette, die die schanzenden Legionäre am Wall schützen musste. Bei einem allseits geschlossenen Lager hätte es einen Postenring geben müssen.

Natürlich gab es Beschuss und Bewurf durch die Germanen während des Baus. Deshalb ist der Wall auch kein Meisterstück römischer Militärtechnik geworden, sondern wurde hastig aus gerade anstehendem Material erbaut.

Die Germanen versuchten, nachdem das Stören der Schanzarbeiten erfolglos blieb, den Wall durch Umleiten der Bäche zu unterspülen. Deshalb legten die Römer Drainagegräben und Sickergruben an.

Was meinst denn Du, von wem und zu welchem Zweck der Wall erbaut wurde?
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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 6:17 pm

Nach Deiner Schilderung müssten die Germanen die Bäche, die östlich und westlich der Engstelle lagen, dann ja berauf geleitet haben. Die Römer hätten sicher keine Durchlässe geduldet und ihren "Lagerwall" auch verteidigt. Wie also kam das zerstörerische Wasser ins römische Lager?
Aber den Wall direkt am Waldrand, ohne Vorfeld? Das wäre reichlich riskant! Außerdem bietet dieser Raum dort nur Platz für zwei, drei Kohorten, niemals für vier komplette Legionen. Nein, Caecina hatte östlich der Engstelle, die auch tiefer ist (sicher waren dort die Bohlwege inder Nähe) gelagert und erst am Folgetag, so schildert Tacitus, ging es durch die Engstelle.
Natürlich kann es auch sein, dass dieser Wall in seiner Grundform schon vorhanden war. Immerhin wurden dort auch germanische Wohnhäuser gefunden. Was ist effektiver, wenn man den Boden zur Bearbeitung vorbereiten will, als die vorhandene dichte Grasnarbe einfach abzutragen und bergauf am Waldrand als Wall zu lagern?
Als dann caecina in 15 dort lagerte, kam man dann auf die Idee, diesen vorhandenen Wall ein klein wenig umzubauen zwecks Wässerung des Römerlagers. Auch das halte ich für möglich.

Nachtrag: natürlich gab es eine Postenkette in Richtung des Feindes, der in den bewaldeten Anhöhen lauerte, sogar deren zwei! Eine bewacht die Reparaturarbeiten an den Bohlwegen, die andere die Arbeiten am Lager. Posten sind nur dazu da, zum Kämpfen werden Verbände (Kohorten, Legionen) aufgestellt

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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 6:34 pm

Im Übrigen hatte Arminius ein Ziel, die Römer vor der Entscheidungsschlacht zu schwächen. Die pausenlosen Störangriffe, bei denen sich die Angreifer abwechseln konnten, dienten ausnahmslos dem Ziel, die Römer nicht zur Ruhe kommen zu lassen, sie quasi physisch und psychisch zu zermürben. Wenn man drei, vier Tage pausenlos zum Kampf antreten oder arbeiten muss, sich nicht ausruhen und nicht in den Schlaf kommen kann, ist auch der kräftigste Legionär am Ende seiner geistigen und körperlichen Kräfte. Das hat Arminius auch teilweise schon erreicht. Du schreibst ja selbst, dass in der Engstelle zwei Legionen befehlswidrig abgehauen sind und auch in der Folgenacht mehrmals Panik ausbrach. Nur weil der alte Fuchs Caecina kaltblütig blieb und die Germanen entgegen dem Willen von Arminius vorzeitig das Lager stürmten, haben die vier Legionen überlebt. Tacitus schreibt mal wieder vom überwältigenden Sieg, was soll er auch anderes schreiben...
Fakt ist, nach der Schlacht zog Caecina ab, er hatte genug. Nochmals in die Engstelle zurückzukehren um Tote würdevoll zu bestatten, hat er sicher als erstes von seiner "to do Liste" gestrichen. Er war sicher nicht lebensmüde!

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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 7:12 pm

Ostfale schrieb:Nach Deiner Schilderung müssten die Germanen die Bäche, die östlich und westlich der Engstelle lagen, dann ja berauf geleitet haben. Die Römer hätten sicher keine Durchlässe geduldet und ihren "Lagerwall" auch verteidigt. Wie also kam das zerstörerische Wasser ins römische Lager?

Die Bäche vom Berg hinab aufzustauen und das Wasser vor den Wall zu leiten, war wohl die leichteste Übung. Warum sonst hatte der Wall genau dort Drainagegräben?
Durchlässe hatte der Wall nach Schlüter gar nicht. Sie sind auf Frau Wilbers-Rost zurückzuführen, die die Wallsohle etwas nach Süden „geschoben hat“. Durch diesen "Trick" liegen die Pfostenlöcher auf der Wallkrone, die nicht mitgeschoben wurden, etwas weiter nördlich, so dass es aussieht, als hätten die Verteidiger im Süden gestanden. Wilbers-Rosts Wallsohle lag dann allerdings mitten in flachen Sickergruben, so dass sie dort Durchlässe postulieren musste. Schlüter hat diesen kleinen „Wilbers-Rostschen Kunstgriff“ erkannt und 2011 in einem Aufsatz darauf hingewiesen.

Schlüter sieht die Wallsohle etwas weiter nördlich, so dass die Brustwehr nach Süden gegen den Berg gerichtet  war und es keine Durchlässe mehr gibt, sondern flache Sickergruben südlich des Walls, verbunden mit Drainagegräben.  Das klingt plausibler.


Ostfale schrieb:Natürlich kann es auch sein, dass dieser Wall in seiner Grundform schon vorhanden war. Immerhin wurden dort auch germanische Wohnhäuser gefunden.
Wohnhäuser gab es, richtig. Aber der Wall wurde nach den archäologischen Erkenntnissen in sehr kurzer Zeit errichtet.



Ostfale schrieb:Als dann caecina in 15 dort lagerte, kam man dann auf die Idee, diesen vorhandenen Wall ein klein wenig umzubauen zwecks Wässerung des Römerlagers.
Wie kann man denn mit einem Wall ein Lager wässern?
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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 7:38 pm

Versteh mich bitte nicht falsch, aber wenn ich alles nochmal schildern muss, wird es mühselig...
Also
1. Die Engstelle am Oberesch hat in der Mitte den höchsten Punkt. Wenn dort das Römerlager (viel zu klein!) gewesen wäre, müsste der Wall nicht ab der Mitte abwärts gebaut werden, wie es der Realität entspricht, sondern von seitlich oben V-förmig hinunter zur Mitte führen, was er nicht macht.
2. Wenn die Römer diesen Wall als "Lagerwall" verwendet hätten, würde kein Germane davor Drainagegräben buddeln können. Diese leiten das Wasser ja ostwärts in die Niederung
3. Wenn der Wall keine Durchlässe hatte, auch gut, aber unerheblich
4. Auch Bauern haben Zeitdruck und können, wenn alle mit anpacken, solch einen Wall in wenigen Tagen errichten (Woher Frau Rost aber ihre genauen Erkenntnisse hat?). Oft helfen dabei auch Nachbarn und Freunde, das war schon immer so.
5. Man kann mit einem Wall ein Lager wässern, indem man ihn so gestaltet (Gefälle), dass er das ankommende Wasser in die gewünschte Richtung leitet.
6. Schlüter hat seine Meinung, die kann er behalten. Ich halte sie in Teilen für falsch.

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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 8:03 pm

Ostfale schrieb:

2. Wenn die Römer diesen Wall als "Lagerwall" verwendet hätten, würde kein Germane davor Drainagegräben buddeln können. Diese leiten das Wasser ja ostwärts in die Niederung

Das ist ein Missverständnis. Die Drainagegräben und die Sickergruben haben natürlich die Römer angelegt, damit das Wasser, das die Germanen aus den Bächen umleiteten, den Wall nicht unterspülte.



Ostfale schrieb:. Man kann mit einem Wall ein Lager wässern, indem man ihn so gestaltet (Gefälle), dass er das ankommende Wasser in die gewünschte Richtung leitet.

Dann wäre die Anlage kein Wall, sondern ein Damm. Sozusagen ein kleiner Staudamm. Ist das richtig?

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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 8:57 pm

Ja natürlich!
Frau Rost und Kollegen sprechen von einem frisch aufgeworfenen Grassodenwall. Auf dessen Krone sollen sich auch noch Männer kämpfend bewegt haben. Wenn es so wäre, würde das Dingens, egal, ob römisch oder germanisch, binnen weniger Minuten heruntergetrampelt worden sein. Ich glaube nicht, dass Legionäre für ihre Lagerwälle ausgerechnet Grassoden verwendet haben. Die lassen sich schlecht verdichten, zuviel organisches Material!
Nach dem Pseudo-Hygin hat ein römisches Dreilegionenlager etwa die Abmessungen 687 × 480 Meter (2320 × 1620 Fuß). Ich kenne kein Beispiel, wo Römer wesentlich von der Spielkartenform abgewichen sind, Ein Lager für vier Legionen ist entsprechend noch größer. Glaub mir, das passt niemals in die enge Stelle zwischen Wall und Sumpf!
Außerdem schildert Tacitus, wie sich Caecina den Plan für den nächsten Tag zurechlegt:
"Und so fand er bei der Erwägung, welche Maßnahmen zu treffen seien, keinen anderen Ausweg, als den Feind aus dem Walde solange nicht heraus zu lassen, bis die Verwundeten und der ganze schwere Tross einen Vorsprung gewonnen hätten. Denn in der Mitte zwischen den Bergen und den Sümpfen zog sich eine Ebene hin, die eine Aufstellung in schmaler Front ermöglichte. Von den Legionen wählte er die fünfte für die rechte, die einundzwanzigste für die linke Flanke, die erste für die Spitze der Marschkolonne, die zwanzigste als rückwärtige Deckung gegen etwaige Verfolgung aus."
Und weiter:
"Bei Tagesanbruch verließen die zum Flankenschutz abgesandten Legionen aus Furcht oder Widersetzlichkeit ihre Stellung und besetzten eilig das freie Feld jenseits des Sumpfgeländes. Aber Arminius brach nicht sofort hervor, obgleich seinem Angriff nichts entgegengestanden hätte. Als aber der Tross im Schlamm und in den Gräben stecken blieb, überall bei den Soldaten Verwirrung um sich griff, die einzelnen Abteilungen nicht mehr geschlossen blieben und, wie es in einer solchen Lage zu gehen pflegt, jeder nur darauf bedacht war, rasch davonzukommen, und sich taub gegen Befehle stellte, da gab Arminius den Germanen den Befehl zum Angriff mit dem Ruf: „Seht da! Varus und die wiederum dem gleichen Schicksal verfallenen Legionen!“ Mit diesen Worten durchbrach er mit einer auserlesenen Truppe die Marschkolonne, wobei er hauptsächlich den Pferden Wunden beibrachte. Diese glitten in ihrem eigenen Blute und auf dem schlüpfrigen Sumpfboden aus, warfen die Reiter ab, trieben die Leute vor ihnen auseinander und zerstampften die am Boden liegenden. Der Kampf tobte hauptsächlich um die Adler, die weder gegen den Geschosshagel vorwärts getragen noch in dem schlammigen Boden festgemacht werden konnten. Während Caecina versuchte, den Kampf zum stehen zu bringen, wurde sein Pferd unter ihm durchstochen. Er stürzte herab und währe umzingelt worden, wenn nicht die erste Legion sich dem Feind entgegen geworfen hätte. Dabei kam die Habgier der Feinde zustatten, die von dem Morden abließen und sich auf das Beutemachen verlegten. So konnten sich die Legionen, als es Abend wurde, in offenes Gelände und auf festen Boden herausarbeiten."

Wenn wir uns einig sind, bei Kalkriese die Caecinaschlacht zu sehen, dann sollte doch auch Konsens bestehen, dass obige Schilderung sich nach dem Aufbruch aus dem überschwemmten Lager ereignete. Nur diese schmale Stelle parallel zum Grassodenwall, der von Arminius als Damm gebraucht wurde, kommt dafür infrage. Schon deshalb befand sich dort kein römisches Lager. Ein gut trainierter germanischer Speerwerfer hätte ja das komplette Lager bestreichen können. Und es gab wohl mehrere davon dort...

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Beitrag von Agrippa Mi Jan 28, 2015 9:46 pm


Wir sind uns in sehr vielen Punkten einig. Aufgrund der archäologischen Funde ist die Pontes-Longi-Schlacht die wahrscheinlichste Deutung für den Fundplatz Kalkriese. Wir diskutieren hier die möglichen Szenarien, um sie auf Hieb- und Stichfestigkeit zu prüfen.

Die Idee, den Wall von Kalkriese als germanischen Staudamm zu deuten, hatte bereits Herr Friebe. Nur weil Friebe das schrieb, muss es nicht unbedingt falsch sein.

Allerdings sprechen für mich drei Punkte gegen diese These:

1.
Ein Staudamm, eigens gebaut zum Unterspülen eines feindlichen Lagers, wäre in der Antike eine militärtechnische Meisterleistung gewesen. Die Römer liebten derartige Innovationen, wie sie z.B. Vitruv ausführlich bei den Griechen beschreibt. Tacitus hätte diese bemerkenswerte Anlage, noch dazu von Barbaren errichtet, sicher erwähnt.

2.
Der Wall von Kalkriese winkelt an beiden Enden nach Norden ab. Wäre er durch Bäche von Süden aus gefüllt worden, hätte er zumindest hier einen entscheidenden Konstruktionsfehler aufgewiesen.

3.
Wo sind die archäologischen Spuren des Römerlagers, die das Wasser aus dem Staudamm überfluten sollten?
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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 10:07 pm

Tacitus schreibt doch, dass das Wasser die ganze Schanzarbeit zerstörte. Wenn der Damm noch ein paar Monate gehalten hat, werden alle Spuren dieses Lagers zerstört worden sein. Außerdem befinden sich östlich im Tal heute Gebäude und reichlich Wald. Ich denke, da wird schwer was zu finden sein. Vergessen wir nicht, die Germanen behaupteten letztlich den Platz und haben "aufgeräumt". Das sieht man ja an der gesamten Fundsituation, die die dortigen Wissenschaftler so schwer einordnen können.

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Beitrag von Ostfale Mi Jan 28, 2015 10:20 pm

Man kann den Germanen einerseits nicht den Bau dieses kümmerlichen Walls absprechen, einen vermuteten kilometerlangen Angrivarierwall aber durchaus für möglich halten, nur weil Tacitus dort das Wort "trennen" im Imperfekt verwendet, was also dauerhaft bedeutet. Dabei macht Tacitus das um darauf hinzuweisen, dass während dieser Schlacht die Angrivarier von den Cheruskern ständig getrennt blieben. Im Gegensatz zur Idistavisoschlacht, wo Arminius mehrere taktische Umgrppierungen seiner Truppen vornahm.
Aber ich schweife ab...

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