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Nostradamus – Prophet oder Scharlatan?

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Falk v. K.
Wallenstein
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Beitrag von Wallenstein Fr Nov 13, 2015 1:34 pm

Der französische Apotheker, der später als Arzt tätig war, Nostradamus (1503-1566), ist bis heute einer der populärsten Propheten, der auch in der Gegenwart zahlreiche Anhänger in aller Welt hat. Er versetzte sich in Trance und hat dann angeblich in die Zukunft gesehen. Seine Vorhersagen gab er als Vierzeiler wieder (Quatrains), die später in vier Centurien zusammengestellt wurden( je 100 und 53 Quatrains). Seine Vorhersagen reichen nach seinen eigenen Angaben bis ins Jahr 3797.

Sie sind schwer zu lesen und kaum verständlich. Er bedient sich einer metaphorischen Sprache, die Sätze sind sehr vieldeutig interpretierbar. Ich habe es nach einiger Zeit aufgegeben, sein Werk weiter zu lesen. Prophezeiungen über Erdbeben, Seuchen und Kriege sind eigentlich wertlos, weil nach statistischer Wahrscheinlichkeit so etwas immer passieren wird. Echte Vorhersagen sind es nur dann, wenn gleichzeitig eine genaue Zeit – und Ortsangabe erfolgt. Die finden sich aber nicht bei Nostradamus, auch wenn seine Anhänger natürlich etwas anderes behaupten.

Aber nehmen wir jetzt einmal an, es wäre tatsächlich möglich in die Zukunft zu sehen. Wie sollte dies vor sich gehen und was würde das überhaupt bringen?

Ich stelle mir vor, ich sehe für einen kurzen Moment das Bild einer Stadt aus dem 25. Jahrhundert. Ich würde viele Dinge erblicken, die ich gar nicht kenne und würde sie umschreiben mit Begriffen aus der Gegenwart. Vieles würde ich wohl auch falsch verstehen. Eigentlich könnte ich mit diesem flüchtigen Bild gar keine Aussagen über die Zukunft machen, die viel Sinn ergeben würden. Besser wäre schon eine Bildfolge, eine Art Video. Aber ohne ausführliche Kommentierungen nützt das auch nicht viel, denn daraus allein würden sich mir politische oder soziale Konflikte in ferner Zukunft nicht erschließen.

Nostradamus hätte das gleiche Problem gehabt, wenn er tatsächlich z.B. das heutige New York oder Berlin für einen kurzen Augenblick gesehen hätte. Versucht er Dinge zu erklären, die er nicht kennt, beschreibt er Handlungsabläufe, die er nicht versteht und bedient sich deshalb einer metaphorischen Sprache? Das müssten seine Anhänger nachweisen.
Allerdings, je zeitnaher seine Prophezeiungen sind, desto weniger Grund gibt es für solche Verklausulierungen. Trotzdem macht er sie.

Folgende Prophezeiung wurde von seinen Anhängern später als angeblich wahr bezeichnet:

„Der junge Löwe wird den alten besiegen,
Auf dem Schlachtfeld in einem einzigen Duell:
Im goldenen Käfig wird er ihm die Augen ausstechen,
Zwei Flotten/Armeen einig, dann wird er einen grausamen Tod sterben.“

Angeblich wird hier der Tod von dem französischen König Heinrich II (geb. 1519, gest. 1559) beschrieben, der in einem Duell mit dem Grafen Montgomery (geb. 1530) ums Leben kam. Die Lanze des Grafen zerbrach an der Rüstung des Königs, ein Splitter drang über dem rechten Auge in dessen Kopf und 10 Tage später starb dieser. Montgomery floh nach England, kehrte später mit der englischen Flotte nach Frankreich zurück und versuchte mit ihr die Belagerung von La Rochelle zu brechen. 1574 wurde er von den Franzosen gefangen genommen und geköpft.

Eine echte Prophezeiung? Warum aber diese metaphorische Umschreibung? Nostradamus hätte in einer echten Vision nichts gesehen, was er nicht kennt. Das mit dem jungen und dem alten Löwen könnte natürlich vielleicht nur so eine allgemeine Redensart gewesen sein. Von einem Löwen-Wappenzeichen ist nichts bekannt. Besaß Heinrich II eine vergoldete Rüstung oder zumindest einen solchen Helm? Davon wissen wir nichts, wäre möglich. Aber warum wird eine Rüstung als Käfig bezeichnet? Und ein Duell ist keine Schlacht. Außerdem kannte Nostradamus den König persönlich, nennt ihn aber nicht.

Was hätte er in einer echten Vision sehen können? Das Bild des toten Königs? Dann hätte er die Zusammenhänge aber nicht gewusst. Für eine Prophezeiung reicht es nicht aus, nur kurz ein Bild zu sehen, man muss eine ganze Sequenz haben, nur dann kann man überhaupt erkennen, worum es eigentlich geht. Es muss vor dem Auge also ein richtiger Film ablaufen.
Nostradamus hätte in einer echten Vision aber nichts gesehen, was er nicht kennt. Eine metaphorische Umschreibung macht in diesem Fall eigentlich keinen Sinn. Es ist anzunehmen, dass hier nur nachträglich etwas in diese Sätze hinein interpretiert wird, das er in seinem Trancezustand etwas gesehen hat, was seinem Gehirn entsprang, das mit der Realität aber nichts zu tun hat.

Angenommen, ich könnte tatsächlich in die Zukunft sehen. Wie weiter oben bereits beschrieben: Ich würde nur eine Vielzahl von Bildern erblicken, könnte in den meisten Fällen aber weder einen örtlichen oder zeitlichen Zusammenhang ausmachen. Eine brennende Stadt? Welche und wann? Ich kann den gesellschaftlichen und politischen Kontext nicht bestimmen. Wer greift wen an und warum? Ich müsste richtige Filme sehen mit Erklärungen, was jetzt passiert. Das flüchtige Bild einer Stadt aus dem 25. Jahrhundert und kriegerische Handlungen, die zu ihrer Zerstörung führen, bringen eigentlich nichts, wenn ich nicht die näheren Umstände kenne. Selbst wenn die Dinge, die Nostradamus gesehen hat, wirkliche Bilder aus der Zukunft waren, sie nützen nichts, weil wir weder die Zeit und in der Regel nicht die tatsächlichen Orte kennen, weil wir nichts über die Zusammenhänge wissen. Das sind nur Fragmente, die keinen Sinn machen.

Aber wie gesagt: Das waren mit Sicherheit nur Bilder gewesen, die ihm die Phantasie im Trancezustand gezeigt hat, ähnlich, wie so etwas auch im Drogenrausch passieren kann.



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Beitrag von Falk v. K. Fr Nov 13, 2015 2:05 pm

Ich habe mich früher sehr für die Prophezeiungen des "Michel de Notre Dame" interessiert. Sie erinnern mich stark an die Prophezeiungen der Bibel.

Man kann immer etwas für jedes Jahrhundert heraus lesen...
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Beitrag von Kallisto23 So Nov 15, 2015 8:01 am

hpd1311 schrieb:
Man kann immer etwas für jedes Jahrhundert heraus lesen...

Das macht ihn so beliebt, denke ich. Vor allem wird doch immer erst nach einem Ereignis erklärt, das wäre jetzt das bereits prophezeite gewesen. Man hat viel Raum um genau das zu lesen, was man ohnehin selbst erwartet oder sich im Nachhinein zu versichern, dass Nostradamus natürlich immer schon recht gehabt hat.

Was hat aber eine Vorhersage für einen Wert, wenn man sie gar nicht versteht? Liegt es nur daran, dass so viele Menschen ständig Angst vor der Zukunft haben und daher möglichst wenigstens wissen wollen, was auf sie zukommt, um vorbereitet zu sein? Man könnte ja vielleicht doch irgendwie aus irgendwelchen Prophezeiungen etwas ablesen, das einem hilft. Obs so wirklich funktioniert wage ich ernsthaft zu bezweifeln. Wahrscheinlich macht einem die Beschäftigung damit eher noch mehr Angst.

Eine Frage stellt sich mir aber noch: wie hat Nostradamus sich denn in Trance versetzt? Waren da hallozinogene Mittel im Spiel? Als Apotheker hatte er sicher Zugang zu solchen Dingen.


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Beitrag von Wallenstein Mo Nov 16, 2015 11:16 am

Kallisto23 schrieb:


Eine Frage stellt sich mir aber noch: wie hat Nostradamus sich denn in Trance versetzt? Waren da hallozinogene Mittel im Spiel? Als Apotheker hatte er sicher Zugang zu solchen Dingen.

Wird wohl so gewesen sein. Was es war, kann icht sagen.

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Nostradamus – Prophet oder Scharlatan? Empty Re: Nostradamus – Prophet oder Scharlatan?

Beitrag von Greyff Mo Nov 16, 2015 1:25 pm

Erstaunlich, daß man sich 500 Jahre nach seinem Tod immer noch mit seinen
"Prophezeiungen" befasst. Ich habe als Schüler mal in in einer Zeitschrift
( ich meine, es wäre der "Spiegel" gewesen) eine lange Titelgeschichte über Nostradamus gelesen und wunderte mich, daß sich eine seriöse Zeitschrift mit so einem Hokuspokus befasste. Für mich war es sonnenklar, daß Nostradamus mit den gleichen Mitteln arbeitete, wie moderne Horoskopersteller sie heute anwenden : Das Horoskop muß so allgemein und vieldeutig interpretierbar sein, daß es möglichst auf eine Vielzahl von Lesern zutrifft. Konkrete Angaben wie "Morgen wirst du zu spät zur Arbeit kommen, weil du unterwegs einen kleinen Unfall haben wirst" sind tunlichst zu vermeiden ;-).
Darüber hinaus möchte ich nicht wissen, was in meiner Zukunft geschieht. Der Mensch würde sich vor allem dafür interessieren, wie es ihm selbst in seiner persönlichen Zukunft ergeht und wer möchte schon über das Ende von Liebesbeziehungen, Krankheit und Tod im voraus Bescheid wissen .... damit an sich ausrechnen kann, wie lange man noch zu leben hat ? Welchen Verlauf die Menschheitsgeschichte im allgemeinen nehmen wird - sicher, darauf wäre ich neugierig. Allerdings fehlte dann auch "der Witz" des Lebens. Wenn ich es schon im voraus weiß, kann ich auch gleich aufhören zu leben.
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Nostradamus – Prophet oder Scharlatan? Empty Re: Nostradamus – Prophet oder Scharlatan?

Beitrag von Marek1964 Mi Nov 18, 2015 10:32 am

Greyff schrieb:Erstaunlich, daß man sich 500 Jahre nach seinem Tod immer noch mit seinen
"Prophezeiungen" befasst. Ich habe als Schüler mal in in einer Zeitschrift
( ich meine, es wäre der "Spiegel" gewesen) eine lange Titelgeschichte über Nostradamus gelesen und wunderte mich, daß sich eine seriöse Zeitschrift mit so einem Hokuspokus befasste.

Richtig, das war im Jahre 1981 - kann mich auch an den Titel erinnern. Hier der link:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/index-1981-53.html
Danach war er noch dreimal das Thema, natürlich auch 1999, wo sich seine Prophezeiuung erfüllen sollte.
http://www.spiegel.de/thema/nostradamus/

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Nostradamus – Prophet oder Scharlatan? Empty Re: Nostradamus – Prophet oder Scharlatan?

Beitrag von Wallenstein Fr Nov 20, 2015 11:06 am

Bei Prophezeiungen über die Zukunft gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten:

1.) Ist die Zukunft deterministisch festgelegt und durch Taten in der Gegenwart nicht zu ändern oder

2.) Handelt es sich nur um eine mögliche Zukunft, die man vielleicht noch abwandeln kann?

Eine deterministische Zukunft finden wir in der Sage von Ödipus. Dem König von Theben, Laios, wird nach der Geburt seines Sohnes prophezeit, dass dieser ihn eines Tages töten wird und anschließend seine eigene Mutter, also die Frau von Laios, heiraten wird. Entsetzt befiehlt der König, das Kind sofort zu töten und gibt es einem Diener, der es in den Bergen aussetzen soll. Dieser hat aber Mitleid mit dem Kind und übergibt es einem Hirten, bei dem der Knabe aufwächst. Als junger Mann kommt Ödipus nach Theben, stößt dort nichts ahnend mit seinem Vater zusammen und tötet ihn im Streit. Später heiratet er dann dessen Frau, seine eigene Mutter.

In diesem Fall ist die Zukunft determiniert. Sie ist bekannt und der Versuch sie zu ändern, führt überhaupt erst zu der prophezeiten Katastrophe.

Reizvoller ist das Spiel mit einer möglichen Zukunft. In dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ weiß Bill Murray jeden Morgen genau, wie der Tag verlaufen wird. Doch der Versuch, die Abläufe zu verändern, führt zunächst nur zu Katastrophen und überraschenden Ergebnissen. Erst nach vielen Anläufen gelingt es ihm, einen positiven Verlauf zu erreichen.

Ein ähnliches Gedankenspiel wird in einem Film durchgeführt, dessen Titel mir leider entfallen ist. Eine Anhalterin wird in Texas von einem Pärchen mitgenommen. Währen der Fahrt kommt es zum Streit und der Mann tötet seine Freundin. Der Anhalterin gelingt die Flucht durch die Wüste und sie landet in einem geheimen Labor, in dem mit der Zeit experimentiert wird. Man versetzt sie zurück in die Vergangenheit und wieder steht sie an dem Highway und erneut wird sie von dem Pärchen mitgenommen. Sie weiß genau, was passieren wird und überlegt sich eine Strategie dagegen. Doch diese führt zu einer Katastrophe. Nun ist nicht nur die Frau tot, sondern auch noch ein Tankwart, dessen Station in die Luft fliegt und dabei Touristen tötet. Am Ende sind wesentlich mehr Menschen tot, als in der ersten Version. Auch weitere Versuche enden wesentlich schlimmer als die erste Fassung.

Auch wenn es sich nur um Fiktionen handelt, eines wird aber deutlich: Geschehnisse sind äußerst komplex und abhängig von vielen Zufallsvariablen. Wird auch nur eine davon verändert, kann das Ergebnis völlig anders sein. Das macht eine vernünftige Planung auch so schwierig. Deshalb wird es auch keine hundertprozentigen richtigen Vorhersagen geben können. Das liegt nicht an unserer Dummheit oder weil wir noch nicht die richtigen Computer haben, sondern an der Materie selbst.

Wie immer es auch werden wird, der größte Philosoph aller Zeiten, Carl Valentin, hat wahrscheinlich recht, wenn er sagte: „"Die Zukunft war früher auch besser!“ Wahrscheinlich richtig.

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Nostradamus – Prophet oder Scharlatan? Empty Re: Nostradamus – Prophet oder Scharlatan?

Beitrag von Klartext Sa Nov 21, 2015 2:16 am

Hat nicht Carl Valentin gesagt - die Prognosen sind immer unsicher, wenn sie die Zukunft betreffen oder irgendwie so?

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