Die Mitford Schwestern - Unity bei Hitler
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Die Mitford Schwestern - Unity bei Hitler
Die Mitford Schwestern - Unity bei Hitler
Fast alle Mitford Schwestern liebten den Führer. Eugenia ist selber eine beinharte Führerin. Sie ist Anführerin der «sozialunionistischen» Bewegung, Ortsgruppe Chalford. Auf ihrem Pony, den «Reichshund» zur Seite, prescht Eugenia zum nicht geringen Erstaunen der Einheimischen durchs Dorf und ruft: «Briten, erwacht! Erhebe dich, britischer Löwe!»
Wie wir schon dunkel ahnen, ruft Eugenia hier keineswegs zum Widerstand gegen Hitler auf. Sondern geradewegs zum Gegenteil, zum Eintritt in die Partei. Und Cousine Poppy soll haufenweise Knaben gebären, Arier, denn: «Ein Nichtarier ist das Ergebnis zwischen Mensch und Tier.»
Gütiger Himmel, das ist mehr als nur politisch unkorrekt. Was ging in der britischen Aristokratie nach 1933 vor? War Nancy Mitford eine Nazi-Frau? Sie nicht. Aber Unity, ihre Schwester. Unity bildet die Vorlage für die Romanfigur Eugenia. Nancy macht sich lustig über den Führerkult ihrer Schwester. Eugenias herrischer Ritt auf dem Pony führt pfeilgerade in den dörflichen «Schokoriegelladen» – und die Machtergreifung gegen Ende des Romans zu einem völlig entgleisenden Kostümfest.
Der Skandal war perfekt
Das war 1935. Wer als Autor unbedingt spassig sein wollte, konnte die Hitlerei damals noch zum Roman emporjuxen. Nancy Mitfords «Landpartie mit drei Damen» ist über weite Strecken eine Gesellschaftskomödie mit Scheidungen und Seitensprüngen, mit Giftspritzen und Mitgiftjägern. Solche Irrungen und Wirrungen von Paaren muss man als Leser mögen. Was indes durchweg hinreissend bleibt, ist Nancy Mitfords sarkastischer Plauderton (fabelhaft flüssig übersetzt von Matthias Fienbork). Hier schreibt eine Frau, die Gefühlsräuschen aller Art mit Nüchternheit begegnet. Das hat Witz. Das macht Spass. Zu viel Spass?
1951 lehnte Nancy Mitford eine Neuauflage ihres Romans ab: «Es ist zu viel passiert, als dass man Naziwitze komisch oder nicht völlig geschmacklos finden könnte.» Passiert waren Weltkrieg und Völkermord. Passiert war auch, dass Nancys Schwestern sich öffentlich für Adolf Hitler starkgemacht hatten. Unity und Diana nahmen seit 1933 an den Nürnberger Parteitagen teil, auch an faschistischen Aufmärschen im Londoner East End. Ihr Vorbild hiess Adolf Hitler, ihr prominentester Verwandter Winston Churchill. Der Skandal war perfekt.
Sie erschoss sich – beinahe
Unity hetzte 1935 im Nazi-Schmutzblatt «Stürmer» gegen die Juden. Die Tochter eines Lords adelte die Nazis. Hitler was amused. Er trank Tee mit ihr, verschaffte ihr eine Wohnung in München. Unity galt als «Hitlers englische Freundin». Bei Kriegsbeginn 1939 musste sie sich entscheiden: England oder Deutschland. Sie erschoss sich – beinahe. Hitler liess sie im Sonderzug über Bern in die Heimat bringen. Unity überlebte den Kopfschuss, sie war aber ein schwerer Pflegefall bis zu ihrem Tod am 28. Mai 1948. Sie wurde nur 34 Jahre alt.
Ihre Schwester Diana bewies nicht weniger Sinn für dramatische Auftritte. Sie warf sich bei einem Maskenball (!) Sir Oswald Mosley in die Arme, einem Faschisten. Mosley war, beeindruckt von Mussolini, wichtigster Führer der «British Union of Fascists» (BUF). Diana und Mosley heirateten 1936. Als Zeuge der Trauung dabei: Adolf Hitler.
Wie aus Trotz gegen Unity und Diana hatte sich die dritte Schwester, Jessica, für den Kommunismus entschieden; sie brannte mit einem jungen Franco-Gegner nach Spanien durch. Die vierte Schwester, Nancy, wurde aus Liebe Gaullistin und ging 1946 nach Paris. Und schrieb, was sie und die Schwestern erlebten, in ihren Romanen nieder.
Englische Liebschaften
Faschisten, Kommunisten, stockkonservative Aristokraten: Die Mitford-Sisters machten alle möglichen Männer und verfügbaren Ideologien durch. Im Roman «Englische Liebschaften» (1945) tut sich die Hauptfigur Linda alle auf einmal an – und es kommt ein neuer Typus hinzu: der Kapitalist.
Wieder träumen junge Frauen auf einem prächtigen alten Landsitz von der Liebe. Erneut gibt es jene wundervoll unbekümmerten Mädchenfiguren, die erbarmungslos urteilen und dumm handeln. Und die Männer stehen ihnen in nichts nach. Lindas erster Ehemann ist ein Banker – «ein aufgeblasener raffgieriger Holzkopf». Sie bekommt ein Kind von ihm – «ein Moseskörbchen voller Gewimmer». Ihr zweiter Mann ist ein kommunistischer Spanienkämpfer, der sie ausnutzt. Ihr letzter ist ein Märchenprinz, ein «sehr reicher Herzog». Linda liebt das Konservative, denn: «Es findet innerhalb fester Zeiten statt, und danach ist Schluss, während der Kommunismus anscheinend das ganze Leben und die ganze Kraft verzehrt.»
Ihr Sarkasmus und ihr praktischer Menschenverstand machen Nancy Mitford immun gegen Politparolen. Ihre Romane haben ihre eigene Ideologie. Sie lassen das Landleben reicher Adelsfamilien noch einmal aufscheinen wie ein Märchenbild, während am Horizont Nationalsozialismus und Kommunismus gewittern. Der Landadel ist im Niedergang, Hitler bombardiert London, die Gestapo mordet – aber im Inneren sind die Personen unverletzt.
Quellen: Nancy Mitford: «Landpartie mit drei Damen» Nancy Mitford: «Englische Liebschaften», eigene Aufzeichnungen, TA
Fast alle Mitford Schwestern liebten den Führer. Eugenia ist selber eine beinharte Führerin. Sie ist Anführerin der «sozialunionistischen» Bewegung, Ortsgruppe Chalford. Auf ihrem Pony, den «Reichshund» zur Seite, prescht Eugenia zum nicht geringen Erstaunen der Einheimischen durchs Dorf und ruft: «Briten, erwacht! Erhebe dich, britischer Löwe!»
Wie wir schon dunkel ahnen, ruft Eugenia hier keineswegs zum Widerstand gegen Hitler auf. Sondern geradewegs zum Gegenteil, zum Eintritt in die Partei. Und Cousine Poppy soll haufenweise Knaben gebären, Arier, denn: «Ein Nichtarier ist das Ergebnis zwischen Mensch und Tier.»
Gütiger Himmel, das ist mehr als nur politisch unkorrekt. Was ging in der britischen Aristokratie nach 1933 vor? War Nancy Mitford eine Nazi-Frau? Sie nicht. Aber Unity, ihre Schwester. Unity bildet die Vorlage für die Romanfigur Eugenia. Nancy macht sich lustig über den Führerkult ihrer Schwester. Eugenias herrischer Ritt auf dem Pony führt pfeilgerade in den dörflichen «Schokoriegelladen» – und die Machtergreifung gegen Ende des Romans zu einem völlig entgleisenden Kostümfest.
Der Skandal war perfekt
Das war 1935. Wer als Autor unbedingt spassig sein wollte, konnte die Hitlerei damals noch zum Roman emporjuxen. Nancy Mitfords «Landpartie mit drei Damen» ist über weite Strecken eine Gesellschaftskomödie mit Scheidungen und Seitensprüngen, mit Giftspritzen und Mitgiftjägern. Solche Irrungen und Wirrungen von Paaren muss man als Leser mögen. Was indes durchweg hinreissend bleibt, ist Nancy Mitfords sarkastischer Plauderton (fabelhaft flüssig übersetzt von Matthias Fienbork). Hier schreibt eine Frau, die Gefühlsräuschen aller Art mit Nüchternheit begegnet. Das hat Witz. Das macht Spass. Zu viel Spass?
1951 lehnte Nancy Mitford eine Neuauflage ihres Romans ab: «Es ist zu viel passiert, als dass man Naziwitze komisch oder nicht völlig geschmacklos finden könnte.» Passiert waren Weltkrieg und Völkermord. Passiert war auch, dass Nancys Schwestern sich öffentlich für Adolf Hitler starkgemacht hatten. Unity und Diana nahmen seit 1933 an den Nürnberger Parteitagen teil, auch an faschistischen Aufmärschen im Londoner East End. Ihr Vorbild hiess Adolf Hitler, ihr prominentester Verwandter Winston Churchill. Der Skandal war perfekt.
Sie erschoss sich – beinahe
Unity hetzte 1935 im Nazi-Schmutzblatt «Stürmer» gegen die Juden. Die Tochter eines Lords adelte die Nazis. Hitler was amused. Er trank Tee mit ihr, verschaffte ihr eine Wohnung in München. Unity galt als «Hitlers englische Freundin». Bei Kriegsbeginn 1939 musste sie sich entscheiden: England oder Deutschland. Sie erschoss sich – beinahe. Hitler liess sie im Sonderzug über Bern in die Heimat bringen. Unity überlebte den Kopfschuss, sie war aber ein schwerer Pflegefall bis zu ihrem Tod am 28. Mai 1948. Sie wurde nur 34 Jahre alt.
Ihre Schwester Diana bewies nicht weniger Sinn für dramatische Auftritte. Sie warf sich bei einem Maskenball (!) Sir Oswald Mosley in die Arme, einem Faschisten. Mosley war, beeindruckt von Mussolini, wichtigster Führer der «British Union of Fascists» (BUF). Diana und Mosley heirateten 1936. Als Zeuge der Trauung dabei: Adolf Hitler.
Wie aus Trotz gegen Unity und Diana hatte sich die dritte Schwester, Jessica, für den Kommunismus entschieden; sie brannte mit einem jungen Franco-Gegner nach Spanien durch. Die vierte Schwester, Nancy, wurde aus Liebe Gaullistin und ging 1946 nach Paris. Und schrieb, was sie und die Schwestern erlebten, in ihren Romanen nieder.
Englische Liebschaften
Faschisten, Kommunisten, stockkonservative Aristokraten: Die Mitford-Sisters machten alle möglichen Männer und verfügbaren Ideologien durch. Im Roman «Englische Liebschaften» (1945) tut sich die Hauptfigur Linda alle auf einmal an – und es kommt ein neuer Typus hinzu: der Kapitalist.
Wieder träumen junge Frauen auf einem prächtigen alten Landsitz von der Liebe. Erneut gibt es jene wundervoll unbekümmerten Mädchenfiguren, die erbarmungslos urteilen und dumm handeln. Und die Männer stehen ihnen in nichts nach. Lindas erster Ehemann ist ein Banker – «ein aufgeblasener raffgieriger Holzkopf». Sie bekommt ein Kind von ihm – «ein Moseskörbchen voller Gewimmer». Ihr zweiter Mann ist ein kommunistischer Spanienkämpfer, der sie ausnutzt. Ihr letzter ist ein Märchenprinz, ein «sehr reicher Herzog». Linda liebt das Konservative, denn: «Es findet innerhalb fester Zeiten statt, und danach ist Schluss, während der Kommunismus anscheinend das ganze Leben und die ganze Kraft verzehrt.»
Ihr Sarkasmus und ihr praktischer Menschenverstand machen Nancy Mitford immun gegen Politparolen. Ihre Romane haben ihre eigene Ideologie. Sie lassen das Landleben reicher Adelsfamilien noch einmal aufscheinen wie ein Märchenbild, während am Horizont Nationalsozialismus und Kommunismus gewittern. Der Landadel ist im Niedergang, Hitler bombardiert London, die Gestapo mordet – aber im Inneren sind die Personen unverletzt.
Quellen: Nancy Mitford: «Landpartie mit drei Damen» Nancy Mitford: «Englische Liebschaften», eigene Aufzeichnungen, TA
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Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.
General William Tecumseh Sherman
Re: Die Mitford Schwestern - Unity bei Hitler
Die Diskussioon über dieses Thema kann hier geführt werden:
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