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Die Mitford Schwestern - Unity bei Hitler

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Beitrag von Orianne Sa Dez 05, 2015 12:11 pm

Die Mitford Schwestern - Unity bei Hitler


Fast alle Mitford Schwestern liebten den Führer.  Eugenia ist selber eine beinharte Führerin. Sie ist ­Anführerin der «sozialunionistischen» Bewegung, Ortsgruppe Chalford. Auf ihrem Pony, den «Reichshund» zur Seite, prescht Eugenia zum nicht geringen Erstaunen der Einheimischen durchs Dorf und ruft: «Briten, erwacht! Erhebe dich, britischer Löwe!»


Wie wir schon dunkel ahnen, ruft Eugenia hier keineswegs zum Widerstand gegen Hitler auf. Sondern geradewegs zum Gegenteil, zum Eintritt in die Partei. Und Cousine Poppy soll haufenweise Knaben gebären, Arier, denn: «Ein Nichtarier ist das Ergebnis zwischen Mensch und Tier.»

Gütiger Himmel, das ist mehr als nur politisch unkorrekt. Was ging in der britischen Aristokratie nach 1933 vor? War Nancy Mitford eine Nazi-Frau? Sie nicht. Aber Unity, ihre Schwester. Unity bildet die Vorlage für die Romanfigur Eugenia. Nancy macht sich lustig über den Führerkult ihrer Schwester. Eugenias herrischer Ritt auf dem Pony führt pfeilgerade in den dörflichen «Schokoriegelladen» – und die Machtergreifung gegen Ende des Romans zu einem völlig entgleisenden Kostümfest.

Der Skandal war perfekt

Das war 1935. Wer als Autor unbedingt spassig sein wollte, konnte die Hitlerei damals noch zum Roman emporjuxen. Nancy Mitfords «Landpartie mit drei Damen» ist über weite Strecken eine Gesellschaftskomödie mit Scheidungen und Seitensprüngen, mit Giftspritzen und Mitgiftjägern. Solche Irrungen und Wirrungen von Paaren muss man als Leser mögen. Was indes durchweg hinreissend bleibt, ist Nancy Mitfords sarkastischer Plauderton (fabelhaft flüssig übersetzt von Matthias Fienbork). Hier schreibt eine Frau, die Gefühlsräuschen aller Art mit Nüchternheit begegnet. Das hat Witz. Das macht Spass. Zu viel Spass?

1951 lehnte Nancy Mitford eine Neuauflage ihres Romans ab: «Es ist zu viel passiert, als dass man Naziwitze ­komisch oder nicht völlig geschmacklos finden könnte.» Passiert waren Weltkrieg und Völkermord. Passiert war auch, dass Nancys Schwestern sich ­öffentlich für Adolf Hitler starkgemacht hatten. Unity und Diana nahmen seit 1933 an den Nürnberger Parteitagen teil, auch an faschistischen Aufmärschen im Londoner East End. Ihr Vorbild hiess Adolf Hitler, ihr prominentester Verwandter Winston Churchill. Der Skandal war perfekt.

Sie erschoss sich – beinahe

Unity hetzte 1935 im Nazi-Schmutzblatt «Stürmer» gegen die Juden. Die Tochter eines Lords adelte die Nazis. Hitler was amused. Er trank Tee mit ihr, verschaffte ihr eine Wohnung in München. Unity galt als «Hitlers englische Freundin». Bei Kriegsbeginn 1939 musste sie sich entscheiden: England oder Deutschland. Sie erschoss sich – beinahe. Hitler liess sie im Sonderzug über Bern in die Heimat bringen. Unity überlebte den Kopfschuss, sie war aber ein schwerer Pflegefall bis zu ihrem Tod am 28. Mai 1948. Sie wurde nur 34 Jahre alt.

Ihre Schwester Diana bewies nicht weniger Sinn für dramatische Auftritte. Sie warf sich bei einem Maskenball (!) Sir Oswald Mosley in die Arme, einem Faschisten. Mosley war, beeindruckt von Mussolini, wichtigster Führer der «British Union of Fascists» (BUF). Diana und Mosley heirateten 1936. Als Zeuge der Trauung dabei: Adolf Hitler.

Wie aus Trotz gegen Unity und Diana hatte sich die dritte Schwester, Jessica, für den Kommunismus entschieden; sie brannte mit einem jungen Franco-Gegner nach Spanien durch. Die vierte Schwester, Nancy, wurde aus Liebe Gaullistin und ging 1946 nach Paris. Und schrieb, was sie und die Schwestern erlebten, in ihren Romanen nieder.

Englische Liebschaften

Faschisten, Kommunisten, stockkonservative Aristokraten: Die Mitford-Sisters machten alle möglichen Männer und verfügbaren Ideologien durch. Im Roman «Englische Liebschaften» (1945) tut sich die Hauptfigur Linda alle auf einmal an – und es kommt ein neuer Typus hinzu: der Kapitalist.

Wieder träumen junge Frauen auf einem prächtigen alten Landsitz von der Liebe. Erneut gibt es jene wundervoll unbekümmerten Mädchenfiguren, die erbarmungslos urteilen und dumm handeln. Und die Männer stehen ihnen in nichts nach. Lindas erster Ehemann ist ein Banker – «ein aufgeblasener raffgieriger Holzkopf». Sie bekommt ein Kind von ihm – «ein Moseskörbchen voller Gewimmer». Ihr zweiter Mann ist ein kommunistischer Spanienkämpfer, der sie ausnutzt. Ihr letzter ist ein Märchenprinz, ein «sehr reicher Herzog». Linda liebt das Konservative, denn: «Es findet innerhalb fester Zeiten statt, und ­danach ist Schluss, während der Kommunismus anscheinend das ganze ­Leben und die ganze Kraft verzehrt.»

Ihr Sarkasmus und ihr praktischer Menschenverstand machen Nancy ­Mitford immun gegen Politparolen. Ihre Romane haben ihre eigene Ideologie. Sie lassen das Landleben reicher Adelsfamilien noch einmal aufscheinen wie ein Märchenbild, während am Horizont Nationalsozialismus und Kommunismus gewittern. Der Landadel ist im Niedergang, Hitler bombardiert London, die Gestapo mordet – aber im Inneren sind die Personen unverletzt.

Quellen: Nancy Mitford: «Landpartie mit drei Damen» Nancy Mitford: «Englische Liebschaften», eigene Aufzeichnungen, TA

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Beitrag von Gontscharow So Dez 06, 2015 1:02 am

Ja, das ist eine interessante Geschichte. Ich hatte schon einmal in einer Geschichtsserie der BBC von diesen Schwestrern gehört,sie wurden als skurrile Erscheinung der 30er Jahre abgetan.
Es gab in allen europäischen Ländern Sympathisanten der Nazis, natürlich auch in Großbritannien. In den 30er Jahren - vor Kriegsausbruch - bewunderten viele Briten Hitler, weil er die Wirtschaftskrise überwand, während ringsherum in den Nachbarländern und Großbritannien selbst weiterhin Millionen Menschen arbeits- und hoffnungslos waren.
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Beitrag von Marek1964 So Dez 06, 2015 2:37 pm

Gontscharow schrieb:
Es gab in allen europäischen Ländern Sympathisanten der Nazis, natürlich auch in Großbritannien. In den 30er Jahren - vor Kriegsausbruch - bewunderten viele Briten Hitler, weil er die Wirtschaftskrise überwand, während ringsherum in den Nachbarländern und Großbritannien selbst weiterhin Millionen Menschen arbeits- und hoffnungslos waren.

In den dreissiger Jahren gab es überall Bewunderung für autoritäre Bewegungen und eine Krise der Demokratie. Das allerdings das Nazireich so viel besser dagestanden wäre, als die Länder ringsherum, ist ein Mythos. Aber das wäre ein eigenes Kapitel wert (link setze ich hier in den nächsten Tagen).

Der britischen Gesellschaft würde ich zu Gute halten, dass der Anteil an Faschisten dort minimal war.

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Beitrag von Exmitglied-2 So Dez 06, 2015 4:06 pm

Liebe Orianne,
entschuldige bitte, wenn ich so kritisch bin. Ich kam mit dem Text und seiner Struktur nicht zurecht. Könntest du vielleicht zu Anfang noch zwei oder drei Sätze verlieren, wer die Familie überhaupt ist? Also Familienmitglieder, soziale Stellung, Bedeutung im Zeitgeschehen o.Ä. Ich kann das (ohne Vorwissen) leider gar nicht einordnen und fühlte mich beim Lesen irgendwie abgehängt, weil mir ein paar Zusammenhänge nicht klar wurden. Und vielleicht auch eine Trennung zwischen Geschichte und Literatur vornehmen? Es fällt mir schwer zu erkennen, was Fakt und was Fiktion ist und was vielleicht auch zugunsten eines Selbstbildes oder des Familienbildes geändert wurde (ist der Roman bis zu einem gewissen Grad Autobiographie? Hat er biographische Züge, ist aber überwiegend Fiktion? Mit welcher Intention wurde er geschrieben, was ist zu seiner Entstehung vielleicht bekannt?)

Schönen zweiten Advent an alle!l
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Beitrag von Gontscharow Mo Dez 07, 2015 3:23 pm

https://youtu.be/D-lWnUBtMbU?list=PLllseCF2mPvJGqv6VDzweaw-OBE0lkLkE

Das ist ein link zu einer englischsprachigen Dokumentation über die "Mitford Sisters / Hitler´s British girl". Ist recht interessant und aus heutiger Sicht skurril. Auf jeden Fall dürfte es deine Fragen beantworten, Naqia.
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Beitrag von SarahF Di Dez 08, 2015 1:10 pm

Diese Unity Mirtford ist ganz einfach eine dumme Gans, die als unreifer Teenager mit 19 Jahren Hitler anhimmelte, so wie spätere Generationen Mick Jagger oder heutzutage den Rapper Cro
( den find ich aber auch selbst soooo süß Very Happy Very Happy Very Happy ). Interessant, dass Hitler darauf einging, das spricht Bände über die psychologische und moralische Verfassung dieses Mannes.
Unity wurde nie erwachsen. Mit 25 schoß sie sich dann eine Kugel durch den Kopf, was sie für den Fall des Kriegsausbruchs zwischen Deutschland und Großbritannien bereits zuvor angekündigt hatte. Dilettantisch ausgeführt überlebte sie den Selbstmordversuch und wurde als Invalidin im Frühjahr 1940 auf Kostgen des Führers nach England zurückgebracht, wo sie die letzten Jahre ihres Lebens als Invalidin vor sich hin dämmerte, bis sie 1948 starb.
Die Öffentlichkeit nahm deshalb so großen Anteil an der Geschichte dieser dusseligen Unity Mitford, weil ihr Vater ein britischer Peer war und ihre fünf Schwestern allesamt Skandalnudeln der high society der 30er Jahre. Eine andere Schwester war ebenfalls Nazisse und heiratete den Führer der britischen Nazis. Eine weitere Schwester war glühende Stalinistin und lieferte sich
"ideologische" Grabenkämpfe mit den anderen beiden ..... wobei das eher als "Kinder zanken sich um einen Teddy" einzuordnen ist. Mit einer gewissen Portion Koketterie versehen und wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung waren sie Dauergäste in den Medien ihrer Zeit - heute würde sich RTL für sie interessieren....
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Beitrag von Marek1964 Di Dez 08, 2015 1:30 pm

Willkommen zurück, Sarah, habe Dich schon länger vermisst. Ein wunderschöner Post. Auf wiki kann man das eine oder andere auch noch nachlesen https://de.wikipedia.org/wiki/Unity_Mitford. So wurden die Kinder privat und nicht in Schulen erzogen.

Etwas in Schutz nehmen möchte ich die Familie schon - in den dreissigern, wie eigentlich die ganze Phase seit dem ersten Weltkrieg war von einer Radikalisiserung der Gesellschaft geprägt, die wiederum auf die Unfähigkeit der damaligen Eliten, vor allem in Deutschland, zurückzuführen waren. Diese hatten erstmal einen fürchterlichen Krieg angezettelt, sich dann aber in der Zwischenkriegszeit gravierende Fehler in der Wirtschaftspolitik geleistet, die Hyperinflation und später fürcherliche und weitgehend unnötige Arbeitslosigkeit brachten.

Die Demokratie erlebte in vielen europäischen Staaten ihre tiefe Krise, man sehnte sich nach "starken Männern", die sich dann in Mussolini, Stalin, Hitler, Franco, Horthy, Tiso, Pilsudski u.a. anboten, aber auch Persönlichkeiten wie Masaryk, Churchill oder Roosevelt.

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