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Der Brexit ist da

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Beitrag von Marek1964 Mi Jul 06, 2016 11:08 am

David Farage von Ukip ist zurückgetreten - auch ein Treppenwitz der Geschichte. Er habe erreicht, was er wollte. Böse Leute können sagen, typisch Populisten. Nur gegen etwas sein, aber wenn es darum ginge etwas positiv zu entwickeln, machen sie Reissaus.

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Beitrag von Skeptik Mi Jul 06, 2016 3:17 pm

Marek1964 schrieb:David Farage von Ukip ist zurückgetreten - auch ein Treppenwitz der Geschichte. Er habe erreicht, was er wollte. Böse Leute können sagen, typisch Populisten. Nur gegen etwas sein, aber wenn es darum ginge etwas positiv zu entwickeln, machen sie Reissaus.

Die beiden Schlußsätze des Farage aus diesem Interview:

http://www.hossli.com/articles/2013/02/03/fur-die-eu-bin-ich-eine-biblische-plage/

"Meine Enkel sollen in Geschichtsbüchern mal lesen, dass ich in England eine Revolution gestartet hatte und ganz Europa mir folgte. Noch immer trinke und rauche ich, bin ein totaler Fatalist."


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Beitrag von Marek1964 Fr Jul 08, 2016 11:24 am

Das bedauerliche daran ist, dass es jetzt eigentlich spannend wird und man durchaus was gestalten könnte, als Gegner der jetztigen EU. Es ist ja nicht alles toll, und das Land kann schon zeigen, dass man mit einem eigenen Weg erfolgreich sein kann - so müsste zumindest die Philosophie eines Brexit Befürworters sein.

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Beitrag von Wallenstein Fr Jul 08, 2016 12:48 pm

Die Brexit Befürworter haben ja gar keinen Plan. Die vehementesten Befürworter sind deshalb auch abgetaucht. Sie wollen die politische Verantwortung für die Folgen nicht übernehmen. Das sollen andere machen. Zu Recht hat Juncker dies als Feigheit bezeichnet.

In England arbeiten derzeit 2,2 Millionen EU-Bürger, fast die gleiche Anzahl Briten, schätzungsweise 2 Millionen sind auf dem Kontinent tätig. Ein einfacher Austausch 1:1 ist aber nicht möglich, da die Arbeitnehmer ganz unterschiedlichen Berufsgruppen angehören und unterschiedlichen Bedarf abdecken und nicht ohne Grund hat es deshalb diese Wanderungsbewegung gegeben.

282.000 Deutsche arbeiten in England, von denen 136.000 zusätzlich noch die britische Staatsbürgerschaft besitzen. Die meisten arbeiten in hochqualifizierten Jobs, für die es keine Briten gibt. Etwas über 100.00 Briten arbeiten in Deutschland. Die Bundesregierung hat ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt, wenn die Voraussetzungen gegeben sind (doppelte Staatsbürgerschaft). Die üblichen Bedingungen sind: Arbeitsnachweis, mindestens 8 Jahre Aufenthalt, ausreichende Sprachkenntnisse.

Viele EU-Bürger in England kommen indes aus Osteuropa und arbeiten in Bereichen, für die es keine Engländer gibt, die diese Tätigkeiten übernehmen wollen: Hotel- und Gaststättengewerbe, Landwirtschaft, Bauwesen, schlecht bezahlte körperliche Tätigkeiten im produzierenden Gewerbe. Auch für sie gibt es keinen einheimischen Ersatz, deshalb hat die Leave-Bewegung auch vorab gesagt, dass sie im Land bleiben können.

In Großbritannien leben über 4 Millionen Menschen aus Indien, Pakistan, China, Karibik, Afrika. Dies ist eine Folge der britischen Kolonialpolitik. Nach dem Ende des Empire wanderten viele von ihnen in den fünfziger und sechziger Jahren nach England aus, da sie in den Kolonien bereits die britische Staatsbürgerschaft bekommen hatten.

Trotz zahlreicher Einschränkungen und Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten ist es auch heute noch relativ einfach, die volle britische Staatsbürgerschaft ("British Citizenship") zu erwerben. Wer im Vereinigten Königreich geboren wird und dort das dauernde Aufenthaltsrecht hat, ist automatisch britischer Staatsbürger. Kinder erhalten die Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil in Großbritannien geboren ist und das dauernde Wohnrecht besitzt. Ehegatten von britischen Staatsbürgern können bereits nach drei Jahren eingebürgert werden. Der größte Teil der „Coloured people“ ist somit britisch. Der derzeitige Bürgermeister von London ist Pakistani, der Nachkomme eines Busfahrers und der erste muslimische Bürgermeister einer europäischen Großstadt.

Die Leave - Befürworter machten vor allem Stimmung gegen Ausländer. Deren Zahl wird sich aber auch nach dem Brexit nur unwesentlich ändern.

Das wäre nur dann der Fall, wenn sich die wirtschaftliche Lage wesentlich verschlechtern sollte. Dann würden viele EU-Bürger das Land verlassen, nicht aber die „Coloured people“, die ja Briten sind. Ein wirtschaftlicher Niedergang würde zwar die ausländische Population reduzieren, der Preis dafür wäre aber unangemessen groß, die Nachteile viel schlimmer als mögliche Vorteile.

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Beitrag von Moschusochse Fr Jul 08, 2016 1:42 pm

Gibt es eigentlich Umfragen und Analysen, was eigentlich die genauen Motive für die Befürworter des Brexits waren? Hat jemand gute Quellen?
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Beitrag von van Kessel So Jul 10, 2016 12:42 pm

was kann man - in Deutschland - aus dem Brexit lernen? Volksabstimmungen dürfen niemals 'Kernfragen einer Nation' beeinflussen dürfen. Zwar ist eine Schwarmintelligenz quantitativ, aber nicht qualitativ höher anzusiedeln.

Kernfragen können nicht a priori 'digitalisiert' werden, denn ein "Ja" oder "Nein" kann eine Frage lösen, kann aber wohl nicht die Verflechtungen einer Gesellschaft mittels kategorischer Entscheidungen 'auflösen'.
Volksabstimmungen lassen keine Grautöne zu, keine Kompromisse, welche eigentlich die Voraussetzung sind, dass eine Gemeinschaft überhaupt funktionieren kann.

Die parlamentarische Demokratie ist die einzige Form, dass 'Staat' funktionieren kann. Und hier ist imho der Hebel anzusetzen dergestalt, dass die Abgesandten (Abgeordnete), wirklich unabhängig sind und nicht als Speerspitze von Interessen wirken. Im Idealfall wäre es besser, dass mit dem Eintritt eines Abgeordneten ins Parlament, er sein 'Parteibuch' abgeben müsste, um sich dem Grundgesetzauftrag "seinem Gewissen verantwortlich" zu sein, zu widmen.

Ein Abgeordneter kann durchaus 'gut' für seine Arbeit bezahlt werden, aber nur durch das Geld des 'Souveräns', und nicht durch Interessenkungeleien, welche durch Bestechungen (anders kann man den Lobbyismus nicht bezeichnen) als Parallellegislative wirksam werden.

Die Entlassung eines gerichtlich festgestellten, korrupten Parlamentariers durch den Bundespräsidenten, sollte Grundgesetzauftrag werden. Dies wäre ein Auftrag an den Obersten Repräsentanten dieser Republik, um nicht als 'Grüß-August' oder Ordensverleiher, seine honorable Stellung abzusitzen. Denn welche Institution wäre 'hoch genug' angesiedelt, um 'den Stall sauber' zu halten?

Noch einmal: ich sehe Volksentscheide sehr problematisch. Sie können dort, wo Interessenkonflikte (Stichwort: Trassenführungen von Strassen oder Elt.-Leitungen usw.) unauflösbar scheinen, wirksam sein, aber nicht in nationalen 'Schicksalsfragen'.

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Beitrag von Skeptik So Jul 10, 2016 1:03 pm

Die Schweizer haben nun wirklich eine sehr lange Tradition mit Volksbefragungen. Aber sie scheinen auch an ihre Grenzen zu stoßen, wenn es um Fragen geht, die sich auf internationale Verflechtungen beziehen. Die Antworten können dann nicht nur innerschweizerisch und nur von und für Schweizer gegeben werden. Der Bundesrat hat dann die allergrößten Schwierigkeiten, den Willen des Volkes mit den Verträgen z.B. mit der Europäischen Gemeinschaft in Einklang zu bringen und Schaden vom Land abzuwenden.

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Beitrag von Wallenstein Mo Jul 11, 2016 3:11 pm

Ich halte auch Volksentscheide für problematisch. Einige Wissenschaftler glauben, dass die meisten großen Entscheidungen in der deutschen Politik keine Mehrheiten in der Bevölkerung gehabt hätten. Das gilt schon für die Einführung der sozialen Marktwirtschaft 1948. Die stieß damals auf große Ablehnung. Auch die Währungsreform im gleichen Jahr mit ihrer massenhaften Enteignung von Sparern wäre nicht durchgekommen. Auch andere Entscheidungen hätten vermutlich keine Mehrheiten gehabt: Die Wiederbewaffnung, der Eintritt in die NATO und noch viel mehr.

Vielleicht sollte man aber die Messlatte für Volksentscheide höher hängen, um nicht ganz auf dieses plebiszitäre Element zu verzichten. In Australien gibt es beispielsweise  eine Wahlpflicht für die Parlamentswahlen. Wer nicht hingeht, erhält Geldstrafen. Das finde ich eigentlich gut, denn dann sind alle gezwungen, eine politische Entscheidung mitzutragen, Nichtwähler gibt es dann nicht. Bei einem Volksentscheid sollten alle für die Wahl verpflichtet werden, damit es sich wirklich um einen Volksentscheid handelt und die Nichtwähler das Ergebnis nicht verfälschen.

Im Bundestag brauchen manche Gesetze eine 2/3 Mehrheit. Warum nicht auch bei einem Volksentscheid? Nur wenn 2/3 aller Wähler dafür sind (oder besser 75%?), sollte der Volksentscheid bestimmend sein.

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Beitrag von Marek1964 Mo Jul 11, 2016 11:45 pm

Volksentscheide - als Schweizer wie als Moderator des Forums sage ich mal, dass wir da einen eigenen Thread machen. https://geschichte-forum.forumieren.de/t918-volksbefragungen-plebiszite-volksabstimmungen-und-volksinitiativen-gut-fur-die-demokratie-oder-blokt-das-stimmvieh#9673

Übrigens darf man in der Schweiz nicht von "Volksbefragung" sprechen - das Wort heisst "Volksinitiative" - für eine Verfassungsänderung oder ein Gesetzesreferendum braucht es den Volkswillen. Wobei ich das Instrument der Volksbefragung, wie es auch Thilo Sarrazin empfohlen hat, nicht geringschätzen möchte.

Der Brexit war in der Tat eine Volksbefragung. Die Abstimmungen in der Schweiz über Initiativen und Gesetzesreferenden sind aber Abstimmungen, wo die Initiative aus dem Volk hervorgeht.

Aber ein Thema für sich.

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