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Immigration von Gastarbeitern aus der Türkei in Deutschland seit 1960

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Beitrag von Marek1964 Mi Aug 17, 2016 11:14 pm

Herauslösend aus diesem Thema https://geschichte-forum.forumieren.de/t698-die-turkei-nach-ataturk-kampf-zwischen-fortschritt-und-ruckschritt-welche-rolle-spielt-der-islam-der-kranke-mann-am-bosporus#9976 soll die Immigration von Gastarbeitern seit den sechziger Jahren erfolgen.

Hier kopiere ich den ersten Beitrag rein:

Wallenstein schrieb:Die Türken leben hier nun schon  seit den sechziger Jahren und ich habe  keine schlechten Erfahrungen mit ihnen gemacht, obwohl ich längere Zeit in einem Stadtteil lebte, in dem sie die Mehrheit waren. Unerfreuliche Erfahrungen hatte ich mit Sinti und  Roma  und anderen Volksgruppen gemacht, aber das ist eine andere Geschichte. Natürlich gibt es auch gelegentlich Zwangsehen und andere unerfreuliche Dinge, die Frage ist aber immer, in welcher Quantität dies auftritt. Der Ex-Mann meiner Nichte wohnt in einem exklusiven Vorort, in dem die meisten Grundstücke und Häuser Türken gehören, die sich das Geld in vielen Jahren vom Munde abgespart haben. Hier gibt es überhaupt keine Probleme.

Meines Erachtens brauchen wir eine vernünftige Einwandererpolitik, wie die USA, Kanada oder Australien. Man hat die Türken ins Land geholt, weil wir Leute für die Drecksarbeit brauchten. Sie wurden für schwere körperliche und oft gesundheitsschädliche Arbeiten eingesetzt und in üblen Verschlägen zu Horrormieten untergebracht. Sie standen in der Statuspyramide auch bei den anderen Gastarbeitern an unterster Stelle. Vielleicht kennen einige das Buch von Wallraff „Ganz unten“, in dem er seine Erfahrungen als verkleideter Türke beschreibt.

Anfang der siebziger Jahre bin ich mehrmals mit der Eisenbahn von Istanbul nach München gefahren. Die Züge waren voll mit Gastarbeitern. Sie waren der festen Meinung, nur wenige Jahre in Deutschland bleiben zu müssen, dann wollten sie zurück. Davon gingen die Deutschen auch aus. Niemand war an Integration interessiert, weder die Deutschen noch die Türken. Anfang der siebziger Jahre warben die deutschen Firmen massenweise Arbeiter aus Anatolien an. Diese Leute konnten oft nur wenig Lesen und Schreiben, die Frauen waren häufig Analphabeten, sie sollten auch nur vorübergehend als Hilfsarbeiter eingesetzt werden.

Doch die Jahre gingen ins Land, noch immer herrschte die Illusion vor, dass sie nur befristet hier wären. Das war mir schon damals unverständlich. Auch die Türken gaben sich wenig Mühe, viel in die Schulbildung ihrer Kinder zu investieren oder große Anpassungsanstrengungen zu unternehmen Schließlich würde man doch bald in die Türkei zurückkehren (oder müssen). Die Aufenthaltsgenehmigung war meistens an einen Arbeitsplatz gebunden. Verlor man diesen, drohte die Abschiebung in die Türkei. Auch nach 20 Jahren gab es keine Garantie für einen Verbleib und schon gar nicht  die Chance einer  Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft. Das war damals praktisch unmöglich. Erst die Schröder Regierung hat hier etwas geändert. Bei einer vernünftigen Einwanderungspolitik hätten wir alle diese heutigen  Probleme nicht gehabt.

Auch heute können die meisten Menschen nur ins Land kommen als Asylanten. Wer es schafft, über die Grenzen zu kommen, kann unter bestimmten Umständen ein Bleiberecht erhalten. Dies kann jederzeit widerrufen werden. Schulbesuche, Ausbildungen, ein fester Job, all dies ist schwierig zu bekommen, wenn man nur ein befristetes Bleiberecht hat, dessen Verlängerung unklar ist und das jederzeit widerrufen werden kann. Integration erreicht man so nicht. (Die Rechtslage wurde inzwischen etwas verbessert)

Deshalb geht meines Erachtens kein Weg vorbei an einer vernünftigen Einwanderungspolitik. Die habe ich in meiner „Zweiten Heimat“ Australien verfolgen können. Hier gibt es keine unkontrollierte, plötzliche Masseneinwanderung und auch nicht nur ein Bleiberecht. Alles ist klar geregelt. Meine Verwandten sind früher dorthin auch eingewandert. Nach einiger Zeit wurden sie  Staatsbürger.

Eine solche Einwanderung darf „keinen“ ausschließen, weder darf die Ethnie, die Hautfarbe oder die Religion eine Rolle spielen. Es geht nur nach Qualifikation oder Bedarf. Es gibt viele hervorragende Moslems. Mein Hausarzt ist Iraner, Ich hatte viele Moslems als Arbeitskollegen. Professoren an der Universität waren Ägypter oder Pakistani, eine Zeitlang war ich mit einer Türkin eng befreundet. Auch den hier erwähnten Bassam Tibi habe ich mal kennen gelernt, halte ihn aber für einen arroganten Schwätzer. Er war furchtbar eingebildet und fühlte sich ständig diskriminiert-

Okay: Also, wir brauchen endlich eine Einwanderungspolitik und nicht immer nur Stückwerk!

marylinjackson schrieb:"Man hat die Türken ins Land geholt, weil wir Leute für die Drecksarbeit brauchten."

Wenn man genauer recherchiert, liest man das:

"Anton Sabel, Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung (Vorläufer der Bundesagentur für Arbeit), äußerte am 26. September 1960, arbeitsmarktpolitisch sei eine Vereinbarung über eine Anwerbung türkischer Arbeitnehmer in keiner Weise notwendig, allerdings könne er nicht beurteilen, „wie weit sich die Bundesrepublik einem etwaigen solchen Vorschlag der türkischen Regierung verschließen kann, da die Türkei ihre Aufnahme in die EWG beantragt hat und als NATO-Partner eine nicht unbedeutende politische Stellung einnimmt.“
aus Wikipedia :Arbeitsmigration aus der Türkei

Aus Erfahrungen bei einem Grundbesitzerwerb durch Deutschtürken in meiner Gegend habe ich was gelernt. Deutschtürken engagieren sich politisch und lassen sich in den Gemeinderat wählen. Dort erfahren sie in geheimen Sitzungen, welche Immobilien günstig sind. Es wird gekauft und gepachtet. Revanchiert wird mit einem großzügigen Geschenk. Bürgermeister und Co dürfen ihren Urlaub in Antalya verbringen.


Wallenstein schrieb:Sabels Rede kommt aus dem Jahre 1960 und war schon kurze Zeit später völlig überholt. Wikipedia wird von Laien geschrieben, die häufig nur wenig Ahnung haben und diesen Beitrag kenne ich. Manchmal ist Wikipedia richtig, dann zitiere ich auch daraus. Oft ist das aber nicht der Fall, wie bei diesem Beitrag.  . Natürlich haben auch die Herkunftsländer Druck gemacht. Das ist doch klar. Es war ein wechselseitiger Prozess gewesen. Doch die Industrie hatte gerade Ende der sechziger Jahre, Anfang der siebziger Jahre großen Bedarf an Hilfsarbeitern und deshalb in Anatolien geworben.

Es gibt eine riesige wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema. Ich empfehle:

Berlinghoff, Marcel, Das Ende der ‚Gastarbeit’. Europäische Anwerbestopps 1970-1974, Paderborn/München/Wien/Zürich 2013.
Hunn, Karin, "Nächstes Jahr kehren wir zurück …" Die Geschichte der türkischen "Gastarbeiter" in der Bundesrepublik, Göttingen 2005.
Knortz, Heike, Diplomatische Tauschgeschäfte. "Gastarbeiter" in der westdeutschen Diplomatie und Beschäftigungspolitik 1953–1973, Köln/Weimar/Wien 2008.
Luft, Stefan, Staat und Migration. Zur Steuerbarkeit von Zuwanderung und Integration, Frankfurt/Main 2009.
Rass, Christoph, Institutionalisierungsprozesse auf einem internationalen Arbeitsmarkt: Bilaterale Wanderungsverträge in Europa zwischen 1919 und 1974, Paderborn/München/Wien/Zürich 20

marylinjackson
. Dort erfahren sie in geheimen Sitzungen, welche Immobilien günstig sind. Es wird gekauft und gepachtet. Revanchiert wird mit einem großzügigen Geschenk. Bürgermeister und Co dürfen ihren Urlaub in Antalya verbringen.

Wenn das geheim ist, woher weißt du das denn? Und glaubst du im Ernst, dass es bei Deutschen anders abgeht? Die Immobilienbranche ist voll von Haien und Geschäftemachern ohne Ende. Und das ist allerdings kein Geheiminis. Davon kann man ständig in den Zeitungen lesen.


Eine Frage, die sich stellte, ob die Gastarbeiter wirklich nötig waren oder ob sie überflüssig waren - auf jeden Fall hatte man sie geholt und im Hinblick auf die nationale wie internationale Konkurrenz war es wohl für die Unternehmen nicht anders möglich.

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