Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
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Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Hier ein Thread über eine Frage, die mich eigentlich schon seit Jahrzehnten beschäftigt, die ich aber noch in keinem Forum und auch nicht für mich selbst jemals thematisiert habe. Angestossen aus dem Thread über die Bilanz der Zuwanderung https://geschichte-forum.forumieren.de/t1049-die-grosse-bilanz-der-zuwanderung#11388
Rudi Dutschke rief ja dann irgendwann zu Beginn der siebziger Jahre seine Genossen zum "Marsch durch die Institutionen" auf. Diese sollten also die Gesellschaft nicht mehr revolutionieren wollen, aber quasi von innen so allmählich transformieren. Und so mancher in der heutigen Zeit wird diese eigentlich als recht erfolgreich bezeichnen müssen. So habe ich vor ein paar Wochen einen Artikel gelesen, dass die Grünen tatsächlich weit mehr Einfluss auf die Gesellschaft haben als ihrem Wähleranteil entsprechen würde. Auch dank den Journalisten, die doch mehrheitlich links sind die Themen setzen und die korrekte Interpretation bestimmen.
Hier die Überleitung aus dem anderen Thread:
Ich kann mich eben an Huxley erinnern - las ich mit 18 und verschlang es - an die Schlafschule. Dort werden Dir moralische Leitsätze beigebracht. Diese gehen Dir in Fleisch über, selbst wenn Du es nicht willst. Es braucht schon viel Analyse und Kognitionsfähigkeit, das abzuschütteln. Oder aber schmerzliche reale Erfahrungen mit den lieben Mitmenschen, die mir beibrachten, dass Idealismus bisweilen hart bestraft wird.
Ein besonders interessantes Erlebnis hatte ich hierzulande, in Südmähren, mit einer Rektorin einer Grundschule. Wir sprachen von Multikultigesellschaft und eigentlich war zu dem Zeitpunkt für mich dieser Begriff durchaus positiv besestzt. Sie lehnte ihn aber energisch ab - ich dachte, wie kann eine Schulleiterin so denken, im Westen wär das, was sie sagte, undenkbar. Die Antwort ist einfach: Hier in Mitteleuropa gab es eben keinen "Marsch durch die Instutionen" dieses linken Idealismus.
Rudi Dutschke rief ja dann irgendwann zu Beginn der siebziger Jahre seine Genossen zum "Marsch durch die Institutionen" auf. Diese sollten also die Gesellschaft nicht mehr revolutionieren wollen, aber quasi von innen so allmählich transformieren. Und so mancher in der heutigen Zeit wird diese eigentlich als recht erfolgreich bezeichnen müssen. So habe ich vor ein paar Wochen einen Artikel gelesen, dass die Grünen tatsächlich weit mehr Einfluss auf die Gesellschaft haben als ihrem Wähleranteil entsprechen würde. Auch dank den Journalisten, die doch mehrheitlich links sind die Themen setzen und die korrekte Interpretation bestimmen.
Hier die Überleitung aus dem anderen Thread:
Titus Feuerfuchs schrieb:Marek1964 schrieb:
Jetzt aber wieder eine Spur ernsthafter: Ich habe ja linke Lehrer gehabt - und ja, noch Jahre, ja noch Jahrzehnte danach merkte ich, wie mich das linke Denken dieser weltfremden Leute beeinflusst hat, zu meinem Nachteil. Und das als jemand, der immerhin klarer Antikommunist war. Und eben diese Beeinflussung, die auch schon von Jahrzehnten Aldous Huxley in seinem Buch "brave new world" beschrieb, der konnte auch ich mich nicht entziehen. Vielleicht auch mal ein Thema.
Ja, ich kenn das. Konnte mich zu Glück über die Jahre davon befreien.
Hauptsächlich deshalb, weil ich in Diskussionen merkte, dass die linken Positionen, die man im (österreichischen) Bildungssystem eingeimpft bekommt, sachlich schwer bzw auch oft gar nicht argumentierbar sind. Argumentiert wird meist rein ideologisch.
Und das ist für einen halbwegs gebildeten und aufgeklärten Menschen, der gelernt hat, sich seines Verstandes ohne die Anleitung eines Anderen zu bedienen, unzumutbar. (Kant ist im 21. Jh. noch immer so aktuell wie im 18.)
Nachteil: Es ist anstrengend und man eckt zuweilen an. Viel angenehmer ist es, andere für sich denken zu lassen und sich im Strom der angepassten Mainstreammeinungen treiben zu lassen.
Das Traurige dabei: Viele vertreten oktroyierte Meinungen und glauben dabei, es wären ihre eigenen....
Ich kann mich eben an Huxley erinnern - las ich mit 18 und verschlang es - an die Schlafschule. Dort werden Dir moralische Leitsätze beigebracht. Diese gehen Dir in Fleisch über, selbst wenn Du es nicht willst. Es braucht schon viel Analyse und Kognitionsfähigkeit, das abzuschütteln. Oder aber schmerzliche reale Erfahrungen mit den lieben Mitmenschen, die mir beibrachten, dass Idealismus bisweilen hart bestraft wird.
Ein besonders interessantes Erlebnis hatte ich hierzulande, in Südmähren, mit einer Rektorin einer Grundschule. Wir sprachen von Multikultigesellschaft und eigentlich war zu dem Zeitpunkt für mich dieser Begriff durchaus positiv besestzt. Sie lehnte ihn aber energisch ab - ich dachte, wie kann eine Schulleiterin so denken, im Westen wär das, was sie sagte, undenkbar. Die Antwort ist einfach: Hier in Mitteleuropa gab es eben keinen "Marsch durch die Instutionen" dieses linken Idealismus.
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Marek1964- Admin
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Re: Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Das Ganze geht imho unter anderem auf den Einfluss der Frankfurter Schule zurück. Egalität der Gesellschaft soll nichtmehr über die wirtschaftliche, sondern über die kulturelle Ebene vorangetrieben werden.
Der Neomarxismus hat die Universitäten und die wissenschaftlichen Diskurse in humanistischen bwz sozialwissenschaftlichen Fächern fest im Griff. Aus den Absolventen dieser Unis rekrutieren siche die Meinungsbildener unserer Gesellschaft. Journalisten, Lehrer, Schriftsteller, Künstler, etc.. (Kennt übringens wer einen gesellschaftliche anerkannten rechten oder konservativen Künstler in Ö oder D? Diese Entwicklung hat eine Eigendynamik, der sich auch Menschen, die für ideologiscche Propanganda grundsätzlich nicht empfänglich sind, nicht entziehen können.
Der Neomarxismus hat die Universitäten und die wissenschaftlichen Diskurse in humanistischen bwz sozialwissenschaftlichen Fächern fest im Griff. Aus den Absolventen dieser Unis rekrutieren siche die Meinungsbildener unserer Gesellschaft. Journalisten, Lehrer, Schriftsteller, Künstler, etc.. (Kennt übringens wer einen gesellschaftliche anerkannten rechten oder konservativen Künstler in Ö oder D? Diese Entwicklung hat eine Eigendynamik, der sich auch Menschen, die für ideologiscche Propanganda grundsätzlich nicht empfänglich sind, nicht entziehen können.
Ein Resultat dieser Entwicklung als Beispiel:
Auch Konservtive genrdern seit einigen Jahren artig. Sie sprehen servil von Lehrern und Lehrerinnen, Arbeitern und Arbeiterinnen, usw... (Aber z.B. nie von tätern und Täterinen, Räubern und Räuberinnen,..) Obwohl sie es selbst idiotisch finden, unterwerfen sie sich deisem Zwang. Warum?
Titus Feuerfuchs- Anzahl der Beiträge : 85
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Re: Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Titus Feuerfuchs schrieb:Ein Resultat dieser Entwicklung als Beispiel:Auch Konservtive genrdern seit einigen Jahren artig. Sie sprehen servil von Lehrern und Lehrerinnen, Arbeitern und Arbeiterinnen, usw... (Aber z.B. nie von tätern und Täterinen, Räubern und Räuberinnen,..) Obwohl sie es selbst idiotisch finden, unterwerfen sie sich deisem Zwang. Warum?
Ich denke, das ist ein Nebenschauplatz, auf dem es sich nicht lohnt, Schlachten auszutragen. Ich wunderte mich vor Jahren schon, dass man plötzlich von "Reichspogromnacht" statt Reichskristallnacht" sprach. Dabei war das vorher Jahrzehnte so - und jeder wusste, dass der Begriff Kristallnacht zynisch war, genauso wie Endlösung oder Sonderbehandlung. Mir kommen solche Dinge verkrampft vor, als wolle man den zweiten Weltkrieg nochmal gewinnen. Aber der ist schon lange gewonnen, die Toten werden durch solche Korrekturen auch nicht lebendig gemacht und zur Verhinderung von Verharmlosung oder gar Wiederholung dieser Verbrechen sehe ich es auch nicht nötig. Andererseits - müsste ich irgendwo in einer Synagoge eine Rede halten und müsste davon ausgehen, dass ich mit dem alten Begriff Leute vor den Kopf stossen würde, dann würde ich halt von Pogromnacht sprechen.
Da ja niemand ernsthaft gegen Gleichberechtigung ist, will man das halt so betonen. Aber es kann vielleicht passendere Beispiele geben. Fallen mir jetzt aber keine ein.
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Marek1964- Admin
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Re: Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Hier ein besseres Beispiel, wohin kulturmarxistische Gehirnwäsche führt:
Opfer sollen nicht mehr Opfer heißen
Die Missy-Autorin Mithu Sanyal will aus Opfern „Erlebende“ machen. Dudenfest. Initiativen von Terre des Femmes bis Störenfriedas protestieren scharf! Sie erklären: „Vergewaltigung ist kein Konzertbesuch.“ Kulturwissenschaftlerin Sanyal hingegen möchte einen Begriff mit „höchstmöglicher Wertungsfreiheit“.
http://www.emma.de/artikel/opfer-sollen-nicht-mehr-opfer-heissen-334215
Titus Feuerfuchs- Anzahl der Beiträge : 85
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Re: Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Seit ich vor sieben Jahren die Altersgrenze von 65 erreicht habe und nun im Ruhestand bin, hatte ich auch etwas Zeit, mich mit Geschichte zu beschäftigen. Ich habe zwar Geologie und Volkswirtschaft studiert, mich aber stets auch für Geschichte interessiert und jetzt auch Zeit gefunden, viele neuere Werke zu studieren.
Das der historische Fachbereich von Neomarxisten besetzt sei ist falsch. Ein einfacher Blick auf die bedeutenden Historiker in Deutschland zeigt dies sofort. Ich führe hier einmal kurz die bekanntesten Namen auf, die die akademische Welt bis heute nachdrücklich prägen:
Alexander Demandt, Joachim Fest, Fritz Stern, Fritz Fischer, Lothar Gall, Andreas Hillgruber, Martin Broszat, Hans Mommsen, Michael Stürmer, Michael Wolffsohn, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Imanuel Geiss, Jürgen Heinz Kocka, Heinrich August Winkler, Helga Grebing, Thomas Nipperdey, Paul Nolte, Ernst Nolte, Golo Mann, Hans-Ulrich Wehler. Hinzufügen kann man vielleicht noch Sebastian Haffner als Publizisten und Guido Knopp, der Geschichte auch für Laien interessant gemacht hat.
Alle diese Wissenschaftler sind natürlich keine Neomarxisten. Wenn man ihre Werke liest, stößt man auf ein breites Spektrum verschiedenen Meinungen von konservativ bis hin zu mehr links, wie sich dies für eine pluralistische Gesellschaft auch gehört, wobei ich solche Etikettierungen ungern benutze, denn sie sind meistens falsch und lediglich ein Ausdruck von Denkfaulheit und Schubladendenken. Eine kritische Meinung hat nichts mit Neomarxismus zu tun.
Die deutsche Geschichtsschreibung musste sich nach dem Krieg einerseits von der nationalen und völkischen Historie der Vorkriegszeit abgrenzen, andererseits aber auch Gegenpositionen aufbauen zu der parteilichen Wissenschaft im Sinne des Klassenkampfes in der DDR. Das ist ihr auch recht gut gelungen.
(Ich habe gerade das prämierte Werk von Heinrich August Winkler, Die Geschichte des Westens in 4 Bänden gelesen. Ich kann es jedem empfehlen!)
Vielleicht ein Wort zur Soziologie. Ich habe von 1968 – 1973 studiert (nicht Soziologie), aber meine Fachbereiche wurden, ähnlich wie Medizin oder Jura, von den Tumulten damals so gut wie gar nicht tangiert. Deshalb habe ich in Soziologie ein paar Mal kurz hineingeschaut, wo mehr los war.
Viele machen sich von Soziologie falsche Vorstellungen. Das Fach besteht vorwiegend aus empirischer Sozialforschung und den quantitativen Methoden der Statistik. Gesellschaftliche Probleme werden in Daten erfasst und dann mit Hilfe statistischer Methoden verwertet. Die Verfahren werden immer genauer, was sich z.B. bei Wahlen zeigt. Schon kurz nach Schließung der Wahllokale kommen die ersten Hochrechnungen, die recht genau das Endergebnis wiedergeben. Noch vor einigen Jahrzehnten wäre das nicht möglich gewesen, doch die Methoden werden immer besser und ausgefeilter. Heute besteht Soziologie zum größten Teil aus quantitativen Methoden und wer nicht gut bis sehr gut in Mathematik ist, sollte die Finger davon lassen.
In den sechziger Jahren gab es in Soziologie neben den empirischen Methoden auch noch einen Theorieteil, der seit den fünfziger Jahren dominiert wurde von Schelsky mit seinen Untersuchungen über die Nachkriegsgeneration. Ich erlebte damals den sogenannten Positivismusstreit mit, bei dem es, ganz knapp formuliert, darum ging, ob Soziologie nur Daten sammeln soll, um zu zeigen, wie die Gesellschaft ist (Position der Positivisten) oder ob sie Veränderungsmöglichkeiten skizzieren soll, also auch Alternativen zu dem Bestehenden aufzeigen sollte (Position der Frankfurter Schule). Diese Diskussion war sehr langweilig und abstrakt und wurde auch von den meisten Studenten nicht verstanden. Das lag vor allem daran, dass sich die Kontrahenten, Adorno und sein Assistent Habermas (Frankfurter Schule) einerseits und Popper und Albers andererseits einer elaborierten Sprache bedienten, die kaum verständlich ist. Adorno sprach in druckreifen Bandwurmsätzen, die, wie es jemand formulierte, von einer interessanten Unverständlichkeit waren. Adorno wurde damals von den Studenten heftig angegriffen und sein Institut besetzt. Er bezeichnete die radikalen Studenten daraufhin als „Linksfaschisten“, wodurch das Klima weiter vergiftet wurde. Die Attacken haben ihn persönlich hart getroffen und er verstarb 1969 an einem Herzinfarkt.
Die Frankfurter Schule war aber ohnehin nur ein Intermezzo und spielte schnell keine Rolle mehr. Der Campus wurde bald dominiert von den K-Gruppen, die einen orthodoxen Marxismus vertraten. Allerdings nur in wenigen Fachbereichen und auch dort sahen die meisten Studenten nur interessiert zu. Daneben gab es bald diverse andere Gruppen mit teilweise kuriosen Ideen. Das ist ein Kapitel für sich.
In dem Fachbereich Soziologie spielte das allerdings keine große Rolle mehr. Hier tauchten weitere Ansätze auf, die von anderen Soziologen verfolgt wurden. Ich nenne nur die bekanntesten: Die Rollentheorie von Dahrendorf, den „Symbolische Interaktionismus“ von Blumer, die Chicago-Schule der Soziologie, den Strukturfunktionalismus von Parson, die Theorie des sozialen Wandels von Zapf, die diversen Modernisierungstheorien und Neo-Evolutionisten. In Deutschland erlangte dann vor allem die Systemtheorie von Niklas Luhmann herausragende Bedeutung. Er hat sich vor allem mit Habermas auseinandergesetzt, die berühmte Habermas-Luhmann Kontroverse.
Heute hat es eine Renaissance des handlungstheoretischen Ansatzes von Max Weber gegeben, der seit den neunziger Jahren alles andere wieder zurückdrängt. Daneben triumphiert vor allem die empirische Forschung mit ihren mathematischen Methoden. Für mich sehr interessant, da ich beruflich ständig mit Statistik arbeiten musste.
Traditionelle Schichten – und Klassentheorien wurden meistens aufgegeben und ersetzt durch die Theorien der Lebenswelten, die gesellschaftliche Gruppen nicht nur nach Einkommen, Vermögen und Status einteilt, sondern auch Mentalitäten und andere Kriterien berücksichtigt.
Ich habe auch nach dem Studium immer gute Kontakte zur Universität unterhalten und bin mit einer Reihe Professoren gut befreundet. Wir treffen uns häufig privat und feiern zusammen. Deshalb bin ich recht gut informiert.
Dieser kleine Beitrag sollte nur die Vielseitigkeit aufzeigen, die in den gesellschaftspolitischen Fachbereichen existiert.
Ich wollte auch immer einmal hier Beiträge über Gesellschaftswissen oder besser noch über Volkswirtschaft schreiben, da ich mich dort recht gut auskenne. Ich glaube aber, dass dies hier im Forum nur auf geringes Interesse stößt.
Das der historische Fachbereich von Neomarxisten besetzt sei ist falsch. Ein einfacher Blick auf die bedeutenden Historiker in Deutschland zeigt dies sofort. Ich führe hier einmal kurz die bekanntesten Namen auf, die die akademische Welt bis heute nachdrücklich prägen:
Alexander Demandt, Joachim Fest, Fritz Stern, Fritz Fischer, Lothar Gall, Andreas Hillgruber, Martin Broszat, Hans Mommsen, Michael Stürmer, Michael Wolffsohn, Werner Conze, Reinhart Koselleck, Imanuel Geiss, Jürgen Heinz Kocka, Heinrich August Winkler, Helga Grebing, Thomas Nipperdey, Paul Nolte, Ernst Nolte, Golo Mann, Hans-Ulrich Wehler. Hinzufügen kann man vielleicht noch Sebastian Haffner als Publizisten und Guido Knopp, der Geschichte auch für Laien interessant gemacht hat.
Alle diese Wissenschaftler sind natürlich keine Neomarxisten. Wenn man ihre Werke liest, stößt man auf ein breites Spektrum verschiedenen Meinungen von konservativ bis hin zu mehr links, wie sich dies für eine pluralistische Gesellschaft auch gehört, wobei ich solche Etikettierungen ungern benutze, denn sie sind meistens falsch und lediglich ein Ausdruck von Denkfaulheit und Schubladendenken. Eine kritische Meinung hat nichts mit Neomarxismus zu tun.
Die deutsche Geschichtsschreibung musste sich nach dem Krieg einerseits von der nationalen und völkischen Historie der Vorkriegszeit abgrenzen, andererseits aber auch Gegenpositionen aufbauen zu der parteilichen Wissenschaft im Sinne des Klassenkampfes in der DDR. Das ist ihr auch recht gut gelungen.
(Ich habe gerade das prämierte Werk von Heinrich August Winkler, Die Geschichte des Westens in 4 Bänden gelesen. Ich kann es jedem empfehlen!)
Vielleicht ein Wort zur Soziologie. Ich habe von 1968 – 1973 studiert (nicht Soziologie), aber meine Fachbereiche wurden, ähnlich wie Medizin oder Jura, von den Tumulten damals so gut wie gar nicht tangiert. Deshalb habe ich in Soziologie ein paar Mal kurz hineingeschaut, wo mehr los war.
Viele machen sich von Soziologie falsche Vorstellungen. Das Fach besteht vorwiegend aus empirischer Sozialforschung und den quantitativen Methoden der Statistik. Gesellschaftliche Probleme werden in Daten erfasst und dann mit Hilfe statistischer Methoden verwertet. Die Verfahren werden immer genauer, was sich z.B. bei Wahlen zeigt. Schon kurz nach Schließung der Wahllokale kommen die ersten Hochrechnungen, die recht genau das Endergebnis wiedergeben. Noch vor einigen Jahrzehnten wäre das nicht möglich gewesen, doch die Methoden werden immer besser und ausgefeilter. Heute besteht Soziologie zum größten Teil aus quantitativen Methoden und wer nicht gut bis sehr gut in Mathematik ist, sollte die Finger davon lassen.
In den sechziger Jahren gab es in Soziologie neben den empirischen Methoden auch noch einen Theorieteil, der seit den fünfziger Jahren dominiert wurde von Schelsky mit seinen Untersuchungen über die Nachkriegsgeneration. Ich erlebte damals den sogenannten Positivismusstreit mit, bei dem es, ganz knapp formuliert, darum ging, ob Soziologie nur Daten sammeln soll, um zu zeigen, wie die Gesellschaft ist (Position der Positivisten) oder ob sie Veränderungsmöglichkeiten skizzieren soll, also auch Alternativen zu dem Bestehenden aufzeigen sollte (Position der Frankfurter Schule). Diese Diskussion war sehr langweilig und abstrakt und wurde auch von den meisten Studenten nicht verstanden. Das lag vor allem daran, dass sich die Kontrahenten, Adorno und sein Assistent Habermas (Frankfurter Schule) einerseits und Popper und Albers andererseits einer elaborierten Sprache bedienten, die kaum verständlich ist. Adorno sprach in druckreifen Bandwurmsätzen, die, wie es jemand formulierte, von einer interessanten Unverständlichkeit waren. Adorno wurde damals von den Studenten heftig angegriffen und sein Institut besetzt. Er bezeichnete die radikalen Studenten daraufhin als „Linksfaschisten“, wodurch das Klima weiter vergiftet wurde. Die Attacken haben ihn persönlich hart getroffen und er verstarb 1969 an einem Herzinfarkt.
Die Frankfurter Schule war aber ohnehin nur ein Intermezzo und spielte schnell keine Rolle mehr. Der Campus wurde bald dominiert von den K-Gruppen, die einen orthodoxen Marxismus vertraten. Allerdings nur in wenigen Fachbereichen und auch dort sahen die meisten Studenten nur interessiert zu. Daneben gab es bald diverse andere Gruppen mit teilweise kuriosen Ideen. Das ist ein Kapitel für sich.
In dem Fachbereich Soziologie spielte das allerdings keine große Rolle mehr. Hier tauchten weitere Ansätze auf, die von anderen Soziologen verfolgt wurden. Ich nenne nur die bekanntesten: Die Rollentheorie von Dahrendorf, den „Symbolische Interaktionismus“ von Blumer, die Chicago-Schule der Soziologie, den Strukturfunktionalismus von Parson, die Theorie des sozialen Wandels von Zapf, die diversen Modernisierungstheorien und Neo-Evolutionisten. In Deutschland erlangte dann vor allem die Systemtheorie von Niklas Luhmann herausragende Bedeutung. Er hat sich vor allem mit Habermas auseinandergesetzt, die berühmte Habermas-Luhmann Kontroverse.
Heute hat es eine Renaissance des handlungstheoretischen Ansatzes von Max Weber gegeben, der seit den neunziger Jahren alles andere wieder zurückdrängt. Daneben triumphiert vor allem die empirische Forschung mit ihren mathematischen Methoden. Für mich sehr interessant, da ich beruflich ständig mit Statistik arbeiten musste.
Traditionelle Schichten – und Klassentheorien wurden meistens aufgegeben und ersetzt durch die Theorien der Lebenswelten, die gesellschaftliche Gruppen nicht nur nach Einkommen, Vermögen und Status einteilt, sondern auch Mentalitäten und andere Kriterien berücksichtigt.
Ich habe auch nach dem Studium immer gute Kontakte zur Universität unterhalten und bin mit einer Reihe Professoren gut befreundet. Wir treffen uns häufig privat und feiern zusammen. Deshalb bin ich recht gut informiert.
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Wallenstein- Gründungsmitglied
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Re: Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Wallenstein schrieb:
Viele machen sich von Soziologie falsche Vorstellungen. Das Fach besteht vorwiegend aus empirischer Sozialforschung und den quantitativen Methoden der Statistik. Gesellschaftliche Probleme werden in Daten erfasst und dann mit Hilfe statistischer Methoden verwertet. Die Verfahren werden immer genauer, was sich z.B. bei Wahlen zeigt. Schon kurz nach Schließung der Wahllokale kommen die ersten Hochrechnungen, die recht genau das Endergebnis wiedergeben. Noch vor einigen Jahrzehnten wäre das nicht möglich gewesen, doch die Methoden werden immer besser und ausgefeilter. Heute besteht Soziologie zum größten Teil aus quantitativen Methoden und wer nicht gut bis sehr gut in Mathematik ist, sollte die Finger davon lassen.
Es hat in den 80ern zunehmend eine "Versozialwissenschaftlichung" stattgefunden, welche die reine Empirie etwas in Abseits gedrängt hat.
Ich kann dir jedenfalls aus eigener Erfahrung segen, dass es auf der Uni massiv anders zugeht, als in deiner Zeit.
Neomarxistischen Ideen dominierne nicht nur den wissenschaftlichen Diskurs, sondern auch den Gesellschaftlichen.
Auf der Uni sind marxistische Denker wie z.B. Horkheimer, Hobsbown oder Gramsci, sehr präsent.
Dekonstruktion heißt das Zauberwort. Und diese Dekonstruktion zieht sich wie ein Faden durch Medien und Politik.
Wallenstein schrieb:
Dieser kleine Beitrag sollte nur die Vielseitigkeit aufzeigen, die in den gesellschaftspolitischen Fachbereichen existiert.
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Beides sehr interessante Gebiete!
Titus Feuerfuchs- Anzahl der Beiträge : 85
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Re: Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Titus Feuerfuchs schrieb:Wallenstein schrieb:
Dieser kleine Beitrag sollte nur die Vielseitigkeit aufzeigen, die in den gesellschaftspolitischen Fachbereichen existiert.
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Beides sehr interessante Gebiete!
Dem kann ich mich nur anschliessen - nur zu. Wenn nicht immer geantwortet wird, muss es ja nicht heissen, dass es nicht interessiert, aber ich denke, wir können da interessante Diskussionen erleben. Es wäre dann schon einen eigenen Thread, weil es hier eigentlich um linke Lehrer an Mittelschulen geht - evtl. an Hochschulen.
Ich selbst hatte auch linke Lehrer, einer (Geografie) war aber weltoffen und wusste auch konservative Ansichten zu würdigen. So hatte ich für eine Arbeit, in der ich den Kommunismus als endgültig gescheiterte Ideologie bezeichnet habe, und dies begründet hatte, die bestnote bekommen. Ein anderer aber war, in Geschichte und Deutsch, war recht manipulativ, eigentlich schon plump, wie an einem Klassentreffen nach 20 Jahren wir uns geeinigt hatten, übrigens auch links gebliebene.
Ich kann mich an eine Abstimmung erinnern, wo der Lehrer abstimmen liess wer "für den Staat" und wer gegen ihn war - die Abstimmung ergab ein massives Übergewicht dagegen, ein paar Enthaltungen - meine Stimme war die einzige dagegen. Wir waren damals 15.
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Marek1964- Admin
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Re: Der Einfluss der linken Lehrer der westlichen Welt auf den Nachwuchs seit 1968 - wie gewichtig?
Im September 2016 fand der 38. Kongress der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ statt. Obwohl ich gar kein Soziologie bin, durfte ich daran teilnehmen, weil ich einige Leute aus dem Vorstand kenne.
Zahlreiche Forschungsarbeiten zu den verschiedensten Themen wurden vorgestellt, fast alles empirische Untersuchungen mit einem riesigen Datenwust. Je nachdem, welcher Richtung die Wissenschaftler angehörten, wurden sie unterschiedlich interpretiert. Es dominierten die üblichen Ansätze, die ich von früher her kannte: Die Rationalisierungs-, Differenzierungs- und Modernisierungstheorie von Weber, Durckheim, Parson, Luhman bis Elias und Beck, den multiple modernities Ansatz von Eisenstadt, den ich früher sehr interessant fand und natürlich auch Anhänger von Bourdieu, die man, wenn man auch mit Einschränkungen, vielleicht als Neomarxisten bezeichnen kann. Insgesamt tobt also immer noch ein heftiger Meinungsstreit in der Soziologie.
Doch der Schwerpunkt liegt ganz klar in der Methodologie der statistischen Methoden. Das ist auch verständlich, denn wer später als Soziologe tätig sein will, kann dies eigentlich auch nur, wenn er ein guter Empiriker und Statistiker ist. Dann gibt es Chancen im Marketing, in der Meinungsforschung, in privaten und öffentlichen Instituten. Ansonsten hat man für diese Leute auf dem Arbeitsmarkt eigentlich keine Verwendung.
Zahlreiche Forschungsarbeiten zu den verschiedensten Themen wurden vorgestellt, fast alles empirische Untersuchungen mit einem riesigen Datenwust. Je nachdem, welcher Richtung die Wissenschaftler angehörten, wurden sie unterschiedlich interpretiert. Es dominierten die üblichen Ansätze, die ich von früher her kannte: Die Rationalisierungs-, Differenzierungs- und Modernisierungstheorie von Weber, Durckheim, Parson, Luhman bis Elias und Beck, den multiple modernities Ansatz von Eisenstadt, den ich früher sehr interessant fand und natürlich auch Anhänger von Bourdieu, die man, wenn man auch mit Einschränkungen, vielleicht als Neomarxisten bezeichnen kann. Insgesamt tobt also immer noch ein heftiger Meinungsstreit in der Soziologie.
Doch der Schwerpunkt liegt ganz klar in der Methodologie der statistischen Methoden. Das ist auch verständlich, denn wer später als Soziologe tätig sein will, kann dies eigentlich auch nur, wenn er ein guter Empiriker und Statistiker ist. Dann gibt es Chancen im Marketing, in der Meinungsforschung, in privaten und öffentlichen Instituten. Ansonsten hat man für diese Leute auf dem Arbeitsmarkt eigentlich keine Verwendung.
Wallenstein- Gründungsmitglied
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