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Lassen sich Revolutionen in Fluch und Segen einteilen?

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Beitrag von Moschusochse Do Okt 12, 2017 12:22 pm

Eine Frage, über die ich heute gestolpert bin - nach welchen Kriterien lassen sich Revolutionen in Fluch und Segen einteilen?
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Beitrag von nax11 Do Okt 12, 2017 3:49 pm

Ohne, daß diese Liste vollständig ist -

- Kambodscha (Pol Pot) mit 25 % der Bevölkerung tot, ist wohl eindeutig negativ zu benennen.

- Maos Kulturrevolution hat absolut nichts gebracht, außer seinem eigenen Machterhalt - und 1 Millionen Tote - hört sich nicht positiv an.

- außerdem haben gescheiterte Revolutionen gewöhnlich kein positives Resultat, sondern im Gegenteil weitere Repressionen zur Folge.

Positive Revolutionen sind da viel schwieriger zu bewerten. Kriterien wären beispielsweise wenig Opfer. Was die Resultate betrifft - für wen sind die positiv (siehe Iran).

Die Französische Revolution hat die Aristokratie abgeschafft, aber Napoleon hat sie prompt wieder eingeführt und nach seiner Niederlage kam sogar wieder die alte Aristokratie an die Macht.

Lenin hat keineswegs gegen den Zaren revoltiert, sondern gegen die bürgerliche Regierung, die den Zaren bereits entmachtet hatte. Er hat dann einen langen Bürgerkrieg geführt und schließlich Stalin zur Macht verholfen. Mal ganz davon abgesehen, ob man die "Diktatur des Proletariats" als eine positive Errungenschaft bewerten kann?

Und wenn man sich das deutsche Highlight ansieht, so ist die Revolution in der DDR zwar unblutig verlaufen, aber danach lief keineswegs alles optimal - speziell die Treuhand unter Breuel ist zu kritisieren.

Ziemlich aktuell ist wohl auch der "Arabische Frühling" - aber diese Revolution(en) scheinen mir voll in die Hose gegangen zu sein - jedenfalls bisher.

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Beitrag von Marek1964 Do Okt 12, 2017 10:53 pm

Herzlich wilkommen hier, Nax11, und gleich mit einem guten Beitrag.

Es gilt erst mal festzulegen, nach welchen Kriterien eine Revolution als "Segen" und wann als Fluch zu werten ist.

Als einfache Lösung bietet es sich an, dass Revolutionen eine starre, überkommene Ordnung überwanden und eine aus heutiger Sicht positive Entwicklung einleiteten.

Die französische Revolution wird in der Geschichtsrezeption als positiv gewertet, wiewohl sie mit der Jakobinerherrschaft negative Begleiterscheinungen hatte. Letzlich war Frankreich für lange Zeit das Vorbild der Entwicklung, mit dem nationalen, aber auch laizistischen und sich demokratisierenden Staat.

Die 1848er Revolution in Deutschland wies sicher auch in die richtige Richtung, ist aber gescheitert. Die Gedanken waren aber nicht geschlagen und leiteten eine positive Entwicklung ein, wiewohl es kritische Historikerstimmen gibt, die sagen, es habe in gewisser Weise auch den Nationalsozialismus vorweggenommen. Hier gebe ich als Nicht-Deutscher den Ring frei zur Diskussion.

Ganz bestimmt positiv war die 1848er Revoílution positiv für die Schweiz, denn sie brachte den förderatlistischen Staat, der später auch die direkte Demokratie hervorbrachte, die bis heute anhält und dem Land eine einzigartige Stabilität und Wohlstand brachte.

Aber natürlich gibt es negative Beispiele, die Oktoberrevolution in Russland brachte ein Unterdrückungssystem - das sich aber in den Jahren nach 1989 selbst abschaffte.

Vielleicht schreibt jemand noch was zur "glorius revolution"? Fände ich spannend.

Für heute ist es das erst mal, gute Nacht,

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Beitrag von ralfgrabuschnig Sa Okt 14, 2017 9:49 pm

Sehr spannende Frage! Nur leider, wie die meisten spannenden Fragen, nicht einfach zu beantworten. Wirklich beurteilen kann man das wie so oft erst im Nachhinein - oft sogar sehr weit im Nachhinein. Ja natürlich, das Ancien Regime wirkt heute als "starr und überkommen", wie Marek sagt. War das aber 1789 so klar? Da sind die "glorreichen Zeiten" Ludwig XIV. ja erst ein paar Jahrzehnte her, Frankreich gab kulturell in ganz Europa den Ton an und war eine Militärmacht, an der kein Weg vorbeiführte - siehe etwa Spanischer Erbfolgekrieg. Die Unterdrückung der Bevölkerung wiederum war auch nicht viel schlimmer als in anderen europäischen Staaten, gerade auch in deutschen. Es sollte fast ein Jahrhundert dauern, bis sich eine positive Grundmeinung über die Revolution durchsetzte. Da sah Frankreich gleich drei Napoleons, zahlreiche Republiken, Monarchien und Imperien. Schwierige Sache also.

Leider muss ich daher sagen: die Frage, so spannend sie ist (!), ist eine falsche, da nicht beantwortbar. Das ist ähnlich, wie die vielen (ebenso spannenden) Was-wäre-wenn-Szenarien der Geschichte. Leider allesamt nicht beantwortbar.

@Marek: Lustig dass du die Glorious Revolution erwähnst. Da kommt morgen ein Blogpost von mir raus. Ich poste ihn hier gerne, wenn ich darf Smile
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Beitrag von ralfgrabuschnig So Okt 15, 2017 7:05 pm

So wie versprochen was zur Glorious Revolution von mir:

http://ralfgrabuschnig.com/de/glorreiche-revolution-england/
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Beitrag von Marek1964 Di Okt 17, 2017 9:19 am

ralfgrabuschnig schrieb:So wie versprochen was zur Glorious Revolution von mir:

http://ralfgrabuschnig.com/de/glorreiche-revolution-england/
die
Sehr schön. Ich werde ihn bestimmt lesen, aber vielleicht kannst Du vorher in 2-3 kurzen Sätzen schreiben, warum diese Revolution "glorios" genannt wird - und ob das schon immer so war oder das erst im Laufe der Zeit so genannt wurde.

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Beitrag von ralfgrabuschnig Mo Okt 23, 2017 4:51 pm

Hallo Marek,

entschuldige die späte Antwort - war verreist. Die Revolution wurde tatsächlich schon von Zeitgenossen (bzw. wenige Jahre darauf) als glorreich bezeichnet. Die allgemeine Theorie ist da aber, dass das weniger mit der Revolution per se sondern mit der Entmachtung der Stuarts zu tun hat. Die Könige waren nach 90 Jahren, in denen Bürgerkrieg und konstante Spannungen zwischen den unterschiedlichen Fraktionen das Land prägten, reichlich unbeliebt. Wilhelm von Oranien kam da gerade recht.
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Beitrag von Marek1964 Di Okt 24, 2017 10:47 pm

Kein Problem, zum Antworten ist es nie zu spät. Und so lange ists ja auch nicht her.

Im anderen Thread zur französichen Revolution hat Wallenstein auch was dazu geschrieben. Und im Thread zur russischen Revolution wiederum wird darüber sinniert, auch gestützt auf einen Artikel auf srf.ch, ob man das ganze nicht eher Staatsstreich nennen sollte als Revolution (wobei dass eigentlich den Umwälzungen, die danach kamen, nicht gerecht würde, sondern nur dem Einzelereigniss Sturm auf den Winterpalast).

Siehst Du das bei der glorious revolution auch so?

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Beitrag von ralfgrabuschnig Fr Okt 27, 2017 5:51 pm

Das ist ein interessanter Gedanke und überraschend gut vergleichbar finde ich. 1688 selbst war im Prinzip ein Staatsstreich. Einige einflussreiche Abgeordnete luden einen fremden Herrscher (wenn auch Schwiegersohn des Königs) ein, um die Macht an sich zu reißen. Klare Sache. Aber wie auch bei 1917 wird diese Bezeichnung den folgenden Entwicklungen nicht gerecht. Die Glorious Revolution hat England über die Jahrzehnte und -hunderte tief geprägt, weit mehr, als nur das Austauschen eines Herrschers. Man merkt wieder mal: Begrifflichkeiten (und die richtige/eindeutige Verwendung derer) gehören in der Geschichte zu den kompliziertesten Dingen überhaupt...
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Beitrag von Moschusochse Di Okt 31, 2017 10:55 am

In welchen Dimensionen kann man eigentlich Revolutionen vergleichen? Nehmen wir als Beispiel die französische und die amerikanische?

Grundsätzlich würde ich die Achse Vorgeschichte - Verlauf - Folgen verschlagen.
Und in allen Dimensionen Gemeinsamkeiten und Unterschiede. So ist sicher ein wichtiger Aspekt, dass vor der Französischen Revolution Frankreich eine absolutistische Gesellschaft war, die USA eine Kolonie GBs.

Wie sieht Ihr das?
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