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Tschechoslowakei 1968: Hatte der Prager Frühling eine Chance? War der Kommunismus reformierbar? Hatten Reformversuche ausserhalb Moskaus eine Chance?

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Beitrag von Marek1964 Di März 10, 2015 12:02 am

Hatte der Prager Frühling eine Chance? War der Kommunismus reformierbar? Hatten Reformversuche ausserhalb Moskaus eine Chance?

Ich werde hier sicher eingehender dieses Thema, das mich verständlicherweise seit der Kindheit beschäftigt, eingehen, aber natürlich sind Diskussionsbeiträge von allen erwünscht.

Die zentralen Fragen: War der Prager Frühling zu schnell, zu radikal? Hätte bei vorsichtigerem Vorgehen, wie etwa beim ungarischen "Gulaschkommunismus", die Intervention abgewendet werden können?

In den nächsten Tagen will ich das eingehender behandeln, aber natürlich sind in der Zwischenzeit Beiträge anderer erwünscht.
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Beitrag von Marek1964 Di März 10, 2015 12:19 am

Es wurde dann und wann kolportiert, wären die Reformen weniger radikal gewesen, hätte vielleicht die Intervention nicht stattgefunden. Darüber lässt sich recht lange diskutieren.
Das Jahr 1989 legt den Schluss nahe, dass es keine Reformen ohne den Zusammenbruch des Kommunismus und des Ostblocks hätte geben können, aber auch hier kann man sicher auch anderer Meinung sein.

Denn eben, der Gulaschkommunismus in Ungarn, der sehr schrittweise vor sich ging, wurde von Moskau toleriert.
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Beitrag von Wallenstein Di März 10, 2015 1:32 pm

Es ist die Frage, wie denn überhaupt ein reformierter Sozialismus hätte aussehen sollen und ob der auch tatsächlich funktioniert hätte. Auch der ungarische Gulaschkommunismus war repressiv und undemokratisch, nur wirtschaftlich etwas liberaler.

Es gab eine Menge Ideen in der Zeit nach der Entstalinisierung. Ich nenne nur Namen wie den Tschechen Ota Šik und sein berühmter „Dritter Weg“. Oder Leute wie Rudolf Bahro oder Havemann in der DDR. Vielleicht werde ich einige von deren Ideen einmal vorstellen. Dann kann man möglicherweise erkennen, ob das nicht vielleicht nur Luftschlösser sind.

Reformen in den Ostblockstaaten waren unmöglich, so lange sie von den Sowjets beherrscht wurden. Es galt die berüchtigte Breschnew-Doktrin von der „beschränkten Souveränität der sozialistischen Staaten“. Erst musste sich etwas in der UDSSR selber ändern,

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Beitrag von Exmitglied-1 Di März 10, 2015 5:09 pm

Ich war damals fast 15 Jahre erst alt und durfte (!) an Wochenenden bis 21:00 / 22:00 Uhr Radio hören. Mein Radio hatte kein UKW und so war ich an die Mittelwelle gebunden. Im August 1968 suchte ich meinen Sender vergeblich, den Sender Wilsdruff bei Dresden.
Statt der Sendung "Tanz mit bis Mitternacht" strahlte dieser Sender, der auch gut im Norden der CSSR empfangen werden konnte, Propaganda in tschechischer Sprache aus.

Das war die Zeit, als die sozialistischen Länder die CSSR besetzten. Begründet wurde der Einmarsch mit dem "Brief der 2000 Worte", in dem kremltreue tschechische Kommunisten die Sowjetunion um Hilfe gebeten hätten, dem Prager Frühling ein Ende zu bereiten.
Eine weitere Begründung zum Einmarsch wurde in Form der sudetendeutschen Landsmannschaft nachgereicht. Der Sprecher dieser Landsmannschaft war damals Dr. Walter Becher aus Karlsbad. Der sich auch Präsident der Exilregierung der Sudeten nannte. (Man kennt ja den berühmten "Becherovka" für Leute mit schwachem Magen)
Hier kam man mit der Erklärung, die Landsmannschaft und der revanchistische Westen überhaupt wollten Tschechien aus der sozialistischen Staatengemeinschaft herauslösen.

Das alles auch aus dem Grund, um auf den Prager Frühling selbst nicht eingehen zu müssen mit seiner neuen Pressefreiheit und menschlichem Antlitz. Das hätte die Völker der anderen Ostländer womöglich noch aufmucken lassen.

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Beitrag von Marek1964 Di März 10, 2015 5:46 pm

segula schrieb:
Das war die Zeit, als die sozialistischen Länder die CSSR besetzten. Begründet wurde der Einmarsch mit dem "Brief der 2000 Worte", in dem kremltreue tschechische Kommunisten die Sowjetunion um Hilfe gebeten hätten, dem Prager Frühling ein Ende zu bereiten.

Das alles auch aus dem Grund, um auf den Prager Frühling selbst nicht eingehen zu müssen mit seiner neuen Pressefreiheit und menschlichem Antlitz. Das hätte die Völker der anderen Ostländer womöglich noch aufmucken lassen.

Du sprichst das Manifest der 2000 Worte an - dort wurde aber die Partei von Intelektuellen wie auch anderen aufgefordert, in den Reformbestrebungen nicht nachzulassen - es war aber eben wohl kotraproduktiv: Hier der limk:

http://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/prager-fruehling-vor-40-jahren-erschien-das-manifest-der-2000-worte

Hier ein Zitat:

Doch die Führung der KPTsch lehnte das Dokument als eine Misstrauenserklärung ihrer Politik ab. Der Text wurde sogar dem sowjetischen Partei- und Regierungschef Leonid Breschnew vorgelegt. Breschnew verurteilte den Inhalt. Letztlich formulierte das Zentralkomitee der Partei einen Beschluss.

Die Partei wollte dann von Journalisten, dass sie ein Gegenmanifest schreiben. Das aber führte dazu, dass sich noch mehr Widerstand regte, da die Journalisten allesamt ablehnten - "Korbweise" hatten sie zustimmende Schreiben der Bevölkerung erhalten.

Die Situation war der Kontrolle entglitten und das dürfte letztendlich die Falken sowohl im Kreml als auch in der KPČS dazu bewogen habenn, um eine Intervention zu "bitten", wie es dann in der Sprachregelung hiess.
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Beitrag von Exmitglied-1 Di März 10, 2015 7:31 pm

Ja, tut mir leid, da habe ich das wohl verwechselt. Aber ein Schreiben mit der Bitte um Intervention gab es.

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Beitrag von Nemeth Di März 10, 2015 7:40 pm

segula schrieb:Ja, tut mir leid, da habe ich das wohl verwechselt. Aber ein Schreiben mit der Bitte um Intervention gab es.

Das ist auch mir so bekannt,
Irgendwelche Funktionäre oder Parteiveteranen baten zu der Zeit den großen Bruder in Moskau darum.
(eine Anekdote besagt, daß man Diese , heute noch sucht )
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Beitrag von SarahF Mi März 11, 2015 11:17 am

Nein, der Prager Frühling hatte keine Chance, weil die UdSSR die Ereignisse
ganz klar als eine Entwicklung, die zur Abschaffung des Sozialismus geführt hätte, eingeordnet hat.Womit sie meiner Meinung nach Recht hatte.
Was wäre ohne Intervention passiert ? Da kann man als Beispiel nur die UdSSR selbst
nehmen. Gorbatschow versuchte ab 1985 den Kommunismus zu refomieren, zu demokratisieren
und effizienter zu machen. Das Ergebnis ist bekannt : Zusammenbruch des Sozialismus,
Brachialeinführung des Kapitalismus ohne Rücksicht auf Veruste als Rettungsanker
vor dem Chaos.
In China wurde die Wirtschaft kapitalistisch, die Diktatur blieb ( und nennt sich absurderweise
immer noch "sozialistisch"). Dieser Weg wäre auch in der CSSR möglich gewesen,
aber das wäre doch wohl nicht im Sinne der Befürworter eines "Sozialismus mit menschlichen Antlitz" gewesen, oder ?
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Beitrag von Wallenstein Mi März 11, 2015 11:22 am

Es gab ein Schreiben von fünf hohen tschechoslowakischen Funktionären an Breschnew mit der Bitte um Intervention, auf den sich die Sowjets beriefen. Der wurde aber damals nicht veröffentlicht. Erst 1992 übergab Jelzin diesen Brief an Havel.
http://de.wikipedia.org/wiki/Einladungsbrief

Die DDR beteiligte sich nicht an der Intervention, obwohl sie dies wohl wollte. Den Sowjets erschien es aber zu heikel, deutsche Truppen in das Nachbarland einmarschieren zu lassen nach all dem, was im Zweiten Weltkrieg dort passiert war.
Ich erinnere mich daran, dass in den Westmedien zeitweilig behauptet wurde, die NVA sei an dem Einmarsch beteiligt gewesen. Das ist aber nicht korrekt.

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Beitrag von Marek1964 Mi März 11, 2015 1:01 pm

Wallenstein schrieb:Es gab ein Schreiben von fünf hohen tschechoslowakischen Funktionären an Breschnew mit der Bitte um Intervention, auf den sich die Sowjets beriefen. Der wurde aber damals nicht veröffentlicht. Erst 1992 übergab Jelzin diesen Brief an Havel.
http://de.wikipedia.org/wiki/Einladungsbrief

Es waren ZK Mitglieder - was eigentlich nicht so "hoch". Von diesem Schreiben ist aber kaum mehr zu halten, als der Zustimmung Háchas zum Protektorat 1939 - es hätte wohl eines Beschlusses der Regierung oder der Partei insgesamt bedurft, um wirklichen Legitimation für militärische Intervention. Eine reine Alibiübung.

In dem Brief wurde behauptet, der Parteiführung sei die Kontrolle entglitten und die Presse sei in die Hände der Konterrevolution gelangt.

Die DDR beteiligte sich nicht an der Intervention, obwohl sie dies wohl wollte. Den Sowjets erschien es aber zu heikel, deutsche Truppen in das Nachbarland einmarschieren zu lassen nach all dem, was im Zweiten Weltkrieg dort passiert war.
Ich erinnere mich daran, dass in den Westmedien zeitweilig behauptet wurde, die NVA sei an dem Einmarsch beteiligt gewesen. Das ist aber nicht korrekt.

Ich bin der Frage mal nachgegangen, es wurde auch behauptet, es sei von ostdeutscher Seite so gewollt gewesen. Jedenfalls leistete die NVA logistische Hilfe für die Rote Armee auf ihrem Territorium. So gesehen war der Bericht der westlichen Medien nicht ganz falsch und nicht ganz richtig. Dass Ulbricht einer der Befürworter der Intervention war ist unbestritten.
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Beitrag von Nemeth Mi März 11, 2015 1:26 pm

Marek1964 schrieb:,


Ich bin der Frage mal nachgegangen, es wurde auch behauptet, es sei von ostdeutscher Seite so gewollt gewesen. Jedenfalls leistete die NVA logistische Hilfe für die Rote Armee auf ihrem Territorium. So gesehen war der Bericht der westlichen Medien nicht ganz falsch und nicht ganz richtig. Dass Ulbricht einer der Befürworter der Intervention war ist unbestritten.

Die logistische Hilfe war ungefähr soviel, als wenn ein Salzstreuer umfällt.Es blieb der
"selbstständigen" DDR nichts weite übrig.
Doch was sehr oft vergessen wird , ein anderer Staat, der Besatzer der CSR im 2. Weltkrieg war.
war 1968 beim Einmarsch in die CSSR mit seinem Militär beteiligt.
Ungarn
Das soll auch bei diesem Thema seine "Würdigung" finden.
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Beitrag von Marek1964 Mi März 11, 2015 5:26 pm

Wallenstein schrieb:
Ich erinnere mich daran, dass in den Westmedien zeitweilig behauptet wurde, die NVA sei an dem Einmarsch beteiligt gewesen. Das ist aber nicht korrekt.

Radio Prag hatte das am 21. August 1968 um 1.55 Uhr allerdings auch berichtet. Von daher hatten die Westmedien guten Grund, anzunehmen, dass dem so gewesen ist. Diese Meldung habe ich im Kopf aus vielen Filmen.

http://www.rozhlas.cz/historie/1968/_zprava/482064

Es gelang ein Protest des ZK der KPČS aber eine Protesterklärung abzugeben in der die Intervention als den "Prinzipien der Beziehungen unter sozialistischen Ländern" widersprechend bezeichnnet wurde.
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Beitrag von Marek1964 Do März 12, 2015 8:51 pm

SarahF schrieb:Nein, der Prager Frühling hatte keine Chance, weil die UdSSR die Ereignisse
ganz klar als eine Entwicklung, die zur Abschaffung des Sozialismus geführt hätte, eingeordnet hat.Womit sie meiner Meinung nach Recht hatte.
Was wäre ohne Intervention passiert ? Da kann man als Beispiel nur die UdSSR selbst
nehmen. Gorbatschow versuchte ab 1985 den Kommunismus zu refomieren, zu demokratisieren
und effizienter zu machen. Das Ergebnis ist bekannt : Zusammenbruch des Sozialismus,
Brachialeinführung des Kapitalismus ohne Rücksicht auf Veruste als Rettungsanker
vor dem Chaos.
In China wurde die Wirtschaft kapitalistisch, die Diktatur blieb ( und nennt sich absurderweise
immer noch "sozialistisch"). Dieser Weg wäre auch in der CSSR möglich gewesen,
aber das wäre doch wohl nicht im Sinne der Befürworter eines "Sozialismus mit menschlichen Antlitz" gewesen, oder ?

Sehr guter Punkt, Sarah. Ja, das die Wirtschaft kapitalistisch geworden wäre, nicht aber der Rest der Gesellschaft, über diese Variante habe ich auch nachgedacht. Aber China war ein grosses, eigensändiges Land. Wohl auch im hohen Masse autark. Deshalb konnte es auch wirtschaftliche Entscheide selbständig fällen. Ob das die Tschechoslowakei hätte tun können? Die ganze Wirtschaft war ja im Rahmen des RGW (Comecon) verflochten, hier einfach kapitalistische Elemente reinzubringen? Muss ich mich selbst als Ökonom schlau machen.

Aber Du sprichst den "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" an - und das ist genau der Punkt. Das menschliche Antlitz führte auch dazu, dass man die Zensur aufhob - und das war das öffnen der Pandorabüchse. Auch kulturell blühte das Land auf, es wurden viele gute Filme gedreht, kritisch, gar allzu kritisch zur Epoche des Stalinismus. Gerade Wallenstein erwähnte ja in seinem Thread https://geschichte-forum.forumieren.de/t188-geheimrede-chruschtschows-februar-1956-uber-stalin-scheiterte-er-uber-seine-eigenen-plane, dass die Destalinisierung in der Sowjetunion nur sehr beschränkt gemacht wurde.

Die Tschechoslowakei, mit einer demokratischen Tradition, liess viel Kritik zu und so kam der Erdrutsch in Gang. Hier ein interessanter Film (Zusammenfassung) https://www.youtube.com/watch?v=LtZfSDjQKWs&list=PLI5Ex8SZWar7O41nTesNMuQ5B6BTY8QKJ, der jemanden, der sich einen Witz leistet, zur Zeit des Stalinismus zu Zwangsarbeit verurteilt. Das war dann halt wohl doch des guten zu viel aus Moskauer Sicht.
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Beitrag von Exmitglied-1 Fr Apr 03, 2015 12:08 pm

Dein link zu dem Film, Marek, hat mich sehr betroffen gemacht. Dazu muss man nicht mal tschechisch können, um das zu verstehen. Er zeigt das ganze menschenverachtende System des Sozialismus sowjetischer Prägung. Ich selbst habe - wenn auch in viel abgeschwächter Form - solche Methoden bei meinem Grundwehrdienst in der DDR Armee NVA spüren müssen. Dienst im Gebirgswinter, einer hatte keine Handschuhe dabei, dann durfte keiner Handschuhe anziehen. Waren das nicht KZ-Methoden?
Dann sollte man "Kämpfer" für dieses System werden? Der Kommunismus sowjetischer Prägung konnte doch nur mit Gewalt, Waffen, Stacheldraht und Zwang bestehen. Und das nicht erst seit Stalins, nein, bereits seit Lenins Zeiten! Nur damals hatte das Volk noch Hoffnung!
Im Jahre 1968 hatte man eigentlich kaum noch Hoffnung - nur noch Zwang. Das wollten Dubcek und seine Leute wieder in eine normale Lage zurück versetzen. Aber das war eben schon Moskau gegen den Strich. Moskau sah seine Vormachtsstellung in Gefahr, nachdem neben Jugoslawien nun auch Rumänien und Albanien von der Linie abwichen, mit China Differenzen bestanden und international der Reformkommunismus im Entstehen war.

Unter der Übermacht Sowjetunion starb auch der Glaube, die Überzeugung und die Grundtheorien vom Kommunismus.

So musste, um mit einem Bilde zu sprechen, der madige Apfel Sowjetkommunismus bis zur gänzlichen Fäule ausreifen, um dann 1990 vom Baume zu fallen, ohne dass noch irgendein etwas von der Frucht zu gebrauchen war.
Der Prager Frühling war der Versuch, die Made aus dem Apfel zu jagen. Aber das ist auch in der Natur noch nie geglückt. Und so war auch die Erneuerung - so schön es gewesen wäre - zum Scheitern verurteilt.

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Beitrag von Marek1964 Sa Apr 04, 2015 9:12 pm

Das war in der Tat so. Einzig wirtschaftlich wäre es denkbar gewesen, Reformen zu machen, aber dazu war die ČSSR ohnehin recht klein. Aber sobald es ins politische oder gesellschaftliche ging, konnte es nicht gut gehen.

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Beitrag von Marek1964 So Mai 31, 2015 1:24 pm

Eine Frage noch, welcher Rolle spielte der Prager Frühling im kalten Krieg? Böse gesagt: Keine besondere. Einer der vielen Beispiele von Widerstand ausserhalb der Sowjetunion gegen den Kommunismus.


Allerdings im Gegensatz zu den Beispielen DDR 1953, Ungarn 1956, Polen 1968 und 1980 gingen die Reformen von oben aus.


Für den Westen ein Beispiel, dass auch Reformen von oben letztlich keinen Erfolg haben - wenn sie nicht aus Moskau stammen.


Aber zurück zur Rolle - im Grunde genommen blieb der Westen tatenlos, ausser offizielleProtesten und viel spontaner Solidarität kam nichts, aber es konnte wohl auch nicht kommen. Der Status Quo war in dieser Regionicht tangierbar.


Über die Solidarität an den Sportplätzen hier https://geschichte-forum.forumieren.de/t398-tschechoslowakische-eishockeygeschichte#3335


Zuletzt von Marek1964 am So Mai 31, 2015 1:52 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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Beitrag von wfwbinder So Mai 31, 2015 1:48 pm

Ich denke, der Prager Frühling hat bei aller Sympathie mit der er im Westen beobachtet wurde, auch Befürchtungen ausgelöst.

Das Gleichgewicht des Schreckens im kalten Krieg war austariert. Man war sich einig uneinig zu sein.

Der Prager Frühling führte zu einer gewissen Unsicherheit. Durch ihn bestand das Risiko, dass dieses Gleichgewicht zerbrechen konnte und man befürchtete im Westen bestimmt auch, dass die Sowjets überreagieren könnten.

Ich stamme auch einer Gegend mit mehreren großen Truppenübungsplätzen und es war auffallend, dass die Militärtransporte sehr stark zunahmen. Ganze Bataillone, wenn nicht Divisionen wurden verlegt. Für uns damals ein Zeichen von Befürchtungen, dass die russischen Panzer nicht am Wenzelsplatz stoppen könnten, sondern noch eine Besuch in Nürnberg und Stuttgart machen könnten.
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Beitrag von Marek1964 So Mai 31, 2015 2:02 pm

Eine weitere Folge des Prager Frühlings und die niederschlagung hatte zur Folge, dass sich der Eurokommunismus bildete und sich endgültig von Moskau lossagte:

http://de.wikipedia.org/wiki/Eurokommunismus

Das aber war letzlich auch etwas, was den Status Quo im kalten Krieg in Europa zementierte - selbst die Kommunisten in Europa, die in Spanien, Italien und Frankreich stark waren, wandten sich endgütlig von der Sowjetunion ab.

So muss leider der Prager Frühling als ein Schritt im kalten Krieg bezeichnet werden, der die Zementierung der Verhältnisse bedeutete. Es sollte allerdings nicht vergessen warden, dass Rumänien sich nicht an der Intervention beteiligt - in der Folge eine unabhänige Linie folgte, wobei Ceausescu Alleinherrscher blieb, aber fortan vom Westen hofiert wurde.

Innerhalb des Sowjetblocks war es ein klares Zeichen, dass es mit den Reformen nicht zu weit gehen darf. Das ist dann auch in Ungarn oder Polen verstanden worden.
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Beitrag von Atzec Mi Jun 03, 2015 4:41 pm

In der an dieser Stelle durchaus plausiblen Marxschen Theorie erfolgt die Ablösung einer Gesellschaftsformation durch eine neue, also die Ablösung der Sklavenhaltergesellschaft durch den feudalismus, des feudaliismus durch den kapitalismus und eben des Kapitalismus durch den Sozialismus erst dann erfolgreich, wenn der Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der Produktonsverhältnisse derart sich entwickelt hat, dass die Produktionsverhältnisse zu einer Fessel für die weitere Entwicklung der produktivkräfte werden.

Retrospektiv liegt auf der Hand, dass der kapitalismus noch nicht andem Punkt angelangt ist, die Entwicklung der Produktivkräfte durch die Produktionsverhältnisse zu hemmen. Vielmehr stellen die kapitalistischen produktionsverhältnisse gerade auch in ihrem Bezug auf Demokratie, Menschenrechte, Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit, Recht auf Opposition und Minderheitenschutz immer noch die besten und effektivsten rahmenvoraussetzungen für gesellschaftliche Entwicklung dar. 
Optimalere Produktionsverhältnisse sind real weit und breit nicht auszumachen und schon gar nicht in Gestalt eines Sozialismus/Kommunismus. In dieser Hinsict ist der Stalinismus (Sowjetkommunismus) nichts weiter als die Ersetzung von Politik durch blanken Voluntarismus. Maßgeblich sind nicht mehr die tatsächlichen gegebenheiten und Möglichkeiten, sondern ein idealtypisch verklärtes Ziel, für dessen Realisierung aber eigentlich keine Mittel und bedingungen vorliegen.
Realitätsverweigernder Volutarismus an der macht muss aber zwangsläufig in katastropgen und letztlich im Untergang einmünden.

Insofern war der Prager Frühling tatsächlich nie eine Möglichkeit, den Stalinismus zu reformieren. Bezeichnenderweise waren seine Reformansätze auch nichts weiter, als der Versuch, zivigesellschaftliche Standards des "bösen" westlichen kapitalismus einzuholen. Der Zusammenbruch des "Sozialismus" wäre also nicht verhindert worden, sondern sein Ende nur um gut 20 Jahre vorgezogen worden.

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Beitrag von Atzec Mi Jun 03, 2015 4:57 pm

Marek1964 schrieb:Eine weitere Folge des Prager Frühlings und die niederschlagung hatte zur Folge, dass sich der Eurokommunismus bildete und sich endgültig von Moskau lossagte:

http://de.wikipedia.org/wiki/Eurokommunismus

So muss leider der Prager Frühling als ein Schritt im kalten Krieg bezeichnet werden, der die Zementierung der Verhältnisse bedeutete. Es sollte allerdings nicht vergessen warden, dass Rumänien sich nicht an der Intervention beteiligt - in der Folge eine unabhänige Linie folgte, wobei Ceausescu Alleinherrscher blieb, aber fortan vom Westen hofiert wurde.

Innerhalb des Sowjetblocks war es ein klares Zeichen, dass es mit den Reformen nicht zu weit gehen darf. Das ist dann auch in Ungarn oder Polen verstanden worden.
Nee, der Eurokommunismus ist vor allem der Versuch der westeuropäischen kommunistischen parteien gewesen, ihre partiell beachtliche Hegemoniefähigkeit unter der arbeitenden bevölkerung zu bewahren. In dem Maße, indem sich der Stalinismus jahrein, jahraus als unterlegen in jeder Hinsicht präsentierte (wirtschaftlich, sozial aber vor allem auch im Hinblick auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Oppositionsgarantie, Interessenpluralität etc.), konnte man immer wenige Staat mit dem sowjetischen "Vorbild" machen. Also brauchte man eigenständige Antworten auf die banale Frage, was eigentlich geschehen würde, wenn die Kommunisten in Westeuropa zu Regierungsverantwortung kämen...Der Prager Frühling verschärfte dabei zweifelsohne die notwenigkeit, darauf eine alternative Antwort zum "real existierenden Sozialismus" zu kreiieren...
Diese Zementierung währte ja nicht lange, gerade mal ein jahrzehnt. Dann formierte sich in Gestalt der Solidarnosc schon einer der Totengräbertruppen... :-)

Atzec

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Tschechoslowakei 1968: Hatte der Prager Frühling eine Chance? War der Kommunismus reformierbar? Hatten Reformversuche ausserhalb Moskaus eine Chance? Empty Ludvik Vaculik, der Verfasser des Manifests der 2000 Worte gestorben

Beitrag von Marek1964 Mo Jun 29, 2015 12:00 am

Ludvik Vaculik gestorben - bereits ein paar Tage her, ist der Verfasser des Manifests der 2000 Worte, Ludvík Vaculík, gestorben. Hier ein Artikel der neuen Zürcher Zeitung:

http://www.nzz.ch/feuilleton/schriftsteller-und-dissident-1.18557511
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Tschechoslowakei 1968: Hatte der Prager Frühling eine Chance? War der Kommunismus reformierbar? Hatten Reformversuche ausserhalb Moskaus eine Chance? Empty Re: Tschechoslowakei 1968: Hatte der Prager Frühling eine Chance? War der Kommunismus reformierbar? Hatten Reformversuche ausserhalb Moskaus eine Chance?

Beitrag von Marek1964 Di Jun 30, 2015 8:48 pm

Eine wahre Perle habe ich heute beim Recherchieren entdeckt, die die Rolle der DDR rund um die Intervention in der Tschechoslowakei beleuchtet:

http://www.herbst89.info/index.php/inhalte-cssr/205-ulbrichts-stalingrad

Besonders hörenswert der Aufruf des tschechoslowakische Rundfunk von České Budějovice (Budweis) an die "Soldaten der Deutschen Volksarmee". Zu finden etwa auf einem Drittel der Seite, unter dem Bild "Truppenbesuche in den Wäldern der DDR, 5.9.1968", links, mit einem Lautsprecher gekennzeichnet, dort anklicken.

In gutem Deutsch, aber klarem tschechischen Akzent, und kleinen Deutschfehlern:

Es spricht der tschechoslowakische Staatsrundfunk in České Budějovice. Achtung. Aufruf an die Soldaten der Deutschen Volksarmee. Deutsche Soldaten, kehrt zurück! Eure eigene sozialistische Heimat hat Euch notwendiger als wir. nieder mit einem neuen heimtückischen München. Ihr habt vergessen, dass Ihr im Lande steht, dass als erstes Asyl den Deutschen Antifaschisten im Jahre 1933 gegeben hat. Es lebt das Selbstbestimmungsrecht aller Völker, es lebt Freiheit und Sozialismus.


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Beitrag von Marek1964 Do Sep 01, 2016 10:24 pm

Anlässlich des Todes von Věra Čáslavská soll auch hier erwähnt werden, dass in Mexiko während den Olympischen Spielen - nur wenige Tage nach der Invasion - eine enorme Solidarität der tschechoslowakischen Sportlerdelegatgion zuteil wurde, währenddem die sowjetische gnadenlos ausgepfiffen wurde.

Auch hier eine Sympathikundgebung des Westens (resp. - Mexiko war glaube ich blockfrei?)

Hier der RIP Thread zu Věra Čáslavská - https://geschichte-forum.forumieren.de/t965-30-8-2016-vera-caslavska-gestorben#10225

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Beitrag von Marek1964 Mo Aug 20, 2018 9:58 pm

Heute nacht werden es exakt 50 Jahre seit der militärischen Intervention der Sowjetunion und der Staaten des Warschauer Paktes. Manche hatten ungemütliche Vorahnungen. Ein Cousin von mir, mit dem wir auf dem Lande waren, kommentierte den Fall einer Birne: Die Russen kommen.

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Tschechoslowakei 1968: Hatte der Prager Frühling eine Chance? War der Kommunismus reformierbar? Hatten Reformversuche ausserhalb Moskaus eine Chance? Empty War die NVA beteiligt ?

Beitrag von Nemeth Mi Aug 22, 2018 5:57 pm

In diesem Zusammenhang, der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, lese ich immer wieder daßdie NVA der DDR beteiligt war.

Ist dem so ? Warum werden Fakten verdreht ?

Die NVA lag zum Zeitpunkt der Invasion in den Wäldern des Erzgebirges-- zwar bereit zum Eingreifen-- aber keinen Meter auf dem Gebiet der CSSR.

Ulbricht wäre gern einmarschiert, doch Breschnew verbot es.

Auch heute macht es sich gur mit verdrehten Fakten zu hantieren.
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