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Hatte die Weimarer Republik eine Chance? War ihr Untergang, ihr Scheitern unvermeidlich?

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Beitrag von Marek1964 Mo Feb 02, 2015 7:15 pm

Eine Standardfrage in deutschen Schulen im Geschichtsunterricht ist, ob der Untergang der We

Hatte die Weimarer Republik eine Chance? War ihr Untergang unvermeidlich? Oder gab es Chancen? Wenn ja, welche und wann?

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Beitrag von Marek1964 Mi Feb 04, 2015 12:58 pm

Ich denke schon. Sowohl Hyperinflation als auch die Schwere der Wirtschaftskrise (siehe eine Frage hier weiter unten Verhalten-EInstellung der Allierten gegenüber dem DR) hätten bei besserer Wirtschaftspolitik verhindert werden können.

Ich habe mir manchmal auch vorgestellt, dass man die Niederlage von 1918 hätte besser verarbeiten müssen. Aber ob das unter den damaligen Umständen und üblichen Geisteshaltungen möglich war, ist fraglich. Aber "chancenlos" wäre auch das nicht gewesen, so denke ich mal. Hätten die Demokraten und "Erfüllungsparteien" bessere PR gemacht (sprich den Wählern die Gründe für die Niederlage von 1918, die Verantwortung des Kaisers und des Generalstabs für die Niederlage erklärt) hätten vielleicht Dolchstosslegenden und die Verbitterung über Versailles weniger Chancen gehabt. Und vor allem hätte man darauf hinweisen sollen, dass die Reparationen vielleicht hoch sind, aber demgegenüber Einsparungen auf der Seite der Rüstungsausgaben gegenzurechnen sind.

Ja, und hätte man Hitler nach seiner Entlassung aus Landsberg nach Österreich ausgewiesen wäre die Geschichte auch anders gelaufen. Hitler war rhetorisch seinen Gegnern klar überlegen und führte auch dank Goebbels den wirksamsten Wahlkampf.
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Beitrag von Nemeth Mi Feb 04, 2015 1:18 pm

Mit den ersten Teil gehe ich gerne mit, er findet auch meine Zustimmung.

Zu den Ausführengen des 2. Teils weniger.
In den historischen Entwicklungen haben wir mehr auf Namen gesetzt, als wie das
Ganze zu sehen. Wenn es die Zeit erforderte und reif war, so sind die Namen völlig austauschbar.
Natürlich kann Rhetorik, Geld , Beziehungen viel ausmachen, doch so denke ich die
Persönlichkeit, wir reden gerade von A.H., macht höchstens 5% aus.

Zu der Zeit wären die Menschen hinter jedem Besenstiel hinterhergerannt, wenn er ihnen solche Versprechungen
gemacht hätte.
Zudem waren es auch für politisch weniger Gebildete sehr einleuchtende Erklärungen, wer an
ihrem Misere schuld war.
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Beitrag von SarahF Mi Feb 04, 2015 5:00 pm

Wie sah es in anderen europäischen Ländern in den 30er Jahren aus ?
Siegte 1918 ff überall die Demokratie, so siegte in Folge der Welwirtschaftskrise
überall die Diktatur. Ob Lettland, Rumänien oder Portugal : Diktaturen allerorten.
Scheinbar war die Krise so schwer und wurde von den Menschen als so bedrohlich
empfunden, dass sie meingten, nur noch drakonische Maßnahmen würden das
völlige Entgleisen ins Chaos verhindern - und diese Maßnahmen, so dachten sie,
könnten nur von einer Diktatur verhängt und durchgeführt werden.
Auffällig auch, welche Länder NICHT in die Diktatur abglitten : sie hatten entweder
eine lange parlamentarisch-demokratische Tradition ( GB ) oder waren ökonomisch
entwickelter (Tschechoslowakei), i.d.R. sogar beides.
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Beitrag von Marek1964 Mi Feb 04, 2015 9:47 pm

SarahF schrieb:Wie sah es in anderen europäischen Ländern in den 30er Jahren aus ?
Siegte 1918 ff überall die Demokratie, so siegte in Folge der Welwirtschaftskrise
überall die Diktatur. Ob Lettland, Rumänien oder Portugal : Diktaturen allerorten.
Scheinbar war die Krise so schwer und wurde von den Menschen als so bedrohlich
empfunden, dass sie meingten, nur noch drakonische Maßnahmen würden das
völlige Entgleisen ins Chaos verhindern - und diese Maßnahmen, so dachten sie,
könnten nur von einer Diktatur verhängt und durchgeführt werden.
Auffällig auch, welche Länder NICHT in die Diktatur abglitten : sie hatten entweder
eine lange parlamentarisch-demokratische Tradition ( GB ) oder waren ökonomisch
entwickelter (Tschechoslowakei), i.d.R. sogar beides.

Fehlerhaft war die Geldpolitik, oder sagen wir Wirtschaftspolitik allgemein. Den starken Mann, wie das oft gesagt wurde, brauchte man nicht.

Die Schweiz, die Beneluxstaaten und die skandinavischen Länder hatten ja auch stabile Demokratien.

Die Tschechoslowakei - ja das war die einzige Demokratie in Mitteleuropa. Aber auch ihre Wirtschaftpolitik was suboptimal. Das werde ich irgendwann thematisieren.
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Beitrag von Klartext So Apr 05, 2015 9:33 am

Die Weimarer Republik hatte vor allem nur dann eine Chance gehabt, wenn man nicht so sehr dem verlorenen Weltkrieg nachgetrauert hätte und aus der Niederlage die richtigen Konsequenzen gezogen hätte.

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Beitrag von Exmitglied-1 So Apr 05, 2015 10:58 am

Die Weimarer Republik hatte keine Chance, weil ihre Grundvoraussetzungen bei ihrer Entstehung nicht gut waren und die sozialen Verhältnisse während ihres Bestehens denkbar schlecht, ja manchmal lebensbedrohlich waren.  

Zur Entstehung: Mit der Ausrufung zur Republik durch Scheidemann am 9.11.1918 begann faktisch die Weimarer Republik. Gleichzeitig rief auch Liebknecht eine sozialistische Republik aus. Das führte also unmittelbar nach dem Weltkrieg im kriegsmüden Deutschland schon zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, bis sich dann die „Scheidemannrepublik“ durchsetzte. Hätte sich damals die sozialistische  Version durchgesetzt, wäre es sicher bald mit dem Kommunismus aus gewesen. Denn die neuen Machthaber der jungen Republik mussten sich auch für die demütigenden Zustände durch die Reparationsforderungen  aus dem Versailler Vertrag verantworten. Dabei konnte sich die SPD schon damals derart verbiegen, dass sie Koalitionen auch mit ihr feindlichen Parteien einging.
Die Dolchstoßlegende entstand.
Überliefert ist, dass sich bei der ersten Sitzung der Weimarer Nationalversammlung der am 11.02.1919 zum Reichspräsidenten gewählte Friedrich Ebert eine horrende Monatssumme an Verdienst zuordnen wollte.
Diese Summe wurde ihm auch gewährt – aber als jährlicher Verdienst.
Naja, sozial geschickt ist die SPD bis heute nicht.

Zum Sozialen:
Man nehme als Beispiel die Inflation des Jahres 1923. Arbeitslosigkeit und Elend prägten den Alltag des überwiegenden Teiles des deutschen Volkes.
Man möge sich hineindenken: Wenn denn schon jemand  etwas Geld verdient hatte, so musste er es sofort wieder ausgeben, denn täglich, ja stündlich, verfiel das Geld ins Bodenlose und war nichts mehr wert. Also Sparen war überhaupt nicht möglich. Man musste das Geld sofort umsetzen in Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände. Aber wenn man ins Geschäft kam, war keine Ware da. Der Bäcker konnte kein Mehl beziehen und buk kein Brot. Manche verkauften ihren Besitz um zu überleben. Eine erzwungene Enteignung trat ein.
Das waren doch keine Zustände für ein bleibendes Gesellschaftssystem.
1925 beruhigten sich zunächst  die Missstände etwas unter Hindenburg. Aber zu den Wahlen traten um die 30 Parteien an, die jede eine kleine Klientel bedienten. Etwa die Hälfte davon saß dann im Parlament und die Debatten waren entsprechend.
Als dann auch kurzfristige amerikanische Kredite zurückgezogen wurden und der „Schwarze Freitag“ zu wirken begannen, ging es sozial wieder bergab und der Ruf nach einer starken Hand wurde unüberhörbar. Eine starke Hand, die den ganzen Parteienplunder zum Teufel jagen sollte……..

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Beitrag von wfwbinder So Apr 05, 2015 3:11 pm

Der Untergang der Weimarer Republik lag in den Altlasten, Fehlern in der Verfassung und den äußeren Umständen.

Einem solcher Einflüsse hätte man widerstehen können, allen dreien auf keinen Fall.

1. Schulden des Kaiserreiches durch den Krieg, die zur Inflation führten
2. Die fehlende 5 % Klausel, die zu einer Reihe von instabilen Regierungen führte
3. Die fehlende Unterstützung aus dem Ausland, sowie die Weltwirtschaftskrise.

Man bedenke den Unterschied zur Situation nach dem zweiten Weltkrieg. Die Wirtschaft im Inland war zerstört, die Infrastruktur ebenso, auch die Verschuldung war schlimmer als nach dem 1. Weltkrieg. Aber:

1. Das Grundgesetz sorgte für eine stabile Regierung
2. Die Währungsreform sorgte für wirtschaftliche Stabilität
3. Es wurden nicht nur die Schulden gestundet und Teilerlassen, sondern es gab Wiederaufbauhilfe durch den Marshallplan.

Nur 2 dieser Faktoren nach dem 1. Weltkrieg und Hitler hätte keine Chance gehabt.
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Beitrag von Klartext So Apr 05, 2015 7:50 pm

Ich frage mich allerdings nur eine Sache - hätte es nicht gereicht, dass Hindenburg nicht Hitler zum Reichskanzler ernannt hätte - die Krise war am abklingen, die Präferenzen der Stimmen für Hitler ebenfalls.

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Beitrag von wfwbinder So Apr 05, 2015 8:04 pm

Man hat sich da einfach verzockt, weil Papen annahm, er könne Hitler unter Kontrolle behalten.

Das die Krise am abklingen war, wusste die breite Masse nicht und konnte in der Situation auch nicht vermittelt werden. Man muss auch die Situation bedenken, mit offenen Schlägereien, zwischen Linken und Rechten Organisationen. Keine Regierung konnte richtig ins arbeiten kommen. Man hatte die Hoffnung erstmals eine stabile Regierung zu bekommen. Wie stabil die dann wurde, hatte man weder geahnt, noch wirklich befürchtet.
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Beitrag von Greyff Mo Apr 06, 2015 1:02 am

Hindenburg mochte Hitler nicht, der Grund war wahrscheinlich eine Mischung aus Standesdünkel und der Ablehnung einiger Vorstellungen der Nazis.
Der Reichspräsident war uralt und hätte 1932 auf gar keinen Fall noch einmal kandidieren dürfen. In seiner Senilität war er auf die Einflüsterungen seiner Umgebung angewiesen, vor allem seines Sohnes. Diese Herrschaften um Hindenburg hatten sich gründlich geirrt, indem sie meinten, Hitler als Werkzeug für die Umsetzung ihrer reaktionären Ideen gebrauchen zu können, ihn währenddessen unter Kontrolle zu halten und ihn dann nach Belieben abservieren zu können. Der Mohr hat seine Schuldigkeigt getan, der Mohr kann gehen. Eine krasse Fehleinschätzung !
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Beitrag von wfwbinder Mo Apr 06, 2015 11:31 am

Hindenburg war ja 1925 ein Verlegenheitskandidat gewesen. ER war Parteilos und wurde vorgeschlagen, weil es keinen anderen gab, auf den man sich einigen konnte.

Die Verhältnisse in der Weimarer Republik hatten die NSDAP zu so einer starken Partei gemacht, dass die anderen sich hätten einig sein müssen um eine stabile Regierung gegen Hitler zu bilden.

Da hätte wohl kaum ein starker Reichspräsident gereicht, um das zu ermöglichen. Nur eine Mittellinks-Regierung wäre möglich gewesen, aber die hätte sogar die DKP beinhalten müssen. Wohl ein Ding der Unmöglichkeit.
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Beitrag von Klartext Do Apr 09, 2015 12:21 am

Eine Frage, die ich mir stelle - hätte die 5% Hürde der Weimarer Republik was gebracht?

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Beitrag von wfwbinder Do Apr 09, 2015 9:00 am

Klartext schrieb:Eine Frage, die ich mir stelle - hätte die 5% Hürde der Weimarer Republik was gebracht?


Eine gute Frage, auf die es keine eindeutige Antwort geben kann.

Hier nochmal die Wahlergebnisse: https://de.wikipedia.org/wiki/Reichstagswahlen_in_Deutschland#Ergebnisse_1919_bis_1933

Wenn wir uns die Wahlergebnisse von 1924 bis 1933 ansehen, muss man feststellen:

Mit einer 5 % Klausel, wäre die NSDAP von Dez. 1924 - Sept. 1930 nicht im Reichstag gewesen

Bei der Wahl 1930 wären 141 von 577 Sitzen anders verteilt worden. Muss nicht zwingend gut sein, aber mehr Stabilität.

Ein grundsätzliche Problem, dass die beiden großen Blöcke, Links und extrem Rechts jeweils nicht eine Mehrheit bilden konnten und die gemäßigten zu zersplittert waren und sich dann am Schluss mit der NSDAP einließen.



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Beitrag von Moschusochse So Mai 07, 2017 4:11 pm

Mal eine Nachfrage: Welche Rolle spielte die Verfassung der Weimarer Republik? Man hat ja nach dem Zweiten Weltkrieg die 5% Klausel eingeführt, um eine zu starke Zersplitterung des Parteienspektrums zu verhindern. Was waren sonst die Vor- und Nachteile ver WV?
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Beitrag von ArnoldB. So Mai 07, 2017 7:36 pm

Moschusochse schrieb:Mal eine Nachfrage: Welche Rolle spielte die Verfassung der Weimarer Republik? Man hat ja nach dem Zweiten Weltkrieg die 5% Klausel eingeführt, um eine zu starke Zersplitterung des Parteienspektrums zu verhindern. Was waren sonst die Vor- und Nachteile ver WV?

Wenn man an der Weimarer Verfassung etwas bemängeln will, was die Beseitigung der Demokratie begünstigt hat, dann sind folgende Punkte zu nennen:


  • die Unausgewogenheit der Staatsgewalten, die dem Reichspräsidenten zuviel Macht gab;


  • die Schwäche der Legislative, des Parlamentes, die Regierung zu bestimmen und die Arbeit der Regierung umfassend zu kontrollieren;


  • die Schwächung der föderalen Mitbestimmung;


  • das Fehlen einer Verfassungsgerichtsbarkeit, die Verfassungsverstöße ahnden oder verfassungsfeindliche Parteien verbieten konnte.


Diese im Nachhinein erkennbaren Fehler der Weimarer Reichsverfassung hat das Grundgesetz beseitigt:


  • das Parlament bestimmt die Regierung; das konstruktive Misstrauensvotum garantiert immer das Vorhandensein einer Regierung;


  • die staatlichen Gewalten sind gut austariert, kontrollieren sich gegenseitig und sind aufeinander angeweisen, also zur Konsensfindung angehalten;


  • die Bundesländer haben erhebliche bundespolitische Mitspracherechte;


  • in Streitfällen und bei Verfassungsverstößen sowie über Verbote verfassungsfeindlicher Parteien entscheidet das Bundesverfassungsgericht.


MfG

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Beitrag von Marek1964 So Mai 07, 2017 11:04 pm

Gute Antwort, Arnold. Wenn man sich nun die Schwachstellen der Verfassung ansieht, so würde ich zwar noch nicht sagen, dass ein Scheitern damit vorprogrammiert war - aber es waren auch Schwächen, die Hitler zur Macht verhalfen.

Zum einen, wie Du es schreibst, demokratiefeindliche Parteien wie Nazis und KPD konnten gewählt werden und Demokraten waren bald einmal in der Minderheit.

Der Reichspräsident, Hindenburg, war auch kein Demokrat und konnte Hitler ernennen. Er ermöglichte nach dem Reichstagsbrand den SA Terror und die Verhaftung der Kommunisten. Damit ebnete er auch den Weg zum Ermächtigungsgesetz.

Sie war vielleicht nicht so schlecht, aber nicht gut genug, um die schwierigen Zeiten zu überstehen - vor allem wenn weitere Fehler gemacht wurden.

Hier ein recht guter Artikel von bpb.de: http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/grundgesetz-und-parlamentarischer-rat/39193/weimarer-verfassung


Zuletzt von Marek1964 am So Mai 07, 2017 11:47 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet

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Beitrag von van Kessel So Mai 07, 2017 11:41 pm

Vom Unsinn dieser Frage einmal abgesehen, denn: 'hätte, hätte, Fahrradkette', wäre es nicht zum 1. WK gekommen, hätte es die Weimarer Republik und den 2.WK nicht gegeben.

Zu der hypothetischen Fragestellung: Deutschland marschierte aus einem verlorenen Krieg mit 'klingendem Spiel'. Im Felde unbesiegt, wurde alsbald die 'Dolchstoßlegende' geboren. Dies war der Garboden, auf welchem eine hohe Arbeitslosigkeit, und eine Weltwirtschaftskrise, Wurzeln schlagen konnten. Da reichte schon ein mittelmäßiger Staatsschauspieler aus Österreich, den Rest zu besorgen.

Zu den irren Reparationsforderungen der Alliierten ist schon alles geschrieben worden. Sie hätten wissen müssen, dass Deutschland (als nicht allein Schuldiger am WKI), diese Belastungen nicht schultern konnte.

Deutschland hatte sich eigentlich schon saniert und war auf gutem Wege. Auch wenn das demokratische System nicht das Bestmögliche war (kleine und Kleinstparteien, Funktion des Präsidenten usw.), so war Deutschland recht erfolgreich mit seinem 'Made in Germany'.

Dann aber kamen die Zocker ins Spiel (wie auch wieder 2012) welche die Welt ins Unglück stürzte. Deutschland mit 800 Millionen Goldmark Schulden, blieb nur die Inflation. Brüning zauderte und als Konservativer, scheute er das Schuldenmachen (er hätte die inflationäre Arbeitslosigkeit, mit den Programmen, welche schon in der Schublade lagen (Autobahnbau, Kanalbau z.Bspl.), durchziehen können...aber er tat dies nicht.

Und so kam eben "hätte, hätte, Fahrradkette".

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Beitrag von Marek1964 Mo Mai 08, 2017 8:57 am

van Kessel schrieb:Vom Unsinn dieser Frage einmal abgesehen, denn: 'hätte, hätte, Fahrradkette', wäre es nicht zum 1. WK gekommen, hätte es die Weimarer Republik und den 2.WK nicht gegeben.

Ich finde diese Frage nicht unsinnig, gerade in einem Geschichte Forum. Wir setzen uns mit Geschichte auch so auseinander, wie sie hätte anders laufen können. Es gibt manchmal den Tenor, die Weimarer Republik hätte keine Chance gehabt und da denke ich, dass man das so sicher nicht sagen kann, wie in diesem Thread auch recht gut dargelegt und begründet wurde.

Zu der hypothetischen Fragestellung: Deutschland marschierte aus einem verlorenen Krieg mit 'klingendem Spiel'. Im Felde unbesiegt, wurde alsbald die 'Dolchstoßlegende' geboren. Dies war der Garboden, auf welchem eine hohe Arbeitslosigkeit, und eine Weltwirtschaftskrise, Wurzeln schlagen konnten. Da reichte schon ein mittelmäßiger Staatsschauspieler aus Österreich, den Rest zu besorgen.

Hitler würde ich nicht als mittelmässig bezeichnen, zumindest nicht für die Massstäbe von damals. Er war eine starke Persönlichkeit mit Vision - leider gab es keinen Widersacher auf Augenhöhe.

Zu den irren Reparationsforderungen der Alliierten ist schon alles geschrieben worden. Sie hätten wissen müssen, dass Deutschland (als nicht allein Schuldiger am WKI), diese Belastungen nicht schultern konnte.

Genau das ist ein Mythos, gegen den ich ankämpfe, seitdem ich mich in Geschichte Foren bewege. Die Reparationen betrugen jährlich gerade das, was zuvor an Kosten in einem Kriegsmonat entstanden sind. Da Deutschland nahezu abgerüstet war - die teueren Position wie Schiffe, Panzer und Flugzeuge hatte es ja nicht mehr - sparte es an Rüstungsausgaben. Damit hätte sich eigentlich ein Wirtschaftsaufschwung finanzieren lassen.

Es war ein cleverer Deutscher Wirtschaftsmann, der Keynes von der Unerträglichkeit der Reparationsforderungen überzeugt hat - Keynes ist da aber einer Manipulation aufgesessen. Habe da eine Quelle dazu, schaue dass ich sie heute Abend hier reinstelle.

Deutschland hatte sich eigentlich schon saniert und war auf gutem Wege. Auch wenn das demokratische System nicht das Bestmögliche war (kleine und Kleinstparteien, Funktion des Präsidenten usw.), so war Deutschland recht erfolgreich mit seinem 'Made in Germany'.

Durch die starken Sekundärtugenden war Deutschland immer schon wirtschaftsstark. Das war schon vor dem Ersten Weltkrieg so, ich kann mich an eine Geschichtsbuch erinnern, das Deutschland als "das wirtschaftlich stärkste, am besten verwaltete und am schlechsten regierte Land" bezeichnete.

btw, ich finde, das trifft in hohem Masse auch heute zu. Ein Professor, mit dem ich ein Paar emails austauschte, nennt die deutsche Politikerkaste degeneriert. Aber andere Länder haben auch das Problem, gerade auch die Frankreichwahl wurde von manchen als die Wahl zwischen Pest und Cholera genannt.

Dann aber kamen die Zocker ins Spiel (wie auch wieder 2012) welche die Welt ins Unglück stürzte. Deutschland mit 800 Millionen Goldmark Schulden, blieb nur die Inflation. Brüning zauderte und als Konservativer, scheute er das Schuldenmachen (er hätte die inflationäre Arbeitslosigkeit, mit den Programmen, welche schon in der Schublade lagen (Autobahnbau, Kanalbau z.Bspl.), durchziehen können...aber er tat dies nicht.

In der Tendenz stimme ich Dir zu, es ist allerdings auch zu bemerken, dass vor allem die Geldpolitik das Problem war. Man würgte die Wirtschaft mit zu restriktiver Geldpolitik ab.

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Hatte die Weimarer Republik eine Chance? War ihr Untergang, ihr Scheitern unvermeidlich? Empty Re: Hatte die Weimarer Republik eine Chance? War ihr Untergang, ihr Scheitern unvermeidlich?

Beitrag von van Kessel Di Mai 09, 2017 12:37 am

@Marek1964,
Ich finde diese Frage nicht unsinnig, gerade in einem Geschichte Forum. Wir setzen uns mit Geschichte auch so auseinander, wie sie hätte anders laufen können. Es gibt manchmal den Tenor, die Weimarer Republik hätte keine Chance gehabt und da denke ich, dass man das so sicher nicht sagen kann, wie in diesem Thread auch recht gut dargelegt und begründet wurde
.Sorry, das ist keine Geschichte, sondern fabulieren. Ein Anhänger der Kontingenz, könnte hunderte von Szenarien durchspielen, ohne je den 'Originalzustand' wieder herstellen zu können.
Hitler würde ich nicht als mittelmässig bezeichnen, zumindest nicht für die Massstäbe von damals. Er war eine starke Persönlichkeit mit Vision - leider gab es keinen Widersacher auf Augenhöhe.
eben Visionen, habe ich auch manchmal.
Genau das ist ein Mythos, gegen den ich ankämpfe, seitdem ich mich in Geschichte Foren bewege. Die Reparationen betrugen jährlich gerade das, was zuvor an Kosten in einem Kriegsmonat entstanden sind. Da Deutschland nahezu abgerüstet war - die teueren Position wie Schiffe, Panzer und Flugzeuge hatte es ja nicht mehr - sparte es an Rüstungsausgaben. Damit hätte sich eigentlich ein Wirtschaftsaufschwung finanzieren lassen.
du hast geflissentlich meine Zahl von 800 Millionen Goldmark überlesen. Die Deutschen hatten sich - auch privat - mit ihren Kriegsanleihen (auch Gold für Eisen) verschuldet. Der Nichtbau von Kriegsgerät kann nicht ernsthaft als Ersparnis verstanden werden, weil der Krieg ja nichts aus einem Haushalt, sondern aus Krediten finanziert wurde.
Es war ein cleverer Deutscher Wirtschaftsmann, der Keynes von der Unerträglichkeit der Reparationsforderungen überzeugt hat - Keynes ist da aber einer Manipulation aufgesessen. Habe da eine Quelle dazu, schaue dass ich sie heute Abend hier reinstelle.
och, da habe ich aus der FAZ etwas: Die Teilnahme am Ersten Weltkrieg finanzierte das deutsche Kaiserreich, indem Ersparnisse in Kriegsanleihen umgewandelt wurden. Von August 1914 bis zum März 1918 lieh sich das Kaiserreich insgesamt 98 Milliarden Mark durch Anleihen von seinen Bürgern und Unternehmen und weitere 86 Milliarden Mark durch kurzfristige Schatzanweisungen von Banken und von der Industrie. Deutschlands Schulden am Kriegsende betrugen ein Mehrfaches des jährlichen Bruttoinlandsprodukts von 1913. Allen Finanzexperten war klar, dass sich diese astronomischen Summen nur durch eine inflationäre Geldentwertung tilgen ließen.

Wer seine Kriegsanleihen gleich nach Kriegsende verkaufte, rettete lediglich ein Viertel seiner Geldanlage. 60 Prozent der Kriegsanleihenbesitzer gaben trotz der beschleunigten Inflation die Hoffnung auf eine Rückzahlung in Goldmark nicht auf und verloren alles in der Hyperinflation von 1923. Die Hyperinflation war keine "Steuer ohne Gesetz" (Milton Friedman), die alle Deutschen proportional zu ihrem Vermögen belastete, sondern eine ebenso große wie unsoziale Vernichtung und Umverteilung von Eigentum. Besitzer von Immobilien und Aktien überstanden den Krieg ohne Vermögenseinbußen, während die Sparer alles verloren.

Zu den Schulden aus der Finanzierung des Krieges kamen die Schulden aufgrund der angerichteten Kriegsschäden. Die Sieger verlangten Reparationen von Deutschland. Der Umgang mit diesen Verpflichtungen sollte späteren Generationen von Politikern und Ökonomen als negatives Fallbeispiel einer verfehlten Schuldenregelung dienen. Entgegen der Ansicht von Piketty erfüllte Deutschland seine Zahlungsverpflichtungen, solange sie wirtschaftlich tragbar waren. Während die Rückzahlung der Schulden über einen Zeitraum von 60 Jahren geplant war, waren die alliierten Gläubigerstaaten 1932 gezwungen, Deutschland seine restlichen Reparationsverpflichtungen zu erlassen. Es bestätigte sich die Warnung des britischen Ökonomen John Maynard Keynes, der schon 1921 vor einer zu hohen Belastung Deutschlands gewarnt hatte. Die Reparationen hatten Deutschlands schwere wirtschaftliche Depression nicht verursacht, aber es anfällig gemacht. Der Zusammenbruch des deutschen Bankensektors im Juli 1931 war nicht zuletzt eine Folge des chronischen deutschen Zahlungsbilanzdefizits.
Durch die starken Sekundärtugenden war Deutschland immer schon wirtschaftsstark. Das war schon vor dem Ersten Weltkrieg so, ich kann mich an eine Geschichtsbuch erinnern, das Deutschland als "das wirtschaftlich stärkste, am besten verwaltete und am schlechsten regierte Land" bezeichnete.
mit der Weimarer Republik seit 1918, hat sich aber einiges gewandelt, nicht wahr?
In der Tendenz stimme ich Dir zu, es ist allerdings auch zu bemerken, dass vor allem die Geldpolitik das Problem war. Man würgte die Wirtschaft mit zu restriktiver Geldpolitik ab.
bitte lese den FAZ-Artikel, denn "am Gelde hängt, zum Gelde drängt, doch Alles!"

PS: Geschiche im Konjunktiv birgt die Gefahr von 'Dolchstoßlegenden', daher halte ich von hypothetischen Erörterungen nicht allzu viel. Letzlich könnte man alles per Kontingenz-Theorie drehen wie einen in die Luft geschleuderten Pfannkuchen. Sehr schön ist dies ja im Film mit Jimmy Stewart vorgestellt worden: "Ist das Leben nicht schön"? Aber eben nur im Film.Smile


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Beitrag von ArnoldB. Mi Mai 10, 2017 7:21 pm

Marek1964 schrieb:Gute Antwort, Arnold. Wenn man sich nun die Schwachstellen der Verfassung ansieht, so würde ich zwar noch nicht sagen, dass ein Scheitern damit vorprogrammiert war - aber es waren auch Schwächen, die Hitler zur Macht verhalfen.

Ohne Frage hatte die Verfassung Schwächen, das habe ich aufgezeigt. Aber natürlich haben auch menschliche Schwächen eine erhebliche – wohl die erheblichste Wirkung entfaltet, die das Ende der Weimarer Demokratie besiegelt hat.

Zum einen, wie Du es schreibst, demokratiefeindliche Parteien wie Nazis und KPD konnten gewählt werden und Demokraten waren bald einmal in der Minderheit.

Der Reichspräsident, Hindenburg, war auch kein Demokrat und konnte Hitler ernennen. Er ermöglichte nach dem Reichstagsbrand den SA Terror und die Verhaftung der Kommunisten. Damit ebnete er auch den Weg zum Ermächtigungsgesetz.

Das ist wohl das Problem aller Demokratien: ein Wahlvolk mit zunehmend undemokratischen Neigungen. In Europa können wir in einigen Ländern diese Einstellung heute wieder „live“ beobachten.

Und wahrlich: Leute wie Hindenburg, seine Berater und Vertrauten, z. B. ein Dummkopf wie Papen, haben an der Demontage der Weimarer Demokratie an exponierter Stelle mitgewirkt. Hindenburg, der von Antidemokraten immer noch mit seinem Alter entschuldigt wird, wusste genau, was er tat!

Sie war vielleicht nicht so schlecht, aber nicht gut genug, um die schwierigen Zeiten zu überstehen - vor allem wenn weitere Fehler gemacht wurden.

Mit Verlaub: da muss ich Widerspruch anmelden. Die Verfassung selbst war defizitär, aber bot doch Möglichkeiten, die Demokratie zu verteidigen, auch gegen einen mächtigen Präsidenten.

Nehmen wir ein paar Beispiele zur Erläuterung:

- Regierungsbildung: Sie oblag dem Reichspräsidenten, der sowohl Kanzler und Minister ernannte oder entließ. Aber auch der Reichstag hatte nach Art. 54 das Recht, einzelnen Regierungsmitgliedern oder der ganzen Regierung das Misstrauen auszusprechen mit der Folge einer Rücktrittspflicht.

- Notverordnungen Art. 48: Von allen Notverordnungen musste der Reichspräsident dem Reichstag unverzüglich Mitteilung machen, der die Notverordnungen aufheben konnte.

- Verfassungsverstöße: Nach Art. 59 hätte der Reichstag das Recht gehabt, Reichspräsident, Reichskanzler und –minister vor dem Staatsgerichtshof wegen Verletzung der Reichsverfassung oder eines Reichsgesetzes anzuklagen. Er hat von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht – und konnte es letztlich auch nicht mehr.

Der entscheidende negative Punkt der Weimarer Verfassung war die diktatorische Machtbefugnis des Reichspräsidenten, den Reichstag aufzulösen und den Reichstag für längstens 90 Tage vollständig zu entmachten, um mit Kanzlern seiner Wahl zu regieren bzw. Notverordnungen nach Gutdünken zu erlassen. Zwar gab es ständige Ausschüsse, wenn der Reichstag nicht tagte oder aufgelöst war, aber deren Kompetenzen beschränkten sich lediglich auf „die Rechte von Untersuchungsausschüssen“ (Art. 35, 3), sodass sie dem Reichspräsidenten nicht in den Arm fallen konnten. Dies nutzen Hindenburg und seine demokratiefeindliche Umgebung am Ende der Weimarer Republik gewissenlos aus – und das war entscheidend für das Ende der Republik.

„Schlecht“ waren die Politiker, besonders die maßgebenden und machtvollen, die mit der Weimarer Verfassung in unverantwortlicher Pflichtvergessenheit ungebührlich umgegangen sind. Schlechte Politiker, unfähige Parteien, eine demokratisch unmündige Wählerschaft, das waren gemeinsam die Totengräber der Weimarer Republik! Die Verfassung selbst hat dabei nur eine untergeordnete Rolle gespielt, denn ohne fehlerhafte Menschen hätte auch die Weimarer Verfassung funktionieren können, hätten sich ihre Defizite nicht so furchtbar negativ ausgewirkt.

Wir sehen es auch heute: die Verfassung der USA hat über 200 Jahre ganz gut funktioniert, aber Präsidenten wie Bush iun. und jetzt dieser Dummkopf Trump weisen darauf hin, dass eine Verfassungsänderung die Macht des Präsidenten drastisch beschränken sollte! Immerhin haben die Deutschen aus ihrer Verfassungsgeschichte Lehren gezogen, mögen es die US-Amerikaner auch tun! Das wäre der Welt zu wünschen.

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Beitrag von Marek1964 Sa Mai 13, 2017 10:42 am

ArnoldBentheim schrieb:
Das ist wohl das Problem aller Demokratien: ein Wahlvolk mit zunehmend undemokratischen Neigungen. In Europa können wir in einigen Ländern diese Einstellung heute wieder „live“ beobachten.

Und wahrlich: Leute wie Hindenburg, seine Berater und Vertrauten, z. B. ein Dummkopf wie Papen, haben an der Demontage der Weimarer Demokratie an exponierter Stelle mitgewirkt. Hindenburg, der von Antidemokraten immer noch mit seinem Alter entschuldigt wird, wusste genau, was er tat!

Sie war vielleicht nicht so schlecht, aber nicht gut genug, um die schwierigen Zeiten zu überstehen - vor allem wenn weitere Fehler gemacht wurden.

Mit Verlaub: da muss ich Widerspruch anmelden. Die Verfassung selbst war defizitär, aber bot doch Möglichkeiten, die Demokratie zu verteidigen, auch gegen einen mächtigen Präsidenten.

Nehmen wir ein paar Beispiele zur Erläuterung:

- Regierungsbildung: Sie oblag dem Reichspräsidenten, der sowohl Kanzler und Minister ernannte oder entließ. Aber auch der Reichstag hatte nach Art. 54 das Recht, einzelnen Regierungsmitgliedern oder der ganzen Regierung das Misstrauen auszusprechen mit der Folge einer Rücktrittspflicht.

- Notverordnungen Art. 48: Von allen Notverordnungen musste der Reichspräsident dem Reichstag unverzüglich Mitteilung machen, der die Notverordnungen aufheben konnte.

- Verfassungsverstöße: Nach Art. 59 hätte der Reichstag das Recht gehabt, Reichspräsident, Reichskanzler und –minister vor dem Staatsgerichtshof wegen Verletzung der Reichsverfassung oder eines Reichsgesetzes anzuklagen. Er hat von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht – und konnte es letztlich auch nicht mehr.

Der entscheidende negative Punkt der Weimarer Verfassung war die diktatorische Machtbefugnis des Reichspräsidenten, den Reichstag aufzulösen und den Reichstag für längstens 90 Tage vollständig zu entmachten, um mit Kanzlern seiner Wahl zu regieren bzw. Notverordnungen nach Gutdünken zu erlassen. Zwar gab es ständige Ausschüsse, wenn der Reichstag nicht tagte oder aufgelöst war, aber deren Kompetenzen beschränkten sich lediglich auf „die Rechte von Untersuchungsausschüssen“ (Art. 35, 3), sodass sie dem Reichspräsidenten nicht in den Arm fallen konnten. Dies nutzen Hindenburg und seine demokratiefeindliche Umgebung am Ende der Weimarer Republik gewissenlos aus – und das war entscheidend für das Ende der Republik.

„Schlecht“ waren die Politiker, besonders die maßgebenden und machtvollen, die mit der Weimarer Verfassung in unverantwortlicher Pflichtvergessenheit ungebührlich umgegangen sind. Schlechte Politiker, unfähige Parteien, eine demokratisch unmündige Wählerschaft, das waren gemeinsam die Totengräber der Weimarer Republik! Die Verfassung selbst hat dabei nur eine untergeordnete Rolle gespielt, denn ohne fehlerhafte Menschen hätte auch die Weimarer Verfassung funktionieren können, hätten sich ihre Defizite nicht so furchtbar negativ ausgewirkt.

Nun ja, all das ,was Du schreibst bestätigt aber im Grunde genommen, dass die Verfassung doch Lücken bot, in die Hindenburg und Hitler gestossen sind. Sie haben nach dem Reichstagsbrand die Situation ausgenutzt, den Terror losgetreten und der Reichstag hat unter dem Druck dessen nachgegeben und sich entmächtigen lassen.

Oder gab es da noch eine Möglichkeit, nach dem Reichstagsbrand, das Unheil zu stoppen, wenn die Parteien, dem Ermächtigunsgesetz nicht zugestimmt hätten?

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Beitrag von van Kessel So Mai 14, 2017 4:50 pm

@Marek1964
Oder gab es da noch eine Möglichkeit, nach dem Reichstagsbrand, das Unheil zu stoppen, wenn die Parteien, dem Ermächtigunsgesetz nicht zugestimmt hätten?
fast war ich versucht zu schreiben, ja: einen Selbstmordattentäter!, aber dies hieße der Gewalt, eine Gegengewalt entgegen zu setzen. "Zu Dionys, dem Tyrannnen, schlich Damon den Dolch im Gewande...".

Das Zögern von Parteien in einer Demokratie, unterliegt immer einem starken Willen eines Einzelnen, oder einer fanatischen Gruppe. Ein Putsch der Reichswehr hätte die Dinge noch aufhalten können (rein theoretisch). Wir erleben gerade - wie in einem Dokumentarfilm - die Vorgänge und Funktionen, wie eine Diktatur sich installiert (in der Türkei).

Der Weg in den 'deutschen' Abgrung schien aber vorgezeichnet, weil das Ergebnis aus dem WK I, unweigerlich den WK II erforderte, weil die Frage: "wer ist die stärkste, europäische Kraft", nicht gelöst war (Eingreifen der USA verdeckte die Lösung dieser Frage).

Aber wie ich schon schrieb, ist Geschichte auch Kontingenz*, weshalb man eigentlich nur nachräglich aus der Form und Art von Dokumenten, Geschichte erklärbar, aber nicht ungeschehen machen kann.

* Kontingenz (Geschichtswissenschaft), die Vereinbarkeit von Kausalität und Offenheit der Geschichte (wikipedia)


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Beitrag von ArnoldB. Sa Mai 20, 2017 8:16 pm

Marek1964 schrieb:Nun ja, all das ,was Du schreibst bestätigt aber im Grunde genommen, dass die Verfassung doch Lücken bot, in die Hindenburg und Hitler gestossen sind. Sie haben nach dem Reichstagsbrand die Situation ausgenutzt, den Terror losgetreten und der Reichstag hat unter dem Druck dessen nachgegeben und sich entmächtigen lassen.

Oder gab es da noch eine Möglichkeit, nach dem Reichstagsbrand, das Unheil zu stoppen, wenn die Parteien, dem Ermächtigunsgesetz nicht zugestimmt hätten?

Ich habe ja Schwächen - nenne sie "Lücken" - der Weimarer Verfassung nicht in Abrede gestellt. Aber es waren doch Menschen, die diese "Lücken" nicht schließen wollten, sondern sie mit geradezu krimineller Energie für ihre Zwecke und Zielsetzungen ausgenutzt haben. Ich meine, dass man deshalb mehr den Menschen, die sie missbraucht haben, als der Verfassung selbst die Schuld am Scheitern der Weimarer Republik geben sollte.

Das Ermächtigungsgesetz wäre im Parlament nicht zu verhindern gewesen, denn weil die KPD-Abgeordneten und einige SPD-Abgeordneten fehlten, hätten die Nazis ohnedies alleine eine Mehrheit gehabt. Nur einer hätte diesem verbrecherischen Gesetz seine Zustimmung verweigern können: Reichspräsident Hindenburg! Aber er und seine Berater haben versagt und tragen erhebliche Schuld an der weiteren schlimmen Entwicklung!

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Beitrag von Marek1964 Sa Mai 20, 2017 11:38 pm

Naja, Arnold, ich verstehe Dich ja schon, aber die demokratischen Systeme haben doch zum Ziel, menschliche Schwächen zu minimieren. Das hat glaube ich doch schon Voltaire gesagt, die Monarchie ist dann besser, wenn sie einen guten Herrscher hat. Aber was wenn der Herrscher schlimm ist?

Und genau diese Machtkonzentration beim  Reichspräsidenten hätte man institutionell beschränken sollen. Ein gutes System der Gewaltenteilung verlässt sich eben nicht darauf, dass die Menschen "gut" sind, sondern dass der Machtmissbrauch verhindert wird.

Manche werden jetzt sagen, jetzt können wir gespannt sein, wie es in den USA weitergeht - schon einige Male wurde Trump von den Institutionen ausgebremst. Nun wird sogar von Absetzung gesprochen, dem Impeachment. Aber das ist ein Thema für den anderen Thread.

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