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Karl Marx und die “Asiatische Produktionsweise“

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Marek1964
Wallenstein
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Marx - Karl Marx und die “Asiatische Produktionsweise“ Empty Karl Marx und die “Asiatische Produktionsweise“

Beitrag von Wallenstein Fr Apr 10, 2015 11:37 am

In seinen Werken beschreibt Marx beiläufig die sogenannte „Asiatische Produktionsweise“. Die Ähnlichkeit dieses Systems mit dem späteren „Realen Sozialismus“ ist so verblüffend, das die Ideologen des offiziellen Kommunismus diesen Begriff in der Regel überhaupt nicht erwähnen. Die Parallelen sind aber erstaunlich und dies wurde von dem früheren Kommunisten und späteren Renegaten Karl August Wittfogel, sowie von dem westdeutschen Studentenführer Rudi Dutschke und dem DDR-Dissidenten Rudolf Bahro herausgearbeitet.

Marx schreibt in einem Vorwort 1859: „In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als fortschreitende Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden.“ K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, S.9.

Um Klassenherrschaften zu bestimmen, stellt sich Marx die Frage: Wer beherrscht die entscheidenden Produktionsmittel und den durch sie geschaffenen Mehrwert? In der Antike, im Feudalismus und in der bürgerlichen Gesellschaft sind es die Privateigentümer, aber in der asiatischen Gesellschaft?

Hier lässt uns Marx im Unklaren:
..In jenen frühen Produktionsweisen waren die Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit denen der Kaufmann handelt, der Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat (d.h. der orientalische Despot.“ (Marx, Kapital, Bd. III, S. 343, Berlin 1960)

Während Marx in den beiden ersten Fällen Klassen benennt, spricht er am Beispiel des Orients vom Staat beziehungsweise von einer einzelnen Person. Nur eine Ungenauigkeit?

Marx beschreibt die dörflichen Gemeinden, die in Indien auf dem Gemeinschaftseigentum beruhen „…in dem die wirklichen Gemeinden nur als erbliche Besitzer auftreten, aber die zusammenfassende Einheit, die über allen diesen kleinen Gemeinwesen steht, als der höhere Eigentümer oder als der einzige Eigentümer erscheint, die im Despoten realisiert ist als dem Vater der vielen Gemeinwesen.“ Marx, Grundrisse, s.376 Berlin 1960

Auch hier wird wieder nur eine einzelne Person benannt, keine Klassen. Marx spricht von der allgemeinen Staatssklaverei im Orient, der Staat ist Obereigentümer des wichtigsten Produktionsmittel, dem Grund und Boden ist. Woher kommt diese starke Stellung des Staates? Marx erklärt dies mit Naturbedingungen:

„Klimatische und territoriale Verhältnisse, besonders die weiten Wüstenstriche, die sich von der Sahara quer durch Arabien, Persien, Indien und die Tatarei bis an das höchste asiatische Hochland ziehen, bedingten künstliche Berieselung durch Kanäle und Wasserwerke, die Grundlage der orientalischen Landwirtschaft. Wie in Ägypten und Indien, werden Überschwemmungen auch in Mesopotamien, Persien und anderen Ländern nutzbar gemacht, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu steigern; hoher Wasserstand wird zur Speisung von Bewässerungskanälen ausgenutzt. Die unbedingte Notwendigkeit einer sparsamen und gemeinschaftlichen Verwendung des Wassers, die im Okzident, z.B. in Flandern und Italien, zu freiwilligem Zusammenschluß privater Unternehmungen führte, machte im Orient, wo die Zivilisation zu niedrig und die territoriale Ausdehnung zu groß war, um freiwillige Assoziationen ins Leben zu rufen, das Eingreifen einer zentralisierenden Staatsgewalt erforderlich. Hierdurch wurde allen asiatischen Regierungen eine ökonomische Funktion zugewiesen, die Funktion, für öffentliche Arbeiten zu sorgen. Diese künstliche Fruchtbarmachung des Bodens, die vom Eingreifen einer Zentralregierung abhängt und sofort in Verfall gerät, wenn diese Regierung Bewässerung und Dränierung vernachlässigt, erklärt die sonst verwunderliche Tatsache, daß wir heute ganz große Gebiete wüst und öde finden, die einstmals glänzend kultiviert waren, so Palmyra und Petra, die Ruinen im Jemen und weite Landstriche in Ägypten, Persien und Hindustan; sie erklärt auch, wie ein einziger Verwüstungskrieg imstande war, ein Land auf Jahrhunderte zu entvölkern und es seiner ganzen Zivilisation zu berauben.“
Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 9, S. 127-133 Karl Marx, Die britische Herrschaft in Indien

Diese Erklärung mag uns zunächst einmal genügen. Aber noch immer wissen wir nicht, wer denn die herrschende Klasse in diesem System ist. Nur einmal wird sie von ihm erwähnt
„Die Notwendigkeit, die Perioden der Nilbewegung zu berechnen, schuf die ägyptische Astronomie und mit ihr die Herrschaft der Priesterkaste als Leiterin der Agrikultur“. K. Marx, Das Kapital I, Berlin 1960, S.78

Hier wird endlich Klartext gesprochen. Während Marx sonst die herrschende Klasse mystifiziert, in dem er allgemein vom Staat spricht oder einer einzelnen Person, dem Despoten, so benennt er jetzt die Herrscher dieser Welt. Es ist eine Bürokratie, eine Funktionselite. Sie sind aber nicht Privateigentümer, sondern nur Verwalter. Es gibt also Klassengesellschaften auch ohne Privateigentum.

Marx schildert in der „asiatischen Produktionsweise eine Klassengesellschaft, in der die Macht der Herrscher nicht auf Privateigentum beruht, sondern auf ihrer Funktion im Produktionsprozess. Genau das ist aber in der „asiatischen Produktionsweise“ der Fall, eine Bürokratie, eine Funktionselite, beherrscht alles. Dem Staat mit dem Despoten an der Spitze gehören die Produktionsmittel, die Bürokratie verwaltet sie. Die Parallelen zum „Realen Sozialismus“ sind verblüffend. Rudolf Bahro schreibt zu Recht von der „Industriellen Despotie“, dem modernen Ebenbild der alten „Asiatischen Produktionsweise“. Die Elite im Sozialismus kontrolliert den Produktionsapparat, der jetzt aus der Industrie besteht, nicht mehr aus dem Grundeigentum.

Hat Marx möglicherweise selber gemerkt, dass seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen auf eine Neubelebung der orientalischen Despotie hinauslaufen können? Hat er sich deshalb nicht weiter über die Bürokratie geäußert und nirgendwo klar herausgearbeitet? Wir werden es nie erfahren.

Stalin hat allerdings gemerkt, dass hier ein Problem vorliegt. 1931 wurde von ihm offiziell die „berüchtigte Theorie der asiatischen Produktionsweise“ verurteilt und verdammt und ersatzlos aus dem Kanon des Marxismus-Leninismus gestrichen.

Wallenstein
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Beitrag von Marek1964 Sa Apr 11, 2015 1:29 pm

Wallenstein schrieb:
Stalin hat allerdings gemerkt, dass hier ein Problem vorliegt. 1931 wurde von ihm offiziell die „berüchtigte Theorie der asiatischen Produktionsweise“ verurteilt und verdammt und ersatzlos aus dem Kanon des Marxismus-Leninismus gestrichen.

Hochinterassant. Wovor hatte da Stalin Angst?
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Beitrag von Wallenstein So Apr 12, 2015 11:58 am

Marek1964 schrieb:
Wallenstein schrieb:
Stalin hat allerdings gemerkt, dass hier ein Problem vorliegt. 1931 wurde von ihm offiziell die „berüchtigte Theorie der asiatischen Produktionsweise“ verurteilt und verdammt und ersatzlos aus dem Kanon des Marxismus-Leninismus gestrichen.

Hochinterassant. Wovor hatte da Stalin Angst?  

Das wissen wir natürlich nicht genau. Meine Theorie:

Stalin sah die große Ähnlichkeit seines Regimes mit der „asiatischen Produktionsweise“. Er konnte eine Theorie nicht dulden, die davon ausgeht, dass sich in einer Gesellschaft, in der alles dem Staat gehört, eine neue herrschende Klasse in Form einer Bürokratie herausbilden könnte. Das hätte unweigerlich zu einer Diskussion über den Charakter der sowjetischen Bürokratie geführt und die war in den zwanziger Jahren bereits voll entbrannt. Lenin, der die Theorie von Marx noch teilte, hatte auch wiederholt vor einer „asiatischen Restauration“ in Russland gewarnt. Stalin wollte alle Denkansätze in dieser Richtung vollständig eliminieren.

Der frühere Kommunist Wittfogel vertritt noch eine andere Auffassung: Stalin begann in den zwanziger Jahren damit, ein primitives Stadien-Schema zu entwickeln, um die Weltgeschichte zu erklären. Demzufolge gab es zuerst die klassenlose Urgesellschaft. Aus der begann sich das Privateigentum zu entwickeln und durchlief verschiedene Stadien. Zuerst gab es die Sklavenhaltergesellschaft, dann den Feudalismus, danach den Kapitalismus. Am Ende setzt sich dann der Sozialismus durch, in dem das Privateigentum wieder beseitigt wird. Dieses Schema suggeriert eine strenge Gesetzmäßigkeit in der Geschichte, die zwangsläufig zum Sozialismus führt. Die asiatische Produktionsweise passt aber in dieses Schema nicht hinein und wurde von Stalin deshalb für falsch erklärt. Kurzerhand bezeichnete er alle asiatischen Länder von Indien bis China für feudal, damit seine Theorie wieder stimmt.

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Beitrag von Klartext So Apr 12, 2015 12:40 pm

Interessante Diskussion, hervorragende Beiträge, Wallenstein. Ich schreibe ja eher weniger, umso wichtiger, auch mal positives Feedback zu geben. Weiter so.

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Beitrag von Exmitglied-1 So Apr 12, 2015 6:34 pm

Interessant, Wallenstein! :-)
Könntest du bei Stalin bitte den Artikel angeben, wo ich das nachlesen kann? Das wäre ganz nett von dir.

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Beitrag von Wallenstein Mo Apr 13, 2015 10:18 am

segula schrieb:Interessant, Wallenstein! :-)
Könntest du bei Stalin bitte den Artikel angeben, wo ich das nachlesen kann? Das wäre ganz nett von dir.

Stalins Theorie über die Weltgeschichte findet sich unter anderem in dem Werk:
GESCHICHTE DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI DER SOWJETUNION (BOLSCHEWIKI)
KAPITEL IV
Menschewiki und Bolschewiki in der Periode der Stolypinschen Reaktion. Formierung der Bolschewiki zu einer selbständigen marxistischen Partei
(1908-1912)
Über dialektischen und historischen Materialismus
Berlin 1951 http://www.stalinwerke.de/geschichte/geschichte-021.html

Ich zitiere hier einen Ausschnitt:

"Die Geschichte kennt fünf Grundtypen von Produktionsverhältnissen: die Produktionsverhältnisse der Urgemeinschaft, der Sklaverei, des Feudalismus, des Kapitalismus, des Sozialismus.

In der Urgemeinschaft war die Grundlage der Produktionsverhältnisse das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln. Dies entspricht im Wesentlichen dem Charakter der Produktivkräfte in jener Periode. Die Steinwerkzeuge sowie Bogen und Pfeil, die später aufkamen, schlossen die Möglichkeit aus, dass der Kampf mit den Naturkräften und wilden Tieren von einzelnen allein geführt werde. Um Früchte im Walde zu sammeln, in den Gewässern Fischfang zu treiben, irgendeine Behausung zu bauen, sind die Menschen genötigt, gemeinsam zu arbeiten, wenn sie nicht Hungers sterben, wilden Tieren oder benachbarten Gemeinschaften zum Opfer fallen wollen. Die gemeinsame Arbeit führt zu Gemeineigentum an den Produktionsmitteln ebenso wie an den erzeugten Produkten. Hier ist der Begriff des Privateigentums an den Produktionsmitteln noch unbekannt, wenn wir absehen von dem persönlichen Eigentum an einzelnen Produktionsinstrumenten, die zugleich Waffen zur Verteidigung gegen wilde Tiere sind. Hier gibt es keine Ausbeutung, keine Klassen.

In der auf Sklaverei beruhenden Gesellschaftsordnung ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das Eigentum des Sklavenhalters an den Produktionsmitteln, aber auch an dem Produzenten, dem Sklaven, den der Sklavenhalter verkaufen, kaufen, töten kann wie ein Stück Vieh. Derartige Produktionsverhältnisse entsprechen im Wesentlichen dem Stand der Produktivkräfte in jener Periode. An Stelle der Steinwerkzeuge hatten die Menschen jetzt Metallwerkzeuge zu ihrer Verfügung, an Stelle der armseligen und primitiven Jagdwirtschaft, die weder Viehzucht noch Ackerbau kannte, kamen Viehzucht, Ackerbau, Handwerk und die Arbeitsteilung unter diesen Produktionszweigen auf, kam die Möglichkeit des Austausches von Produkten zwischen einzelnen Personen und Gemeinschaften auf, die Möglichkeit der Anhäufung von Reichtümern in den Händen weniger, die tatsächliche Anhäufung von Produktionsmitteln in den Händen einer Minderheit, die Möglichkeit einer Unterwerfung der Mehrheit durch eine Minderheit und der Verwandlung der Angehörigen dieser Mehrheit in Sklaven. Hier gibt es bereits keine gemeinsame und freie Arbeit aller Mitglieder der Gesellschaft im Produktionsprozess, hier herrscht die Zwangsarbeit von Sklaven, die von den nichtarbeitenden Sklavenhaltern ausgebeutet werden. Daher gibt es auch kein Gemeineigentum an den Produktionsmitteln sowie an den erzeugten Produkten. Es wird abgelöst durch das Privateigentum. Hier erscheint der Sklavenhalter als der erste, der grundlegende vollwertige Eigentümer.

Reiche und Arme, Ausbeuter und Ausgebeutete, Vollberechtigte und Rechtlose, heftiger Klassenkampf zwischen ihnen - das ist das Bild der auf Sklaverei beruhenden Gesellschaftsordnung.

In der Feudalordnung ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das Eigentum des Feudalherrn an den Produktionsmitteln und beschränktes Eigentum an dem Produzenten, dem Leibeigenen, den der Feudalherr zwar nicht mehr töten darf, den er aber verkaufen und kaufen kann. Neben dem Feudaleigentum existiert- das individuelle Eigentum des Bauern und des Handwerkers an den Produktionsinstrumenten und an seiner auf persönlicher Arbeit beruhenden privaten Wirtschaft. Derartige Produktionsverhältnisse entsprechen im Wesentlichen dem Stand der Produktivkräfte in jener Periode. Weitere Verbesserung der Gewinnung und Verarbeitung des Eisens; Verbreitung des eisernen Pfluges und des Webstuhls; weitere Entwicklung des Ackerbaus, der Gartenwirtschaft, des Weinbaus, der Ölgewinnung; das Aufkommen von Manufakturbetrieben neben den Werkstätten der Handwerker - das sind die charakteristischen Kennzeichen des Standes der Produktivkräfte.

Die neuen Produktivkräfte erfordern, dass der Arbeitende eine gewisse Initiative in der Produktion und Lust zur Arbeit habe, in gewissem Maße an der Arbeit interessiert sei. Darum verzichtet der Feudalherr auf den Sklaven, als auf einen Produzenten, der nicht an der Arbeit interessiert und jeder Initiative bar ist, und zieht es vor, mit dem Leibeigenen zu tun zu haben, der eine eigene Wirtschaft, eigene Produktionsinstrumente hat und der in gewissem Maße an der Arbeit interessiert ist, was notwendig ist, um den Boden zu bestellen und aus seinem Ernteertrag dem Feudalherrn Naturalabgaben zu leisten.

Das Privateigentum erfährt hier eine weitere Entwicklung. Die Ausbeutung ist fast ebenso grausam wie unter der Sklaverei, sie ist nur ein wenig gemildert. Der Klassenkampf zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten bildet den Grundzug der feudalen Gesellschaftsordnung.

In der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln ohne Eigentum an den Produzenten, den Lohnarbeitern, die der Kapitalist weder töten noch verkaufen kann, denn sie sind frei von persönlicher Abhängigkeit, sind aber der Produktionsmittel beraubt und, um nicht Hungers zu sterben, gezwungen, ihre Arbeitskraft an den Kapitalisten zu verkaufen und das Joch der Ausbeutung auf ihrem Nacken zu tragen. Neben dem kapitalistischen Eigentum an den Produktionsmitteln besteht das Privateigentum des von fronherrlicher Abhängigkeit befreiten Bauern und Handwerkers an den Produktionsmitteln, das auf persönlicher Arbeit beruht und in der ersten Zeit weit verbreitet ist. An Stelle der Werkstätten der Handwerker und der Manufakturbetriebe sind große, mit Maschinen ausgerüstete Fabriken und Werke aufgekommen. An Stelle der Adelsgüter, die mit primitiven bäuerlichen Produktionsinstrumenten bestellt werden, sind große kapitalistische Wirtschaften aufgekommen, die auf der Grundlage der agronomischen Technik betrieben werden und mit landwirtschaftlichen Maschinen versehen sind.

Die neuen Produktivkräfte erfordern, dass die Produzenten auf höherer Kulturstufe stehen und anstelliger seien als die eingeschüchterten und unwissenden Leibeigenen, dass sie fähig seien, die Maschine zu verstehen und richtig mit ihr umzugehen. Darum ziehen die Kapitalisten die von feudalen Fesseln freien Lohnarbeiter vor, die auf hinreichend hoher Kulturstufe stehen, um mit den Maschinen richtig umzugehen.

Aber indem der Kapitalismus die Produktivkräfte bis zu kolossalen Ausmaßen entwickelte, verstrickte er sich in Widersprüche, die für ihn unlösbar sind. Dadurch, dass der Kapitalismus immer mehr Waren produziert und die Warenpreise senkt, verschärft er die Konkurrenz, ruiniert er die Massen der kleinen und mittleren Privateigentümer, verwandelt er sie in Proletarier und verringert ihre Kaufkraft, wodurch es unmöglich wird, die produzierten Waren abzusetzen. Dadurch, dass der Kapitalismus die Produktion erweitert und Millionen Arbeiter in gewaltigen Fabriken und Werken zusammenballt, verleiht er dem Produktionsprozess gesellschaftlichen Charakter, wodurch er seine eigene Basis untergräbt, da der gesellschaftliche Charakter des Produktionsprozesses gesellschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln erfordert, während das Eigentum an den Produktionsmitteln privatkapitalistisch bleibt, was mit dem gesellschaftlichen Charakter des Produktionsprozesses unvereinbar ist.

Diese unversöhnlichen Gegensätze zwischen dem Charakter der Produktivkräfte und den Produktionsverhältnissen tun sich in periodischen Überproduktionskrisen kund, in deren Verlauf die Kapitalisten, die infolge des von ihnen selbst verursachten Ruins der Massen der Bevölkerung keine zahlungsfähige Nachfrage finden, gezwungen sind, Produkte zu verbrennen, fertige Waren zu vernichten, die Produktion stillzulegen, Produktivkräfte zu zerstören, indessen Millionen der Bevölkerung gezwungen sind, unter der Arbeitslosigkeit und dem Hunger zu leiden, nicht weil es an Waren mangelt, sondern weil zuviel Waren produziert worden sind.

Dies bedeutet, dass die kapitalistischen Produktionsverhältnisse aufgehört haben, dem Stand der Produktivkräfte der Gesellschaft zu entsprechen und in unversöhnlichen Gegensatz zu ihnen geraten sind.

Dies bedeutet, dass der Kapitalismus mit der Revolution schwanger geht, die berufen ist, das gegenwärtige kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln durch das sozialistische Eigentum zu ersetzen.

Dies bedeutet, dass der schärfste Klassenkampf zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten den Grundzug der kapitalistischen Gesellschaftsordnung bildet.

In der sozialistischen Gesellschaftsordnung, die vorerst nur in der Sowjetunion verwirklicht ist, ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln. Hier gibt es keine Ausbeuter und keine Ausgebeuteten mehr. Die erzeugten Produkte werden nach der Arbeitsleistung verteilt gemäß dem Prinzip: „Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.“ Die Wechselbeziehungen der Menschen im Produktionsprozess haben hier den Charakter kameradschaftlicher Zusammenarbeit und sozialistischer gegenseitiger Hilfe von Produzenten, die von Ausbeutung frei sind. Hier befinden sich die Produktionsverhältnisse in voller Übereinstimmung mit dem Stande der Produktivkräfte, denn der gesellschaftliche Charakter des Produktionsprozesses wird untermauert durch das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln."

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Beitrag von Exmitglied-1 Mo Apr 13, 2015 1:16 pm

Danke Wallenstein für die prompte Bedienung!

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Beitrag von Atzec Mo Apr 13, 2015 1:49 pm

Ja, mir gefällt das Intro von Wallenstein auch sehr gut! Ein schöner Überblick über Marx Äußerungen zur asiatischen Produktionsweise. Bei denen fällt aber sofort ins Auge, dass sie doch recht "blutleer", wenig kenntnisreich und sehr oberflächlich anmuten. Das ist auch nicht sonderlich verwunderlich, da der akademische Kenntnisstand über die Gesellschaften Asiens und Nordafrikas zum damaligen Zeitpunkt noch sehr dürftig gewesen sein dürften. Für mich hat der Begriff eher etwas von einer Plastiktüte, in die alles hineingepfercht wird, von dem man nicht so genau weiß, wohin damit. :-)
Und was ist an der Produktionsweise spezifisch "asiatisch"? Zu den angeführten Merkmalen passten auch sehr gut die lateinamerikanischen Gesellschaften der Mayas, Inkas oder Azteken. Jedenfalls das, was man über die so weiß. Und weil das zu Marxens Zeiten wohl auch noch deutlich weniger war, wurde es halt eine asiatische Produktionsweise.
Ansonsten hat mit dem Begriff auch ...jemand zur Erklärung des Stalinismus operiert, den ich mal selber interviewt habe...herrjeh...ein in Köln lebender, der als Privatdozent an der Uni Bochum gelehrt hat... ein DDR-Dissident, ein marxistischer Kritiker des Stalinismus... maaaan...Moment...seufz, ich werde echt alt... Leo Kofler meine ich. :-) Dunkel erinnere ich mich daran, dass der Begriff bei ihm auch eine Rolle spielt, um den Stalinismus zu erklären.
Grundsätzlich würde ich wiederum gegen den Versuch, den Stalinismus mit diesem Begriff zu erklären, einwenden, dass man nicht wirklich Aussicht auf ein tieferes Verständnis eines historischen Phänomens des 20. Jahrhunderts hat, wenn man an ihn Begrifflichkeiten heranträgt, mit dem man Phänomene aus dem Zeitraum vor unserer Zeitrechnung beschreibt...
Ins Auge springt zum Beispiel der Unterschied zwischen den Funktionseliten der asiatischen Produktionsweise und denen des Stalinismus. Die ersteren nutzen ihre Stellung, um sich persönlich zu bereichern, die letzteren nicht.

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Beitrag von Moschusochse Mo Apr 20, 2015 10:47 pm

Atzec schrieb:
Ins Auge springt zum Beispiel der Unterschied zwischen den Funktionseliten der asiatischen Produktionsweise und denen des Stalinismus. Die ersteren nutzen ihre Stellung, um sich persönlich zu bereichern, die letzteren nicht.

Interessante Diskussion.
Meinst Du, dass die Stalinisten sich nicht bereichert haben? Die Proletarier der Extraklasse oder wie die sich nannten?
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Beitrag von Lux:-? Sa Okt 31, 2015 5:50 am

Ja, MO,
damals noch nicht, denn das hatten sie nicht nötig, sie bekamen, was sie benötigten und als Revolutionäre hatten sie eher geringe Ansprüche. Spätestens in den 80ern (in Ansätzen vermutlich schon eher) entstanden aber durchaus solche Seilschaften, die unter Jelzin dann sehr schnell sehr reich wurden.
Die 'asiatische Produktionsweise' zeichnet sich tatsächlich durch das aus, was Wallenstein beschrieben hat. Auch die Verallgemeinerung von Priesterkaste auf Bürokratie ist berechtigt. Im alten Ägypten kontollierte die Ammon-Priesterschaft zuletzt ca 80% der ägyptischen Wirtschaft. Genau deren wachsenden Einfluss hatte einst Echn-Aton zu beenden gesucht, indem er eine neue Staatsreligion mit noch schwacher, von ihm abhängiger Priesterschaft schuf. Aber das altägyptische Modell ist eher das eines 'Staates im Staat', denn der Herrscher hatte natürlich noch seine eigene Bürokratie.
So war's auch im alten China, das keine Macht neben der kaiserlich-bürokratischen duldete. In Indien war's ähnlich, aber deutlich zesplitterter und damit uneinheitlicher. Hier war eine Grundlage der Macht schon durch das Kastenwesen begründet, das interessanterweise heute genauso die kapitalistische Entwicklung stützt - die niederen Kasten sind es seit JahrTsden gewohnt, sich in ihr Schicksal zu fügen. Dagegen gab's im alten China mehrere Bauernaufstände, immer dann, wenn die Bürokratie verfiel (Ursache: idR schwache Kaiser im Verbund mit wachsender Korruption der Mandarine). Aber im Prinzip konnte fast jeder nach entsprd Ausbildung Beamter werden, sogar Ausländer wie Marco Polo. Das war dann später im Osmanischen Reich auch nicht anders, was viele mittelalterliche Abenteurer aus ganz Europa anzog (Karriere!). Schon Dschingis Khan hatte die Macht des traditionellen Stammesadels gebrochen und Krieger nach Verdienst, nicht nach Herkunft befördert. Das ist in Europa nicht passiert. Der Stammesadel behielt und genoss seine Privilegien bis zur bürgerlichen Revolution. Mitunter entstand auch ein neuer, quasi bürgerlicher Adel wie in GB, hier auch begünstigt dadurch, dass sich der Altadel in den Rosenkriegen gegenseitig fast ausgelöscht hatte.
Marx/Engels hatten sich auf diese, europäische Entwicklung hin zum Kapitalismus, dessen Funktionsweise und Wurzeln sie erforschten, konzentriert. Die asiatische PW kam folglich, auch als, aus europäischer Sicht, urzeitlich angesehen, nur in Ansätzen vor. In ihr war der Einzelne idR frei, aber der Dorfgemeinschaft verpflichtet und von der Zusammenarbeit in ihr abhängig. Alle Gemeinschaften unterstanden der Zentralgewalt. Das galt übrigens im Prinzip auch für Russland, nur sind hier immer wieder westliche Einflüsse eingesickert. Am größten wurden sie dann unter den Bolschewiki, denn der Gedanke der sozialistischen Revolution wurde von dort importiert. In der Folge mussten die theoretisch-ökonomischen Voraussetzungen dieser Revolution im Nachhinein geschaffen werden, was auch zu Lenins NÖP führte. Stalin hat die in gesteuert-kapitalistischen Kernteilen schnell wieder abgeschafft. Unter Jelzin kam alles wieder, nur planlos ungesteuert und folglich staatszerstörerisch ausufernd (Schwäche der Bürokratie!). Das hat erst Putin beenden können. Immer, wenn in Russland solche Schwächen der Bürokratie auftraten, hat letztlich die an der Basis überlebende asiatische PW das Land gerettet. So ist es auch heute wieder. Das wurde im Westen nie richtig verstanden, denn der technisch-ökonomische Überbau sieht auch nicht viel anders aus als dort. Das Gleiche darf im Prinzip für das heutige China gelten.
Asiatische PW ist nicht nur die ältere, sondern auch aus andauernder Tradition eine alternative PW und gesellschaftliche Organisation. Die Ähnlichkeiten zu bestimmten Erscheinungen des Realsozialismus mögen der stalinistischen Einflussnahme geschuldet sein, wobei das offenbar ursprünglich gar nicht so beabsichtigt war. Der bürokratische Zentralismus erinnert aber stark daran. Kann man mal sehen, wie stark Traditionen, auch fremde, sein können!
Übrigens entwickeln sich Gemeinschaften mit dieser PW langsamer, aber auch stabiler. Nach jeder Krise und Restauration des Systems wird auf einer etwas höheren Stufe fortgefahren. Man darf auch nicht vergessen, dass es hier schon in alter Zeit um wesentlich größere Bevölkerungen als in Europa ging. Das mag diese Entwicklung ausgelöst bzw diese Form bewahrt haben - sie hatte sich bewährt. Und Russland ist hierbei das Bindeglied zwischen West und Ost, evtl eine wirtschaftliche Zwischenform bzw ein Hybrid und nicht zuletzt deshalb wichtig für die Zukunft der Menschheit (die nordeurasische Landmasse wird bei kommenden klimatologischen Änderungen und Ressourcenverknappungen als am stabilsten eingeschätzt).
Lux :-?

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