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Juli und August 1914 – Verrat der SPD? Oder nachvollziehbarer Kurswechsel? Russlands Bedrohung?

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Beitrag von Wallenstein Sa Mai 23, 2015 3:40 pm

Am 4.August 1914 erklärte sich die SPD-Fraktion im Reichstag damit einverstanden, ihre Zustimmung für die Aufnahme von Kriegskrediten zu erteilen, mit denen der Krieg finanziert werden sollte. Die Mitsprache bei Haushaltsfragen war eine der wenigen Kompetenzen, die der damalige Reichstag ausüben konnte. Nach heftigen internen Debatten einigten sich die Abgeordneten auf eine Resolution, die von dem Fraktionsvorsitzenden Haase vorgetragen wurde. Seine Rede ist unklar, er nennt keine Schuldigen und übt keine Kritik an der deutschen Regierung. Ursache für den Krieg sei das „imperialistische Wettrüsten“, der Konflikt würde wie eine „Sturmflut“ über den Kontinent hereinbrechen, als ob es sich um eine Art Naturkatastrophe handeln würde. Vorrangig ginge es nun darum, die deutsche Kultur vor dem russischen Despotismus zu schützen.

Hier kann man seine Rede nachlesen
http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=816&language=german


Der Zustimmung folgte die Burgfriedenspolitik. Die SPD wollte für die Dauer des Krieges jede innenpolitische Auseinandersetzung seitens der Arbeiterschaft vermeiden und notfalls aktiv unterbinden. Für die Linken in der sozialistischen Bewegung, wie Rosa Luxemburg oder Lenin, war diese Politik Verrat und Kapitulation vor dem Imperialismus.

Schon vor 1914 hatte es überall in Europa in den sozialistischen Parteien Strömungen gegeben, die darauf drängten, sich auf eine Reformpolitik zu beschränken, den Sozialismus als Ziel aufzugeben und auf Zusammenarbeit mit den herrschenden Kreisen zu bauen. Mächtige Parteiapparate drängten nach vorne und wollten die Arbeiterparteien regierungsfähig machen.
Siehe: https://geschichte-forum.forumieren.de/t433-entstehung-von-oligarchien-in-parteien#3681

Paul Sering erklärt den Erfolg dieser neuen Strategie wie folgt:
„Je mehr Erfolg die Arbeiterbewegung selbst in der Hebung des Lebensstandards und Selbstbewusstsein der arbeitenden Massen erzielt, je stärkeren Anteil nehmen die arbeitenden Menschen am gemeinsamen Kulturgut ihrer Nation und am weiteren Kulturgut der Menschheit in seiner besonderen nationalen Ausprägung. Und je größere Bedeutung auf der anderen Seite der nationale Staat für die materielle Existenz der Völker gewinnt, umso größere Bedeutung gewinnen die nationalen Unterschiede in ihrem Bewusstsein. Internationale Konflikte, die die Macht dieses Staates zur Durchsetzung seiner Politik oder gar seiner Existenz bedrohen, erscheinen den Völkern als Bedrohung ihrer unmittelbaren materiellen Interessen.“
Paul Sering, Jenseits des Kapitalismus, Bonn 1980, Seite 79

Im Laufe der Zeit haben die verschiedenen Interessengruppen im Staat sich eine ganze Reihe von Vorteilen in ihrer Existenz erkämpft. Eine staatliche Sozialpolitik, wichtige Rechte errungen, einen gewissen Lebensstandard durchgesetzt. Diese Vorteile will man um jeden Preis verteidigen.

Es ist gerade die Verbindung von materiellen Interessen mit dem Bewusstsein der nationalen Eigenart, der Abhängigkeit vom Staat mit dem Bewusstsein, in diesem Staat gewisse Rechte zu besitzen und seine Forderungen durchsetzen zu können, das dem Nationalismus in seiner letzten Phase eine so verheerende Durchschlagskraft verleiht. Die Gefühlswerte der gemeinsamen Tradition, Sprache und Kultur und der Stolz auf die eigenen Rechte und Errungenschaften verschmilzt mit dem Gefühl der Abhängigkeit der eigenen materiellen und physischen Sicherheit von der Stärke des Staates, in dem man diese Rechte ausübt, aber auch mit der billigen Geringschätzung der anderen Völker und der leicht zu weckenden Bereitschaft, sich auf ihre Kosten zu bereichern.“
Paul Sering, 1980, Seite 79

Anders als Marx glaubte, haben die Arbeiter sehr wohl ein Vaterland und waren bereit, dafür auch die Arbeiter anderer Staaten abzuschlachten. Die SPD hat diesen Krieg nicht gewollt, hat ihn aber auch nicht verhindert und dem Staat geholfen, dieses mörderische Blutbad vier Jahre durchzuhalten. Verhindern hätte sie diesen Krieg sicherlich nicht, aber ihn praktisch vorbehaltlos bis zum bitteren Ende zu unterstützen, das erscheint auch nicht als richtige Strategie.

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Beitrag von Gontscharow So Mai 24, 2015 2:59 pm

Natürlich war es ein Verrat am zuvor jahrzehntelang gepredigten "Internationalismus".
Fairerweise sollte aber auch darauf hingewiesen, daß die Arbeiterparteien der anderen
kriegsführenden Länder sich genau so verhalten haben.
Diese Zustimmung zu den Kriegskrediten brachte aber auch den schon lange währenden
Konflikt zwischen Reformern und Revolutionären zum Ausbruch - USPD und KPD entstanden in Deutschland. Vielleicht wäre das auch ohne den I.Weltkrieg passiert, jedenfalls war die Zustimmung fast aller SPD-Reichstagsabgeordneten eine Steilvorlage für die Parteilinken.
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Beitrag von Rübezahl So Mai 24, 2015 4:16 pm

Als Italien im September 1911 der Türkei den Krieg erklärt, hat ein gewisser Benito Mussolini, damals noch Sozialist, bevor er Nationalsozialist wurde, mit allen Mitteln dagegen gekämpft. Er wurde sogar verhaftet, weil er Demonstrationen organisiert hatte, um die mit Kriegsgütern zu den Häfen rollenden Züge aufzuhalten. Drei Jahre später war derselbe "Sozialist" Mussolini einer der eifrigsten Befürworte des italienischen Eintrittes in den Krieg, und auch heute sind die Sozialisten in Italien wieder extrem nationalistisch. Es wiederholt sich also alles.

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Beitrag von Moschusochse So Mai 24, 2015 11:40 pm

Meine Frage ist: Wie sehr wussten die Sozialdemokraten, dass Deutschland keinen Verteidigungskrieg geführt hat - wie das der Kaiser behauptete - sondern, dass hier wirklich der Krieg gewollt war? Konnten sie das wissen?
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Beitrag von SarahF Di Mai 26, 2015 12:30 pm

Das dürften die Sozialdemokraten seinerzeit kaum gewusst haben,
selbst Kaiser Wilhelm II. war davon überzeugt, "mitten im Frieden vom Feind überfallen" worden zu sein, wie es in seiner Ansprache zum Kriegsausbruch sagte. Und so ganz eindeutig die Kriegsschuld auch für den ersten Weltkrieg alleine Deutschland in die Schuhe zu schieben, ist selbst bei frnzösischen und britischen Historikern nicht mehr en vogue.
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Beitrag von Wallenstein Di Mai 26, 2015 1:14 pm

Moschusochse schrieb:Meine Frage ist: Wie sehr wussten die Sozialdemokraten, dass Deutschland keinen Verteidigungskrieg geführt hat - wie das der Kaiser behauptete - sondern, dass hier wirklich der Krieg gewollt war? Konnten sie das wissen?

Die SPD ging 1914 wohl davon aus, des es sich um einen Verteidigungskrieg handeln würde. In den nächsten Monaten entwickelten die Militärs ab großangelegte Eroberungspläne. Das kann den Sozialdemokraten nicht entgangen sein.

Am 19.Juli 1917, nach dem Scheitern des U-Boot-Krieges und dem amerikanischen Kriegseintritt wird ein Sieg der deutschen Waffen nicht sehr wahrscheinlich. In dieser Situation verkünden die Opposition im Reichstrag, die SPD, Zentrum und die Liberalen, eine international verbreitete Friedensresolution. Hier lesen wir:

Wie am 4. August 1914 gilt für das deutsche Volk auch an der Schwelle des vierten Kriegsjahren das Wort der Thronrede: „Uns treibt nicht Eroberungssucht“. Zur Verteidigung seiner Freiheit und Selbständigkeit, für die Verteidigung seines territorialen Besitzstandes hat Deutschland die Waffen ergriffen.
Der Reichstag erstrebt einen Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frieden sind erzwungene Gebietserwerbungen und politische, wirtschaftliche oder finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar.
Der Reichstag weist auch alle Pläne ab, die auf eine wirtschaftliche Absperrung und Verfeindung der Völker nach dem Kriege ausgehen. Die Freiheit der Meere muss sichergestellt werden. Nur der Wirtschaftsfriede wird einem freundschaftlichen Zusammenleben der Völker den Boden bereiten.
Der Reichstag wird die Schaffung internationaler Rechtsorganisationen tatkräftig fördern. Solange jedoch die feindlichen Regierungen auf einen solchen Frieden nicht eingehen, solange sie Deutschland und seine Verbündeten mit Eroberungen und Vergewaltigungen bedrohen, wird das deutsche Volk wie ein Mann zusammenstehen, unerschütterlich ausharren und kämpfen, bis sein und seiner Verbündeten Recht auf Leben und Entwicklung gesichert ist.
In seiner Einigkeit ist das deutsche Volk unüberwindlich. Der Reichstag weiß sich darin eins mit den Männern, die in heldenhaftem Kampf das Vaterland schützen. Der unvergängliche Dank des ganzen Volkes ist ihnen sicher.


Quelle: Friedensresolution des Reichstages vom 19. Juli 1917, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, XIII LP, II Sess., Anlagen, 321. Band, S. 1747.

Auch jetzt geht die SPD von einem Verteidigungskrieg aus. Aber das ist verlogen. Im Frühjahr 1918 diktiert das Deutsche Reich in Brest-Litowsk den Russen einen vernichtenden Friedensvertrag mit großen Annektierungen. Diesen Vertrag hätte die SPD scharf verurteilen müssen. Stattdessen enthält sie sich bei der Abstimmung im Reichstag der Stimme. Das Zentrum und die Liberalen stimmen sogar zu.

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Beitrag von Atzec Di Mai 26, 2015 7:53 pm

Vermutlich gehören wir her alle Generationen an, für die erstmals in der deutschen Geschichte der Krieg ein theoretisches Abstraktum ist und allenfalls eine historische Erzählung verkörpert. Und selbst Leute wie ich, der noch als Wehrpflichtiger so eine ganz grobe, ungefähre Ahnung von "Krieg" praktisch bekommen konnte, gehört mittlerweile zu einer auststerbenden Spezies in Deutschland. :-) Unser Zeitgeist ist geprägt von Kriegsabstinenz, unbedingtem Friedenswillen, einem klaren Bekenntnis zu nichtmilitärischen Optionen von internationaler Konfliktbewältigung und einem quasipazifistischen Grundkonsens. Das ist weitgehend so ja auch völlig in Ordnung. Und da ist es auch fraglos schwer, Verständnis für die Haltung der damaligen Sozialdemokratie zu entwickeln. Aber geschichtliche Ereignisse retrospektiv aus heutiger Sicht zu bewerten, die selber überhaupt erst das Resultat der empirisch vorgegebenen geschichtlichen Entwicklung ist, finde ich weiterin unwissenschaftlich und unseriös. Ich kann auch keinerlei Erkenntniszuwachs daraus gewinnen, dass man zur Qualifizierung der damaligen sozialdemokratischen Haltung auf rhetorische Kampfbegriffe einer politischen Strömung zurückgreift, die ca. ein Vierteljahrhundert später gemeinsame Sache mit den deutschen Faschisten macht, gemeinschaftlich mit diesen den 2. Weltkrieg startet und um daran auch nicht das leiseste Quentchen Kritik aufkommen zu lassen die komplette Führung der PVAP ermorden lässt und tausende exilierter deutscher Kommunisten an der deutsch-sowjetischen Demarkationslinie in Polen der SS und dem KZ-Terror überstellt.
Die damalige Stimmung vor dem ersten Weltkrieg ist von deutschtümelnder, nationalistisch-begeisterter Kriegseuphorie erfüllt. Die macht damals auch keinen Bogen um die Sozialdemokratie und ihre Anhängerschft. Antikriegspositionen wie sie z.B. die "Zimmerwälder Linke" proklamiert,fristen damals lediglich das marginalisierte Dasein eines weitestgehend einflusslosen Sektiererhaufens.
Das ex-post inszenierte Propagandagesülze vom "Verrat" der deutschen Sozialdemokratie hat die damaligen Zeitgenossen bei den Januarwahlen 1919 zur verfassungsgebende Versammlung auch nicht davon abgehalten, die SPD mit 37 % zur stärksten politiischen Kraft zu wählen. Die hatten offensichtlich andere Vorstellungen von "Verrat"... :-)

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Beitrag von Klartext Di Mai 26, 2015 10:08 pm

Der Verrat bestand darin, dass man sich von der Idee der internationalen Solidarität und dem Widerstand oder doch zumindest der kritischen Distanz zu den herrschenden Schichten entfernte und den Krieg mal mehr, mal weniger, aber doch unterstützte.

Dass das Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kritisierte, ist zumindest verständlich, diese sahen das damals schon als "Verrat" - zeitgenössisch.

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Beitrag von Atzec Di Mai 26, 2015 11:59 pm

Um etwas zu verraten, insbesondere Prinzipien, hätten die allerdings geteilter Generalkonsens sein müssen. Dann könnte man vielleicht von "Verrat" polemiseren. Geteilter und verallgemeinerungsfähiger Generalkonsens der deutschen Bevölkerung war aber nicht der proletarische Internationalismus, sondern die deutschtümelnde, nationalistische Kriegseuphorie, die von einem raschen Sieg des deutschen Militärs ausging. Remarque hat u.a. dieser Stimmung ein literarisches Denkmal in Gestalt von "Im Westen nichts Neues" gesetzt.
Dieses Gebot internationaler Solidarität der Arbeitenden gegen den herrschenden Imperilaismus ist normativer Voluntarismus einer isolierten Sektierergruppe gewesen, die sich als Avantgarde kraft überlegener Einsicht in den Fortgang der Geschichte wähnte und dafür später noch ganz andere Prinzipien locker über Bord warf...
Und schon Luxemburg und Liebknecht sind da nicht ganz frei von bigotter Heuchelei, denn militärische Optionen der politischen Konfliktbewältigung standen auch diese beiden weit nachsichtiger gegenüber, wenn es nur dem eigenen Machstreben förderlich war, wie sich im Abenteurertum des Januaraufstands zeigte...

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Beitrag von Gontscharow Mi Mai 27, 2015 11:08 am

Wir kennen alle die Bilder der "Kriegseuphorie" vom Sommer 1914 - in Deutschland ebenso wie in den anderen kriegsführenden Ländern.
Diese Bilder sind aber Teil der auch damals schon die Medien beherrschenden Propaganda - mittels Zensur. Ich habe vor einigen Jahren am Beispiel eines kleinen Ortes in Deutschland - typisch für viele andere Orte dieser Zeit im deutschen Kaiserreich - die Untersuchung eines Soziologen gelesen, die sich damit beschäftigte, wie die Kriegsbegeisterung denn nun wirklich aussah. Diese war vor allem bei der Mittel- und Oberschicht verbreitet ( diejenigen, die ohnehin in ihrer Einstellung auch schon vor dem I.Weltkrieg "deutschtümelnd" und chauvinistisch waren, so wie von atzec beschrieben). Die "kleinen Leute" waren da zurückhaltender, fürchteten aus unheilvoller Erfahrung, die ihnen von den vorhergehenden Generationen übermittelt worden war und ganz sicherlich auch dank eigener Erfahrungen mit den Ungerechtigketen der herrschenden Schichten, die diese fortgesetzt an ihnen gegangen haben,
daß es wiederum sie - die "kleinen Leute" sein würden, die die Zeche zu bezahlen hätten. Also die Hauptlast des Krieges tragen mußten - unabhängig vom Ausgang - während sich die aus den oberen Schichte stammenden Offiziere ein schönes Leben im Casino machten. Solche Schilderungen gibt es zuhauf aus dem I.Weltkrieg - und wiederum aus allen kriegsführenden Ländern, teilweise weitaus schlimmer als in der deutschen Armee ( die flämischen Soldaten, die die französischsprachihgen Offiziere nicht verstanden und als Kanonenfutter verheizt wurden / die unerträgöiche Arroganz und Überheblichkeit, gepaart mit Unfähigkeit, der italienischen Offiziere, hier in einem anderem Thema von Rübezahl beschrieben, etc etc ).
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Beitrag von Rübezahl Mi Mai 27, 2015 11:28 am

Auch der "Verrat" der Sozialisten an ihrem internationalen Ideal ist kein rein deutschen Phänomen, sondern hat alle kriegsführenden Länder ergriffen. Und nach dem Krieg haben sich dann viele Sozialisten noch mehr zu Nationalsozialisten gewandelt.

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Beitrag von Wallenstein Mi Mai 27, 2015 2:58 pm

Bemerkenswert ist der Aufruf des Parteivorstandes der SPD kurz vor Ausbruch des Krieges. Da klingt es noch völlig anders. Um so erstaunlicher dann  die Wendung am 4.August.
Ob die weiter unten im Text vom 25. Juli vorgenommene  Analyse nun richtig ist oder nicht. In seiner Rede am 4.August erwähnt Haase nichts von diesen Dingen. Weder kritisiert er Österreich noch die deutsche Regierung. Stattdessen spricht er von dem Weltkrieg wie von einer Naturkatstrophe, obwohl in dem Aufruf vom 25.Juli 1914 sehr klar Roß und Reiter benannt werden.


Aufruf des Vorstands der SPD am 25. Juli 1914


Aufruf!

Noch dampfen die Äcker auf dem Balkan von dem Blute der nach Tausenden Hingemordeten, noch rauchen die Trümmer verheerter Städte, verwüsteter Dörfer, noch irren hungernd arbeitslose Männer, verwitwete Frauen und verwaiste Kinder durchs Land, und schon wieder schickt sich die vom österreichischen Imperialismus entfesselte Kriegsfurie an, Tod und Verderben über ganz Europa zu bringen. Verurteilen wir auch das Treiben der großserbischen Nationalisten, so fordert doch die frivole Kriegsprovokation der österreichisch-ungarischen Regierung den schärfsten Protest heraus. Sind doch die Forderungen dieser Regierung so brutal, wie sie in der Weltgeschichte noch nie an einen selbständigen Staat gestellt sind, und können sie doch nur darauf berechnet sein, den Krieg geradezu zu provozieren.

Das klassenbewußte Proletariat Deutschlands erhebt im Namen der Menschlichkeit und der Kultur flammenden Protest gegen dies verbrecherische Treiben der Kriegshetzer.

Es fordert gebieterisch von der deutschen Regierung, daß sie ihren Einfluß auf die österreichisch Regierung zur Aufrechterhaltung des Friedens ausübe und, falls der schändliche Krieg nicht zu verhindern sein sollte, sich jeder kriegerischen Einmischung enthalte. Kein Tropfen Blut eines deutschen Soldaten darf dem Machtkitzel der österreichischen Gewalthaber, den imperialistischen Profitinteressen geopfert werden.

Parteigenossen, wir fordern euch auf, sofort in Massenversammlungen den unerschütterlichen Friedenswillen des Klassenbewußtsen Proletariats zum Ausdruck zu bringen.

Eine ernste Stunde ist gekommen, ernster als irgendeine der letzten Jahrzehnte.

Gefahr ist im Verzuge! Der Weltkrieg droht!

Die herrschenden Klassen, die euch im Frieden knebeln, verachten, ausnutzen, wollen euch als Kanonenfutter mißbrauchen. Überall muß den Gewalthabem in die Ohren klingen:

Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Hoch die internationale Volkerverbrüderung!

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Beitrag von Klartext Mi Mai 27, 2015 5:12 pm

Die Wende dürfte mit der Mobilmachung Rußlands gekommen sein. Auch dass man nicht als vaterlandslose Gesellen dastehen wollte, dürfte eine Rolle gespielt haben.


Erstaunlich ist, dass man ja die Gleichsetzung der Mobilmachung mit Krieg mitmachte, die ja auch nicht gegen Deutschland gerichtet war sonden gegen Österreich.


Wie auch immer, das Resultat war die Burgfriedenspolitik, die allerdings im Laufe des Krieges Risse bekam.


http://de.wikipedia.org/wiki/Burgfriedenspolitik

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Beitrag von Atzec Mi Mai 27, 2015 6:46 pm

Ich denke auch, dass die SPD eher die Getriebene der Ereeignisdynamik war und das Kriegsrisiko lange unterschätzt hat. Als es dann konkret wurde, dürfte man tatsächlich weit mehr Angst davor gehabt haben, erneut als "vaterlandslose Gesellen" ins gesellschaftliche Absets gebrandmarkt zu werden, denn als "Verräter" massenwirksam kaum verankerter Prinzipien gescholten zu werden. In der damaligen Situation und Stimmung wäre ein engagierter Widerstand gegen den Krieg politisch auch ohne Nachhall in der Bevölkerung geblieben. Andernfalls hätten sich ja auch die Kriegsbefürworter viel stärker zurückhalten müssen...

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Beitrag von Atzec Mi Mai 27, 2015 7:00 pm

Gontscharow schrieb:Wir kennen alle die Bilder der "Kriegseuphorie" vom Sommer 1914 - in Deutschland ebenso wie in den anderen kriegsführenden Ländern.
Diese Bilder sind aber Teil der auch damals schon die Medien beherrschenden Propaganda - mittels Zensur. Ich habe vor einigen Jahren am Beispiel eines kleinen Ortes in Deutschland - typisch für viele andere Orte dieser Zeit im deutschen Kaiserreich - die Untersuchung eines Soziologen gelesen, die sich damit beschäftigte, wie die Kriegsbegeisterung denn nun wirklich aussah. Diese war vor allem bei der Mittel- und Oberschicht verbreitet ( diejenigen, die ohnehin in ihrer Einstellung auch schon vor dem I.Weltkrieg "deutschtümelnd" und chauvinistisch waren, so wie von atzec beschrieben). Die "kleinen Leute" waren da zurückhaltender, fürchteten aus unheilvoller Erfahrung, die ihnen von den vorhergehenden Generationen übermittelt worden war und ganz sicherlich auch dank eigener Erfahrungen mit den Ungerechtigketen der herrschenden Schichten, die diese fortgesetzt an ihnen gegangen haben,
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Knapp 100 Jahre danach stelle ich mir schwierig vor, ein plausibles, veralgemeinerungsfähiges Bild über diie Einstellung verschiedener sozialer Schichten zum Krieg zu generieren. Zeitzeugen wird er da kaum noch groß interviewt haben können...
Der generaltenor war wohl wirklich eher durch den Krieg 70/71 geprägt und ging von einem raschen und durchschlagenden Sieg ohne nennenswerte Verluste aus. Unter einer solchen Basisannahme kann ich mir duchaus vorstellen, dass die Kriiegseuphorie schon sehr verbreitet war... In meiner Geburtsstadt Lengerich (Gontscarow könnte das Kaff kennen... :-) ) gibt es einige Hinweise auf die breite, affirmative Anteilnahme der Bevölkerung...

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Beitrag von Marek1964 Mi Mai 27, 2015 7:21 pm

Die Kriegsbegeisterung wird schon von vielen Historikern angezweifelt, gerade auch von Christopher Clark, aber auch von anderen. Feldpostbriefe oder Pfarrer berichteten von den Sorgen von Arbeitern und Bauern - wer sollte die Familie ernähren, die Acker bestellen? August war Erntezeit.


Die Begeisterung sei vor allem von Bürgerlichen Jugendlichen getragen worden.


Wie auch immer, diese Kehrtwende zwischen dem 25. Juli und dem 4. August ist bemerkenswert. Der wiki link von Klartext zum Burgfrieden ist lesenswert.

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Beitrag von Atzec Do Mai 28, 2015 11:39 am

Clark ist weniger Geschichtswissenschaftler als vielmehr Geschichtsideologe. Insofern imponieren mir keine über ihn konstruierten Autoritätsbeweise. :-)
Natürlich wird die Kriegseuphorie nicht von allen und auch nicht im gleichen Maße geteilt. Natürlich gibt es Kriegsgegner und auch alle erdenklichen nuanciellen Abstufungen in den persönlichen Haltungen gegenüber dem bevorstehenden Krieg.

Aber diese Clarksche Relativierung der Kriegsbegeisterung reiht sich einfach nur ein in sein Bemühen, die Kriegsschuldverantwortung des deutschen Kaiserreichs zu relativieren. Dazu eleminiert er gerne auch mal den gesamten Forschungsstand der deutschen Geschichtswissenschaft zum Thema. :-)
Das Stichwort zur Burgfriedenpolitik ist wirklich sehr informativ und lässt daher auch gut erahnen, dass man eben die Getriebene der Ereignisdynamik war und angesichts des faktischen Kriegsausbruchs politisch nicht in die marginalisierbare Rolle des vaterlandslosen Parias gedrängt werden wollte.
Was wäre auch die Alternative gewesen? Generalstreik gegen den Krieg? Zustimmungsverweigerung zu den Kriegskrediten? Das wäre beides nutzlos geblieben und von unübersehbaren Risiken für den Fortbestand der SPD begleitet worden. Sofort wäre man zu "Verrätern am deutschen Volk" mutiert...
Die Haltung der SPD-Führung ist fraglos keine Ruhmestat gewesen. Sie aber vordergründig als "Verrat" an ihren Prinzipien zu thematisieren, bedient lediglich die zwielichten Propagandabedürfnisse linksextremistischer Kreise, die noch ganz anderen Prinzipienverrat auf ihrem Kerbholz haben und behängt die SPD rhetorisch mit einer "Schuld", die anachronistische konservative Romantiker nur allzu gerne dem konservativ-monarchistischen Kriegstreibergesindel der damaligen Zeit abnehmen würden.
Insofern ist dieser Problemaufriss schon recht schräg... :-)

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Beitrag von Marek1964 Do Mai 28, 2015 1:30 pm

Wie ich schon schrieb, Clark ist bei weitem nicht der einzige Historiker, der die Kriegsbegeisterung von 1914 relativiert. Ich werde mich da noch nach alternativen Historikern umschauen.

Dass Clark tatsächlich deutschfreundlich ist, dem stimme ich zu, ich habe die böse Ahnung, dass es in erster Linie kommerzielles Interesse dahinter steckt. 

Du hast in einem Punkt Recht, die Interpretation der Ereignisse von 1914 sind nicht so sehr von den Fakten umstritten, als vor allem mit den Wertungen, die vor allem auch im nachhinein in sie hineiengetragen wurden.

Bei den Sozialdemokraten stellt sich eben schon die Frage, warum diese Kehrtwende. Und ja, eine Art "Verrat an der eigenen Sache" kann man schon darin sehen.

Titel würde ich in unserem Forum nicht zuviel Gewicht geben - es sollen Diskussionsanstösse sein und die dürfen auch schon mal etwas provokativ sein. Ich selbst wähle häufig Gegegensätze - also etwa "Verrat oder nachvollziehbarer Kurswechsel?". In diesem Sinne ändere ich diesen Titel jetzt, wenn sich jemand daran stört, mir melden.

In Paris wurde Jean Jaures erschossen - vielleicht spielte dies auch eine Rolle?

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Beitrag von Atzec Do Mai 28, 2015 11:53 pm

Provokative Überschriften oder Thesen sind fraglos immer der Diskussion förderlich. :-) Aber sie sollten auch nicht zu purem Selbstzweck werden.

Clark ist selbstverständlich sehr geschäftstüchtig und bedient mit seinem letzten Schinken vor allem all jene, die sich nach einer Entlastung Deutschlands von "zuviel" Schuld sehnen. Mal abgesehen davon, wie skuril dieses Bedürfnis ist, dass ja impliziert, sich, Deutschland und diese konservativ-monarchistische Verbrecherbande mit dem Kaiser an der Spitze in eins zu setzen... :-),so ignoriert Clark schlicht zwei jahrzehnte Diskussion zur deutschen Kriegsschuldfrage.

Und wir müssen uns auch nicht lange damit aufhalten, dass es damals nicht nur Kriegseuphorie gab, sondern auch kritische Stimmen und Kriegsgegner. Nur waren die eben mit dem faktischen Kriegseintritt Deutschlands Makulatur und nicht mehr öffentlichkeitswirksam.

Insbesondere hat dieser vermeintliche "Verrat" der SPD nie wirklich geschadet, was darauf hindeutet, dass das verratene Prinzip eben keins war, das irgendeine Verankerung in den Massen gehabt hätte.

Die SPD hat fraglos eine jähe Kehrtwende vollzogen. Aber ich kann mich da nur wiederholen: Die ist die Getriebene einer Ereignisdynamik, bei der sie befürchtet, als vaterlandsloser Paria ins politische Abseits und erneut in die illegalität abgedrängt zu werden. Erklärte Kriegsgegner wie Liebknecht und Luxemburg landen ja dann auch im Zuchthaus...

Wie gesagt, die SPD bekleckerte sich damals sicherlich nicht mit übermäßigem Ruhm, aber sie wegen eines abstraktistischen "Verrats" zu schuriegeln, steht in einem krassen Missverhältnis zu den faktischen Verantwortlichkeiten für den Kriegsausbruch. :-)

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Beitrag von Gontscharow Fr Mai 29, 2015 9:01 pm

@ Atzec : die von mir angesprochene Darstellung ist schon älter und stammt aus den
70er Jahren. Es wurden Zeitzeugen befragt. Wenn ich mich an den Titel und Autor erinnern kann und es dann auch noch im Internet finde, werde ich es mal hier einstellen ( ich glaube, es ist im Aschendorff-Verlag erschienen, dürfte Leuten aus Lengerich bekannt sein Wink )
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