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Wer profitierte von der Weimarer Republik?

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Beitrag von Moschusochse Di Jun 07, 2016 1:27 pm

Welche Schichten oder Klassen profitierten von der Weimarer Republik?
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Wer profitierte von der Weimarer Republik? Empty Re: Wer profitierte von der Weimarer Republik?

Beitrag von Marek1964 Di Jun 07, 2016 11:38 pm

Die Weimarer Republik war kein monolithischer Block, sondern ein Kompromissstaat, der im Endeffekt recht wenig wirkliche Anhänger, viele mehr oder minder Wohlwollende und noch mehr halbloyale und widerwillige Mitspieler bis hin zu klaren Gegnern wie den Kommunisten oder den Nazis hatte.

Die Demokraten (Sozialdemokraten und DDP) waren sicher loyal, die alten Eliten eher halbherzig dabei - und, so wie Hindenburg, Hugenberg oder die DNVP - letzlich die Totengräber der WR.

Kulturell profitierten vor allem in den Zwanziger Jahren viele Kulturschaffende, die goldenen Zwanziger schafften doch etwas beachtenswertes. Die beeindruckende Liste von Literaten und Autoren, die sich gegen die Nazis ihre Stimme erhoben, die gerade van Kessel reingestellt hat, zeigt, das durchaus ein freier Geist herrschte. Hier der Link: https://geschichte-forum.forumieren.de/t891-literaten-und-autoren-gegen-die-nazis#9434

Wirtschaftlich profitierten durch die Hyperinflation vor allem die Schuldner, also Wirtschaftssubjekte, die ihre Schulden nominal, in Geldwerten, abzahlen konnten - die Hausbesitzer, die Unternehmer, ferner auch Leute die viele Sachwerte hatten (zB Aktionäre).

Im Grunde genommen gehörte selbst Kaiser Wilhelm II. zu den Profiteuren - denn statt ermordet zu werden wie die russische Zarenfamilie oder krank auf Madeira zu sterben wie der einteignete und verarmte österreichische Kaiser Karl, der für den Krieg gar nicht verantwortlich war, konnte er, der den Krieg ermöglicht hat und damit Schuld auf sich geladen hat, recht geruhsam im niederländischen Exil leben - alimentiert durch den preussischen Staat. Sein Sohn, der Kronprinz, konnte sich in Deutschland in die Dienste der Rechten stellen und nahm dann auch an Paraden mit Hitler teil.

Letztlich kann man die extreme Rechte und die Nazis als die Profiteure bezeichnen - sie wurden, wenn überhaupt, nur sehr halbherzig und unwirksam an ihren politischen Morden (Rathenau, Erzberger) gehindert, sehr milde bestraft (Hitler und seine Putschisten von 1923) und die SA durfte ihre Strassenschlachten austragen.

Die schlechte Wirtschaftspolitik in der Zeit der Weltwirtschaftskrise liess die Nazis profitieren, und als diese schon am abklingen war wurde sie vom vom Volk gewählten Hindenburg durch die Ernennung Hitlers erdolcht, schon von der Anwendung des Notparagraphen ausgehöhlt.

Ja, ohne grosse Übertreibung kann man sagen, dass vor allem die Gegner der Demokratie die Profiteure der Weimarer Republik waren. Abgesehen eben vom Kulturleben, dass aber nach dem 30. Januar 1933 sein Ende fand.

Aber das ist vielleicht dann doch etwas einseitig, fast überall in Europa fand sich die Demokratie in einer Krise und so kann man leicht urteilen, dass sie zu lasch gegen ihre Gegner war. Die Umstände waren denkbar ungüngstig.

Profitiert haben die revisionistischen Kräfte, die über die angeblich gar nicht erlittene Niederlagen von 1918, den "Dolchstoss" und den "Dikatfrieden" und die "Novemberverbrecher" wettern durften. Hier hätte eine ehrlichere Aufarbeitung der Geschichte stattfinden müssen, vielleicht das grösste Versäumnis der Demokraten, zusammen mit der Hyperinflation, die eigentlich die Bedingungen des Versailler Vertrags hätte ad absurdum führen sollen, aber mit unverantwortlich grossen Opfern der Sparer.

Die Weimarer Republik war halt die Demokratie ohne Demokraten - was auch eine gewisse Übertreibung ist, aber gegen ihr Ende hatte sie mehr Gegner als Befürworter und das war halt ihr Ende. Vor allem waren ihre Gegner von ihrem Engagement, ihrer nationalistischen Rhetorik wie auch von ihrem Einfluss her stärker.

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Beitrag von Moschusochse Mi Jun 08, 2016 9:12 pm

Marek1964 schrieb:Kulturell profitierten vor allem in den Zwanziger Jahren viele Kulturschaffende, die goldenen Zwanziger schafften doch etwas beachtenswertes. Die beeindruckende Liste von Literaten und Autoren, die sich gegen die Nazis ihre Stimme erhoben, die gerade van Kessel reingestellt hat, zeigt, das durchaus ein freier Geist herrschte. Hier der Link: https://geschichte-forum.forumieren.de/t891-literaten-und-autoren-gegen-die-nazis#9434

Das würde ich dann aber schon hinterfragen wollen.

Dieser Aufsatz http://www.nilsole.net/referate/exilliteratur-deutscher-autorinnen-und-autoren-1933-bis-1945/ erwähnt folgendes:

Bereits in der Weimarer Republik gab es schon vereinzelt, dann zunehmend juristische Repressalien gegen Kulturschaffende (z.B. gegen Filmproduzenten, Dichter, Verleger und Journalisten).
Damit einher ging eine deutlich werdendere Diskriminierung liberaler, linker, kommunistischer, jüdischer und pazifistischer Autoren: Die Störung von Veranstaltungen (z.B. Autorenlesungen) durch die SA, “Schreibverbote”, Drohbriefe, gewalttätige Übergriffe oder sogar der Verlust des Arbeitsplatzes waren keine Seltenheit mehr. Zahlreiche konservativ ausgerichtete Medien begannen, den Abdruck links orientierter oder von jüdischen Autoren verfassten Texten zu verweigern.
Als Folge dieser Entwicklung wanderten bereits zu Beginn der 30er Jahre viele Angehörige der o.g. Minderheiten aus Deutschland aus.


Demnach war das auch in der Weimarer Republik eine zumindest zwiespältige Sache.
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Beitrag von Marek1964 So Jun 12, 2016 3:20 pm

Guter Einwand, MO. Ja, die Weimarer Republik war schon eine zwiespältige Sache und es ist in der Tat eine Frage, ob das Klima freier war als zur Kaiserzeit. Eine gewisse kulturelle Blüte gab es ja auch in der Kaiserzeit. Schwer zu sagen.

Unzweifelhaft, dass ein guter Teil der Elite im Allgemeinen und die Justiz im Besonderen auf dem rechten Auge blind waren.

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