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Das Wirtschaftswunder in Deutschland und Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg

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Beitrag von Marek1964 Mi Aug 17, 2016 11:24 pm

In diesem Thread sprach van Kessel den Wirtschaftsturbo und  das Wirtschaftswunder an: https://geschichte-forum.forumieren.de/t698-die-turkei-nach-ataturk-kampf-zwischen-fortschritt-und-ruckschritt-welche-rolle-spielt-der-islam-der-kranke-mann-am-bosporus#10012

van Kessel schrieb:
Dass Deutschland seinen Aufbau in einem Rekordtempo, mit enormer Gewinnmaximierung durchziehen wollte, war ja nun eine spezifisch deutsche 'Sache' des sogen. Wirtschaftswunders. Man hätte selbstverständlich den Aufbau nach dem Krieg, und die Ausweitung der Wirtschaft, auch moderat durchziehen können. Die Gier nach 'immer mehr' war politisch gewollt.

Auch jetzt werden keine 'neuen' Menschen benötigt. Wenn Deutschland kopflastig geworden ist (mit zunehmender Altersarmut), ist es eine Sache der Rentenpolitik. Andere Länder mit ähnlichen Strukturen (Japan, Schweiz) können es auch ohne Zuwanderung schultern. Aber dies führte hier zu weit.

Dass wir uns grundsätzlich neu justieren müssen, und die Wirtschaftsordnung überdenken müssen, dürfte klar sein. Ökologische Fragen, werden immer mehr gelöst mittels naturwissenschaftlich-technischer Mittel. Das Wachstumsmantra welches die Wirtschaft durchzieht , ist Utopie. Wachtums bedeutet die Ausbeutung der Ressourcen in kürzester - und immer kürzerer - Zeit .

Und daher benötigen wir keine Lohnsklaven aus aller Herren Länder, diesen Planeten möglichst gründlich 'aufzuräumen' und zu entleeren; gleichermassen zu vermüllen. Wenn 'Märkte' beunruhigt sind, so ist dies kein Indikator für eine 'schlechtere Welt', sondern lediglich die Angst des Kapitals, das ihre schöne 'Pipeline der Gewinne', ins Stocken gerät.

Menschen in dies Land zu holen, damit wir unsere Zeit des Konsums erfüllen können, macht uns nicht wirklich reicher. Erst wenn man sich sein Moped zusammengespart hatte, war man auch Herr seines Besitzes (so war es einmal, was man heute mit den Superkrediten nicht sagen kann).

Und dann eine Frage der Ehre: "hat uns der Wirtschaftsturbo nach dem Kriege bereichert, oder war nicht der Weg, schon das Ziel"?
Welche Wege bleiben noch in einer -nur der Ausbeutung geschuldeten - Welt; Pokemons?

Die Antwort von Wallenstein:

Wallenstein schrieb:Ich weiß nicht, wie es dir geht. Mich hat der Wirtschaftsturbo sehr bereichert und tut dies immer noch. Vielen anderen geht es auch so und ich möchte nicht wieder so leben, wie ich als Kind und Jugendlicher in den fünfziger Jahren gelebt habe. oder wie meine Eltern lebten. Das Ziel des Wirtschaftswachstums ist und war Bereicherung, was ich persönlich nicht negativ finde, sondern das ist ein legitimes Ziel. Und da ich mein Vermögen zum größten Teil in Aktien und Immobilien angelegt habe, bin ich daran interessiert, dass die Renditen auch in Zukunft möglichst hoch sind.

Sicherlich muss vieles geändert werden, das sehe ich auch so. Aber apokalyptische Visionen gab es schon immer und die haben sich bisher stets als falsch herausgestellt. Was wir brauchen ist mehr Fortschritt, mehr Technik, dann bekommen wir auch die Mittel in die Hand, Probleme zu lösen, so wie sie auch in der Vergangenheit gelöst wurden. Da bin ich sehr zuversichtlich.

Wie ist das Wirtschaftswunder zu werten? War es ein spezifisch Deutsches Phänomen oder kann es eigentlich in ganz Westeuropa und in den USA und Kanada so gesehen werden?

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Beitrag von Wallenstein Do Aug 18, 2016 10:15 am

@Marek1964
Wie ist das Wirtschaftswunder zu werten? War es ein spezifisch Deutsches Phänomen oder kann es eigentlich in ganz Westeuropa und in den USA und Kanada so gesehen werden?

Es war kein deutsches Phänomen. Der Nachkriegsboom erfasste die westeuropäischen Staaten und vor allem auch die USA, die eine wahre Blüte in den fünfziger und sechziger Jahren erlebten. Das betraf auch Kanada oder Australien, die sich seinerzeit intensiv um neue Einwanderer bemühten. Ich erinnere mich noch an die vielen Inserate in den deutschen Zeitungen. Australien bezahlte allen Deutschen sogar die Hinfahrt. Gefiel es einem nicht, konnte man nach zwei Jahren wieder zurückkehren.

In Deutschland wurde es als „Wunder“ begriffen, weil das Land gerade einen Krieg verloren hatte, insofern erschien es tatsächlich als „Wunder“. Dieses „Wunder“ beschränkte sich allerdings auf die BRD und nicht auf die DDR.

Die Ursachen für diesen Nachkriegsboom sind vielfältig. Es gibt darüber unzählige Untersuchungen und etliche Bücher. Die kann ich jetzt nun allerdings nicht nacharbeiten, dafür fehlt mir momentan die Zeit.

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Beitrag von Marek1964 Sa Aug 20, 2016 11:24 am

Warum man das in Deutschland ein "Wunder" nannte, war wohl dem geschichtlichen Vergleich mit der Situation nach dem Ersten Weltkrieg geschuldet. Nach dem ersten Weltkrieg gab es wirtschaftlich und politisch unruhige Zeiten mit Hyperinflation. Dabei war das Land nicht vom Krieg direkt heimgesucht worden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Niederlage total, das Land vom Krieg zerstört, eine Besatzungherrschaft installiert, dazu kamen 12 Millionen Ostflüchtlinge. Auf den ersten Blick alles Voraussetzungen, die eine noch schlimmere Situation als nach dem Ersten Weltkrieg erwarten liessen.

Aber man hat viel aus dem Ersten Weltkrieg und der Zeit danach gelernt - auch der unconditional surrender gehört dazu, wiewohl er umstritten sein mag. Diesmal war die Niederlage eben total, Dolchstosslegenden hatten keine Chance. Hitlers grausames Regime hatte sich in jeder Hinsicht diskreditiert, weshalb auch keiner auf die Idee kam, ihm nachzutrauern - man konzentrierte sich auf den Neuaufbau und verdrängte die Vergangenheit. Wirtschaftspsychologisch viel sinnvoller als sich über Versailles aufzuregen und Dolchstosslegenden zu spinnen.

Statt Hyperinflation gab es 1948 eine Währungsreform und den Lastenausgleich. Das machte Energien frei. Dass die Produktionskapazitäten weniger zerstört waren als es den Anschein machte, kam dazu. Die Ostflüchtlinge packten auch mitan - nicht klagen, schaffen - das gaben auch die Vertriebenenverbände als ihr Motto aus.

Die amerikanischen Gelder aus dem Marshall Plan und die Care Pakete sowie der weitgehende Verzicht auf Reparationen halfen auch mit, halte ich aber eher für ergänzend als entscheidend.

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Beitrag von Wallenstein Sa Aug 20, 2016 3:19 pm

Ob der Erste Weltkrieg noch  sehr im Bewusstsein der Menschen vorhanden gewesen ist, weiß ich jetzt nicht, vielleicht bei den Älteren. Mir erzählte man damals immer, dass es wie ein Wunder schien, das aus dieser Trümmerwüste so schnell wieder etwas werden konnte. Auch die Optimisten glaubten, dass es mindestens mehrere Jahrzehnte dauern würde, um wieder auf den Vorkriegsstand zurückzukommen.

Folgende Gründe werden ja immer genannt:

Auch während des Krieges ging die Kapitalakkumulation weiter voran. Der Kapitalstock war nach dem Krieg größer als vorher, trotz der Zerstörungen. Verwüstet war vor allem die Infrastruktur und die war auch eines der Hauptprobleme in den ersten Nachkriegsjahren.

Die zerstörten Anlagen wurden sehr schnell durch moderneste Technologien ersetzt, während man in den anderen Ländern wie Frankreich oder England, wo die Zerstörungen viel geringer waren, mit den veralteten Produktionsanlagen weiter machte. Das verschaffte Deutschland schon schnell einen Vorsprung.

Die Lohnkosten waren anfangs sehr niedrig.

Der Korea-Krieg verhalf zu einem ersten Boom. Anders als Weimar war die Bonner Republik sofort fest in die Weltwirtschaft eingebunden und führte zu der bis heute andauernden Exportlastigkeit, die sich aber als positiv erwies.

1953 kam es in London zu dem Schuldenerlass. Auf Reparationen wurde verzichtet, die sollten bilateral verhandelt werden. Bonn war im Gegensatz zu Weimar nicht durch Schulden und Reparationen belastet.

Die Einführung der sozialen Marktwirtschaft schuf ein günstiges Umfeld für die wirtschaftliche Entfaltung.

Die Gelder aus dem Marshall Plan werden heute nur als Initialzündung bewertet, auch wenn man sie nicht unterschätzen sollte. Deutschland bekam allerdings vergleichsweis wenig Geld verglichen mit den anderen Staaten.

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Beitrag von Nepomuk Mo Aug 22, 2016 2:59 pm

Wallenstein schrieb:Ob der Erste Weltkrieg noch  sehr im Bewusstsein der Menschen vorhanden gewesen ist, weiß ich jetzt nicht, vielleicht bei den Älteren. Mir erzählte man damals immer, dass es wie ein Wunder schien, das aus dieser Trümmerwüste so schnell wieder etwas werden konnte. Auch die Optimisten glaubten, dass es mindestens mehrere Jahrzehnte dauern würde, um wieder auf den Vorkriegsstand zurückzukommen.

Folgende Gründe werden ja immer genannt:

Auch während des Krieges ging die Kapitalakkumulation weiter voran. Der Kapitalstock war nach dem Krieg größer als vorher, trotz der Zerstörungen. Verwüstet war vor allem die Infrastruktur und die war auch eines der Hauptprobleme in den ersten Nachkriegsjahren.

Die zerstörten Anlagen wurden sehr schnell durch moderneste Technologien ersetzt, während man in den anderen Ländern wie Frankreich oder England, wo die Zerstörungen viel geringer waren, mit den veralteten Produktionsanlagen weiter machte. Das verschaffte Deutschland schon schnell einen Vorsprung.

Die Lohnkosten waren anfangs sehr niedrig.

Der Korea-Krieg verhalf zu einem ersten Boom. Anders als Weimar war die Bonner Republik sofort fest in die Weltwirtschaft eingebunden und führte zu der bis heute andauernden Exportlastigkeit, die sich aber als positiv erwies.

1953 kam es in London zu dem Schuldenerlass. Auf Reparationen wurde verzichtet, die sollten bilateral verhandelt werden. Bonn war im Gegensatz zu Weimar nicht durch Schulden und Reparationen belastet.

Die Einführung der sozialen Marktwirtschaft schuf ein günstiges Umfeld für die wirtschaftliche Entfaltung.

Die Gelder aus dem Marshall Plan werden heute nur als Initialzündung bewertet, auch wenn man sie nicht unterschätzen sollte. Deutschland bekam allerdings vergleichsweis wenig Geld verglichen mit den anderen Staaten.

Welche Literatur empfiehlst du zu dem Thema, denn den Bereich kenne ich nicht so recht ?

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Beitrag von van Kessel Mo Aug 22, 2016 4:41 pm

hi Wallenstein,
Die Gelder aus dem Marshall Plan werden heute nur als Initialzündung bewertet, auch wenn man sie nicht unterschätzen sollte. Deutschland bekam allerdings vergleichsweis wenig Geld verglichen mit den anderen Staaten.
die Analyse ist korrekt und spiegelt auch das persönliche Empfinden wieder.

Care spielte nur in den Jahren von 46 - 48 eine geringe Rolle. Meine Familie bekam aus Oklahoma damals ein Paket mit 'Luftballons' für 'ne Party und Kekse. Na ja der gute Wille war vorhanden. Wichtiger war da schon die Quäker-Speisung, welche uns (bin '46 eingeschult) Kindern wesentlich half.

Zu dieser Zeit gab es auf Lebensmittelmarken (wenn es denn etwas gab) nur 'blaue Milch'. Die beste Zeit war immer der Herbst, da konnte man auf den Chausseen, welche mit Apfelbäumen bestanden waren, bis zum Erbrechen Obst essen, und auf den Feldern nach was 'Übrigem' suchen.

Die Kinder waren - nach der Führerweisung - rank und schlank -! Very Happy

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Beitrag von Marek1964 Mo Aug 22, 2016 11:38 pm

Wallenstein schrieb:Auch während des Krieges ging die Kapitalakkumulation weiter voran. Der Kapitalstock war nach dem Krieg größer als vorher, trotz der Zerstörungen. Verwüstet war vor allem die Infrastruktur und die war auch eines der Hauptprobleme in den ersten Nachkriegsjahren.

Die zerstörten Anlagen wurden sehr schnell durch moderneste Technologien ersetzt, während man in den anderen Ländern wie Frankreich oder England, wo die Zerstörungen viel geringer waren, mit den veralteten Produktionsanlagen weiter machte. Das verschaffte Deutschland schon schnell einen Vorsprung.

Die Lohnkosten waren anfangs sehr niedrig.

Der Korea-Krieg verhalf zu einem ersten Boom. Anders als Weimar war die Bonner Republik sofort fest in die Weltwirtschaft eingebunden und führte zu der bis heute andauernden Exportlastigkeit, die sich aber als positiv erwies.

Das denke ich waren in der Tat die wichtigsten Änderungerungen gegenüber der Situtation nach dem Ersten Weltkrieg- man verstand jetzt doch mehr von Wirtschaft. Deshalb band man Deutschland in die Weltwirtschaft ein und machte nicht auf Protektionismus. Was ich auch gelesen habe, war, dass die Ausrüstung der Fabriken, also vor allem die Maschinen und Werkzeuge, ja vielfach unter Tag verlegt waren und deshalb auch weitaus intakter waren als es die zerstörten Gebäude es vermuten liessen. Eine spannende Frage wäre, inwieweit die Maschinen und Vorrichtungen nach dem Krieg für zivile Produktion verwertbar waren. Ich weiss da zuwenig über die technischen Details, aber wer Panzer bauen kann, kann sicher auch Baumaschinen bauen und statt Kübel- und Schwimmwagen wurde der VW Käfer gebaut.

1953 kam es in London zu dem Schuldenerlass. Auf Reparationen wurde verzichtet, die sollten bilateral verhandelt werden. Bonn war im Gegensatz zu Weimar nicht durch Schulden und Reparationen belastet.

Halte ich für einen der grössten Mythen der jüngeren Geschichte überhaupt - die angeblich so masslosen Reparationen nach dem ersten Weltkrieg. Wenn man sich die tatsächlichen Zahlen anschaut, so betrugen die Reparationen im Jahr ja nicht einmal das, was im Krieg ein Kriegsmonat gekostet hatte. Ein weitgehend abgerüstetes Heer (100 000 Mann und noch 15 000 Mann Marine) ohne die teuren Positionen wie Panzer oder Flugzeuge entlastete eigentlich den Staatshaushalt. Ich meine nach wie vor - hätte man die Energie konstruktiv investiert, so schnell wie möglich auf zivile Produktion umzustellen, die kumulierte Verschuldung durch den Krieg fair zu verteilen, eine Inflation vermieden, hätte man eine ganz ander Situation gehabt. Aber eben - aus der Niederlage, die ja viele sowieso negierten, hat man nichts gelernt.

Wahr ist allerdings, nach dem Zweiten Weltkrieg kam es noch billiger. Keine Reparationen und die Bundeswehr erst ab 1955. Und ja, die Initialzündung, die war sicher auch da, auch psychologisch, da gab es schöne Plakate, "freie Fahrt dem Marshallplan". Die Amerikaner waren nach dem Krieg auch nicht mehr so sehr die Besatzer, sondern in vielen Dingen Vorbilder.

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Beitrag von Wallenstein Di Aug 23, 2016 12:50 pm

Die soziale Marktwirtschaft war in Deutschland anfänglich alles andere als beliebt. Mit Beginn der Währungsreform am 20. Juni 1948 wurden die meisten Preis-Rationierungsvorschriften in der Bizone aufgehoben. Die Läden waren zwar plötzlich voll, aber schon nach wenigen Tagen leergekauft. Weder Konsumenten noch Verkäufer waren der neuen Situation gewachsen. Die Preise schossen in den nächsten Monaten in die Höhe, während die Löhne stagnierten. Die Schere zwischen Löhnen und Preisen ging nach der Währungsreform erst einmal weit auf und die Lohnabhängigen waren die Leidtragenden. Es dauerte lange bis sich bei freien Preisen ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herausstellte. Die Presse verlangte ein Abbruch des Experiments und die Absetzung von Ludwig Erhard. Am 12. November riefen die Gewerkschaften zum Generalstreik auf „gegen die Anarchie auf den Warenmärkten und gegen das weitere Auseinanderklaffen von Löhnen und Preisen“. Etwa 9 Millionen Arbeiter in der Bizone folgten dem Aufruf. Auch in den nächsten Monaten ging die Auseinandersetzung weiter. Aber 1949 begann die Reform erste positive Ergebnisse zu zeigen.

Die Währungsreform hatte die Sparer enteignet, die Guthaben wurden im Verhältnis 10: 1 umgetauscht. Im Endeffekt waren es schließlich sogar nur 100 : 6,5. Sachwertbesitzer wurden einseitig begünstigt. Die CDU betonte zwar, dass ein gerechter Lastenausgleich erfolgen würde, aber es dauerte Jahre, bis die ärgsten Härten durch entsprechende Gesetze gemildert wurden. Zur gleichmäßigen Verteilung von Kriegs-und Kriegsfolgelasten und zur Linderung sozialer Härten trat im September 1952 das Lastenausgleichsgesetz in Kraft, das vor allem durch Abgaben auf Grund-und Immobilienbesitz Aufbaudarlehen für Ausgebombte, Siedlungshilfe für Flüchtlinge, Investitionshilfen zur Existenzgründung ermöglichte.

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Beitrag von Marek1964 Mi Aug 31, 2016 11:41 pm

Wallenstein schrieb:Die soziale Marktwirtschaft war in Deutschland anfänglich alles andere als beliebt. Mit Beginn der Währungsreform am 20. Juni 1948 wurden die meisten Preis-Rationierungsvorschriften in der Bizone aufgehoben. Die Läden waren zwar plötzlich voll, aber schon  nach wenigen Tagen leergekauft. Weder Konsumenten noch Verkäufer waren der neuen Situation gewachsen. Die Preise schossen in den nächsten Monaten in die Höhe, während die Löhne stagnierten. Die Schere zwischen Löhnen und Preisen ging nach der Währungsreform erst einmal weit auf und die Lohnabhängigen waren die Leidtragenden. Es dauerte lange bis sich bei freien Preisen ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herausstellte. Die Presse verlangte ein Abbruch des Experiments und die Absetzung von Ludwig Erhard. Am 12. November riefen die Gewerkschaften zum Generalstreik auf „gegen die Anarchie auf den Warenmärkten und gegen das weitere Auseinanderklaffen von Löhnen und Preisen“. Etwa 9 Millionen Arbeiter in der Bizone folgten dem Aufruf. Auch in den nächsten Monaten ging die Auseinandersetzung weiter. Aber 1949 begann die Reform erste positive Ergebnisse zu zeigen.

Die Währungsreform hatte die Sparer enteignet, die Guthaben wurden im Verhältnis 10: 1 umgetauscht. Im Endeffekt waren es schließlich sogar nur 100 : 6,5. Sachwertbesitzer wurden einseitig begünstigt. Die CDU betonte zwar, dass ein gerechter Lastenausgleich erfolgen würde, aber es dauerte Jahre, bis die ärgsten Härten durch entsprechende Gesetze gemildert wurden. Zur gleichmäßigen Verteilung von Kriegs-und Kriegsfolgelasten und zur Linderung sozialer Härten trat im September 1952 das Lastenausgleichsgesetz in Kraft, das vor allem durch Abgaben auf Grund-und Immobilienbesitz Aufbaudarlehen für Ausgebombte, Siedlungshilfe für Flüchtlinge, Investitionshilfen zur Existenzgründung ermöglichte.

Nicht die Währungsreform hatte die Sparer enteignet - der Krieg und seine Art, finanziert zu werden, war es. Der Krieg ist eine gigantische Wertevernichtung, eigentlich einleuchtend, aber oft nicht richtig verstanden. Ehrlicher wäre es gewesen, den Krieg laufend durch Steuererhöhungen zu finanzieren. Dem ist man aber aus dem Weg gegangen. Das Problem war aber nur aufgeschoben.

Nach dem Krieg stellt sich die Frage, wie jetzt die Kriegskosten verteilt werden, nachdem man das ja im Krieg aufgeschoben hatte - im ersten wie im zweiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gabe es die Hyperinflation und damit ein Verbrechen. Die Währungsreform war nur das geringere Übel.

Natürlich stimmt es, das Besitzer von Sachwerten letztlich daran besser waren als Menschen mit Geldersparnissen. Eine simple Regel der Steuerfestsetzung lautet ja, man holt das Geld dort, wo es leicht zu holen ist. Bei Immobilienbesitzern ist das schwieriger, denn wenn jemand ein Haus hat aber kein Geld - was macht man da? Bei Sparguthaben aber kann man sagen, ok, das ganze ist nur noch so und soviel Prozent wert. Immer hin hat man aber den Lastenausgleich ja gemacht, besser als nach dem Ersten Weltkrieg.

Die Westdeutschen waren da aber noch besser dran als die Tschechoslowaken - da gab es erst einmal eine Währungsreform 1945, die Guthaben aus der Protektoratszeit erst mal einfror. Nur in Ausnahmefällen konnte man davon abheben.

1953 gab es dann eine zweite, eine grosse Lumperei, die Unruhen hervorrief. Die Guthaben aus der Protektoratszeit wurden annuliert, waren damit endgültig verloren. Nix mit 100:6,5. Einfach weg. So begann der Sozialismus. Ich werde dann bei Gelegenheit mehr zu diesen beiden Währungsreformen schreiben.

Hier noch ein Beitrag von mir zum Zusammenhang von Hyperinflation und Kriegskosten: https://geschichte-forum.forumieren.de/t3-inflation-1914-1918-1923-einfach-verstandlich-erklart-von-der-kriegsfinanzierung-durch-schulden-bis-zum-ruhrkampf


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Beitrag von Wallenstein Do Sep 01, 2016 11:00 am

Natürlich war letztlich der Krieg und seine Finanzierung Ursache für den Verfall der Sparguthaben. Diesen Zusammenhang hatte ich als bekannt vorausgesetzt.

Mit Steuererhöhungen wollte man weder den Ersten noch den Zweiten Weltkrieg bezahlen. Schließlich wollte man die Deutschen bei Laune halten. In beiden Kriegen war geplant gewesen, die anderen Länder nach einem Sieg auszuplündern. Die Niederlage hat das jedes Mal verhindert.

Die Geldmenge durch die Währungsreform drastisch zu verringern, war die einfachste Lösung. Besitzer von Immobilien, Sachwerten und Produktivkapital wurden bewusst geschont. Diese sollten ja die Wirtschaft ankurbeln. Die Unternehmer kamen gut weg. Allerdings, da der Staat seine Verbindlichkeiten aus der Nazizeit nicht anerkannte, verloren die Leute ihr Geld, die den Nazis etwas geliehen hatten. Vielleicht ein gerechter Ausgleich.

Eine Alternative wäre vielleicht gewesen: Sparguthaben einzufrieren und sie über einen Zeitraum von vielen Jahren sukzessive freizugeben. Aber 1948 rechnete keiner damit, dass sich die Wirtschaft so vorteilhaft entwickeln würde.

Die USA hatten im Krieg durch die Warfare Economy ebenfalls eine riesige Staatsverschuldung aufgebaut, ungefähr 100 % des BIP, ähnlich wie heute. Und Roosevelt setzte 1944 noch einen drauf mit seinem GI-Programm: Die großzügige Entschädigung aller Veteranen, kostenloser Besuch von Universitäten für ehemalige Soldaten usw. Anders als der New Deal war dieses Programm ein riesiger Erfolg. Nach dem Krieg kam es in den USA zu einem gewaltigen Konjunkturaufschwung. Dieser ermöglichte es den Amerikanern, die Staatsverschuldung langsam abzubauen ohne Inflation oder Währungsreform-.


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Beitrag von Marek1964 Do Sep 01, 2016 11:12 pm

Wallenstein schrieb:Natürlich war letztlich der Krieg und seine Finanzierung Ursache für den Verfall der Sparguthaben. Diesen Zusammenhang hatte ich als bekannt vorausgesetzt.

Es war mir natürlich klar, dass es Dir auch klar war. Es hat aber nicht jeder Leser eine VWL-Ausbildung - auch unter Geschichtslehrern. Deshalb wollte ich das nochmal betonen. Man muss sich ja auch bewusst sein, dass das Geld nur sehr eingeschränkt Wert hatte - man konnte nur schlecht damit was kaufen, meist musste man mit anderer Währung (Zigarettenwährung, andere Sachwerte) dazulegen.

Mit Steuererhöhungen wollte man weder den Ersten noch den Zweiten Weltkrieg bezahlen. Schließlich wollte man die Deutschen bei Laune halten. In beiden Kriegen war geplant gewesen, die anderen Länder nach einem Sieg auszuplündern. Die Niederlage hat das jedes Mal verhindert.

Genau. Schon deshalb erstaunt mich dann bisweilen das Gejammere über Versailles. Und noch viel billiger kam es nach dem Zweiten Weltkrieg - eine echte Rechnung wäre brutal gewesen. Gerade heute habe ich erfahren, dass nicht weniger als 50 000 niederländische Zwangsarbeiter während dem Zweiten Weltkrieg umkamen - für mich auch neu.

Die Geldmenge durch die Währungsreform drastisch zu verringern, war die einfachste Lösung. Besitzer von Immobilien, Sachwerten und Produktivkapital wurden bewusst geschont. Diese sollten ja die Wirtschaft ankurbeln. Die Unternehmer kamen gut weg. Allerdings, da der Staat seine Verbindlichkeiten aus der Nazizeit nicht anerkannte, verloren die Leute ihr Geld, die den Nazis etwas geliehen hatten. Vielleicht ein gerechter Ausgleich.

Das ist eine moralische Frage. Und auch, inwieweit das freiwillig geschah.

Eine Alternative wäre vielleicht gewesen: Sparguthaben einzufrieren und sie über einen Zeitraum von vielen Jahren sukzessive freizugeben. Aber 1948 rechnete keiner damit, dass sich die Wirtschaft so vorteilhaft entwickeln würde.

Das habe ich mir oft für die Situation nach dem Ersten Weltkrieg gedacht -statt die hanebüchene Hyperinflation anzuheizen, und die Leute zu enteignen, hätte man die Anleihen einfach für fünf Jahre unverzinst aussetzen können, aber danach mit Zinsen bedienen - finanziert durch Steuern. Die Wertpapiere hätten in der Zwischenzeit sogar gehandelt werden können.

Dass man an ein rasches Wirtschaftswachstum nicht glaubte, dürfte neben den enormen Beschädigungen auch daran gelegen haben, wie schlecht sich die Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit entwickelt hatte, und das nicht nur in Deutschland, aber auch anderswo, auch in den USA. Das lag aber vor allem an der falschen Wirtschaftspolitik damals, vor allem Geldpolitik, aber auch Protektionismus. Das machte man nach dem Zweiten Weltkrieg besser und mit dem höheren technischen Standard konnte es zügig voran gehen.

Die USA hatten im Krieg durch die Warfare Economy ebenfalls eine riesige Staatsverschuldung aufgebaut, ungefähr 100 % des BIP, ähnlich wie heute. Und Roosevelt setzte 1944 noch einen drauf mit seinem GI-Programm: Die großzügige Entschädigung aller Veteranen, kostenloser Besuch von Universitäten für ehemalige Soldaten usw. Anders als der New Deal war dieses Programm ein riesiger Erfolg. Nach dem Krieg kam es in den USA zu einem gewaltigen Konjunkturaufschwung. Dieser ermöglichte es den Amerikanern, die Staatsverschuldung langsam abzubauen ohne Inflation oder Währungsreform-.

Ja, der Konjunkturaufschwung löste alle diese Probleme. Die US Wirtschaft war enorm stark, der New Deal war mE weniger wichtig als vor allem die Geldpolitik - hier wurden in der Zwischenkriegszeit enorme Fehler gemacht, man würgte die Wirtschaft ab, aus heutiger Sicht unglaublich.

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