Initationsriten verschiedener Gesellschaften
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Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Der Ursprung der männlichen Beschneidung bei Juden und Moslems ist vermutlich entstanden aus uralten Initiationsriten, doch tatsächlich nachweisen konnte man dies nicht. Solche Riten gab und gibt es überall.
Die Völkerkundler haben eine Fülle von Initiationsriten quer über den Erdball zusammengetragen. Damit wurde und wird in alten Kulturen der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenen mit verschiedenen Prozeduren markiert. Junge Männer werden dabei häufig extrem schmerzhaften Prozeduren unterworfen.
Zu den typischen Riten gehören das Ausschlagen oder Feilen der Zähne, Tätowierungen, tiefe Ritzungen mit Stein- oder Bambusmessern (Skarifizieren), Brandwunden zufügen, die Beschneidung (Zirkumzision) bis hin zum Aufschneiden der Harnröhre (Subinzision).
Der zum Mann werdende Jugendliche erhält Prüfungen auferlegt, wird in besondere Glaubensgeheimnisse eingeweiht und muss körperliche Schmerzen ertragen. Durch diese Wunden und später Narben am Körper wird die Aufnahme in die Welt der Erwachsenen besiegelt.
Möglicherweise sind die Beschneidungen in einigen Religionen Reste solcher Riten.
Das älteste überlieferte Bild einer männlichen Beschneidung ist 4300 Jahre alt. Es stammt vom Sarg von Ankh-ma-hor aus Ägypten zur Zeit des Alten Reichs und ist rund ein Jahrhundert jünger als die Pyramiden in Gizeh. Strabon und Philon von Alexandria berichteten, das die Beschneidung im pharaonischen Ägypten üblich sei.
Sind solche Riten erst einmal kulturell fest und auch religiös verankert, sind sie schwer zu beseitigen. Junge Leute aus Neu-Guinea zeigten mir einmal ganz stolz ihre vielen Narben, die dieser Ritus auf ihrem Oberkörper hinterlassen hatte.
Bei den Juden wird die Brit Mila, die männliche Beschneidung, schon beim Säugling vorgenommen.
: Dies ist mein Bund, den ihr hüten sollt zwischen mir und euch und deinem Samen nach dir: beschnitten soll euch jeder Männliche werden" (Gen. 17, 10). „Und zwar acht Tage alt soll euch jedes Männliche beschnitten werden" (Gen. 17, 12)
Eine Beschneidung ist nur gültig, wenn sie nach einem genauen Ritus vorgenommen wird, sonst zählt sie nicht.
Die muslimische Tradition stützt sich nicht auf den Koran, findet sich aber bei den Hadithen, auf einen Bericht aus dem Umfeld des Propheten Mohammed, der der Überlieferung zufolge sogar ohne Vorhaut zur Welt gekommen sein soll. Es gibt unter islamischen Gelehrten unterschiedliche Meinungen, ob die Beschneidung verbindlich oder nur empfehlenswert sei.
Das Christentum verzichtet auf blutige Spektakel und hat dafür die Konfirmation eingeführt. Offensichtlich brauchen die Menschen eine Einführung in das Erwachsenenleben, denn die Kommunisten ersetzten die Konfirmation durch die Jugendweihe.
Im Gegensatz zu den blutigen Ritualen vieler Naturvölker gilt die Beschneidung der Männer im Judentum und Islam als medizinisch unbedenklich.
Die Völkerkundler haben eine Fülle von Initiationsriten quer über den Erdball zusammengetragen. Damit wurde und wird in alten Kulturen der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenen mit verschiedenen Prozeduren markiert. Junge Männer werden dabei häufig extrem schmerzhaften Prozeduren unterworfen.
Zu den typischen Riten gehören das Ausschlagen oder Feilen der Zähne, Tätowierungen, tiefe Ritzungen mit Stein- oder Bambusmessern (Skarifizieren), Brandwunden zufügen, die Beschneidung (Zirkumzision) bis hin zum Aufschneiden der Harnröhre (Subinzision).
Der zum Mann werdende Jugendliche erhält Prüfungen auferlegt, wird in besondere Glaubensgeheimnisse eingeweiht und muss körperliche Schmerzen ertragen. Durch diese Wunden und später Narben am Körper wird die Aufnahme in die Welt der Erwachsenen besiegelt.
Möglicherweise sind die Beschneidungen in einigen Religionen Reste solcher Riten.
Das älteste überlieferte Bild einer männlichen Beschneidung ist 4300 Jahre alt. Es stammt vom Sarg von Ankh-ma-hor aus Ägypten zur Zeit des Alten Reichs und ist rund ein Jahrhundert jünger als die Pyramiden in Gizeh. Strabon und Philon von Alexandria berichteten, das die Beschneidung im pharaonischen Ägypten üblich sei.
Sind solche Riten erst einmal kulturell fest und auch religiös verankert, sind sie schwer zu beseitigen. Junge Leute aus Neu-Guinea zeigten mir einmal ganz stolz ihre vielen Narben, die dieser Ritus auf ihrem Oberkörper hinterlassen hatte.
Bei den Juden wird die Brit Mila, die männliche Beschneidung, schon beim Säugling vorgenommen.
: Dies ist mein Bund, den ihr hüten sollt zwischen mir und euch und deinem Samen nach dir: beschnitten soll euch jeder Männliche werden" (Gen. 17, 10). „Und zwar acht Tage alt soll euch jedes Männliche beschnitten werden" (Gen. 17, 12)
Eine Beschneidung ist nur gültig, wenn sie nach einem genauen Ritus vorgenommen wird, sonst zählt sie nicht.
Die muslimische Tradition stützt sich nicht auf den Koran, findet sich aber bei den Hadithen, auf einen Bericht aus dem Umfeld des Propheten Mohammed, der der Überlieferung zufolge sogar ohne Vorhaut zur Welt gekommen sein soll. Es gibt unter islamischen Gelehrten unterschiedliche Meinungen, ob die Beschneidung verbindlich oder nur empfehlenswert sei.
Das Christentum verzichtet auf blutige Spektakel und hat dafür die Konfirmation eingeführt. Offensichtlich brauchen die Menschen eine Einführung in das Erwachsenenleben, denn die Kommunisten ersetzten die Konfirmation durch die Jugendweihe.
Im Gegensatz zu den blutigen Ritualen vieler Naturvölker gilt die Beschneidung der Männer im Judentum und Islam als medizinisch unbedenklich.
Wallenstein- Gründungsmitglied
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Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Soweit ist es mir bekannt, Wallenstein, nur weis ich die Ursprünge nicht.
Ja, diese Völker - wie du schreibst - halten eine Beschneidung unbedenklich; aber wir Europäer denken wohl sicher anders darüber; denn so ungefährlich ist dies sicher nicht.
Bei den Juden ist es so wie du sagst, aber das es "Brit Mila" genannt wird, wusste ich auch nicht.
Wieder was dazu gelernt!
Das ist ja interessant:
Das älteste überlieferte Bild einer männlichen Beschneidung ist 4300 Jahre alt. Es stammt vom Sarg von Ankh-ma-hor aus Ägypten zur Zeit des Alten Reichs und ist rund ein Jahrhundert jünger als die Pyramiden in Gizeh. Strabon und Philon von Alexandria berichteten, das die Beschneidung im pharaonischen Ägypten üblich sei.
Gibt es darüber Fachliteratur?
EDIT:
Bei Tante Wiki habe ich darüber was gefunden. Aber ich hätte über dieses Thema gerne mal noch ausführlicher gelesen.
Ja, diese Völker - wie du schreibst - halten eine Beschneidung unbedenklich; aber wir Europäer denken wohl sicher anders darüber; denn so ungefährlich ist dies sicher nicht.
Bei den Juden ist es so wie du sagst, aber das es "Brit Mila" genannt wird, wusste ich auch nicht.
Wieder was dazu gelernt!
Das ist ja interessant:
Das älteste überlieferte Bild einer männlichen Beschneidung ist 4300 Jahre alt. Es stammt vom Sarg von Ankh-ma-hor aus Ägypten zur Zeit des Alten Reichs und ist rund ein Jahrhundert jünger als die Pyramiden in Gizeh. Strabon und Philon von Alexandria berichteten, das die Beschneidung im pharaonischen Ägypten üblich sei.
Gibt es darüber Fachliteratur?
EDIT:
Bei Tante Wiki habe ich darüber was gefunden. Aber ich hätte über dieses Thema gerne mal noch ausführlicher gelesen.
Ceres- Anzahl der Beiträge : 2899
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Initationsriten verschiedener Gesellschaften
The baby would say, "You wanna cut off what!?"
Eine Verwandte sagt: "Hearing that a Jewish person doesn't want to circumcise her son, it means she has a psychological problem, a deep problem. It's not normal".
Dieser Film zeigt Probleme junger Eltern. Ab der Stelle 19.10 (Minuten) im Film zeigt eine Verwandte nochmals dezidiert ihre Haltung. Dann nimmt ein Beschneider die Beschneidung vor. Am Schluß: Die junge Mutter kann ihre Verzweiflung nicht verbergen und erträgt es kaum, als ihr Kind jämmerlich zu schreien anfängt:
https://www.youtube.com/watch?v=O_lLUXUo3Wk&feature=related
Eine Verwandte sagt: "Hearing that a Jewish person doesn't want to circumcise her son, it means she has a psychological problem, a deep problem. It's not normal".
Dieser Film zeigt Probleme junger Eltern. Ab der Stelle 19.10 (Minuten) im Film zeigt eine Verwandte nochmals dezidiert ihre Haltung. Dann nimmt ein Beschneider die Beschneidung vor. Am Schluß: Die junge Mutter kann ihre Verzweiflung nicht verbergen und erträgt es kaum, als ihr Kind jämmerlich zu schreien anfängt:
https://www.youtube.com/watch?v=O_lLUXUo3Wk&feature=related
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Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Es gibt wohl viele Gesellschaften und Gruppen, die ihre Initationsriten haben - ich kann mich mitunter an hanebüchene Aufnahmeriten von Studentenverbindungen erinnern.
Schliesslich soll auch nicht die "Schule der Heimat", der Wehrdienst, vergessen werden, wo aus dem Jüngling ja auch ein Mann werden soll. Zwar ist hier der Hauptgrund ein anderer, aber der Wehrdienst wird ja gerne auch so verklärt.
Schliesslich soll auch nicht die "Schule der Heimat", der Wehrdienst, vergessen werden, wo aus dem Jüngling ja auch ein Mann werden soll. Zwar ist hier der Hauptgrund ein anderer, aber der Wehrdienst wird ja gerne auch so verklärt.
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Marek1964- Admin
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Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Der Entstehungszeitpunkt der Beschneidung und ihr ursprünglicher Sinn sind unbekannt. Was den Sinn betrifft, wird u.a. folgendes diskutiert: der schon genannte initiatorische Zweck, der Hygienezweck und der Sozialmarkierungszweck (Beschnittene = Oberschicht).
Eine Erklärung für den Initiationszweck liefert Prof. Guy Cox in "Why Circumcision: From Prehistory to the Twenty-First Century" (2012): Er interpretiert Beschneidung als ursprüngliche Maßnahme zur präzisen Regulierung der männlichen Fortpflanzungsfähigkeit. Die meisten Heranwachsenden wären, so der Experte, aufgrund einer natürlichen Phimose ohne Beschneidung nicht fähig gewesen, den Koitus so auszuführen, dass eine Befruchtung möglich war. Die Operation wurde an ihnen daher zu einem Zeitpunkt ausgeführt, von dem an ein Jugendlicher im Hinblick auf seine ökonomische Leistungsfähigkeit als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft anerkannt war. Ein Kind durfte also nur zeugen, wer einen angemessenen ökonomischen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten fähig war.
Ein religiöser Sinn wird der Beschneidung, soweit bekannt, erst von den Juden zugesprochen. Jahwe befiehlt (dem mythischen) Abraham, allen seinen Nachkommen (dem auserwählten Volk) die Beschneidung als Bekräftigung des Vertrags zwischen Jahwe und Volk aufzuerlegen. Ein Nichtbeschnittener sei aus dem Volk auszustoßen.
Psychoanalytisch kann dieser Brauch als symbolische Kastration gedeutet werden: Der unbewusste allmächtige Vater unterwirft seine Söhne, indem er das Blutopfer eines Teils ihres Genitals einfordert.
Das Christentum hat dieses Unterwerfungsritual insofern nicht nötig, als die Kreuzigung des Christus als vom ´himmlischen´ Vater auferlegte symbolische Kastration zu deuten ist, die eine symbolische Kastration jedes einzelnen Christen überflüssig macht. Wie Christus laut christlicher Ideologie alles menschlich Negative auf sich nimmt, so auch das Blutopfer aller (männlichen) Christen. Genauer: Durch das stellvertretende Leiden des Christus erlegt ´Gott´ den Menschen eine vergeistigte Form der Beschneidung auf: Sie haben ihrem fleischlichen Leib zugunsten einer Hingabe an das Himmelreich zu entsagen.
So heißt es im Kolosserbrief 2,11:
Während in der Mythologie des Tanach die materielle Beschneidung den Bund der Israeliten mit Jahwe besiegelt, garantiert die ´geistige´ Beschneidung des Christentums also den Neuen Bund (= Neues Testament) mit ´Gott´.
Eine Erklärung für den Initiationszweck liefert Prof. Guy Cox in "Why Circumcision: From Prehistory to the Twenty-First Century" (2012): Er interpretiert Beschneidung als ursprüngliche Maßnahme zur präzisen Regulierung der männlichen Fortpflanzungsfähigkeit. Die meisten Heranwachsenden wären, so der Experte, aufgrund einer natürlichen Phimose ohne Beschneidung nicht fähig gewesen, den Koitus so auszuführen, dass eine Befruchtung möglich war. Die Operation wurde an ihnen daher zu einem Zeitpunkt ausgeführt, von dem an ein Jugendlicher im Hinblick auf seine ökonomische Leistungsfähigkeit als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft anerkannt war. Ein Kind durfte also nur zeugen, wer einen angemessenen ökonomischen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten fähig war.
Ein religiöser Sinn wird der Beschneidung, soweit bekannt, erst von den Juden zugesprochen. Jahwe befiehlt (dem mythischen) Abraham, allen seinen Nachkommen (dem auserwählten Volk) die Beschneidung als Bekräftigung des Vertrags zwischen Jahwe und Volk aufzuerlegen. Ein Nichtbeschnittener sei aus dem Volk auszustoßen.
Psychoanalytisch kann dieser Brauch als symbolische Kastration gedeutet werden: Der unbewusste allmächtige Vater unterwirft seine Söhne, indem er das Blutopfer eines Teils ihres Genitals einfordert.
Das Christentum hat dieses Unterwerfungsritual insofern nicht nötig, als die Kreuzigung des Christus als vom ´himmlischen´ Vater auferlegte symbolische Kastration zu deuten ist, die eine symbolische Kastration jedes einzelnen Christen überflüssig macht. Wie Christus laut christlicher Ideologie alles menschlich Negative auf sich nimmt, so auch das Blutopfer aller (männlichen) Christen. Genauer: Durch das stellvertretende Leiden des Christus erlegt ´Gott´ den Menschen eine vergeistigte Form der Beschneidung auf: Sie haben ihrem fleischlichen Leib zugunsten einer Hingabe an das Himmelreich zu entsagen.
So heißt es im Kolosserbrief 2,11:
In ihm seid ihr auch beschnitten mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen gemacht ist, als ihr nämlich euren fleischlichen Leib ablegtet bei der Beschneidung durch Christus.
Während in der Mythologie des Tanach die materielle Beschneidung den Bund der Israeliten mit Jahwe besiegelt, garantiert die ´geistige´ Beschneidung des Christentums also den Neuen Bund (= Neues Testament) mit ´Gott´.
Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Das man im Christentum auf eine Beschneidung verzichtete, hatte wohl vor allem ganz praktische Gründe. Eine Bekehrung von Heiden ist einfacher, wenn man auf ein solches Ritual verzichtet. Den Genuss von Schweinefleisch erlaubten die Christen ja auch.
Das Christentum ist wohl eine Art "Judentum light". Gottesglaube ohne all die vielen komplizierten Regeln der Juden. Das erklärt vielleicht auch den großen Erfolg.
Das Christentum ist wohl eine Art "Judentum light". Gottesglaube ohne all die vielen komplizierten Regeln der Juden. Das erklärt vielleicht auch den großen Erfolg.
Wallenstein- Gründungsmitglied
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Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Wallenstein schrieb:
Das Christentum ist wohl eine Art "Judentum light". Gottesglaube ohne all die vielen komplizierten Regeln der Juden. Das erklärt vielleicht auch den großen Erfolg.
Aber da es auch ein irdisches Machtinstrument geworden ist, haben sich über die Jahrhunderte doch wieder eine ganze Menge "nützliche" Regeln angesammelt.
Was z.B. Tammuz ausführte ist das theoretische Grundgerüst, das ja nur von studierten Theologen begriffen werden kann. Für den gemeinen Gläubigen muß eben zusätzlich "Butter bei die Fische".
Skeptik- Anzahl der Beiträge : 1364
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Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Wallenstein hat sicher damit recht, dass die christliche Ablehnung der Beschneidung zum Teil durch eine dadurch begünstigte Akzeptanz des Christentums bei nicht-jüdischen Zielgruppen motiviert war.
Ein anderes, nicht minder wichtiges Motiv dürfte der ´urchristliche´ Widerstand gegen die rigiden Zwänge sein, die das Judentum den Gläubigen auferlegt (in Form der 613 Mizwot=Gesetze und eben der Beschneidung).
Ein drittes Motiv dürfte der christliche Anspruch auf Geltung für alle Menschen, unabhängig von der ethnischen Herkunft, gewesen sein. Da die Beschneidung die Juden als von anderen Ethnien rigide gesonderte Ethnie markiert, das Christentum aber alle Ethnien für sich gewinnen möchte, muss diese Markierung logischerweise abgelehnt werden.
Skeptik hat sicher damit recht, dass die von Paulus vorgetragene Idee der ´geistigen´ Beschneidung ein theologisches Konstrukt ist; um verstanden zu werden, bedurfte es damals aber keines theologischen Studiums, das es noch gar nicht gab, sondern einer hellenistischen Bildung, die bei den sozial gutsituierten Mitgliedern der kleinasiatischen Gemeinde, an die der Kolosserbrief angeblich gerichtet war, vorausgesetzt werden kann. Der Römerbrief verwendet übrigens die gleiche Rhetorik.
Die Historizität der Inhalte der paulinischen Briefe ist keine ausgemachte Sache, auch wenn die traditionell-konservative Forschung es so darstellt. Das gilt auch für die Apostelgeschichte. Dennoch kann man vermuten, dass die geschilderten sozialen Verhältnisse grundsätzlich den Rahmenbedingungen der frühen Christentumverbreitung entsprechen. Ich zweifle nicht daran, dass besagtes Konstrukt auch den Sklaven innerhalb der Gemeinden verständlich war. Das Denken in Metaphern und Analogien war typisch antik und erfüllt auch die Literatur des Alten Testaments, mit dem alle Gemeindemitglieder gut vertraut waren. Wenn Paulus solche rhetorischen Mittel einsetzte, dann sicher im Bewusstsein, damit vom durchschnittlichen Christen verstanden zu werden.
Vom eigentlichen Thema ´Initiationsritus´ ist all das keineswegs so entfernt, wie es vielleicht den Anschein hat. Die antiken mysterienkultischen Rituale waren ihrem Anspruch nach eine Initiation zur Erlangung ewigen Lebens. Diese Idee hat das Christentum direkt übernommen. Das christliche Surrogat der initiatorischen jüdischen Beschneidung ist die Taufe, die erste der drei katholischen Initiationen (nebst Firmung und Eucharistie).
Ein anderes, nicht minder wichtiges Motiv dürfte der ´urchristliche´ Widerstand gegen die rigiden Zwänge sein, die das Judentum den Gläubigen auferlegt (in Form der 613 Mizwot=Gesetze und eben der Beschneidung).
Ein drittes Motiv dürfte der christliche Anspruch auf Geltung für alle Menschen, unabhängig von der ethnischen Herkunft, gewesen sein. Da die Beschneidung die Juden als von anderen Ethnien rigide gesonderte Ethnie markiert, das Christentum aber alle Ethnien für sich gewinnen möchte, muss diese Markierung logischerweise abgelehnt werden.
Skeptik hat sicher damit recht, dass die von Paulus vorgetragene Idee der ´geistigen´ Beschneidung ein theologisches Konstrukt ist; um verstanden zu werden, bedurfte es damals aber keines theologischen Studiums, das es noch gar nicht gab, sondern einer hellenistischen Bildung, die bei den sozial gutsituierten Mitgliedern der kleinasiatischen Gemeinde, an die der Kolosserbrief angeblich gerichtet war, vorausgesetzt werden kann. Der Römerbrief verwendet übrigens die gleiche Rhetorik.
Die Historizität der Inhalte der paulinischen Briefe ist keine ausgemachte Sache, auch wenn die traditionell-konservative Forschung es so darstellt. Das gilt auch für die Apostelgeschichte. Dennoch kann man vermuten, dass die geschilderten sozialen Verhältnisse grundsätzlich den Rahmenbedingungen der frühen Christentumverbreitung entsprechen. Ich zweifle nicht daran, dass besagtes Konstrukt auch den Sklaven innerhalb der Gemeinden verständlich war. Das Denken in Metaphern und Analogien war typisch antik und erfüllt auch die Literatur des Alten Testaments, mit dem alle Gemeindemitglieder gut vertraut waren. Wenn Paulus solche rhetorischen Mittel einsetzte, dann sicher im Bewusstsein, damit vom durchschnittlichen Christen verstanden zu werden.
Vom eigentlichen Thema ´Initiationsritus´ ist all das keineswegs so entfernt, wie es vielleicht den Anschein hat. Die antiken mysterienkultischen Rituale waren ihrem Anspruch nach eine Initiation zur Erlangung ewigen Lebens. Diese Idee hat das Christentum direkt übernommen. Das christliche Surrogat der initiatorischen jüdischen Beschneidung ist die Taufe, die erste der drei katholischen Initiationen (nebst Firmung und Eucharistie).
Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Tammuz schrieb:
Ein drittes Motiv dürfte der christliche Anspruch auf Geltung für alle Menschen, unabhängig von der ethnischen Herkunft, gewesen sein. Da die Beschneidung die Juden als von anderen Ethnien rigide gesonderte Ethnie markiert, das Christentum aber alle Ethnien für sich gewinnen möchte, muss diese Markierung logischerweise abgelehnt werden.
Skeptik hat sicher damit recht, dass die von Paulus vorgetragene Idee der ´geistigen´ Beschneidung ein theologisches Konstrukt ist; um verstanden zu werden, bedurfte es damals aber keines theologischen Studiums, das es noch gar nicht gab, sondern einer hellenistischen Bildung, die bei den sozial gutsituierten Mitgliedern der kleinasiatischen Gemeinde, an die der Kolosserbrief angeblich gerichtet war, vorausgesetzt werden kann. Der Römerbrief verwendet übrigens die gleiche Rhetorik.
Für Marcion (85-160), den Gründer einer sehr großen christlichen Bewegung, war die Beschneidung als Sinnbild für den neuen Menschen in Christi sicher kein Bild, das er verwendet hätte. Da man annimmt, daß auf ihn die ersten Briefe eines Paulus zurückgehen, scheinen diese Briefe ursprünglich einen anderen Charakter gehabt zu haben.
Wiki: Marcion ist der erste Theologe, der systematisch einen Unterschied definierte zwischen einem guten Gott der Liebe des Neuen Testamentes, wie er von Jesus als Vater verkündigt wurde, und einem bösen Gott des Alten Testamentes, der für Schöpfung, Gesetz und Gericht verantwortlich sei. Infolgedessen weist Marcion das gesamte Alte Testament zurück, da es einen Demiurgen beschreibe, den er, ähnlich wie in der Gnosis, als bösen Gott auffasst, vor allem aber als einen Gott des Gesetzes.
Gerade die hellenistische Bildung beförderte sicher die reichhaltige Ausgestaltung des christlichen Gedankenguts in viele Richtungen. Daß wir so wenig von dieser marcionistischen Version wissen, zeigt die konsequente Arbeit der dann siegreichen Kirche in Rom.- The winner takes it all!
Skeptik- Anzahl der Beiträge : 1364
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Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Skeptik schrieb:
Für Marcion (85-160), den Gründer einer sehr großen christlichen Bewegung, war die Beschneidung als Sinnbild für den neuen Menschen in Christi sicher kein Bild, das er verwendet hätte. Da man annimmt, daß auf ihn die ersten Briefe eines Paulus zurückgehen, scheinen diese Briefe ursprünglich einen anderen Charakter gehabt zu haben.
Ich bin auf Marcions radikal anti-judaistische Lehre an anderer Stelle schon eingegangen (siehe Link unten). Dass auf ihn die ursprüngliche Fassung der Paulusbriefe zurückgeht, die später von den Katholiken usurpiert und katholisch überarbeitet worden seien, ist Dr. Deterings These, über die ich mit ihm vor Jahren ausführlich korrespondiert habe. So interessant die These ist, hat sie doch zumindest einen Schwachpunkt (das Verhältnis von Thess 1 und Thess 2), der kaum reparierbar ist. Ich schrieb damals in einer Email:
Was mich in Bezug auf die These, dass beide Thess gefälscht sind, etwas irritiert, ist das bekannte Spannungsverhältnis des zweiten zum ersten (der V. 2:2). Immerhin gehörten beide zu dem Set von Paulusbriefen, den Marcion herausgab. Wenn beide aus der gleichen "Werkstatt" stammen, warum wurden sie dann nicht harmonischer abgefasst?
Jedenfalls ist es übertrieben zu sagen, dass "man annimmt, dass usw.", wie du schreibst. Die Marcion-Paulusbriefe-These hat in der Religionswissenschaft eine Außenseiterposition.
Marcion hat laut Origenes die Beschneidung vor allem wegen der Schmerzen abgelehnt, die sie einem Kind zufügt. Dem Demiurgen (= jüdischer Gott Jahwe) warf er vor, in unsinniger Weise erst einen Körperteil zu schaffen und dann das Abschneiden dieses Teils unter Schmerzen und Blutvergießen als Vertragbesiegelung zu fordern. In dem von ihm herausgegebenen Lukas-Evangelium fehlt die Passage, die auf die Beschneidung des Jesus eingeht.
https://geschichte-forum.forumieren.de/t877-das-griechisch-orthodoxe-christentum#9476
Re: Initationsriten verschiedener Gesellschaften
Tammuz schrieb:
Ich bin auf Marcions radikal anti-judaistische Lehre an anderer Stelle schon eingegangen (siehe Link unten). Dass auf ihn die ursprüngliche Fassung der Paulusbriefe zurückgeht, die später von den Katholiken usurpiert und katholisch überarbeitet worden seien, ist Dr. Deterings These, über die ich mit ihm vor Jahren ausführlich korrespondiert habe.
Hermann Detering bezieht sich auch stark auf die Holländische Radikalkritik, Auf seiner Homepage befindet sich ein interessanter Artikel von G.A. van den Bergh van Eysinga über Marcion. Diese beiden Absätze finde ich aufschlußreich:
"Marcion besaß nicht die geringste Veranlassung, sich auf Paulus zu berufen und ihn dabei immer dann zu bescheiden oder zu verändern, wenn ihm das recht war. Er berief sich in der Tat auf einen diffamierten Zeugen, den erst er selber und die Seinen zu Ehre brachten, als die Gegner noch nicht einmal daran dachten. Was sollte ihn dann dazu genötigt haben, diesen Apostel immer wieder über den Mund zu fahren?"
"Bei vorurteilsloserer Betrachtung müßte es doch Staunen erregen, dass die bedeutenden Briefe des Apostels erst ein gutes Jahrhundert später zum ersten Mal das Licht der Öffentlichkeit erblicken, dazu noch aus der Hand eines Ketzers stammend, der sich darauf als seine spezielle Heilige Schrift beruft, während die Großkirche diese dann von ihm übernimmt und ihn am Ende auch noch beschuldigt, er hätte sie verfälscht."
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