Entsteht wirtschaftliche Entwicklung durch Luxus oder durch Sparsamkeit? Mandeville versus Max Weber.
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Entsteht wirtschaftliche Entwicklung durch Luxus oder durch Sparsamkeit? Mandeville versus Max Weber.
Sind Luxus und Verschwendung von Nachteil? Ist Sparsamkeit stets besser und dem vorzuziehen? Um die Entwicklung des Kapitalismus zu erklären, gibt es zwei verschiedene Ansätze:
Mandeville, Die Bienenfabel, (private Laster, öffentliche Vorteile)
(niederländischer Arzt, 1670-1733)
Am Beispiel eines Bienenstaates, als Metapher für England, beschrieb Mandeville in Versform eine reiche, aber lasterhafte Gesellschaft. Die Reichen frönen dem Luxus, die Armen schuften, um zu überleben. Advokaten verdrehen das Recht, Ärzte sehen Kranke als zahlende Kunden und nicht als Hilfsbedürftige. Politiker streichen als "Nebengelder" ein, was "Schwindelei" ihnen verschafft. Allerorten blüht Verschwendung und Luxus, Neid und Eitelkeit, Modesucht und Gier.
Diese so abstoßend scheinende Gesellschaft entdeckt die Tugenden der Rechtschaffenheit, der Sparsamkeit und der Anspruchslosigkeit - und sie verarmt. Dem Handel ist seine Schubkraft entzogen; Reiche und Arbeiter wandern aus. "Stolz, Luxus und Betrügerei muss sein, damit ein Volk gedeih", reimt Mandeville die Moral von der Geschichte. "Private Laster, öffentliche Vorteile" heißt es im Untertitel späterer Ausgaben der Bienenfabel.
Die Gier ist bei Mandeville die entscheidende Triebkraft der Entwicklung, die Tugend hingegen erdrosselt sie. Insgesamt gesehen sei das private Laster von Vorteil, da sich so der allgemeine Reichtum erhöhen wird.
Der Stammvater der deutschen Soziologie vertritt eine ganz andere Auffassung in seinem bekanntesten Werk:
Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1905)
Max Weber erklärt die Ursprünge des Kapitalismus aus der Berufsethik der Calvinisten. Stetige Arbeit, Verzicht auf Konsum, Sparsamkeit, kalkuliertes und vorausplanendes Verhalten, Investition des Gewinns in den Betrieb, Offenheit für jede Veränderung, die Profit bringen würde. Das alles macht eine kapitalistische Wirtschaftsordnung erst möglich.
Im Zentrum der Lehre Calvins und seiner Nachfolger stand die Lehre der Prädestination, der Vorherbestimmung des Schicksals. Gott hätte in seiner Weisheit vorherbestimmt, wer verdammt bliebe und wer selig werden würde. Es sei aber möglich, die Zeichen des Erwähltseins an sich zu erkennen. Im beruflichen Erfolg oder Misserfolg zeigt sich, ob eine Person in den Genuss göttlicher Gnade kommen würde oder nicht. Wirtschaftlicher Erfolg war ein Erkennungszeichen göttlicher Gnade. Der Protestant vergeudet nicht sein Geld in Luxus, sondern investiert es in Bildung und Technologien. So wurde aus einer religiösen Überzeugung der „Geist des Kapitalismus“. Er schuf den neuen Unternehmer, den stets vernünftig kalkulierenden und in allen Lebenslagen disziplinierten Unternehmer mit seiner Arbeitsmoral: fleißig, gewissenhaft, sparsam, emsig, tatkräftig und bescheiden.
Wer von den beiden hat denn nun Recht? Erklärt sich Entwicklung durch den hemmungslosen Konsum einer reichen Oberschicht und deren unersättlichen Warenhunger oder durch den sparsamen Unternehmer, der jeden Groschen umdreht? Haben vielleicht beide Recht? Sieht Mandeville möglicherweise nur die Nachfrage, die möglichst hoch sein soll und Weber nur die Produktion, also die Angebotsseite, für die andere Regeln gelten?
Wallenstein- Gründungsmitglied
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Re: Entsteht wirtschaftliche Entwicklung durch Luxus oder durch Sparsamkeit? Mandeville versus Max Weber.
In der Theorie bin ich bei Weber, in der Praxis bei Mandeville
Es muß beides geben, damit eine Gesellschaft gedeiht : hier die fleißigen, spartanischen
Bienen, dort die Verschwender, die den Honig auch konsumieren - denn das tun die Bienen selbst ja nicht.
Ähnlich funtioniert die Kreditwirtschaft : Gäbe es nur Gläubiger und keine Schuldner mehr ( weil sich alle vernünftig-sparsam verhalten), brächen die Kreditwirtschaft und damit unser jetziges WIrtschaftssytem zusammen.
Die real existierenden sozialistischen Gesellschaften haben verucht, diese Mechanismen außer Kraft zu setzen und eine auf Vernunft basierende "Planwirtschaft" einzuführen. Es hat nicht funktioniert, weil der Mensch eben nicht für den Vorteil der Allgemeinheit arbeiten möchte sondern für sich selbst und seine Angehörigen.
Es muß beides geben, damit eine Gesellschaft gedeiht : hier die fleißigen, spartanischen
Bienen, dort die Verschwender, die den Honig auch konsumieren - denn das tun die Bienen selbst ja nicht.
Ähnlich funtioniert die Kreditwirtschaft : Gäbe es nur Gläubiger und keine Schuldner mehr ( weil sich alle vernünftig-sparsam verhalten), brächen die Kreditwirtschaft und damit unser jetziges WIrtschaftssytem zusammen.
Die real existierenden sozialistischen Gesellschaften haben verucht, diese Mechanismen außer Kraft zu setzen und eine auf Vernunft basierende "Planwirtschaft" einzuführen. Es hat nicht funktioniert, weil der Mensch eben nicht für den Vorteil der Allgemeinheit arbeiten möchte sondern für sich selbst und seine Angehörigen.
Gontscharow- Gründungsmitglied
- Anzahl der Beiträge : 939
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Re: Entsteht wirtschaftliche Entwicklung durch Luxus oder durch Sparsamkeit? Mandeville versus Max Weber.
Gontscharow schrieb:
Die real existierenden sozialistischen Gesellschaften haben verucht, diese Mechanismen außer Kraft zu setzen und eine auf Vernunft basierende "Planwirtschaft" einzuführen. Es hat nicht funktioniert, weil der Mensch eben nicht für den Vorteil der Allgemeinheit arbeiten möchte sondern für sich selbst und seine Angehörigen.
Volle Zustimmung, die sozialistische, oder Kommunistische Wirtschaftsordnung ist eigentlich die Gesellschaft beste. Aber eben nicht durchsetzbar, weil der Mensch dafür nicht geschaffen ist. Bei 99 % der Menschen kommt irgendwann mehr, oder weniger der normale Egoismus durch.
Ausserdem bringt die Planwirtschaft einen viel geringeren Fortschritt in der wirtschaftlichen Entwicklung, weil die Anreize fehlen einen Fortschritt zu erreichen. Dazu kommt die Frustration von fähigen Leuten.
Re: Entsteht wirtschaftliche Entwicklung durch Luxus oder durch Sparsamkeit? Mandeville versus Max Weber.
Ich habe mit meiner Mutter ( Ost-Berlinerin) einmal ein Video, das Filmaufnahmen aus
DDR-Zeiten zeigte, gesehen. Die vergammelten Fassaden der Gebäude fand ich abstossend -ich selbst kann mich aus meiner Kindheit nur noch schwach an diese Zeit erinnern. Jedenfalls habe ich meine Mutter gefragt, warum denn nicht wenigstens die Fassaden der Häuser angestriche wurden, wenn man schon keine Ressourcen hatte, um sie vollständig zu rekonstruieren - für Farbe war doch bestimmt Geld da. Meine Mutter lächelte tiefsinnig und meinte : "Vielleicht war Geld für Farbe da - aber man mußte erst mal den WILLEN haben, ein Haus auch anzustreichen." Auf diese Diskussion übertragen heisst das, dass diesen Willen nur ein pivater Hauseigentümer hat, um seinen Besitz nicht verkommen zu lassen und gewinnbringend vermieten zu können.
DDR-Zeiten zeigte, gesehen. Die vergammelten Fassaden der Gebäude fand ich abstossend -ich selbst kann mich aus meiner Kindheit nur noch schwach an diese Zeit erinnern. Jedenfalls habe ich meine Mutter gefragt, warum denn nicht wenigstens die Fassaden der Häuser angestriche wurden, wenn man schon keine Ressourcen hatte, um sie vollständig zu rekonstruieren - für Farbe war doch bestimmt Geld da. Meine Mutter lächelte tiefsinnig und meinte : "Vielleicht war Geld für Farbe da - aber man mußte erst mal den WILLEN haben, ein Haus auch anzustreichen." Auf diese Diskussion übertragen heisst das, dass diesen Willen nur ein pivater Hauseigentümer hat, um seinen Besitz nicht verkommen zu lassen und gewinnbringend vermieten zu können.
SarahF- Anzahl der Beiträge : 207
Anmeldedatum : 26.01.15
Re: Entsteht wirtschaftliche Entwicklung durch Luxus oder durch Sparsamkeit? Mandeville versus Max Weber.
Das ist das Grundproblem von Volks-, oder Staatseigentum. Mal ehrlich, wer fühlt sich denn für Staatseigentum verantwortlich?
Und die Umbenennung von Staatseigentum in Volkseigentum, hat, wie man in den ehemaligen Ostblockländern sehen konnte, nichts gebracht. Da fühlt sich auch nur der verantwortlich, der mit der Aufsicht betraut ist.
Und die Umbenennung von Staatseigentum in Volkseigentum, hat, wie man in den ehemaligen Ostblockländern sehen konnte, nichts gebracht. Da fühlt sich auch nur der verantwortlich, der mit der Aufsicht betraut ist.
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