Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
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Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Anlässlich der Vorwürfe von Pediga, das wir in Deutschland eine Lügenpresse hätten, fällt mir die Diskussion Ende der sechziger Jahre ein. Damals hatten die Studenten als Parole ausgegeben: „Bild lügt“ und „Enteignet Springer“. Der Protest richtet sich aber nur gegen Springer, nicht gegen die Presse insgesamt. In meinem Keller fand ich ein Buch von dem „Sozialistischen Deutschen Studenten“ (SDS) mit dem Titel „Der Untergang der Bild Zeitung“, erschienen Frühjahr 1968 und noch einige andere Publikationen. Die damalige Rhetorik mutet heute etwas bizarr an, ich übersetze sie in die heutige Sprache.
Folgende Vorwürfe wurden von den Studenten erhoben:
Springer hatte damals bei den Print Medien einen Marktanteil von 45%, in Berlin sogar 70%. Damit beeinflusste der Konzern maßgeblich den Mainstream in der Meinungsbildung. Diese Macht wurde, so die Auffassung der Kritiker, missbraucht. Springer würde die Öffentlichkeit systematisch manipulieren und verdummen. Springer selbst hatte 1959 erklärt: „Ich war mir seit dem Kriegsende darüber klar, dass der Leser eines auf keinen Fall wollte, nämlich nachdenken. Und darauf habe ich meine Zeitungen eingestellt.“ (Sonntagsblatt, Hamburg, 5.9.1959)
Schaut man sich die Headlines aus den sechziger Jahren an, klingen sie heute wie Satire. Hier einige Beispiele:
Wildschweine zerrissen Dackel – Tiertragödie im Grunewald
77jährige überfuhr 75jährige – Drama in der Innenstadt
Fotomodell wollte sich am Balkon erhängen-abgestürzt
Arbeiter warf Holzklotz aus dem 4.Stock: Chef erschlagen!
Hund gefoltert – Man sollte dem Tierquäler die Finger abhacken!
Haus mit Liebespaar in die Luft gesprengt!
Kaufmann rottete seine ganze Familie aus. Nach dem 4.Mord küsste er seine tote Frau
Der Leser der Bild-Zeitung wird täglich durch solche absurden Geschichten und Überschriften verdummt. Die Leser bekommen ein kurioses Weltbild vermittelt. Aufgabe der Presse ist aber die verantwortungsvolle Information, sollte es jedenfalls sein.
Bild manipuliert durch Auswahl der Wörter:
Demonstranten sind immer „schmutzig“, „ungepflegt“, „frech“, „undiszipliniert“. Polizisten hingegen haben „schneidige Uniformen“, sind „stets gepflegt“, „höflich“ und „diszipliniert“. Schon durch die Auswahl der Worte wird klar gemacht, wer Freund und wer Feind ist, die Welt in Gut und Böse eingeteilt. Ohnehin zeichnet sich Bild dadurch aus, dass hier ein ganz einfaches Weltbild vermittelt wird. Es gibt nur Schwarz und Weiß, keine Zwischentöne.
Fragwürdige Aktionen der Staatsmacht werden durch simple Tautologien gerechtfertigt. Eine Militärparade darf man nicht stören, denn „Eine Parade ist eine Parade“, eine Rede darf nicht unterbrochen werden, weil „Eine Rede ist eine Rede“.
Bild geht vom Alltagsverständnis der Menschen aus. Gesellschaftliche Probleme werden zu individuellen Problemen umgedeutet. Ein gieriger Vermieter in Berlin schmeißt eine Familie raus, denn „die Kinder sind zu laut!“ Dahinter steht allerdings die ganze Misere der Wohnungsnot, die niedrigen Einkommen von Familien mit Kindern usw. Dieser ganze gesellschaftliche Hintergrund wird aber ausgeblendet. Stattdessen erscheint ein allgemeines Problem nun als ein singuläres, persönliches Problem der Akteure. Bild arbeitet stets auf dieser Ebene und vermeidet eine umfassendere Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen und entpolitisiert den Leser.
Bild will unterhalten. Es wird eine oft tragische Geschichte erzählt. Mit der Person sollen sich die Leser identifizieren. Anschließend werden aber die Sündenböcke genannt, auf die man draufhauen kann, die vermeintlichen Verursacher dieser Tragödie.
Beispiel: in einem Park treiben sich Sittlichkeitsverbrecher herum. Es wird ein diesbezüglicher Fall geschildert. Dann der Aufruf: „Wieder geschah ein Sittlichkeitsverbrechen an einem Kind! Und kein Erwachsener in der Nähe! Wo seid ihr denn, ihr Opas und Omas? Ich rufe euch zur Selbsthilfe! Opas und Omas, tut euch zusammen! Bewacht die Spielplätze, lasst Kinder nicht alleine spielen! (Untergang der Bild Zeitung, 1968, S. 37)
Bild bietet immer „Lösungsmöglichkeiten“ an, die oft extrem grenzwertig sind. Über Sittlichkeitsverbrechen wird nicht weiter aufgeklärt. Man schildert nur ein Schicksal, mit dem man sich identifizieren kann und fordert dann zur Selbsthilfe auf.
Bild verkehrt die Kräfteverhältnisse. In der Auseinandersetzung mit den Studenten verglich sich der Springer-Konzern mit den Juden, sie seien das Opfer einer mächtigen Verschwörung der Intellektuellen. Damit wird das Verhältnis völlig falsch dargestellt und die Demonstranten erscheinen als übermächtig, gegen die sich der arme Konzern verteidigen muss. Bild dichtet häufig kleinen Gruppierungen oftmals gigantische Kräfte an, seien es Gammler, Beatniks, Hippies oder was auch immer und entwickelt Bedrohung Szenarien, die es in dieser Form gar nicht gibt. Immer droht der Untergang des Abendlandes.
Bild betrieb damals einen offenen Aufruf zum Pogrom und die Überschriften erinnerten an den „Stürmer“. Hier einige Überschriften:
Herr Bürgermeister, machen sie Schluss mit der Seuche! (Gemeint war die APO)
Rote Horden und akademische Eierköpfe gehören nicht in unsere Stadt!
Senat, werde endlich hart!
Damit hatte Bild sich endgültig als Zeitung diskreditiert und war zum Kampfblatt geworden.
Ich muss zugeben, ich habe Bild schon lange nicht mehr gelesen. Ich weiß daher nicht, wie es heute aussieht.
Folgende Vorwürfe wurden von den Studenten erhoben:
Springer hatte damals bei den Print Medien einen Marktanteil von 45%, in Berlin sogar 70%. Damit beeinflusste der Konzern maßgeblich den Mainstream in der Meinungsbildung. Diese Macht wurde, so die Auffassung der Kritiker, missbraucht. Springer würde die Öffentlichkeit systematisch manipulieren und verdummen. Springer selbst hatte 1959 erklärt: „Ich war mir seit dem Kriegsende darüber klar, dass der Leser eines auf keinen Fall wollte, nämlich nachdenken. Und darauf habe ich meine Zeitungen eingestellt.“ (Sonntagsblatt, Hamburg, 5.9.1959)
Schaut man sich die Headlines aus den sechziger Jahren an, klingen sie heute wie Satire. Hier einige Beispiele:
Wildschweine zerrissen Dackel – Tiertragödie im Grunewald
77jährige überfuhr 75jährige – Drama in der Innenstadt
Fotomodell wollte sich am Balkon erhängen-abgestürzt
Arbeiter warf Holzklotz aus dem 4.Stock: Chef erschlagen!
Hund gefoltert – Man sollte dem Tierquäler die Finger abhacken!
Haus mit Liebespaar in die Luft gesprengt!
Kaufmann rottete seine ganze Familie aus. Nach dem 4.Mord küsste er seine tote Frau
Der Leser der Bild-Zeitung wird täglich durch solche absurden Geschichten und Überschriften verdummt. Die Leser bekommen ein kurioses Weltbild vermittelt. Aufgabe der Presse ist aber die verantwortungsvolle Information, sollte es jedenfalls sein.
Bild manipuliert durch Auswahl der Wörter:
Demonstranten sind immer „schmutzig“, „ungepflegt“, „frech“, „undiszipliniert“. Polizisten hingegen haben „schneidige Uniformen“, sind „stets gepflegt“, „höflich“ und „diszipliniert“. Schon durch die Auswahl der Worte wird klar gemacht, wer Freund und wer Feind ist, die Welt in Gut und Böse eingeteilt. Ohnehin zeichnet sich Bild dadurch aus, dass hier ein ganz einfaches Weltbild vermittelt wird. Es gibt nur Schwarz und Weiß, keine Zwischentöne.
Fragwürdige Aktionen der Staatsmacht werden durch simple Tautologien gerechtfertigt. Eine Militärparade darf man nicht stören, denn „Eine Parade ist eine Parade“, eine Rede darf nicht unterbrochen werden, weil „Eine Rede ist eine Rede“.
Bild geht vom Alltagsverständnis der Menschen aus. Gesellschaftliche Probleme werden zu individuellen Problemen umgedeutet. Ein gieriger Vermieter in Berlin schmeißt eine Familie raus, denn „die Kinder sind zu laut!“ Dahinter steht allerdings die ganze Misere der Wohnungsnot, die niedrigen Einkommen von Familien mit Kindern usw. Dieser ganze gesellschaftliche Hintergrund wird aber ausgeblendet. Stattdessen erscheint ein allgemeines Problem nun als ein singuläres, persönliches Problem der Akteure. Bild arbeitet stets auf dieser Ebene und vermeidet eine umfassendere Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen und entpolitisiert den Leser.
Bild will unterhalten. Es wird eine oft tragische Geschichte erzählt. Mit der Person sollen sich die Leser identifizieren. Anschließend werden aber die Sündenböcke genannt, auf die man draufhauen kann, die vermeintlichen Verursacher dieser Tragödie.
Beispiel: in einem Park treiben sich Sittlichkeitsverbrecher herum. Es wird ein diesbezüglicher Fall geschildert. Dann der Aufruf: „Wieder geschah ein Sittlichkeitsverbrechen an einem Kind! Und kein Erwachsener in der Nähe! Wo seid ihr denn, ihr Opas und Omas? Ich rufe euch zur Selbsthilfe! Opas und Omas, tut euch zusammen! Bewacht die Spielplätze, lasst Kinder nicht alleine spielen! (Untergang der Bild Zeitung, 1968, S. 37)
Bild bietet immer „Lösungsmöglichkeiten“ an, die oft extrem grenzwertig sind. Über Sittlichkeitsverbrechen wird nicht weiter aufgeklärt. Man schildert nur ein Schicksal, mit dem man sich identifizieren kann und fordert dann zur Selbsthilfe auf.
Bild verkehrt die Kräfteverhältnisse. In der Auseinandersetzung mit den Studenten verglich sich der Springer-Konzern mit den Juden, sie seien das Opfer einer mächtigen Verschwörung der Intellektuellen. Damit wird das Verhältnis völlig falsch dargestellt und die Demonstranten erscheinen als übermächtig, gegen die sich der arme Konzern verteidigen muss. Bild dichtet häufig kleinen Gruppierungen oftmals gigantische Kräfte an, seien es Gammler, Beatniks, Hippies oder was auch immer und entwickelt Bedrohung Szenarien, die es in dieser Form gar nicht gibt. Immer droht der Untergang des Abendlandes.
Bild betrieb damals einen offenen Aufruf zum Pogrom und die Überschriften erinnerten an den „Stürmer“. Hier einige Überschriften:
Herr Bürgermeister, machen sie Schluss mit der Seuche! (Gemeint war die APO)
Rote Horden und akademische Eierköpfe gehören nicht in unsere Stadt!
Senat, werde endlich hart!
Damit hatte Bild sich endgültig als Zeitung diskreditiert und war zum Kampfblatt geworden.
Ich muss zugeben, ich habe Bild schon lange nicht mehr gelesen. Ich weiß daher nicht, wie es heute aussieht.
Wallenstein- Gründungsmitglied
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Ich glaube, die classe politique muss sich wohl in den 70er Jahren von Bild abgewendet haben. Heute weiss man, dass es Boulevard Zeitungen gibt und ihren politischen Einfluss ist sicher geringer als in den sechziger Jahren.
In der Schweiz gibt des den Blick, der ein ähnliches Schema innehatte. Mein Primarlehrer, als konservativer ein Gegner von Demonstranten, hatte den Blick aber uns auch als schlechte Zeitung beigebracht.
In den 70er Jahren gab es Günther Wallraff, der sich bei Bild einschlich und später deren Methoden veröffentlichte. Das Buch hiess "der Aufmacher", ich habe es auch gelesen.
Es wäre vielleicht spannend, wenn Du Dir ein paar Tage die Bild Zeitung kaufst oder ggf. auf bild.de nachschaust, Wallenstein.
Mein Eindruck ist, dass es sich schon beruhigt hat, eine politische Vision ist nicht mehr da, die Orientierung steht auf Kommerz.
Das Gewicht auch geringer als in den 60ern. Das Internet, die grössere Medienvielfalt hat den Einfluss geringer werden lassen.
Das wie gesagt mein Eindruck, also keine Position auf grund von systematischen Erkenntnissen.
Ich bin insgesamt kritisch gegenüber der 68er Bewegung, aber dass man sich solchen Medien heute wirklich kritisch gegenüber stellt, ohne dass man Hochschulbildung gehabt haben muss ist sicher auch ihr Verdienst. Umgekehrt kenne ich auch gebildete Menschen, die Boulevard Zeitungen konsumieren (das Verb "lesen" vermeide ich), so ähnlich, wie man sich ab und zu einen Hamburger von McDonalds kauft, oder sonst junk food konsumiert. Günther Walraff bezeichnete ja den Hamburger auch eine "Art Bild Zeitung zum Essen".
In der Schweiz gibt des den Blick, der ein ähnliches Schema innehatte. Mein Primarlehrer, als konservativer ein Gegner von Demonstranten, hatte den Blick aber uns auch als schlechte Zeitung beigebracht.
In den 70er Jahren gab es Günther Wallraff, der sich bei Bild einschlich und später deren Methoden veröffentlichte. Das Buch hiess "der Aufmacher", ich habe es auch gelesen.
Es wäre vielleicht spannend, wenn Du Dir ein paar Tage die Bild Zeitung kaufst oder ggf. auf bild.de nachschaust, Wallenstein.
Mein Eindruck ist, dass es sich schon beruhigt hat, eine politische Vision ist nicht mehr da, die Orientierung steht auf Kommerz.
Das Gewicht auch geringer als in den 60ern. Das Internet, die grössere Medienvielfalt hat den Einfluss geringer werden lassen.
Das wie gesagt mein Eindruck, also keine Position auf grund von systematischen Erkenntnissen.
Ich bin insgesamt kritisch gegenüber der 68er Bewegung, aber dass man sich solchen Medien heute wirklich kritisch gegenüber stellt, ohne dass man Hochschulbildung gehabt haben muss ist sicher auch ihr Verdienst. Umgekehrt kenne ich auch gebildete Menschen, die Boulevard Zeitungen konsumieren (das Verb "lesen" vermeide ich), so ähnlich, wie man sich ab und zu einen Hamburger von McDonalds kauft, oder sonst junk food konsumiert. Günther Walraff bezeichnete ja den Hamburger auch eine "Art Bild Zeitung zum Essen".
Zuletzt von Marek1964 am Fr Apr 24, 2015 3:09 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
Marek1964- Admin
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Hier noch ein Hinweis auf unseren Post von PatriceLumumba
https://geschichte-forum.forumieren.de/t325-kanzler-kiesingers-notstandsgesetze-zum-schutz-oder-der-abschaffung-von-demokratie
Ich hatte mir vorgenommen, der Sache nachzugehen, bin aber nicht dazu gekommen. Der Bild Zeitung resp. der Springer Presse generell wurde der Vorwurft gemacht, am Anschlag auf Rudi Dutschke moralisch mitschuldig zu sein - der Attentäter wurde dann noch in den Jahren und Jahrzehnten danach "als von der Springer Presse aufgehetzt" bezeichnet.
https://geschichte-forum.forumieren.de/t325-kanzler-kiesingers-notstandsgesetze-zum-schutz-oder-der-abschaffung-von-demokratie
Nach der Ermordung eines Studenten sind diese ziemlich aufgebracht und (!) ... in dieser Situation verteilt ein "Verfassungsschutz"-Mann an 1968er-Studenten Molotow-Cocktails und erklärt ihnen wie man die BILD-Zeitungswagen so umkippt, dass Benzin ausläuft und sie brennen!
Ich hatte mir vorgenommen, der Sache nachzugehen, bin aber nicht dazu gekommen. Der Bild Zeitung resp. der Springer Presse generell wurde der Vorwurft gemacht, am Anschlag auf Rudi Dutschke moralisch mitschuldig zu sein - der Attentäter wurde dann noch in den Jahren und Jahrzehnten danach "als von der Springer Presse aufgehetzt" bezeichnet.
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Marek1964- Admin
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Ich habe mir noch nie eine "Bild"zeitung gekauft, weil ich derartigen Journalismus
nicht unterstützten will. Gelesen habe ich dieses Blatt über die Jahrzehnte aber schon oft,
da es überall in der Öffentlichkeit herumliegt.
Insgesamt ist die Bildzeitung heute absolut zahm geworden gemessen an den Schlagzeilen
der 60-er Jahre aus Wallensteins Beitrag ( die waren aber sicher nur die highlights, die alltägliche Bildsprache war sicherlich nicht so extrem ). Und die Bildredakteure machen sich
einen Spaß daraus, sich selbst zu karrikieren und Schlagzeilen wie "Bumm bumm Becker" o.ä.
zu erfinden.
Die Studenten von damals eint mit der Pegida unserer Tage der Vorwurf der Lüge gegenüber der Bildzeitung ( bzw. Pegida und die euechgen sprechen immer von "Mainstreampresse" und
schließen Spiegel,Zeit,FAZ etc mit ein). Das dürfte hauptsächlich damit zu tun haben, daß die
Bildzeitung / Presse nicht die von ihnen gewünschte Meinung vertritt. "Lüge" zu sagen ist immer einfacher als eine sachliche Auseinandersetzung.
nicht unterstützten will. Gelesen habe ich dieses Blatt über die Jahrzehnte aber schon oft,
da es überall in der Öffentlichkeit herumliegt.
Insgesamt ist die Bildzeitung heute absolut zahm geworden gemessen an den Schlagzeilen
der 60-er Jahre aus Wallensteins Beitrag ( die waren aber sicher nur die highlights, die alltägliche Bildsprache war sicherlich nicht so extrem ). Und die Bildredakteure machen sich
einen Spaß daraus, sich selbst zu karrikieren und Schlagzeilen wie "Bumm bumm Becker" o.ä.
zu erfinden.
Die Studenten von damals eint mit der Pegida unserer Tage der Vorwurf der Lüge gegenüber der Bildzeitung ( bzw. Pegida und die euechgen sprechen immer von "Mainstreampresse" und
schließen Spiegel,Zeit,FAZ etc mit ein). Das dürfte hauptsächlich damit zu tun haben, daß die
Bildzeitung / Presse nicht die von ihnen gewünschte Meinung vertritt. "Lüge" zu sagen ist immer einfacher als eine sachliche Auseinandersetzung.
Gontscharow- Gründungsmitglied
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Der Unterschied besteht darin, das Pegida generell die Presse als „Lügenpresse“ bezeichnet, während sich die Studenten auf den Springer Konzern beschränkten. Das liegt wahrscheinlich daran, das andere Zeitungen wie der Spiegel oder die Zeit sehr viel differenzierter berichteten und teilweise auch Sympathien für die Studenten hatten.
Auch war die Kritik damals ja durchaus anspruchsvoll vorgetragen worden, wie ich versucht habe darzustellen: Wahl der Worte, Tautologien, Individualisierung gesellschaftlicher Probleme usw. Ich glaube nicht, das Pegida zu einer solchen intellektuellen Leistung fähig ist, jedenfalls habe ich so etwas noch nicht gesehen.
Ob die Bild Zeitung nun Schuld hat an dem Dutschke Attentat lässt sich schwer sagen. Jedenfalls erfüllten viele Überschriften damals meiner Meinung nach den Tatbestand der Volksverhetzung und waren nichts anderes als Aufrufe zum Pogrom. Das sich dann ein so verwirrter rechtsradikaler Hitzkopf wie Bachmann, der geistig auch eher zu den bildungsfernen Schichten gehörte und sich später in der Zelle aufhängte, aufgestachelt fühlte, nun zur Tat zu schreiten, ist eigentlich nicht verwunderlich.
Ich hatte damals relativ lange Haare und wurde ständig auf der Straße angepöbelt mit Worten wie: „Dich müsste man vergasen!“, „Früher hätten wir dich an die Wand gestellt!“, „Bei Adolf gab es solche Typen wie dich nicht“.
Viele Leute hatten damals noch eine Weltanschauung, irgendwo zwischen Heinrich Himmler und Dschingis Khan.
Bereits der frühere Bundeskanzler Erhard klagte über „Gammler, Pinscher, Intellektuelle“. Und der bayerische CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß bezeichnete Demonstranten als Tiere, die eigentlich in den Zoo gehören.
Wenn dann noch eine Zeitung ständig hetzt, wird das politische Klima endgültig vergiftet.
Auch war die Kritik damals ja durchaus anspruchsvoll vorgetragen worden, wie ich versucht habe darzustellen: Wahl der Worte, Tautologien, Individualisierung gesellschaftlicher Probleme usw. Ich glaube nicht, das Pegida zu einer solchen intellektuellen Leistung fähig ist, jedenfalls habe ich so etwas noch nicht gesehen.
Ob die Bild Zeitung nun Schuld hat an dem Dutschke Attentat lässt sich schwer sagen. Jedenfalls erfüllten viele Überschriften damals meiner Meinung nach den Tatbestand der Volksverhetzung und waren nichts anderes als Aufrufe zum Pogrom. Das sich dann ein so verwirrter rechtsradikaler Hitzkopf wie Bachmann, der geistig auch eher zu den bildungsfernen Schichten gehörte und sich später in der Zelle aufhängte, aufgestachelt fühlte, nun zur Tat zu schreiten, ist eigentlich nicht verwunderlich.
Ich hatte damals relativ lange Haare und wurde ständig auf der Straße angepöbelt mit Worten wie: „Dich müsste man vergasen!“, „Früher hätten wir dich an die Wand gestellt!“, „Bei Adolf gab es solche Typen wie dich nicht“.
Viele Leute hatten damals noch eine Weltanschauung, irgendwo zwischen Heinrich Himmler und Dschingis Khan.
Bereits der frühere Bundeskanzler Erhard klagte über „Gammler, Pinscher, Intellektuelle“. Und der bayerische CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß bezeichnete Demonstranten als Tiere, die eigentlich in den Zoo gehören.
Wenn dann noch eine Zeitung ständig hetzt, wird das politische Klima endgültig vergiftet.
Wallenstein- Gründungsmitglied
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Ja, das war zweifelsohne so, Wallenstein. Ich habe die Nachwirkungen dieser seit der Nazizeit fast ungebrochenen Weltanschauung auch noch erleben dürfen ( Jahrgang 1963). Sie ist eigentlich erst mit dem Ableben dieser Generationen verschwunden.Wobei man fairerweise sagen sollte, daß bei weitem nicht alle Angehörigen der Generation Hitler so waren.
Gontscharow- Gründungsmitglied
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Wallenstein schrieb:
Ich hatte damals relativ lange Haare und wurde ständig auf der Straße angepöbelt mit Worten wie: „Dich müsste man vergasen!“, „Früher hätten wir dich an die Wand gestellt!“, „Bei Adolf gab es solche Typen wie dich nicht“.
Womit leider diese Leute eindrücklich bewies, wie dringend die 68er Bewegung nötig war, insbesondere im Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland.
Die Unfähigkeit zu trauern hatten wir ja schon im Thread zu Kiesingers notstandsgesetzen, link kommt gleich
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Marek1964- Admin
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Mir sagen Eure Beiträge, dass die Bildzeitung die öffentliche Meinung nicht in ihrem Sinne beeinflussen konnte. Ich bin nicht einmal sicher, ob sie es wollte. Für mich plapperte sie damals wie heute das nach, was "das Volk" denkt und lesen will. Wenn das so ist, dann ist die Bedeutung die eines Thermometers und nicht die einer Heizung.
Ich finde das sehr beruhigend. Die Bild zeigt, dass unsere Gesellschaft deutlich liberaler und toleranter geworden ist, obwohl die auflagenstärksten Blätter dem entgegenstanden.
Es sind immer noch die Wenigen und Aktiven, die die Kultur einer Gesellschaft verändern und nicht die Masse, die nur auf das eigene Interesse schaut.
Ich finde das sehr beruhigend. Die Bild zeigt, dass unsere Gesellschaft deutlich liberaler und toleranter geworden ist, obwohl die auflagenstärksten Blätter dem entgegenstanden.
Es sind immer noch die Wenigen und Aktiven, die die Kultur einer Gesellschaft verändern und nicht die Masse, die nur auf das eigene Interesse schaut.
Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Judas Phatre schrieb:Mir sagen Eure Beiträge, dass die Bildzeitung die öffentliche Meinung nicht in ihrem Sinne beeinflussen konnte. Ich bin nicht einmal sicher, ob sie es wollte.
Sie konnte es nicht, weil die gesellschaftliche Entwicklung eine klare Richtung ging - im Sinne von These-Antithese war die Synthese nicht das was Springer wollte - eine radikale Ablehnung der studentischen Forderungen und Toleranz gegenüber Polizeiübergriffen - sondern ein neuer gesellschaftlicher Konsens.
Also Axel Springer hatte sicher den Willen, die politische Stimmung zu beeinflussen, vor allem den Kommunismus zu bekämpfen und alles was er dafür hielt. Und eben, die linken Studenten posaunten damals eben auch viel linken Humbug heraus. Darauf war aber seine Reaktion nicht adequat.
Wie es Wallenstein schrieb - die Zeit und Spiegel berichteten damals schon differenzierter und so haben sich gewissermassen diese Medien "durchgesetzt", wenn man es überhaupt so sagen will.
Marek1964- Admin
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Re: Der Untergang der Bild Zeitung - Praktiken der Springer Presse in den 60er Jahren und heute
Hier ein Thread zum Roman von Heinrich Böll, die verlorene Ehre der Katharina Blum, der die Praktiken der Bild Zeitung unter die Lupe nimmt:
https://geschichte-forum.forumieren.de/t492-heinrich-boll-die-verlorene-ehre-der-katharina-blum-berechtigte-kritik-an-der-raf-hysterie-oder-subversion#4405
https://geschichte-forum.forumieren.de/t492-heinrich-boll-die-verlorene-ehre-der-katharina-blum-berechtigte-kritik-an-der-raf-hysterie-oder-subversion#4405
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